Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 24.10.2014, Az.: 1 Ws 439/14 (StrVollz)
Anfechtbarkeit der Nichtdurchführung eines einem Bundesland zugewiesenen Strafvollzugs aus Sicherheitsgründen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 24.10.2014
- Aktenzeichen
- 1 Ws 439/14 (StrVollz)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 25182
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2014:1024.1WS439.14STRVOLLZ.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - AZ: 75 StVK 198/13
Rechtsgrundlage
- § 109 StVollzG
Amtlicher Leitsatz
Die Entscheidung des Niedersächsischen Justizministeriums, den Strafvollzug gegen einen aus Sicherheitsgründen in den Strafvollzug des Landes Niedersachsen überstellten Strafgefangenen nicht weiter in Niedersachsen durchzuführen, ist eine anfechtbare Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG.
In der Strafvollzugssache
des H.-J. S.,
geb. am xxxxxx 1965 in H.,
zurzeit in der JVA W.
- Antragstellers und Beschwerdeführer -
gegen das Niedersächsische Justizministerium,
- Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin -
wegen Strafvollzug in Niedersachsen
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer 2 des Landgerichts Hannover vom 15. August 2014 nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug durch den Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, den Richter am Oberlandesgericht xxxxxx und den Richter am Amtsgericht xxxxxx am 24. Oktober 2014
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Prozesskostenhilfe wird mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache versagt.
- 2.
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
- 3.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
- 4.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der zu lebenslanger Freiheitsstrafe und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilte Antragsteller verbüßte seine Strafe zunächst in der JVA L. Aus Sicherheitsgründen wurde er sodann in die JVA H.-F. und danach in die Justizvollzugsanstalt C. verlegt, in der er sich vom 11. April 2012 bis 17. Februar 2014 befand. Der von dieser aufgestellte Vollzugsplan sah die Verlegung des Antragstellers in eine sozialtherapeutische Einrichtung vor. Mit seinem ursprünglichen Antrag auf gerichtliche Entscheidung erstrebte der Antragsteller die Verhinderung seiner Verlegung in eine Justizvollzugsanstalt des Landes Schleswig-Holstein. Hierzu hat er angegeben, auf seine Nachfrage hin von der Antragsgegnerin mündlich mitgeteilt bekommen zu haben, dass sein Verbleib in Niedersachsen nicht mehr weiter verlängert werde.
Die Kammer hat daraufhin dem Antragsteller mitgeteilt, dass sein Antrag unzulässig sein dürfte, da er sich nur gegen eine Maßnahme der Vollzugsbehörde, die regelmäßig die Justizvollzugsanstalt sei, wenden könne und zudem eine reine Absichtserklärung nicht Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könne. Am 18. Februar 2014 ist der Antragsteller in die JVA L. verlegt worden. Unter dem 25. Februar 2014 hat er daher hinsichtlich seines ursprünglichen Antrags die Erledigung erklärt. Gleichzeitig hat er den Antrag gestellt, die Rechtswidrigkeit der Maßnahme festzustellen.
Die Kammer hat diesen Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Zuvor hat sie die Justizvollzugsanstalt C. an dem Verfahren beteiligt und in den Gründen des angefochtenen Beschlusses den Antrag des Antragstellers dahingehend ausgelegt, dass sein Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorgenommenen Verlegung gerichtet war. In den folgenden Beschlussgründen hat die Kammer ausgeführt, dass die tatsächlich erfolgte Verlegung vom Antragsteller nicht angegriffen worden sei, sondern dieser sich nunmehr gegen die Tatsache wende, dass keine Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt des Landes Niedersachsen vorgenommen worden sei. Hierauf habe der Antragsteller jedoch keinen Anspruch. Einer befristeten oder dauerhaften Unterbringung des Antragstellers im Vollzug des Landes Niedersachsen sei vom Niedersächsischen Justizministerium nicht zugestimmt worden. Eine sozialtherapeutische Behandlung des Antragstellers in Niedersachsen hätte in unmittelbarer Zeit auch nicht begonnen werden können, da die sozialtherapeutischen Abteilungen ausgelastet seien und bereits Wartelisten geführt werden müssen. Hingegen verfüge die Justizvollzugsanstalt L. über eine sozialtherapeutische Abteilung, in der das therapeutische Ziel mithin ebenso erreicht werden könne. Außerdem leben die Angehörigen des Antragstellers im dortigen räumlichen Bereich, was eine Wiedereingliederung deutlich einfacher als in einem anderen Bundesland ermögliche.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers, der die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Er habe nicht die Verlegung als solche angefochten, sondern die Mitteilung des Niedersächsischen Justizministeriums, dass sein Aufenthalt in niedersächsischen Justizvollzugsanstalten nicht mehr verlängert werde. Zudem habe er einen Anspruch auf Sozialtherapie in einer niedersächsischen Einrichtung, da er sich auf den Vollzugsplan verlassen durfte.
Der Zentrale juristische Dienst für den niedersächsischen Justizvollzug hält die Rechtsbeschwerde für unzulässig, da es nicht geboten sei, die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i. S. von § 116 Abs. 1 StVollzG zu ermöglichen. Die Rückverlegung nach Schleswig-Holstein sei rechtmäßig gewesen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig erhoben worden. Der Zulässigkeit steht auch § 116 Abs. 1 StVollzG nicht entgegen, da es geboten ist, die Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. Es gilt den im Folgenden dargestellten Rechtsfehler zukünftig zu vermeiden.
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet.
a) Die Kammer geht in rechtlich zu beanstandender Weise von einem Antrag des Antragstellers aus, den dieser gar nicht erhoben hat. Sowohl dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung als auch der Rechtsbeschwerde ist zu entnehmen, dass sich der Antragsteller nicht gegen die Verlegung von der Justizvollzugsanstalt C. in die Justizvollzugsanstalt L. wenden wollte. Wäre dies Streitgegenstand, wäre die StVK Hannover zu einer Entscheidung auch gar nicht berufen gewesen, sondern hätte die Sache gemäß § 83 VwGO entsprechend i.V.m. § 17 a Abs. 2 GVG an die StVK Lüneburg, Zweigstelle Celle, verweisen müssen. Zwar trifft auch die Auffassung des Antragstellers, die Rechtmäßigkeit einer solchen Verlegung nur über § 23 EGGVG überprüfen lassen zu können, nicht zu. Denn auch wenn es sich bei dieser Verlegung um eine länderübergreifende handelt, stellt die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt, die Verlegung vorzunehmen, eine Maßnahme zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet des Strafvollzuges i. S. des § 109 StVollzG dar. Allein die Entscheidung des aufnehmenden Landes kann mangels bis dahin bestehenden Justizvollzugsverhältnisses Gegenstand eines Verfahrens nach den §§ 23 ff. EGGVG sein (vgl. Burhoff/Kotz-Schmidt-Clarner, Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, Teil B, Rdnr. 494). Entscheidend ist aber, dass sich der Antragsteller ausdrücklich gegen die von ihm geschilderte Mitteilung des Niedersächsischen Justizministeriums, dass sein Aufenthalt in Niedersachsen nicht verlängert werde, wenden will. Auch hierbei handelt es sich um eine Maßnahme i. S. des § 109 StVollzG, der zur Folge hat, dass ausnahmsweise nicht die Justizvollzugsanstalt, sondern das Niedersächsische Justizministerium an dem Verfahren vor der StVK zu beteiligen gewesen wäre. Insoweit handelt die Aufsichtsbehörde selber als Vollzugsbehörde mit bindender Wirkung für die Justizvollzugsanstalt. Ob eine solche Maßnahme durch das Niedersächsische Justizministerium getroffen worden ist, was von Seiten der Justizvollzugsanstalt Celle in Abrede genommen worden ist, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit des Antrags.
b) Der Antrag des Antragstellers in der dargelegten Form war jedoch unzulässig, da der Antragsteller kein berechtigtes Interesse an der Feststellung i. S. des § 115 Abs. 3 StVollzG hat. Eine konkrete Wiederholungsgefahr ist gegenwärtig nicht ersichtlich. Zudem ist auch ein Rehabilitationsinteresse des Antragstellers nicht anzunehmen. Hierfür genügt nämlich nicht jede Grundrechtsverletzung (vgl. OLG Celle, ZfStrVo 1993, 185), sondern ist ein diskriminierender Charakter der Maßnahme oder zumindest ein schwerer Grundrechtseingriff erforderlich. Ein solcher ist nicht erkennbar. Angesichts des Umstandes, dass der Antragsteller allein aus Sicherheitsgründen dem Justizvollzug in Schleswig-Holstein zunächst entzogen worden ist und die Entscheidung der Antragsgegnerin mithin lediglich dazu beiträgt, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass dem Antragsteller in absehbarer Zeit keine sozialtherapeutische Behandlung in Niedersachsen hätte ermöglicht werden können, auf die der Antragsteller aber einen Anspruch hätte geltend machen können, stellt sich die Maßnahme als nicht derart belastend dar, dass hierauf ein Feststellungsinteresse begründet werden kann.
III.
Prozesskostenhilfe war mangels Erfolgsaussichten der Hauptsache gemäß § 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. §§ 114 f. ZPO zu versagen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 4 StVollzG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.
V.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 1 Abs. 1 Nr. 8, 52, 60, 63 Abs. 3 Nr. 2, 65 GKG.