Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 27.03.2015, Az.: 3 A 1171/13
Anspruch eines Gymnasiallehrers auf Erstattung von Anschaffungskosten für zwei angeschaffte Lehrbücher im Fach Deutsch von je 25,50 EUR
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 27.03.2015
- Aktenzeichen
- 3 A 1171/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 13189
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2015:0327.3A1171.13.0A
Rechtsgrundlagen
Redaktioneller Leitsatz
Eine Lehrkraft hat grundsätzlich Anspruch auf Übernahme der Anschaffungskosten für die von ihr erworbenen Lehrbücher aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 683 S. 1 und 2, 670, 679 BGB, soweit die Voraussetzungen des Aufwendungsersatzanspruchs erfüllt sind, es sich um für einen ordnungsgemäßen Unterricht erforderliche Lehrmittel handelt, die Behörden ihrer Verpflichtung zur Beschaffung der Lehrbücher bzw. ihrer diesbezüglichen Einwirkungspflicht nicht nachgekommen sind und angesichts des unmittelbar bevorstehenden Unterrichtsbeginns auch kein behördlicher Ermessensspielraum mehr bestand, den die betroffene Lehrkraft hätte respektieren müssen. Das gilt jedenfalls in einer ohne Vernachlässigung der Dienstaufgaben und Dienstpflichten anders nicht lösbaren Situation der Lehrkraft. Demgegenüber ist der Verweis auf die Möglichkeit der Fernleihe zur Beschaffung von Lehrbüchern für Lehrkräfte generell ungeeignet.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Erstattung von Anschaffungskosten für zwei von ihr als Gymnasiallehrerin angeschaffte Lehrbücher im Fach Deutsch von je 25,50 EUR.
Die Klägerin, Oberstudienrätin im Dienst des Landes Niedersachsen, unterrichtet am Gymnasium F. Süd unter anderem das Fach Deutsch. Am 9. Januar 2007 beschloss die Fachkonferenz Deutsch am Gymnasium F. die Anschaffung des "Deutschbuches" aus dem G. Verlag für alle Jahrgangsstufen.
Am 16. August 2011 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass sie mit Beginn des Schuljahres am nächsten Tag das Fach Deutsch jeweils in einer 7. und 10. Klasse unterrichten solle.
Da ihr die Lehrbücher für das Fach Deutsch in den Klassen 7 und 10 nicht zur Verfügung standen, bat sie den Schulleiter, ihr die Lehrbücher zur Verfügung zu stellen. Der Schulleiter erklärte daraufhin, dass er dazu nicht die Möglichkeit habe.
Die Klägerin erwarb am 17. August 2011 das Deutschbuch 10. Schuljahr Gymnasium - Schüler Buch - mit der ISBN 97834646806 und das Deutschbuch Gymnasium 7. Schuljahr mit der ISBN 3464680576 jeweils zum Preis von 25,50 EUR.
Am 9. Februar 2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erstattung der Kosten für das Deutschbuch Klasse 7 und das Deutschbuch Klasse 10 in Höhe von jeweils 24,95 EUR.
Mit Schreiben vom 27. November 2012 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie sich die Schulbücher trotz fehlender Ermächtigung angeschafft habe, weil das neue Schuljahr begonnen habe und sie das Ergebnis des Antrags nicht habe abwarten können.
In einem der von ihr beschafften Schulbücher nahm die Klägerin Markierungen mittels eines Textmarkers vor und erstellte einige Randnotizen.
Unter dem 15. Februar 2013, der Klägerin zugestellt am 19. Februar 2013, lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme für die Schulbücher Deutschbuch Klasse 7 und Deutschbuch Klasse 10 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, ein Anspruch der Klägerin auf Kostenübernahme ergebe sich in ihrem Einzelfall weder aus § 112 Abs. 1 NSchG noch aus fürsorgerechtlichen Grundsätzen. Die von den Lehrkräften für Unterrichtszwecke genutzten Schulbücher und Materialien seien Lehrmitteln zuzuordnen, die zur Ausstattung der Schule gehörten und den Lehrkräften vom Schulträger zur Verfügung zu stellen seien. Eine Beschaffung der geforderten Unterrichtsmaterialien nach dem Niedersächsischen Schulgesetz könne nur im Rahmen des von den Schulen vom Schulträger zur Verfügung gestellten Sachkostenbudgets in Betracht kommen. Eine Verpflichtung des Landes, die Kosten für angeschaffte Schulbücher zu übernehmen, ergebe sich im Einzelfall auch nicht aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Ein solcher Anspruch komme nur in Betracht, wenn ohne Fürsorgeleistung eine unerträgliche Belastung der amtsangemessenen Lebensführung des Beamten eintreten würde. Für die Amtsangemessenheit komme es nicht darauf an, welche Ausstattung an Lehrbüchern wünschenswert wäre. Bei der Klägerin gestalteten sich die Arbeitsbedingungen noch als amtsangemessen. Die von ihr zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung benötigten Bücher seien zwar nicht in der Lehrerbibliothek vorhanden, die Bücher könnten aber im Wege der Fernleihe über andere Bibliotheken bestellt werden. Es sei nicht ersichtlich, dass durch die Nutzung der Schulbücher im Wege der Fernleihe ohne Fürsorgeleistung eine unerträgliche Belastung der amtsangemessenen Lebensführung eintreten und dadurch die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern beeinträchtigt würde. Daran ändere sich auch nichts, wenn eine Lehrkraft das Schulbuch derart nutzen wolle, dass sie es mit individuellen didaktischen Hinweisen oder Lösungen versehe.
Schließlich scheitere ein Anspruch auf Erstattung der für die Anschaffung aufgewendeten Kosten an formalen Kriterien, da es hierfür an einer Ermächtigung durch den Dienstherrn fehle. Der Beginn des Schuljahres rechtfertige eine ausnahmsweise vorzeitige Anschaffung nicht, da die anzuschaffenden Bücher bis zur Entscheidung über den Antrag im Wege der Fernleihe hätten genutzt werden können.
Dagegen hat die Klägerin mit einem am 18. März 2013 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben. Zur Begründung führt sie an, dass sie nicht darauf verwiesen werden könne, Ansprüche gegenüber dem Schulträger geltend zu machen. Stelle die Schulleitung fest, dass ein für den Unterricht des nächsten Schuljahres benötigtes Schulbuch nicht in der Schulbibliothek vorhanden sei, habe sie den Schulträger auf die Notwendigkeit der Beschaffung des Lehrbuches für die Schulbibliothek hinzuweisen. Die Schulträger verträten seit Jahren durchgehend den Standpunkt, dass es sich bei den von Lehrern verwendeten Schulbüchern um persönliche Arbeitsunterlagen handele, für die das Land zuständig sei.
Auch könne ihr nicht entgegengehalten werden, es habe die Möglichkeit bestanden, das Buch im Wege der Fernleihe zu besorgen. Es werde bestritten, dass diese Möglichkeit bestanden habe. Zudem sei sie darauf auch nicht hingewiesen worden. Weiter sei nicht bekannt, welche Bibliothek die Bücher verleihen würde. Auch sei die Fernleihe mit Kosten verbunden, für die die Beklagte nicht einstehen würde. Ferner könne ein Buch immer nur für kurze Zeiträume ausgeliehen werden, es werde jedoch für das gesamte Schuljahr benötigt. Der Hinweis der Beklagten, die Klägerin hätte sich nicht nur an den Schulleiter, sondern auch an die Beklagte wenden müssen, gehe fehl, denn der Schulleiter sei nach § 43 Abs. 4 NSchG zuständig. Es habe sich gezeigt, dass Lehrkräfte, denen das benötigte Lehrbuch nicht zur Verfügung gestellt werde, das Lehrbuch selbst beschaffen müssten, wenn sie verantwortlich Unterricht erteilen wollten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. Februar 2013 zu verurteilen, ihr einen Betrag in Höhe von 51,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. März 2013 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass Aufwendungsersatz für Schulbücher, die Lehrkräfte selbst beschafft hätten, nur in besonderen Ausnahmefällen auch unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 12. März 2013 und des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. März 2013 zu leisten sei. Im vorliegenden Fall lägen die Voraussetzungen für ein Selbsteintrittsrecht und eine damit einhergehende Kostenerstattung nicht vor. Anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall, in dem die Lehrkraft das Schulbuch ausschließlich zur Nutzung und nicht für den Eigenbedarf erworben habe, erscheine es angesichts der von der Klägerin in einem der beiden Bücher vorgenommenen Textmarkierung und Randnotizen fraglich, ob das Bundesarbeitsgericht in der vorliegenden Fallkonstellation einen Kostenerstattungsanspruch in analoger Anwendung der § 670 ff. BGB bejahen würde. Ferner sei es zweifelhaft, ob die Bemühungen der Klägerin im Vorfeld der Bücherbeschaffung ein Selbsteintrittsrecht und einen damit verbundenen Erstattungsanspruch begründen könnten. Denn die Schulleitung sei als solcher nicht Dienstvorgesetzter, sondern nur Vorgesetzter der Lehrkräfte. Unmittelbarer Dienstvorgesetzter der Lehrkräfte sei die Leitung der Landesschulbehörde, soweit die dienstrechtlichen Befugnisse nicht auf die Schulleitungen übertragen worden seien. Demnach hätte die Klägerin vor der Ausübung des Selbsteintrittsrechts mindestens ihren unmittelbaren Dienstvorgesetzten fragen müssen. Gegebenenfalls hätte das Buch dann im Wege der Fernleihe bestellt werden können.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Die Klägerin hat Anspruch auf Übernahme der Anschaffungskosten für die von ihr erworbenen beiden Lehrbücher für den Deutschunterricht in der Klasse 7 und Klasse 10 in Höhe der verauslagten 51,00 EUR. Der Umstand, dass die Klägerin in ihrem Antrag auf Kostenübernahme für die zum Preis von 25,50 EUR - durch Vorlage des Kassenbelegs im gerichtlichen Verfahren belegt - beschafften Bücher den Anschaffungspreis jeweils auf lediglich 24,95 EUR beziffert hat, führt nicht zur Verminderung des Kostenerstattungsanspruchs. Denn der Klägerin ging es ersichtlich auch schon beim Antrag auf Kostenübernahme darum, den vollständigen Kaufpreis erstattet zu erhalten. Das Gericht erachtet die geringfügig abweichende Angabe des Kaufpreises im Antrag als versehentlich unterlaufene, unbeachtliche Falschbezeichnung, weil nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin auf die Differenz von 1,10 EUR verzichten wollte.
Der berechtigte Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin stützt sich auf eine entsprechende Anwendung der §§ 683 Satz 1 und 2, 670, 679 BGB. Die bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) sind im Streitfall analog anwendbar (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.02.2013 - 6 A 1760/11 - zitiert nach ). In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass die Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag grundsätzlich auch im öffentlichen Recht Anwendung finden können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.03.2003 - 6 B 22.03 - zitiert nach , mit weiteren Nachweisen, und Urteil vom 06.09.1988 - 4 C 5.86 - BVerwGE 80, 170).
Die Voraussetzungen für den Aufwendungsersatz gemäß §§ 683 Sätze 1 und 2, 670, 679 BGB sind erfüllt. Wer eine Aufgabe erledigt, die, wie er weiß, zum Aufgabenbereich einer Behörde gehört, tätigt ein objektiv fremdes Geschäft und handelt als Geschäftsführer ohne Auftrag. Er kann nach § 683 Satz 1 BGB wie ein Beauftragter und somit entsprechend § 670 BGB Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht. Nach §§ 683 Satz 2 i.V.m. 679 BGB steht dieser Anspruch dem Geschäftsführer auch dann zu, wenn die Übernahme der Geschäftsführung mit dem Willen des Geschäftsherrn in Widerspruch steht, aber ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden könnte.
Danach sind die Voraussetzungen für den Aufwendungsersatzanspruch gegeben. Die Klägerin hat bei der Beschaffung der Schulbücher ein fremdes Geschäft besorgt. Zur Bereitstellung der für einen ordnungsgemäßen Unterricht erforderlichen Lehrmittel ist gemäß § 113 NSchulG der Schulträger - hier die Stadt F. - verpflichtet. Er trägt nach § 113 NSchG die sächlichen Kosten der öffentlichen Schulen. Darunter fallen Lehrmittel für den Unterricht (Brockmann in Brockmann, Littmann, Schippmann, Kommentar zum NSchG, § 113 Rdnr. 2.1.2). Bei den von der Klägerin beschafften Schulbüchern handelt es sich um für einen ordnungsgemäßen Unterricht erforderliche Lehrmittel. Lehrmittel sind, wie sich dem zusammengesetzten Begriff selbst entnehmen lässt, Mittel zum Lehren, also solche Unterrichtsmittel, die von den Lehrkräften für die Vorbereitung und Durchführung des Unterrichts benötigt werden (vgl. Niehues/Rux, Schul- und Prüfungsrecht, Band 1 Schulrecht, 4. Auflage 2006, Rdnr. 1066).
Schulbücher können demnach sowohl Lehr- als auch Lernmittel darstellen, je nachdem, ob sie - wie hier - von Lehrkräften zur Unterrichtsvorbereitung und -gestaltung oder aber von Schülern verwendet werden. Aus der Perspektive des Lehrers sind Schulbücher in der Auflage, derer sich die Schüler bedienen müssen, auch für einen ordnungsgemäßen Unterricht erforderliche Lehrmittel. Es ist selbstverständlich und nicht weiter begründungsbedürftig, dass die Lehrkraft für eine sachgerechte Unterrichtsvorbereitung und -erteilung über Schulbücher in der gleichen Auflage verfügen muss wie die Schüler (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.03.2013 - 6 A 1760/11 - a.a.O.).
Bereits daraus ergibt sich zugleich, dass den Lehrer selbst keine Verpflichtung trifft, die für den Unterricht benötigten Lehrmittel aus eigenen Mitteln zu beschaffen. Dessen Besoldung stellt als Alimentation eine Unterhaltsleistung für den Beamten und seine Familienangehörigen dar und dient dem persönlichen Verbrauch, nicht der Beschaffung von Arbeitsmitteln im Interesse des Dienstes und der Dienstausübung (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.03.2013 - 6 A 1760/11 - a.a.O.).
In der konkret gegebenen Situation handelte es sich bei der Bereitstellung der streitgegenständlichen Schulbücher indes auch um ein Geschäft der Beklagten. Aus dem Dienst- und Treueverhältnis folgt als Nebenpflicht auch die Verpflichtung des Dienstherrn, dem Beamten die für die Dienstausübung erforderlichen Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.1985 - 2 C 45.82 - BVerwGE 72, 170; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.02.2008 - 2 A 11288/07 - DÖD 2008, 175; Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Bundesbeamtengesetz, Loseblatt, § 79 BBG Rdnr. 9; Kohde in v. Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Loseblatt, § 45 BeamtStG Rdnr. 22). Nichts anderes muss für die hier interessierende Ausstattung des Beamten mit den für eine ordnungsgemäße Dienstausübung benötigten Arbeitsmitteln gelten.
Es gilt für den Beamten wie für den angestellten Lehrer im Ausgangspunkt gleichermaßen, dass er von seinem Dienstherrn die Überlassung der für die Erfüllung seiner Unterrichtsaufgaben benötigten Arbeitsmaterialien verlangen kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.03.2013 - 6 A 1760/11 - a.a.O.). Die Arbeitsgerichte billigen dem angestellten Lehrer einen aus dem Rechtsgedanken des § 670 BGB abgeleiteten Anspruch auf Aufwendungsersatz (vgl. BAG, Großer Senat, Beschluss vom 10.11.1961 - GS 1/60 - BAGE 12, 15, und Urteil vom 21.08.1985 - 7 AZR 199/83 - , NZA 1986, 324 -) zu, wenn er mangels rechtzeitiger Erfüllung der Arbeitgeberpflichten selbst ein Schulbuch anschafft, das er für den Unterricht für erforderlich halten durfte (vgl. LAG Niedersachsen, Urteil vom 02.05.2011 - 8 Sa 1258/10 - zitiert nach , und BAG, Urteil vom 12.03.2013 - 9 AZR 455/11 - zitiert nach ).
Infolge der Zuständigkeitsaufspaltung im Hinblick auf die schulischen Personal- und Sachkosten muss der Dienstherr im Regelfall die notwendigen Lehrmittel nicht selbst bereitstellen. Seiner Pflicht, dem Beamten die für die Dienstausübung erforderlichen Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen, genügt der Dienstherr vor diesem Hintergrund vielmehr im Allgemeinen dadurch, dass er auf den Schulträger dahin einwirkt, dem Beamten die notwendigen Lehrmittel zur Verfügung zu stellen.
Im vorliegenden Fall lebte indes die an sich gegebene und nur für den Regelfall durch die Beschaffungspflicht des Schulträgers überlagerte primäre Ausstattungspflicht des Dienstherrn wieder auf. Aus der Sicht der Klägerin hatten die beteiligten Behörden die Erfüllung ihrer Pflichten im Hinblick auf die Bereitstellung der Lehrmittel nachhaltig und grundsätzlich verweigert. Die Klägerin hat sich unmittelbar nach Bekanntwerden der Unterrichtsverpflichtung in der Klasse 7 und Klasse 10 im Fach Deutsch am 16. August 2011, mithin unmittelbar vor Schuljahresbeginn, an den Schulleiter des Gymnasiums F. mit der Bitte gewandt, ihr die für die ordnungsgemäße Dienstausübung erforderlichen Schulbücher zur Verfügung zu stellen. Der Schulleiter hat daraufhin erklärt, dass er dazu nicht die Möglichkeit habe.
Demgegenüber kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Klägerin sich nicht an den Schulleiter, sondern an die Landesschulbehörde als Dienstvorgesetzten hätte wenden müssen. Die Notwendigkeit der Beschaffung der Lehrbücher stand seit längerem fest. Denn die Einführung dieses Lehrbuchs wurde auf der Fachkonferenz Deutsch bereits am 9. Januar 2007 beschlossen. Von daher war bereits seit mehreren Jahren bekannt, dass dieses Lehrbuch den das Fach Deutsch in den Klassen 7 und 10 unterrichtenden Lehrkräften zur Verfügung zu stellen war. Weder aus den vorliegenden Verwaltungsvorgängen noch aus dem Vorbringen der Beteiligten ist indes ersichtlich, dass und auf welche Weise eine Ausstattung der Lehrkräfte mit Lehrbüchern durch die Dienstvorgesetzten für das hier interessierende Schuljahr 2011/2012 gewährleistet wurde. Vielmehr haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass das Problem der Übernahme der Kosten für Lehrbücher für Lehrkräfte seit über 10 Jahren bekannt und aufgrund unterschiedlicher Rechtsauffassungen der Beklagten und der Schulträger zu der Frage, wer für die Kostenübernahme zuständig sei und sie zu leisten habe, nicht gelöst sei. Die aus Sicht der Beklagten in der Pflicht befindlichen Schulträger weigerten sich, diese Kostenübernahmepflicht anzuerkennen. Von daher verwundert es nicht, dass seit dem Beschluss der Fachkonferenz vom 9. Januar 2007 konkret in Bezug auf die Beschaffung der Bücher bzw. in Bezug auf die Kostenübernahme durch den hier zuständigen Schulträger eine Lösung nicht gefunden wurde. Offensichtlich ist weder die Schule noch die Beklagte an die Stadt F. mit der Bitte herangetreten, die Kosten für die erforderlichen Lehrbücher der Lehrkräfte zu übernehmen.
Zwar wird bei der Entscheidung, welche Arbeitsmittel zur Erfüllung der Dienstpflichten konkret geeignet und erforderlich sind, in aller Regel ein zu beachtender Spielraum des Dienstherrn bestehen (vgl. Kohde in v. Roetteken/Rothländer, BeamtStG, Loseblatt, § 45 BeamtStG Rdnr. 23 mit weiteren Nachweisen). Bezüglich der streitgegenständlichen Schulbücher war das jedoch nicht der Fall. Durch den Beschluss der Fachkonferenz Deutsch vom 9. Januar 2007 war frühzeitig festgelegt worden, welche Lernmittel im Unterricht zu verwenden und folglich zu beschaffen waren.
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Lehrbücher für die Klägerin bis zu einer Bescheidung ihres Antrags über die Fernleihe hätten besorgt werden können, wenn sie von der Klägerin rechtzeitig über den Bedarf informiert worden wäre. Denn abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, dass über den Antrag der Klägerin in absehbarer Zeit entschieden worden wäre, wenn über den vorliegenden Antrag vom 9. Februar 2012 erst am 15. Februar 2013 entschieden wurde, bleibt festzuhalten, dass die Beklagte vorrangig für die Anschaffung der Lehrmittel nicht zuständig ist und daher eine Ablehnung der Anschaffung der Lehrbücher zu erwarten war. Diese Erwartung war deshalb berechtigt, weil die Frage der Kostenpflicht für die seit dem 9. Januar 2007 für Lehrkräfte zu beschaffenden Lehrbücher nach wie vor nicht gelöst war und die diesbezüglich unterschiedlichen Rechtsauffassungen allseits bekannt waren.
Zudem kann der Klägerin im vorliegenden Fall ein Versäumnis, die Beklagte nicht vorab kontaktiert zu haben, nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, denn sie hat sich vor dem Kauf der Lehrbücher an den Schulleiter gewandt. Der Schulleiter hat die Anfrage der Klägerin offensichtlich zuständigkeitshalber nicht an die Beklagte weitergeleitet, wenn denn die Beklagte für diese Frage als Dienstvorgesetzte zuständig war. Vielmehr hat er sich darauf beschränkt, die Kostenübernahme abzulehnen. Die Klägerin durfte daher berechtigterweise davon ausgehen, dass sich eine Kostenübernahme weder bis zum Schuljahresbeginn noch in absehbarer Zeit danach würde realisieren lassen.
Ferner erweist sich der Weg der Fernleihe als nicht geeignet, um die Ausstattung der Lehrkräfte mit Lehrmitteln für das gesamte Schuljahr zu gewährleisten. Generell erscheint der Verweis auf die Möglichkeit der Fernleihe zur Beschaffung von Lehrbüchern für Lehrkräfte bereits deshalb als ungeeignet, weil die Kapazitäten der Fernleihe schnell erschöpft sein dürften, wenn für alle Lehrkräfte des Landes Niedersachsen die Lehrbücher auf diesem Weg besorgt werden würden. Aber selbst wenn im konkreten Fall für die Klägerin die beiden Lehrbücher für das Fach Deutsch im Wege der Fernleihe zu besorgen gewesen wären, scheitert dieser Weg daran, dass dadurch eine Versorgung der Klägerin mit den Lehrbüchern weder für das gesamte Schuljahr noch für das Schulhalbjahr sichergestellt werden konnte. Denn nach § 17 der nach dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 19. September 2003 in der Fassung vom 10. Oktober 2008 bei der Fernleihe Anwendung findenden Leihverkehrsordnung (LVO) beträgt die Leihfrist ohne die Zeit für Hin- und Rücksendung einen Monat. Eine Verlängerung der Leihfrist kann rechtzeitig vorher bei der gebenden Bibliothek beantragt werden, sofern diese nicht bereits entsprechende Regelungen festgelegt hat (§ 17 Satz 3 LVO). Auch wenn danach die Verlängerung der Leihfrist von einem Monat grundsätzlich möglich erscheint, so steht sie dennoch unter dem Vorbehalt der Zustimmung der gebenden Bibliothek. Aber selbst wenn eine Zustimmung der gebenden Bibliothek zur Verlängerung der Leihfrist einzuholen gewesen wäre, erscheint es bei lebensnaher Betrachtung ausgeschlossen, dass die Leihfrist von einem Monat um 11 Monate verlängert worden wäre.
Auch die weiteren Voraussetzungen des Aufwendungsersatzanspruchs sind erfüllt. Die Klägerin hat mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt, denn sie hatte das Bewusstsein und den Willen, das Geschäft als fremdes zu führen. Darauf, ob sie infolge der für sie schwer zu beurteilenden Zuständigkeitsverteilung der Auffassung war, ein Geschäft des beklagten Landes oder ein solches der Beigeladenen zu führen, kommt es nicht an. Gemäß § 686 BGB wird der wirkliche Geschäftsherr aus der Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet, wenn der Geschäftsführer über die Person des Geschäftsherrn im Irrtum ist.
Die Klägerin hat im gerichtlichen Verfahren erklärt, dass sie die Schulbücher nach Erhalt des Kaufpreises der Schule überlassen wird, mithin in das Eigentum der Schule übergehen lässt.
Die Beklagte hatte die Klägerin ferner nicht zur Beschaffung der Bücher beauftragt.
Die Klägerin war des Weiteren zur Geschäftsführung berechtigt. Das ist im Grundsatz der Fall, wenn die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht, § 683 Satz 1 BGB. Der entgegenstehende Wille des Geschäftsherrn schließt jedoch nach § 683 Satz 2 BGB einen Aufwendungsersatzanspruch nicht aus, wenn ohne die Geschäftsführung eine Pflicht des Geschäftsherrn, deren Erfüllung im öffentlichen Interesse liegt, nicht rechtzeitig erfüllt werden könnte (§ 679 BGB).
Zwar gilt für Auseinandersetzungen der vorliegenden Art über die Beschaffung von Lehrmitteln nach der Rechtsprechung des OVG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 14. März 2013, der sich die Kammer anschließt, im Allgemeinen Folgendes:
"Ein Lehrer wird ausgehend vom Vorstehenden in aller Regel nicht zur Selbsthilfe greifen und eine Ersatzbeschaffung vornehmen dürfen, wenn Schulträger und Dienstherr der Pflicht zur Bereitstellung von Lehrmitteln nicht nachkommen. Erst recht muss der beamtete Lehrer, der zu seinem Dienstherrn in einem durch wechselseitige Pflichten gekennzeichneten Dienst- und Treueverhältnisses steht, diesen zunächst um Abhilfe ersuchen. Dem Dienstherrn muss die Entscheidung überlassen bleiben, ob er den Schulträger auf dem Rechts- oder Aufsichtsweg zur Erfüllung seine (Primär)pflichten veranlasst oder selbst die Beschaffung übernimmt, um daran anschließend (sekundäre) Ersatzansprüche gegen den Schulträger durchzusetzen. Im Grundsatz muss der Beamte die Entscheidung des Dienstherrn und deren Folgen auch dann hinnehmen, wenn die rechtzeitige Erfüllung seines Anspruchs auf die notwendige Sachausstattung in Gefahr gerät."
Der vorliegende Fall erscheint indes als Ausnahmefall, in dem ein öffentliches Interesse an der Geschäftsführung durch die Klägerin gegeben war. Es ist nicht erkennbar, dass die Behörden ihrer Verpflichtung zur Beschaffung der Lehrbücher bzw. ihrer diesbezüglichen Einwirkungspflicht überhaupt in irgendeiner Weise nachgekommen sind. Angesichts des unmittelbar bevorstehenden Unterrichtsbeginns bestand auch kein behördlicher Ermessensspielraum mehr, den die Klägerin hätte respektieren müssen. Da seit dem Beschluss der Fachkonferenz Deutsch vom 9. Januar 2007 bereits mehrere Jahre verstrichen waren, ohne dass die Lehrbücher für Lehrkräfte beschafft worden waren, war eine zeitnahe positive Entscheidung zu Gunsten der Klägerin vor Unterrichtsbeginn nicht mehr zu erwarten. Der Klägerin musste konkret damit rechnen, zunächst ohne die erforderlichen Schulbücher unterrichten zu müssen, wenn sie sie denn nicht selbst beschafft hätte. In dieser ohne Vernachlässigung ihrer Dienstaufgaben und ihrer Dienstpflichten anders nicht lösbaren Situation durfte die Klägerin zur Selbsthilfe schreiten und anschließend den sekundären Erstattungsanspruch durchsetzen.
Darüber hinaus kann die Klägerin Prozesszinsen ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung, mithin ab dem 18. März 2013 in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz beanspruchen. Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend einzig und allein § 291 Satz 1 BGB in Betracht. Nach dieser Vorschrift hat der Schuldner eine fällige Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist. Diese Bestimmung ist im öffentlichen Recht entsprechend anwendbar, wenn das einschlägige Fachgesetz - wie hier - keine gegenteiligen Regelungen trifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.05.1998 - 2 C 28/97 - zitiert nach ).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 709 S. 1 ZPO.
Die Berufung war gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, denn der vorliegende Fall erscheint nicht als Einzelfall, sondern zeigt exemplarisch über den Einzelfall hinaus die verallgemeinerungsfähige Rechtsfrage auf, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Lehrkräfte angesichts der seit Jahren streitigen und ungelösten Frage der Kostenübernahme für Lehrbücher der Lehrkräfte durch die Schulträger oder die Beklagte nunmehr regelmäßig die Erstattung verauslagter Kosten für die Anschaffung ihrer Lehrbücher von der Beklagten verlangen können.