Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 10.06.2009, Az.: 1 A 91/08

Girokonto; Gleichbehandlungsgrundsatz; Leistung; Partei; Prozessstandschaft; Streitigkeit; gesetzliche; hoheitliche; öffentlich-rechtliche

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
10.06.2009
Aktenzeichen
1 A 91/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 44095
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2009:0610.1A91.08.0A

Amtlicher Leitsatz

Eine Sparkasse hat bei der Entscheidung, ob einer Untergliederung einer politischen Partei ein Girokonto zur Verfügung gestellt wird, den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt mit der Klage die Verurteilung der Beklagten zur Eröffnung eines Girokontos für seinen K..

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Am 02.01.2008 beantragte der L. -K. bei der Beklagten die Eröffnung eines Girokontos. Die Beklagte lehnte die Aufnahme einer Geschäftsverbindung mit dem Kreisverband M. ab. Am 31.03.2008 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung macht er geltend, sein Kreisverband habe einen Anspruch auf Eröffnung eines Girokontos gegen die Beklagte. Eine politische Partei könne ihre Aufgabe, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, ohne Girokonto nicht wahrnehmen. Sie bedürfe dessen zur finanziellen Abwicklung ihrer Tätigkeit und zur Entgegennahme von Spenden. Dies gelte im Hinblick auf das Transparenzgebot gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 4 des Grundgesetzes (GG) sowie gemäß § 23 des Parteiengesetzes (ParteiG) auch für einen Kreisverband. Der K. habe keine andere Möglichkeit, ein Girokonto zu eröffnen. Seit Sommer 2000 seien seitens der Kreditinstitute in ganz Deutschland Konten der L. aus politischen Gründen systematisch gekündigt worden. Die Neueröffnung von Girokonten werde regelmäßig abgelehnt. Aus Gründen der Gleichbehandlung sei die Beklagte verpflichtet, seinem Kreisverband ein Girokonto zur Verfügung zu stellen. Ihm sei es nicht zuzumuten, für die Kreisverbände jeweils Unterkonten seines eigenen Girokontos zu führen. Soweit die Beklagte darauf verweise, ein durch den Schatzmeister des Kreisverbandes eröffnetes Privatgirokonto sei in der Vergangenheit abredewidrig durch den Kreisverband genutzt und deshalb von der Beklagten gekündigt worden, gelte Folgendes: Der Vorsitzende und der Schatzmeister des Kreisverbandes hätten gegenüber einer Mitarbeiterin der Beklagten bei der Kontoeröffnung offen gelegt, dass das Konto dem Kreisverband habe dienen sollen. Dementsprechend habe die Mitarbeiterin den Zusatz "Kreisverband M." aufgenommen.

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Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, für seinen K. ein Girokonto zu eröffnen.

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Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Auffassung, sie unterliege gegenüber dem Kläger keinem Kontrahierungszwang. Zudem sei das Vertrauensverhältnis gestört, nachdem ein im Dezember 2006 durch den Schatzmeister des Kreisverbands eröffnetes Privatgirokonto abweichend vom Girovertrag durch den Kreisverband genutzt worden sei. Das Konto sei deshalb im Dezember 2007 gekündigt worden. Bei der Kontoeröffnung sei vom Zusatz "Kreisverband M." nicht die Rede gewesen. Zur Eintragung des Verwendungszwecks sei es einige Tage nach Kontoeröffnung auf Drängen des Kontoinhabers gekommen. Ihre Mitarbeiterin sei seinerzeit sehr eingespannt gewesen und habe nicht die Möglichkeit gehabt, den Hintergrund der Änderung des Verwendungszwecks genau zu prüfen. Der Kläger habe nicht dargelegt, dass er bei keinem in seinem Einzugsbereich niedergelassenen Kreditinstitut ein Konto eröffnen könne. Er habe selbst ein Konto und könne für den Kreisverband ein Unterkonto einrichten.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat Erfolg.

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Sie ist zulässig. Der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, da es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt (vgl. insoweit VG Gera, Urteil vom 05.11.2008 - 2 K 37/08 Ge -, juris; VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 10.07.2008 - 4 K 1176/04 -, NVwZ-RR 2009, 259; VG Schleswig, Urteil vom 06.07.2006 - 6 A 46/04 -; VG Berlin, Urteil vom 25.04.2006 - 2 A 62.05 - und Beschluss vom 14.07.2005 - 2 A 62.05 -, juris; OVG Münster, Beschluss vom 11.05.2004 - 8 E 379/04 -NVwZ-RR 2004, 795; OVG Hamburg, Beschluss vom 18.04.2002 - 1 So 35/02 -, juris). Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Natur ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der geltend gemachte Anspruch hergeleitet wird (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10.04.1986 - GmS-OGB 1.85 -, BVerwGE 74, 368; BVerwG, Urteil vom 15.11.1990 - 7 C 9/89 -, BVerwGE 87, 115[BVerwG 15.11.1990 - 7 C 9.89] ). Der Charakter des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses bemisst sich nach dem erkennbaren Ziel des Rechtsschutzbegehrens und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts. Für die Annahme einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit genügt es grundsätzlich, dass für das Rechtsschutzbegehren eine Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, die im Verwaltungsrechtsweg zu verfolgen ist. Dies ist hier der Fall. Der Kläger beruft sich für sein Begehren auf Eröffnung eines Girokontos u.a. auf Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 ParteiG. Danach sollen alle Parteien gleich behandelt werden, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt den Parteien Einrichtungen zur Verfügung stellt oder andere öffentliche Leistungen gewährt. Diese Bestimmung begründet eine einseitige Verpflichtung von Trägern staatlicher Gewalt und ist dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Dabei spielt es keine Rolle, dass sowohl der der Kontoeröffnung zugrunde liegende Vertrag als auch die Führung und etwaige Kündigung desselben privatrechtlicher Natur sind, denn vorliegend geht es nicht um das "Wie", sondern um das "Ob" der Eröffnung eines Girokontos (vgl. VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 10.07.2008; VG Schleswig, Urteil vom 06.07.2006; VG Berlin, Beschluss vom 14.07.2005; jeweils a.a.O). Dass die Beklagte Trägerin staatlicher Gewalt ist, ergibt sich aus §§ 3, 4 Abs. 1 Satz 2 des Nds. Sparkassengesetzes (NSpG), wonach Sparkassen rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts sind und in ihrem Geschäftsgebiet die kommunale Aufgabenerfüllung ihres Trägers im wirtschaftlichen, regionalpolitischen, sozialen und kulturellen Bereich unterstützen.

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Die Klage ist als (allgemeine) Leistungsklage statthaft. Der Kläger ist (in analoger Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO) klagebefugt. Zwar hat die Beklagte die Eröffnung eines Girokontos nicht ihm gegenüber, sondern gegenüber seinem K. abgelehnt, der als Unterorganisation einer Partei gemäß § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig ist und seine Rechte daher auch selbst hätte geltend machen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.1969 - VII C 56.68 -, BVerwGE 32, 333[BVerwG 18.07.1969 - BVerwG VII C 56.68] ). Dies schließt aber die Geltendmachung einer Rechtsverletzung des Kreisverbands durch den Kläger im Wege gesetzlicher Prozessstandschaft (§ 3 Satz 2 ParteiG) nicht aus (vgl. VG Schleswig, Urteil vom 06.07.2006, a.a.O.; OVG Hamburg, Beschluss vom 16.09.2002 - 1 Bs 243/02 -, juris), zumal §§ 14 und 15 der Satzung der L. eine Prozessführung durch die Kreisverbände nicht vorsehen.

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Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 ParteiG einen Anspruch auf Eröffnung eines Girokontos für seinen K..

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Wie bereits dargelegt, ist die Beklagte als Einrichtung eines kommunalen Trägers rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und Trägerin öffentlicher Gewalt. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 NSpG hat sie in ihrem Geschäftsgebiet u.a. die Aufgabe, die Versorgung der Bevölkerung mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen sicherzustellen. Sie erbringt damit eine hoheitliche Leistung der Daseinsvorsorge. Dies gilt auch, soweit sie ihren Kunden Girokonten zur Verfügung stellt. Der Leistungsbegriff in § 5 Abs. 1 Satz 1 ParteiG ist umfassend zu verstehen. Maßgebend ist, dass der Träger öffentlicher Gewalt dem Begünstigten eine besondere Rechtsstellung gewährt, die seinen Rechtskreis erweitert ( BVerwG, Urteil vom 13.12.1974 - VII C 42.72 -, BVerwGE 47, 280 f.[BVerwG 13.12.1974 - BVerwG VII C 42.72] ). Hierzu zählt auch die Eröffnung der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr durch die Führung von Girokonten ( BGH, Urteil vom 11.03.2003 - XI ZR 403/01 -, BGHZ 154, 146 ).

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Die Ablehnung der Beklagten, für den L. -K. das beantragte Girokonto zu eröffnen, führt zur unzulässigen Diskriminierung der Untergliederung einer politischen Partei und stellt somit einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG, der für jede öffentliche Betätigung der Kommunen gilt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.07.1969, a.a.O.), i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 ParteiG dar. Die Beklagte hat eingeräumt, dass sie für andere politische Parteien Girokonten führt. Dass sich der mit dem L. -K. abzuschließende Kontoführungsvertrag wesentlich von den mit den anderen Parteien geschlossenen Verträgen unterscheiden würde, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Für das rechtliche Ergebnis kommt es auch nicht darauf an, ob alle übrigen Kreisverbände Konten bei der Beklagten unterhalten. Denn ein vergleichbarer Sachverhalt liegt schon dann vor, wenn die Leistung in zumindest einem vergleichbaren Fall erbracht wird. Durch die Ablehnung der Eröffnung eines Girokontos wird der L. -Kreisverband gegenüber den anderen bei der Beklagten kontoführenden Parteien im Hinblick auf die Abwicklung des Zahlungsverkehrs benachteiligt.

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Diese Ungleichbehandlung kann nicht mit der politischen Ausrichtung des L. -Kreisverbands M. am Harz begründet werden. Gemäß Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG entscheidet allein das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungswidrigkeit einer Partei. Solange die Partei des L. -Kreisverbands nicht verboten ist, hat dieser trotz ihrer Zugehörigkeit zum rechtsextremen Parteienspektrum (Verfassungsschutzbericht 2008, S. 104 ff, www.mi.niedersachsen.de) nach einhelliger Rechtsprechung einen Rechtsanspruch auf Gleichbehandlung mit anderen politischen Parteien bei der Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen (vgl. VG Hannover, Beschluss vom 26.07.2007 - 1 B 3216/07 -, NdsVBl. 2007, 310 m.w.N.).

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Nicht von Bedeutung ist, ob der L. -K. die Möglichkeit hat, bei einem anderen Kreditinstitut ein Girokonto zu eröffnen, weil § 5 Abs. 1 Satz 1 ParteiG insoweit keine den Gleichbehandlungsanspruch einschränkenden Voraussetzungen enthält. Die strikte Verpflichtung der Beklagten zur Gleichbehandlung aller Parteien bedeutet des Weiteren auch, dass die Beklagte den Kreisverband nicht auf die Mitbenutzung eines Girokontos des Klägers verweisen darf. Im Übrigen gebietet die dem Transparenzgebot (Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG, §§ 23 ff. ParteiG) zugrunde liegende Motivation, den Prozess der politischen Willensbildung für den Wähler durchschaubar zu machen und ihm zu offenbaren, welche Gruppen, Verbände oder Privatpersonen im Sinne ihrer Interessen durch Geldzuwendungen auf die Parteien politisch einzuwirken suchen ( BVerfG, Urteil vom 19.07.1966 - 2 BvF 1/65 -, BVerfGE 20, 56, 106 [BVerfG 19.07.1966 - 2 BvF 1/65] ), Konten der verschiedenen Untergliederungen einer Partei zu entflechten, um eine größtmögliche Durchsichtigkeit bezüglich der der Partei zufließenden Gelder zu erreichen (VG Schleswig, Urteil vom 06.07.2006, a.a.O.). Auch dieser Gesichtspunkt zeigt, dass es dem Kreisverband einer Partei möglich sein muss, ein eigenes Konto zu eröffnen.

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Die Ungleichbehandlung des L. -Kreisverbands M. am Harz gegenüber anderen Parteien erscheint hier auch nicht aufgrund sachlich begründeter Einwendungen gerechtfertigt. Soweit die Beklagte meint, es sei ihr nicht zumutbar, dem Kreisverband ein Konto einzurichten, weil dessen Schatzmeister in der Vergangenheit ein privates Girokonto vertragswidrig für Parteizwecke genutzt habe, folgt die Kammer dem nicht. Die Aufnahme des Verwendungszwecks "KV M." durch eine Mitarbeiterin der Beklagten im Rahmen der Verwaltung des Privatgirokontos deutet darauf hin, dass der Mitarbeiterin bewusst war, dass das Konto nicht ausschließlich für private Zwecke genutzt werden sollte. Sofern ihr dies bei der Aufnahme des Verwendungszwecks nicht bekannt gewesen sein sollte, wäre es ihr zuzumuten gewesen, nach dem Sinn des im Rahmen der Nutzung eines privaten Girokontos ungewöhnlichen Zusatzes zu fragen. Das Verhalten ihrer Mitarbeiterin muss sich die Beklagte zurechnen lassen, ohne dass es im Einzelnen darauf ankommt, unter welchen Umständen die Aufnahme des Verwendungszwecks zustande gekommen ist. Angesichts dessen wiegt das Verhalten des Schatzmeisters nicht derart schwer, dass es der Verwirklichung eines Anspruchs des Kreisverbands auf Eröffnung eines Kontos dauerhaft entgegen gehalten werden könnte. Da andere Gründe für die Verweigerung der Kontoeröffnung weder geltend gemacht noch von Amts wegen in Betracht zu ziehen sind, reduziert sich das der Beklagten grundsätzlich zustehende Ermessen auf eine Leistungspflicht.