Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 17.10.2006, Az.: 2 A 183/05

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
17.10.2006
Aktenzeichen
2 A 183/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 44436
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2006:1017.2A183.05.0A

Tatbestand:

1

Die Kläger studierten seit dem Sommersemester 1998 an der Beklagten Sozialkunde und Deutsch auf Lehramt für Gymnasien. Sie beantragten bei dem in Ausbildungsförderungsangelegenheiten für die Beklagte tätigen Studentenwerk F. mehrfach, erstmals am 30. März 1998, die Bewilligung von Ausbildungsförderung. Dabei gaben sie in ihren jeweiligen Anträgen übereinstimmend an, weder Vermögen noch Schulden zu haben. Erstmals mit Bescheid vom 30. April 1998 bewilligte die Beklagte den Klägern Ausbildungsförderung. Die Förderung erfolgte im Fall des Klägers zu 1.) bis einschließlich September 2002 (Ende der Förderungshöchstdauer), im Fall der Klägerin zu 2.) bis zum September 2000.

2

Im Januar 2002 erfuhr die Beklagte davon, dass die Kläger an verschiedene Kreditinstitute Freistellungsaufträge erteilt hatten. Auf Nachfrage des Studentenwerkes F. erklärte der Kläger zu 1.) daraufhin, über Vermögenswerte bei der H. - und I., der J. Bank xx sowie der K. L. M. AG, jetzt N., zu verfügen. Die Klägerin zu 2.) erklärte, Kapitalvermögen bei der O. Bausparkasse, der H. - und I. sowie der J. Bank xx zu haben. Die Kläger machten zugleich geltend, Schulden in Höhe von 15.000,00 DM (Kläger zu 1.)) bzw. 18.000,00 DM (Klägerin zu 2.) zu haben. Zum Beleg dafür legten sie einen mit Ausnahme der Kreditsumme identischen, auf dem 1. Januar 1997 datierenden Kreditvertrag mit dem Zeugen P. vor. Ausweislich dieses Vertrages erhält der Zeuge für den angegebenen Kreditbetrag einen Darlehenszins von 10 % pa.. Die fälligen Zinsen seien jeweils am Jahresende zu entrichten. Die Rückzahlung des gewährten Kredites erfolge, wenn die Kläger jeweils über ein angemessenes Einkommen verfügten. Die Kläger gaben ferner übereinstimmend an, der Kreditgeber sei mit ihnen weder verwandt noch verschwägert und auch nicht bekannt oder befreundet. Ausweislich eines Telefonvermerks vom 12. Mai 2004 erklärte der Kläger zu 1.) darüber hinaus, er habe den Kreditgeber über eine Zeitungsanzeige kennen gelernt. Sie hätten das Geld für Nachhilfe im Studium gebraucht, da ihre Abiturleistungen einen erfolgreichen Verlauf des Studiums nicht versprachen. Der Kreditgeber habe das Geld bar übergeben. Als Zins habe ein Inflationsausgleich gezahlt werden sollen. Die Kreditsumme einschließlich des Inflationsausgleichs habe zurückgezahlt werden sollen, wenn sie über Erwerbseinkommen verfügt hätten.

3

Mit Bescheiden vom 13. September 2004 nahm die Beklagte die jeweiligen Bewilligungsbescheide für die Bewilligungszeiträume April 1998 bis März 2000 gegen die Kläger zurück und forderte im Fall des Klägers zu 1.) insgesamt 4.492,74 € und im Fall der Klägerin zu 2.) insgesamt 5.333,46 € zuviel gezahlte Ausbildungsförderung zurück. Es handelte sich um die Bewilligungsbescheide vom 30. April und 30. September 1998, 31. Mai und 29. Oktober 1999 sowie 30. Juni 2000 (beide Kläger betreffend) und die Bescheide vom 30. April 2001 und 28. März 2002 (den Kläger zu 1.) betreffend).

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Zur Begründung gab die Beklagte an, die Rücknahme der Bewilligungsbescheide stütze sich auf § 45 SGB X, die Rückforderung zuviel gezahlter Ausbildungsförderung auf § 50 SGB X. Die Kläger hätten trotz der im Antragsvordruck enthaltenen Fragestellung ihr Vermögen nicht deklariert. Gleichwohl hätten sie unterschriftlich die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben versichert. Angesichts der eindeutigen Fragestellung und der leicht möglichen Wertung zinsbringender Kapitalguthaben als Vermögen, wäre es schon bei Anlegen geringer Sorgfalt einfach gewesen, vollständige Angaben zu machen. Selbst offene Zweifel hätten durch eine Rückfrage beim Amt für Ausbildungsförderung schnell ausgeräumt werden können. Die Kläger hätten die erforderliche Sorgfalt somit in besonders schwerem Maße verletzt. Ihr Ermessen betätigte die Beklagte dahin, dass sich ohne Rücknahme und Rückforderung eine Begünstigung der Antragsteller gegenüber solchen Fällen ergebe, in denen die Verhältnisse pflichtgemäß vollständig angegeben würden. Es seien keinerlei Aspekte ersichtlich, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten.

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Die hiergegen von den Klägern im Wesentlichen mit der Begründung eingelegten Widersprüche, sie hätten Vermögen nicht anzugeben gehabt, weil die Schulden aus dem Kreditvertrag mit dem Zeugen P. ihr Vermögen überstiegen hätten, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 23. März 2005 (im Fall des Klägers zu 1.)) bzw. 14. April 2005 (im Fall der Klägerin zu 2.)) zurück. Zur Begründung führte sie an, die jeweiligen Bewilligungsbescheide seien rechtswidrig gewesen, weil die Kläger über Kapitalvermögen verfügt hätten, das einer Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen entgegen gestanden hätte. Von diesen Vermögenswerten seien Schulden im Sinne von § 28 Abs. 3 BAföG nicht abzuziehen. Der Darlehensvertrag mit dem Zeugen P. könne nicht anerkannt werden. Es erscheine in keiner Weise lebensnah und völlig unglaubwürdig, dass ein weder verwandter noch bekannter Darlehensgeber einen Betrag in Höhe von 15.000,00 bzw. 18.000,00 DM in bar übergebe und zudem auf die Vereinbarung einer konkreten Rückzahlungsverpflichtung verzichte. Die Kläger würden überdies in dem Darlehensvertrag als Student/in bezeichnet, obgleich sie seinerzeit am 1. Januar 1997 als Schüler/in die Abiturprüfung noch nicht abgelegt hatten und in Anbetracht ihrer schlechten schulischen Leistungen fraglich gewesen sei, ob sie überhaupt ein Studium würden aufnehmen können. Des weiteren seien Nachweise über den Geldfluss, aus denen sich auch die Begründung der Vermögensanlagen hätten ergeben müssen, trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden. Soweit vorgetragen werde, das Bankguthaben stelle lediglich die Darlehenssumme aus dem Kreditvertrag dar, sei dies unglaubwürdig, weil angesichts eines Kreditzinssatzes von 10 vom Hundert von vornherein kalkuliert worden wäre, Verluste zu erwirtschaften. Zudem stimme der vertraglich vereinbarte Zinssatz nicht mit den Angaben der Kläger überein, wonach als Kreditzins lediglich Inflationsausgleich vereinbart worden sei. Im Übrigen hätten die Kläger auch ein bestehendes Darlehen wie die positiven Vermögenswerte bei der jeweiligen Antragstellung anzugeben gehabt. Dies sei nicht geschehen. Folglich spreche alles für das Vorliegen eines Scheingeschäftes. Da die Kläger ihre Antragsangaben zumindest grob fahrlässig unvollständig und unrichtig gemacht hätten, könnten sie sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Rücknahme und Rückforderung sei auch ermessensgerecht, da das öffentliche Interesse an einer Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes in der Regel höher einzuschätzen sei als bei der Gewährung einmaliger Leistungen, weil eine Dauerleistung die Allgemeinheit regelmäßig stärker belaste als eine einmalige. Gerade in Zeiten knapper öffentlicher Ressourcen könne es nicht hingenommen werden, dass Auszubildende Ausbildungsförderung beziehen, obwohl sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation darauf nicht angewiesen seien. Ausbildungsförderung sei nur zu leisten, wenn der Auszubildende nicht selbst seine Ausbildung finanzieren könne. Besondere Billigkeitsgesichtspunkte, die eine andere Entscheidung hätten rechtfertigen können, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

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Hiergegen haben die Kläger am 26. April (Kläger zu 1.)) bzw. 9. Mai (Klägerin zu 2.)) 2005 Klage erhoben.

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Zu deren Begründung tragen sie vor, keine überschießenden Vermögenswerte gehabt zu haben. Insoweit berufen sie sich auf das Bestehen von Kreditverbindlichkeiten. Der Zeuge P., der Kreditgeber, sei ein persönlicher Freund der Eltern und Firmpate des Klägers zu 1.) gewesen. Gegen Ende der 13. Klasse habe die Grundschullehrerin des Klägers zu 1.), Frau Q. R., den Kontakt mit dem Zeugen P. vermittelt, der dann bereit gewesen sei, die Kläger finanziell zu unterstützen. Sie kämen aus einer sozial benachteiligten Familie, in der Erbstreitigkeiten bestanden hätten und in der die Großeltern den Enkeln keine Zuwendungen gegeben hätten. Der Zeuge P. sei ein sozial eingestellter Mensch. Es sei nicht zu beanstanden, dass sie im Zeitpunkt der Kreditgewährung am 1. Januar 1997 als Studenten bezeichnet worden seien, da zu dieser Zeit absehbar gewesen sei, dass sie das Abitur schaffen würden. Es stand jedoch im Raum, dass es aufgrund ihrer schwachen Leistungen im Studium zu Lernschwierigkeiten kommen könne. Dies habe sich im Fall der Klägerin zu 2.), die ihre Zwischenprüfung nicht bestanden habe, schließlich bestätigt. Der Zeuge P. sei nicht so gestellt, dass er einfach 15.000,00 bzw. 18.000,00 DM verschenken könne. Das Geld habe aus einem Bausparvertrag gestammt, dessen Summe der Kreditgeber nicht vollständig selbst gebraucht habe. Der Kredit sei zur Absicherung und Finanzierung ihres Studiums gedacht gewesen und größtenteils zunächst jeweils auf ihr Girokonto eingezahlt worden.

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Die Kläger beantragen jeweils,

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den Bescheid der Beklagten vom 13. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 23. März 2005 (Kläger zu 1.)) bzw. 14. April 2005 (Klägerin zu 2.)) aufzuheben.

10

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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ie bezieht sich zur Begründung im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den jeweiligen Widerspruchsbescheiden.

12

Das Gericht hat zu den Umständen der Gewährung der Kredite durch Herrn P. an die Kläger sowie über die persönlichen Beziehungen der Genannten untereinander Beweis erhoben durch Vernehmung des Herrn Rainer P. und der Mutter der Kläger, Frau S. B., als Zeugen. Wegen deren Aussagen im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide vom 13. September 2004 und die Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 23. März und 14. April 2005 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

15

Rechtsgrundlage für die Rücknahme sämtlicher Bewilligungsbescheide mit Bescheiden vom 13. September 2004 ist § 45 SGB X. Die Rechtsgrundlage für die Rückforderung der gewährten Ausbildungsförderung findet sich in § 50 SGB X.

16

Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der, wie die hier streitgegenständlichen Bewilligungsbescheide für Ausbildungsförderung, einen rechtlichen Vorteil begründet, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

17

Die zurückgenommenen, im Tatbestand näher bezeichneten Bewilligungsbescheide sind rechtswidrig.

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Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG - hätte den Klägern nicht gewährt werden dürfen. Sie hatten zu den Zeitpunkten der jeweiligen Antragstellung Vermögen in einer über der Freibetragsgrenze des § 29 BAföG von 6.0000,00 DM (bis 30. März 2001) bzw. 10.000,00 DM (ab 1. April 2001) liegenden Höhe. Der Kläger zu 1.) besaß eigenen Angaben zufolge Kapitalvermögen in Sinne des § 27 Abs. 1 Nr. 2 BAföG in einer Höhe zwischen 3.876,73 € und 7.143,00 € und die Klägerin zu 2.) in einer Höhe zwischen 5.004,80 € und 8.376,62 € auf Sparkonten, Bausparverträgen und in Wertpapieren. Diese Vermögenswerte hat die Beklagte zutreffend erfasst und ihren Entscheidungen zugrunde gelegt. Insbesondere hat sie den gesetzlichen Freibetrag und die Höhe der zum jeweiligen Stichtag aufgelaufenen Rückforderungssumme zutreffend in Abzug gebracht.

19

Das von den Klägern behauptete Darlehen des Zeugen P. über 15.000,00 bzw. 18.000,00 DM vom 1. Januar 1997 ist bei der Vermögensberechnung nicht als Schuld gemäß § 28 Abs. 3 BAföG zu berücksichtigen.

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Die Kammer hat schon, unter Zugrundelegung des klägerischen Vorbringens als wahr, erhebliche Zweifel, ob ein Darlehensverhältnis zwischen den Klägern und dem Zeugen P. tatsächlich besteht. Die Kläger haben trotz der wiederholt von der Beklagten vorgetragenen Bedenken abgesehen von dem Darlehensvertrag keinerlei weitere Unterlagen - beispielsweise über die Einzahlung des Geldbetrages im Rahmen der Darlehensgewährung - vorgelegt. Zudem erscheint zweifelhaft, dass die Kläger eine Darlehensverbindlichkeit gegenüber dem Zeugen P. eingegangen sind. Denn die Rückzahlung des angeblich gewährten Kredites soll erfolgen, wenn die Kläger über ein angemessenes Einkommen verfügen. Es ist danach vollständig unklar und offen, ob die Kläger sich zur Rückzahlung des Darlehen verpflichtet haben. Weder steht fest, dass sie überhaupt Einkommen erzielen werden, noch ist klar, ob dieses bejahendenfalls als angemessen im Sinne des vermeintlichen Kreditvertrages angesehen werden kann.

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Dies lässt die Kammer offen, weil es sich zu ihrer Überzeugung bei den Darlehensverträgen zwischen den Klägern und dem Zeugen P. um nichtige Scheingeschäfte im Sinne von § 117 Abs. 1 BGB handelt. Danach ist eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, nichtig, wenn sie mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben wird. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

22

Kennzeichnend für das Scheingeschäft ist das Fehlen eines Rechtsbindungswillens der Vertragsparteien. Dessen Fehlen steht nach dem klägerischen Vorbringen und bei Würdigung der Zeugenaussagen für das Gericht fest.

23

Zur Begründung wird zunächst gem. § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in ihren Widerspruchsbescheiden vom 23. März und 14. April 2005 sowie auf die Ausführungen der Kammer in den Prozesskostenhilfebeschlüssen vom 26. August 2005 Bezug genommen. Die insbesondere in den Prozesskostenhilfebeschlüssen dargestellten Widersprüche und Ungereimtheiten im klägerischen Vortrag haben sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme noch verstärkt und lassen alleine den Schluss zu, dass die Kläger in kollussivem Zusammenwirken mit dem Zeugen P. gegenüber der Beklagten den Schein eines Darlehensvertrages erweckt haben, um die ihnen drohende Rückforderung von Ausbildungsförderungsleistungen zu verhindern.

24

Es ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vollständig im Dunkeln geblieben, wie der Kontakt zwischen den Klägern und dem Zeugen P. zustande gekommen ist, welche persönlichen Beziehungen zwischen diesen Personen bestanden und aus welchem Antrieb und aus welchen Mitteln der Zeuge P. den Klägern insgesamt 33.0000,00 DM hätte darlehensweise zuwenden sollen. So wusste der Zeuge, angeblich Firmpate des Klägers zu 1.), weder, wann der Kläger zu 1.) geboren ist, noch wann dessen Firmung gewesen ist. Der Kläger zu 1.) wusste nicht zu erklären, wie es zu dem Telefonvermerk vom 12. Mai 2004 gekommen ist, wonach er den Zeugen über eine Zeitungsannonce kennengelernt haben will. Der Zeuge selbst hat behauptet, den Kontakt zur Familie der Kläger über eine Frau R. gefunden zu haben, die den Kläger zu 1.) über Nachhilfeunterricht im Grundschulbereich kennengelernt haben sollte. Demgegenüber hat die Mutter der Kläger als Zeugin bekundet, Frau R. auf einer Party kennengelernt zu haben, ohne dass es sonst Bezugspunkte zwischen der Familie und Frau R. gegeben habe. Auch der Kontakt zu dem Zeugen P. sei auf einer Party zustande gekommen. In Widerspruch dazu hat der Kläger zu 1.) behauptet, aus dem ursprünglich dienstlichen Kontakt - Frau R. habe ihn auf die Schulreife vorbereitet - sei dann ein privater geworden.

25

Der Zeuge P. hat weiter behauptet, den Kläger zu 1.) gelegentlich in der Stadt getroffen zu haben und regelmäßig mit ihm an Weihnachten in die Kirche gegangen zu sein. Dem steht die Aussage der Zeugin B. entgegen, nach der der Zeuge P. niemals an Weihnachten mit in der Kirche gewesen sei. Ferner hat der Zeuge angegeben, für seinen Bausparvertrag Bausparprämie erhalten zu haben. Dafür, warum er die Bausparsumme zweckwidrig, nämlich als Grundlage für das vermeintliche Darlehen an die Kläger gegeben haben will, vermochte er keine überzeugende Antwort zu geben. Die Aussagen des Zeugen P. sind weiter widersprüchlich im Hinblick auf die angebliche Vereinbarung eines Zinssatzes von 10 % pa.. Behauptete er einerseits, sich durch diesen Zinssatz gegenüber seiner Bausparkasse, an die er auch Zinsen zu zahlen hatte, absichern zu wollen, hat er andererseits behauptet, auf Zinszahlungen verzichtet und dafür Arbeitsleistungen der Kläger entgegengenommen zu haben. Dies ist unschlüssig. Zudem ist derartiges von den Klägern bisher nie vorgetragen worden. Für angebliche, seit zwei Jahren erfolgende Zinszahlungen in Höhe von je 50,00 € im Monat, vermochten weder der Zeuge P. noch der Kläger zu 1.) Belege vorzulegen. Dies, obwohl den Klägern durch die Anhängigkeit des Verfahrens hinlänglich bekannt war, dass Zweifel am Bestehen einer Darlehensverbindlichkeit gegenüber dem Zeugen P. bestehen.

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Gänzlich unglaubwürdig wird sowohl das klägerische Vorbringen wie auch die Aussage des Zeugen P. in Anbetracht der Aussage der Zeugin B., solange sie noch nicht von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte. Standen nach Aussage des Zeugen P. bei seinen wenigen Besuchen im Hause der Familie der Kläger schulische Probleme stets im Vordergrund, wurde nach Angaben der Zeugin B. über dies und jenes geplaudert, selten auch über schulische Probleme der Kläger. Auf den Widerspruch zu den weihnachtlichen Kontakten zwischen den Klägern und dem Zeugen P. wurde bereits hingewiesen. Unglaubwürdig wird das Vorbringen aller Beteiligten schließlich, soweit es um den Zeitpunkt der Darlehensgewährung geht. Die Kläger und der Zeuge P. behaupten, dies sei am 1. Januar 1997 gewesen, also zu einer Zeit, als die Kläger noch nicht studierten. Die Kläger behaupten insoweit, es habe bereits festgestanden, dass sie ein Studium aufnehmen würden, das sie ohne weitere Mittel kaum finanzieren könnten. Dem widersprechend hat die Zeugin B. behauptet, ihre Kinder, die Kläger, hätten mit Aufnahme des Studiums BAföG beantragt, dabei Angst gehabt, dass das alleine nicht reiche, und den Zeugen P. gebeten, finanziell zu helfen, was dieser dann auch getan habe. Anders als der Zeuge P. und die Kläger behauptete die Zeugin B. darüber hinaus, Frau R. habe mit der Vermittlung dieses Geschäftes nichts zu tun gehabt.

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Das Vorbringen der Kläger und der von ihnen benannten Zeugen ist in wesentlichen Punkten, das Zustandekommen und die Umstände der Darlehensgewährung betreffend derart widersprüchlich und von einer geradezu kriminellen Energie getragen konstruiert, dass das Gericht nicht von einer bestehenden Darlehensschuld der Kläger gegenüber dem Zeugen P. auszugehen vermag.

28

Die Kläger genießen keinen Vertrauensschutz gem. § 45 Abs. 2 SGB X, obwohl die zum Lebensunterhalt bestimmten Leistungen nach dem BAföG verbraucht wurden.

29

Sie können sich gem. § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X nicht auf Vertrauensschutz berufen, da die jeweiligen Bewilligungsbescheide auf Angaben beruhten, die die begünstigten Kläger vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht haben. Die Bewilligungsbescheide beruhen auf den Angaben der Kläger zu ihren Vermögensverhältnissen in den jeweiligen Anträgen auf Ausbildungsförderung. Ihre diesbezüglichen Angaben waren unrichtig, denn sie hatten in jedem der Anträge angegeben, kein Vermögen zu besitzen, in dem sie entweder in dem entsprechenden Feld des Antrags einen Strich eingetragen oder das Feld freigelassen haben. Diesem Verhalten ist der Erklärungswert "Ich habe kein Vermögen" beizumessen. Dem widersprechend verfügten die Kläger jedoch über die dargestellten Vermögenswerte. Diese unrichtige Angaben machten die Kläger auch zumindest grob fahrlässig. Sie können sich nicht darauf berufen, sie seien davon ausgegangen, sie brauchten Angaben zu ihrem Vermögen nicht zu machen, da sie unter Verrechnung ihrer Guthaben mit der Darlehensschuld nennenswertes Vermögen nicht besessen hätten. Wie dargelegt, besteht eine derartige Verbindlichkeit nicht. Im Übrigen sind die Antragsformulare hinsichtlich der zu machenden Angaben zum Vermögen durchaus eindeutig und unmissverständlich. So wird in ihnen ausdrücklich nach positiven Vermögenswerten und auch Schulden und Lasten des Antragstellers gefragt. Es war daher objektiv erkennbar nicht die Aufgabe der Kläger, bereits vorab eine Saldierung der positiven und negativen Vermögenswerte vorzunehmen. Hätten sie Zweifel gehabt, welche Umstände sie anzugeben gehabt hätten, hätten sie das zuständige Ausbildungsförderungsamt um Rat fragen und/oder Vermögen und Schulden korrekt angeben müssen, um der Beklagten die rechtliche Prüfung zu überlassen. Auch insoweit wird zur weiteren Begründung gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in den jeweiligen Widerspruchsbescheiden Bezug genommen.

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Schließlich ist die von der Beklagten im Rahmen der Rücknahmeentscheidung nach § 45 SGB X zu treffende Ermessensentscheidung nicht zu beanstanden. Die Ermessensbetätigung der Beklagten erfolgte entsprechend dem Zweck der Ermächtigung und innerhalb der gesetzlichen Grenzen (§ 39 Abs. 1 SGB I). Vor allem weist die jeweilige Ermessensentscheidung den erforderlichen Bezug zum konkreten Einzelfall auf.

31

Zwar konzentrieren sich die Ausführungen der Beklagten hauptsächlich auf allgemeine Überlegungen zum öffentlichen Interesse an der Rückforderung von zu unrecht bewilligter Ausbildungsförderung. Allerdings ergibt sich aus der Anlage zu den Rückforderungsbescheiden, dem Widerspruchsbescheid und auch der Klageerwiderung, dass sie auch die konkreten Umstände des Einzelfalles gewürdigt hat, jedoch keinerlei besondere Umstände erkennen konnte, welche eine andere als die getroffene Entscheidung rechtfertigen würden. Die Kläger haben solche Einzelfallumstände auch weder selbst vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich. Fehlen aber konkrete Anhaltspunkte, die zugunsten des Auszubildenden berücksichtigt werden könnten, besteht für die Behörde kein Anlass, im Rahmen ihrer Ermessensbetätigung hierzu - abstrakte - Aussagen zu treffen (vgl. Urteil der Kammer vom 22.06.2006 - 2 A 51/05 -).

32

Da die Berechnung der Rückforderungssumme zudem rechnerisch korrekt ist, ist die Rückforderung wie geschehen zwingend nach § 50 SGB X auszusprechen und nicht zu beanstanden.

33

Da die Klage erfolglos bleibt, beruht die Kostenentscheidung auf §§ 154 Abs. 1, 188 S. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.