Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 16.10.2014, Az.: 1 Ws 419/14 (StrVollz)
Genehmigung der Annahme fremder Bekleidungsgegenstände unter Strafgefangenen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.10.2014
- Aktenzeichen
- 1 Ws 419/14 (StrVollz)
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 28540
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2014:1016.1WS419.14STRVOLLZ.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Oldenburg
Rechtsgrundlage
- § 1006 BGB
Amtlicher Leitsatz
Bei der Beurteilung, ob ein Gefangener Bekleidungsgegenstände von einem anderen Gefangenen (Sachen) annehmen darf, muss das Recht des Gefangenen auf das Tragen eigener Kleidung mitberücksichtigt werden.
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg zurückverwiesen.
Der Streitwert wird auf bis zu 500 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Oldenburg, durch den sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 10. Februar 2014 zurückgewiesen worden ist. Am 13. Januar 2014 beobachtete die Stationsbeamtin der Antragsgegnerin, dass der Mitgefangene W. dem Antragsteller ein Paar Adidas-Sportschuhe übergab. Da eine Genehmigung der Antragsgegnerin für die Annahme oder Abgabe von geringwertigen Sachen nicht bestand, wurden die Schuhe sichergestellt und zur Habe des Gefangenen W. genommen. Der Antragsteller beruft sich auf das Eigentum an den Schuhen, die er dem Mitgefangenen W. leihweise anlässlich dessen Berufungshauptverhandlung überlassen habe.
Die Kammer begründet ihre Entscheidung unter Berufung auf § 76 Abs. 1 NJVollzG damit, dass der Gefangene nur mit Erlaubnis der Vollzugsbehörde Sachen in Gewahrsam haben, annehmen oder abgeben darf. Ob der Antragsteller Eigentümer sei, sei unerheblich. Zweck der Vorschrift sei nicht die Zuordnung von Sachen an den Eigentümer, sondern die Verhinderung von Tauschgeschäften unter den Gefangenen. Zudem streite zugunsten des Gefangenen W. die Eigentumsvermutung gemäß § 1006 BGB.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers, der die Verletzung materiellen Rechts rügt sowie eine Aufklärungsrüge erhebt.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat vorläufigen Erfolg.
1. Sie ist zulässig erhoben. Zudem war es geboten, die Nachprüfung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen. Es gilt den im Folgenden dargestellten Rechtsfehler zukünftig zu vermeiden.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Soweit der Antragsteller darüber hinaus eine Entscheidung des Senats in der Sache anstelle der Kammer begehrt, war die Rechtsbeschwerde mangels Spruchreife unbegründet.
Zutreffend hat die Kammer ihrer Entscheidung zunächst § 76 Abs. 1 NJVollzG zugrunde gelegt. Danach darf der Gefangene Sachen nur mit Erlaubnis der Vollzugsbehörde in Gewahrsam haben, annehmen oder abgeben. Auf die Frage der Wertigkeit der Schuhe kam es dabei nicht an, weil von der Antragsgegnerin auch bei Sachen von geringem Wert keine allgemeine Zustimmung erteilt worden ist.
Die Kammer hat bei ihrer Bewertung allerdings übersehen, dass gemäß § 22 Abs. 1 NJVollzG der Antragsteller einen Anspruch auf das Tragen eigener Kleidung hat. Insoweit müssen im Rahmen des § 76 Abs. 1 NJVollzG auch die Kriterien des § 22 Abs. 1 NJVollzG berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm, NStZ 2002, 613 [OLG Hamm 26.02.2002 - 1 Vollz (Ws) 323/01] zur vergleichbaren Konstellation, soweit es sich um einen Gegenstand handelt, der der Ausstattung des Haftraums dienen soll). § 22 Abs. 1 NJVollzG stellt dabei zwar nicht den alleinigen Maßstab für die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung dar. Vielmehr können auch andere Kriterien wie die allgemeinen Vollzugsziele, die Unterbindung von Schwarzgeschäften und Abhängigkeiten zwischen Gefangenen etc. maßgeblich sein (vgl. OLG Hamm aaO.). Für die Beurteilung, ob die Entscheidung der Antragsgegnerin im Rahmen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums rechtmäßig war, kommt es aber mithin entscheidend darauf an, ob der Antragsteller Eigentümer der Sportschuhe ist. Dass die Vermutung des § 1006 BGB für ein Eigentum des Zeugen W. streite, trifft dabei nicht zu. Denn nach § 1006 wird nicht Eigentum des Besitzers vermutet, sondern dass der Besitzer bei Erwerb des Besitzes Eigenbesitz begründete, dabei unbedingtes Eigentum erwarb und es während der Besitzzeit behielt (BGH NJW 1994, 939 [BGH 19.01.1994 - IV ZR 207/92]). Da in der angefochtenen Entscheidung nicht mitgeteilt wird, wie und wann der Zeuge W. den Besitz an den Sportschuhen erlangt hatte, ist für den Senat die von der Kammer angenommene Vermutung nicht nachvollziehbar.
Mangels ausreichender Aufklärung des Sachverhaltes war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an die Kammer zurückzuverweisen. Diese wird nunmehr Beweis darüber einzuholen haben, wer Eigentümer der Schuhe ist. Stellt sich heraus, dass dem Antragsteller das Eigentum an den Schuhen nicht zusteht, wird die Kammer über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung erneut abschließend unter Hinweis auf § 76 Abs. 1 NJVollzG entscheiden können. Im anderweitigen Fall müsste die Kammer, da insoweit der Antragsgegnerin ein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. OLG Hamm aaO.) den angefochtenen Bescheid aufheben und die Antragsgegnerin zu einer Neubescheidung verpflichten. Eine Entscheidung des Senats in der Sache selbst kam jedenfalls mangels Spruchreife nicht in Frage.
III.
Die Bestimmung des Streitwerts folgt aus den §§ 1 Abs. 1 Nr. 8, 52, 60, 63 Abs. 3 Nr. 2, 65 GKG.