Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 24.06.2009, Az.: 3 B 135/09
Auswahlentscheidung; Beamter; Beurteilung, dienstliche; Hilfskriterien; Leistungsprinzip; Schwerbehinderung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 24.06.2009
- Aktenzeichen
- 3 B 135/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 44111
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2009:0624.3B135.09.0A
Rechtsgrundlagen
- 9 BeamtStG
- 33 II GG
- 128 I SGB IX
- 95 II SGB IX
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Nach den Beurteilungsrichtlinien für die Polizei des Landes Niedersachsen sind bei der Erstellung einer dienstlichen Beurteilung für einen schwerbehinderten Beamten besondere Verfahrensvorschriften zu beachten, deren Nichteinhaltung sich auf die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung auswirkt.
- 2.
Das Merkmal der Schwerbehinderung ist als sozialer Belang ohne Qualifikationsbezug anzusehen, dem ein Vorrang gegenüber leistungsbezogenen (Hilfs)Kriterien nicht eingeräumt werden kann. Es vermag daher einem schwerbehinderten Beamten - auch unter Fürsorgegesichtspunkten - keinen Anspruch auf vorrangige Auswahl zu vermitteln.
- 3.
Lediglich dann, wenn die aus dem Leistungsprinzip abgeleiteten Hilfskriterien eine Unterscheidung zwischen den konkurrierenden Bewerbern um eine Beförderungsstelle nicht mehr zulassen, beide Bewerber also aufgrund ihrer Aus- und Fortbildung, in ihren Fähigkeiten und ihren Leistungen für die Beförderungsstelle als absolut gleich geeignet anzusehen sind, kann die Schwerbehinderteneigenschaft einen Vorrang zu Gunsten des Schwerbehinderten begründen.
Tatbestand:
Der Antragsteller, der aufgrund einer Diabetes-Erkrankung und einem GdB von 50 % einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist, konkurriert mit den drei Beigeladenen um einen der Polizeiinspektion Northeim/Osterode für den Monat April 2009 zugewiesenen Beförderungsdienstposten der Besoldungsgruppe A 10 BBesO.
Dem Stellenbesetzungsverfahren liegen die "Grundsätze für Beförderungsentscheidungen für Beamtinnen und Beamte bis einschließlich A 14 BBesO in der Polizeidirektion Göttingen; Übergangsregelung" vom 04. Dezember 2008 (Bl. 76 ff. der GA) zugrunde. Unter Ziffer 1.1 heißt es hierin u.a., die Behörde treffe die Beförderungsentscheidung für alle Statusämter auf Grundlage der anzuwendenden Kriterien in den einzelnen Auswahlebenen. Anhand von Personalvergleichsdateien (vgl. Ziffer 1.8) würden die Inspektionen in Abstimmung mit dem Dezernat 13 Auswahlvorschläge erarbeiten und diese mit den örtlichen Personalvertretungen abstimmen. In Ziffer 1.8 heißt es weiter, die Personalvergleichsdateien seien Hilfsmittel zur Vorbereitung der Auswahlentscheidung und würden keine bindenden Rangfolgelisten darstellen. Die einzelnen Auswahlebenen zur Erstellung der Beförderungsorientierungsliste für die Besoldungsgruppe A 10 BBesO stellen sich wie folgt dar:
"2. Darstellung der Auswahlebenen und -kriterien für Beförderungen in die jeweiligen Statusämter
...
2.5 A 10 g.D.
Bewerberkreis PK/KK/PI (A9)
..."
Der im März 1950 geborene Beigeladene zu 1) trat zum 17. April 1968 als Polizeiwachtmeister auf Probe in den Polizeivollzugsdienst des Landes Niedersachsen. Mit Wirkung vom 04. März 1977 wurde ihm im Amt eines Polizeimeisters die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Nach einem Eignungsauswahlverfahren wurde er zum Aufstieg ohne Einführungszeit und Prüfung für die Laufbahn des gehobenen Dienstes zugelassen, mit Wirkung vom 17. Februar 1998 zum Polizeikommissar ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 (gD) eingewiesen. Zum 01. September 2005 wurden seine dienstlichen Leistungen für den Beurteilungszeitraum 01. September 2002 bis 31. August 2005 mit dem Gesamturteil "4" (übertrifft erheblich die Anforderungen) beurteilt. Die nachfolgende dienstliche Beurteilung zum 01. September 2008 für den anschließenden Beurteilungszeitraum schloss mit dem Gesamturteil "C/oberer Bereich".
Der im August 1951 geborene Beigeladene zu 2) trat am 01. Oktober 1969 als Polizeiwachtmeister auf Probe in den Polizeivollzugsdienst des Landes Niedersachsen. Mit Wirkung vom 27. August 1978 wurde ihm im Amt eines Polizeiobermeisters die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Nach einem Eignungsauswahlverfahren wurde er zum Aufstieg ohne Einführungszeit und Prüfung für die Laufbahn des gehobenen Dienstes zugelassen, mit Wirkung vom 19. Februar 1998 zum Polizeikommissar ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 (gD) eingewiesen. Zum 01. September 2005 wurden seine dienstlichen Leistungen für den Beurteilungszeitraum 01. September 2002 bis 31. August 2005 mit dem Gesamturteil "4" (übertrifft erheblich die Anforderungen) beurteilt. Die nachfolgende dienstliche Beurteilung zum 01. September 2008 für den anschließenden Beurteilungszeitraum schloss mit dem Gesamturteil "C/oberer Bereich".
Der im Juni 1977 geborene Beigeladene zu 3) trat am 01. Oktober 1996 als Polizeikommissar-Anwärter in den Polizeivollzugsdienst des Landes Niedersachsen. Mit Wirkung vom 02. Juni 2004 wurde ihm im Amt eines Polizeikommissars die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Zum 01. September 2005 wurden seine dienstlichen Leistungen für den Beurteilungszeitraum 01. September 2003 bis 31. August 2005 mit dem Gesamturteil "4" (übertrifft erheblich die Anforderungen) beurteilt. Die nachfolgende dienstliche Beurteilung zum 01. September 2008 für den anschließenden Beurteilungszeitraum schloss mit dem Gesamturteil "C/oberer Bereich".
Der am 02. Juni 1952 geborene Antragsteller trat am 01. Oktober 1970 als Polizeiwachtmeister auf Probe in den Polizeivollzugsdienst des Landes Niedersachsen. Mit Wirkung vom 02. Juni 1979 wurde ihm im Amt eines Polizeiobermeisters die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen. Nach einem Eignungsauswahlverfahren wurde er zum Aufstieg ohne Einführungszeit und Prüfung für die Laufbahn des gehobenen Dienstes zugelassen, mit Wirkung vom 18. Februar 1998 zum Polizeikommissar ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 9 (gD) eingewiesen. Zum 01. September 2005 wurden seine dienstlichen Leistungen für den Beurteilungszeitraum 01. September 2002 bis 31. August 2005 mit der Wertungsstufe "4" (übertrifft erheblich die Anforderungen) beurteilt. Unter dem 23. November 2008 bewertete der Erstbeurteiler, PHK G., die dienstlichen Leistungen und die Befähigung des Antragstellers für den nachfolgenden Beurteilungszeitraum zum 01. September 2008 mit der Wertungsstufe "C/mittlerer Bereich". Hierbei wurden die Einzelkriterien der Leistungsbeurteilung siebenmal mit der Wertungsstufe "C" (entspricht voll den Anforderungen) und einmal ("Fachkompetenz") mit der Wertungsstufe "B" (übertrifft erheblich die Anforderungen) beurteilt. Die Einzelkriterien der Befähigungseinschätzung lauteten jeweils auf "normal ausgeprägt". Dieser Erstbeurteilung stimmte der Zweitbeurteiler, EPHK H., am 23. November 2008 zu. Weder der Erst- noch der Zweitbeurteiler hatten vor Erstellung der Beurteilung ein Gespräch mit der Schwerbehindertenvertretung geführt (vgl. Gerichtsakte im Verfahren 3 B 226/08).
Für Dezember 2008 wurden der PI Northeim/Osterode zwei Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 10 BBesO zugewiesen; die nachfolgende Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin fiel zulasten des Antragstellers aus. Dieser suchte daraufhin am 19. Dezember 2008 bei Gericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach (3 B 226/08). Am 29. Januar 2009 nahm der Antragsteller seinen Antrag zurück.
Zuvor hatte PHK G. am 15. Januar 2009 hinsichtlich der Beurteilung des Antragstellers ein Gespräch mit der Schwerbehindertenvertretung geführt. Hierbei wies die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen bei der Polizeiinspektion Göttingen, POK I., PHK G. auf Punkt 12 der Beurteilungsrichtlinien für die Polizei des Landes Niedersachsen - BRLPol - (Nds. MBl. 2008, 782 ff.) sowie die Nrn. 8.1 bis 8.3 der Richtlinien zur gleichberechtigten und selbstbestimmten Teilhabe schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Menschen am Berufsleben im öffentlichen Dienst (Beschluss der Landesregierung vom 09. November 2004 - MI - 15.3-03031/2.1 -, Nds. MBl. 2004, S. 783 - SchwbRichtl -) hin. PHK G. erklärte daraufhin, für den Antragsteller eine neue, erlasskonforme Beurteilung zu erstellen. Über dieses Gespräch fertigte POK I. am 16. Januar 2009 eine Gesprächsnotiz (Bl. 9 der Beiakte A).
Unter dem 19. Januar 2009 erstellte PHK G. für den Antragsteller eine neue dienstliche Beurteilung, die diesmal mit dem Gesamturteil "C/oberer Bereich" schloss (Bl. 1 ff. der Beiakte A). Die Bewertung der Einzelkriterien der Leistungsbeurteilung und der Befähigungseinschätzung änderte er dabei im Vergleich zu seiner Erstbeurteilung vom 23. November 2008 nicht. Am 20. Januar 2009 setzte EPHK H. das Gesamturteil hinsichtlich der Binnendifferenzierung abweichend von der Erstbeurteilung auf "C/mittlerer Bereich" fest. Am 29. Januar 2009 legte der Antragsteller gegen seine Beurteilung förmlich Widerspruch ein. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, bei der Erstellung der Beurteilung sei seine Schwerbehinderteneigenschaft nicht hinreichend berücksichtigt worden. Es fehle ein Vermerk, zu welchem Ergebnis das Gespräch mit der Schwerbehindertenvertretung geführt habe. Die dienstliche Beurteilung enthalte zudem keinen Vermerk über Art und Umfang der Berücksichtigung einer behinderungsbedingten Minderung der Arbeits- und Verwendungsfähigkeit. Aufgrund seiner Schwerbehinderung habe er (der Antragsteller) einen erheblich höheren Kraftaufwand zu leisten, um gleiche Leistungen wie seine Kollegen zu erzielen. Insoweit sei insbesondere zu berücksichtigen, dass trotz seiner Behinderung das Leistungsmerkmal "Fachkompetenz" mit der Note "B" bewertet worden sei. Obwohl er sich regelmäßig Insulin spritzen müsse, leiste er immer noch Schichtdienst. Obwohl dies für seine Gesundheit nicht förderlich sei, halte er seinen Zuckerspiegel während des Dienstes immer etwas höher als medizinisch notwendig, um voll einsatzfähig zu sein. All dies zeige sein besonderes Engagement und seinen besonderen Ehrgeiz. Zudem sei nicht berücksichtigt worden, dass schwerbehinderten Beschäftigten unter besonderer Berücksichtigung ihres Strebens nach Leistung und Fortbildung das Gesamturteil zuzuerkennen sei, dass sie erhalten würden, wenn ihre Arbeits- und Verwendungsfähigkeit nicht in Folge der Behinderung gemindert wäre. Des Weiteren fehle es an einer plausiblen Erklärung für die von der Erstbeurteilung abweichende Beurteilung durch EPHK H.. Ebenso fehle eine plausible Begründung, warum er (der Antragsteller) im Vergleich zu seinen Vorbeurteilungen diesmal insgesamt schlechter beurteilt worden sei. Letztlich habe er erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der "Grundsätze für Beförderungsentscheidungen für Beamtinnen und Beamte bis einschließlich A 14 BBesO in der Polizeidirektion Göttingen", da hiernach die Schwerbehinderteneigenschaft eines Beamten lediglich auf der letzten Auswahlebene Bedeutung erlange.
Am 11. Februar 2009 nahm PHK G. zu diesen Einwendungen schriftlich Stellung: Im Verlauf der Beurteilungskonferenz im September 2008 sei festgehalten worden, dass die Beurteilung des Antragstellers mit der Wertungsstufe "C" abschließen werde, und die Binnendifferenzierung im vorderen mittleren Bereich einzuordnen sei. Er (PHK G.) habe aber explizit darauf hingewiesen, dass eine endgültige Binnendifferenzierung erst nach dem Gespräch mit der Schwerbehindertenvertretung erfolgen könne. Aus von ihm nicht zu vertretenen Gründen habe ein solches Gespräch zunächst nicht stattgefunden. Im Verlauf des Abstimmungsgesprächs mit dem Zweitbeurteiler im November 2008 habe er das Gesamturteil der Beurteilung aufgrund einschränkender beurteilungsrechtlicher Vorgaben und unter dem weiteren Vorbehalt des Gesprächs mit der Schwerbehindertenvertretung sowie nochmaliger Darlegung und Aufrechterhaltung seiner Bedenken auf die Wertungsstufe "C/mittlerer Bereich" festgelegt. Während des Gesprächs mit der Schwerbehindertenvertretung am 15. Januar 2009 habe er festgestellt, dass er bei der Erstellung der Beurteilung des Antragstellers die Schwerbehindertenrichtlinien nicht hinreichend berücksichtigt habe. Möglicherweise sei die Gesamtleistung des Antragstellers im Vergleich zu anderen Beamten als Ergebnis der Rankingkonferenz zunächst zutreffend mit der Wertungsstufe "C/mittlerer Bereich" bewertet worden. Unter Umständen sei jedoch eine u.a. zu diesem Ergebnis führende geringere Arbeitsleistung des Antragstellers auf dessen Schwerbehinderung zurückzuführen. Daher habe er das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers auf die Wertungsstufe "C/mittlerer Bereich" angehoben. Als Erstbeurteiler halte er dieses Gesamturteil weiterhin für gerechtfertigt.
Unter dem 12. Februar 2009 äußerte sich EPHK H. schriftlich zu den Einwendungen des Antragstellers: Im November 2008 habe er mit PHK G. weitestgehend darin übereingestimmt, den Antragsteller mit der Wertungsstufe "C/mittlerer Bereich" zu bewerten. Unter Berücksichtigung der Schwerbehinderung sei auf die Intervention von PHK G. hin das Leistungsmerkmal "Fachkompetenz" von "C" auf "B" angehoben worden. Im Ergebnis seien sie sich aber darüber einig gewesen, dass die Wertungsstufe "C/mittlerer Bereich" dem Leistungsbild des Beamten entspreche. Auch wenn ihm (EPHK H.) das Ergebnis des Gesprächs zwischen PHK G. und dem Schwerbehindertenvertreter nicht bekannt sei, habe sich PHK G. veranlasst gesehen, die im November 2008 abgestimmte und vereinbarte Wertungsstufe auf "C/oberer Bereich" anzuheben. Sowohl die Teilnehmer der Erstbeurteilerkonferenz als auch er als Zweibeurteiler hätten der Schwerbehinderung des Antragstellers Rechnung getragen. Eine Schlechterstellung habe auf gar keinen Fall stattgefunden. Vielmehr sei der Antragsteller leistungsmäßig und unter stringenter Berücksichtigung seiner durchaus erkennbaren und auch jederzeit belegbaren Konstitution im Ergebnis genauso beurteilt worden, wie viele andere Kollegen seiner Vergleichsgruppe auch. Als Zweitbeurteiler halte er an dem Gesamturteil "C/mittlerer Bereich" fest.
Am 05. März 2009 wurde dem Antragsteller die dienstliche Beurteilung, die nicht geändert worden war, bekannt gegeben. Laut Beförderungsorientierungsliste beträgt die Anzahl der Punkte für die leistungsnäheren Hilfskriterien (Auswahlebene 4) für den Antragsteller und die Beigeladenen zu 1) bis 3) jeweils 19,10 (Bl. 42 der Gerichtsakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2009 wies die Antragsgegnerin den Beurteilungswiderspruch des Antragstellers als unbegründet zurück. Die Verfahrensregeln für die Beurteilung schwerbehinderter Beamter seien eingehalten worden. Es sei auch nicht erkennbar, dass EPHK H. die Schwerbehinderung des Antragstellers nicht hinreichend berücksichtigt habe. Aufgrund geänderter Maßstabsbeschreibungen und neuer Zusammensetzung der Vergleichsgruppen könne allein durch den Vergleich der Wertungsstufe "4" (vorherige Beurteilung) mit der Wertungsstufe "C" in der aktuellen Beurteilung nicht auf eine Verschlechterung der Leistungsbewertung geschlossen werden. Am 17. April 2009 erhob der Antragsteller Klage auf Abänderung seiner dienstlichen Beurteilung (3 A 140/09).
Für April 2008 wurden der PI Northeim/Osterode acht Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 10 BBesO zugewiesen; fünf von ihnen wurden zwischenzeitlich besetzt. Nachdem der Antragsteller erfahren hatte, dass er auch diesmal nicht befördert werden sollte, hat er am 14. April 2009 um gerichtlichen vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und trägt ergänzend vor: Wenn seine Beurteilung mit der Wertungsstufe "C/oberer Bereich" abschließen würde, läge er auf Rang 8 der aktuellen Beförderungsorientierungsliste. Denn auf der Auswahlebene 5 müsse ihm aufgrund seiner Schwerbehinderung der Vorrang vor den Beigeladenen zu 1) bis 3) eingeräumt werden; dies nicht zuletzt auch deshalb, weil die Dienstzeit (und damit letztlich auch das Lebensalter) bereits auf der Auswahlebene 4 von entscheidender Bedeutung sei. Es sei nicht ermessensgerecht, dass er als Bewährungsaufsteiger auf der Auswahlebene 4 schlechter behandelt werde als diejenigen Bewerber, die über eine Laufbahnprüfung in den gehobenen Polizeivollzugsdienst gelangt seien. Auf der Auswahlebene 3 müssten sämtliche Vorbeurteilungen unter Berücksichtigung aller darin getroffenen Aussagen berücksichtigt werden.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, eine der drei der Polizeiinspektion Northeim/Osterode für den Monat April 2009 zugewiesenen und noch freien Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 10 BBesO mit einem der Beigeladenen zu besetzen, bis über die Stellenbesetzung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie verteidigt die angegriffene Auswahlentscheidung. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen ihr Vorbringen im Widerspruchsbescheid und trägt ergänzend vor: Selbst wenn der Antragsteller mit der Wertungsstufe "C/oberer Bereich" beurteilt worden wäre, läge er nicht zwingend auf Rang 8 der Beförderungsorientierungsliste. Da die Kriterien der Auswahlebene 5 gleichberechtigt nebeneinander ständen, wäre nämlich für die Beigeladenen zu 1) und 2) sowohl das höhere Dienst- als auch das höhere Lebensalter zu berücksichtigen.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag. Der Beigeladene zu 1) meint, aufgrund des Dienst- und Lebensalters könne der Antragsteller auch dann nicht befördert werden, wenn seine dienstliche Beurteilung auf "C/oberer Bereich" lauten würde. Da er selbst derzeit auf Platz 1 der Beförderungsliste stehe, sei er zum Polizeioberkommissar zu ernennen. Der Beigeladene zu 2) trägt vor, einen Anspruch auf Beförderung zu haben, da er sich derzeit auf Platz 2 der Beförderungsliste befinde. Der Beigeladene zu 3) äußert sich nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die beigezogene Gerichtsakte 3 B 226/08 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (insbesondere die Personalakten des Antragstellers und der Beigeladenen) der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen.
Gründe
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) als auch einen Anordnungsanspruch, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache, gemäß § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft gemacht.
Der Anordnungsgrund folgt daraus, dass die drei noch freien Beförderungsdienstposten der Besoldungsgruppe A 10 BBesO alsbald mit den Beigeladenen zu 1) bis 3) besetzt werden sollen. Sobald dies geschehen ist, ist das Stellenbesetzungsverfahren nach der herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung ( BVerwG, Urteil vom 25. August 1988 - 2 C 62.85 -, BVerwGE 80, 127 [BVerwG 25.08.1988 - BVerwG 2 C 62/85] ), der die erkennende Kammer folgt, endgültig abgeschlossen. Es könnte nicht wieder rückgängig gemacht werden mit der Folge, dass dann das Begehren des Antragstellers, einen der streitbefangenen Dienstposten zu erhalten, nicht mehr durchsetzbar wäre.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn nach der hier gebotenen summarischen Überprüfung erweist sich die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin zu Gunsten der Beigeladenen zu 1) bis 3) als ermessensfehlerhaft. Im Falle der fehlerfreien Durchführung des Auswahlverfahrens erscheint die Beförderung des Antragstellers jedenfalls möglich. Der Glaubhaftmachung einer realistischen, nicht nur entfernten Möglichkeit einer für den Antragsteller positiven neuen Auswahlentscheidung bedurfte es nicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24. September 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200 f., [BVerfG 24.09.2002 - 2 BvR 857/02] und vom 29. Juli 2003 - 2 BvR 311/03 -, DVBl. 2003, 1524 f.).
Die getroffene Auswahlentscheidung im Stellenbesetzungsverfahren unterliegt als Akt wertender Erkenntnis lediglich einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Die Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung bei der Entscheidung über die Besetzung der Stelle mit den Beigeladenen die anzuwendenden Rechtsbegriffe oder den Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder Verfahrensfehler begangen hat ( OVG Lüneburg, Beschlüsse vom 29. September 1995 - 5 M 4192/95 - und vom 02. November 1999 - 5 M 3184/99 -; VG Göttingen, Beschlüsse vom 19. Juli 1999 - 3 B 3207/99 -, vom 26. Februar 2001 - 3 B 3416/00 -, vom 29. Juni 2004 - 3 B 148/04 - und vom 12. September 2007 - 3 B 327/07 - ).
Die Ermessensausübung des Dienstherrn bei der Entscheidung über die Besetzung eines höherwertigen Dienstpostens hat sich am Leistungsgrundsatz zu orientieren. Der in Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 BeamtStG niedergelegte Leistungsgrundsatz besagt, dass die Auswahl unter den Bewerbern in erster Linie nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen ist. Bei der Beurteilung der Frage, welcher der Bewerber am besten geeignet und befähigt sowie am leistungsstärksten ist, ist auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Dies sind regelmäßig die aktuellsten Beurteilungen. Haben die Bewerber dabei als Gesamturteil auf der jeweiligen Notenskala unterschiedliche Notenstufen erreicht, ist grundsätzlich der Bewerber mit der besseren Gesamtnote auszuwählen. Sind die Bewerber mit der gleichen Gesamtnote beurteilt, ist für die Auswahlentscheidung zunächst auf weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Diese können sich aus sogenannten Binnendifferenzierungen innerhalb der Notenstufe und/oder aus der Bewertung der einzelnen Beurteilungsmerkmale oder aus älteren dienstlichen Beurteilungen ergeben, deren zusätzliche Berücksichtigung geboten ist, wenn eine Stichentscheidung unter zwei oder mehr aktuell im Wesentlichen gleich beurteilten Bewerbern zu treffen ist. Erst wenn alle diese unmittelbar leistungsbezogenen Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind und die Bewerber immer noch im Wesentlichen gleich einzustufen sind, sind sogenannte Hilfskriterien heranzuziehen, bei denen der Dienstherr nicht an eine bestimmte Reihenfolge gebunden ist (vgl. hierzu im Einzelnen BVerwG, Urteile vom 21. August 2003 - 2 C 14.02 -, ZBR 2004, 101 [BVerwG 21.08.2003 - 2 C 14.02] und vom 27. Februar 2003 - 2 C 16.02 -, NVwZ 2003, 1397 [BVerwG 27.02.2003 - 2 C 16/02]; OVG Lüneburg, Beschluss vom 08. September 2006 - 2 ME 1137/06 -, juris, RdNr. 4).
Dem Antragsteller ist es gelungen, eine Verletzung seiner Rechtsstellung im streitbefangenen Auswahlverfahren glaubhaft zu machen. Denn nach der gebotenen summarischen Prüfung ist seine dienstliche Beurteilung vom 05. März 2009 aus mehreren Gründen rechtswidrig zustande gekommen. Mängel einer im Zusammenhang mit einer Auswahlentscheidung verwendeten dienstlichen Beurteilung können bewirken, dass auch die Auswahlentscheidung rechtswidrig ist. Voraussetzung für eine einstweilige Anordnung zur Sicherung des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Auswahl ist in solchen Fällen jedoch, dass ein gegen die dienstliche Beurteilung gerichteter Rechtsbehelf aussichtsreich ist und es möglich erscheint, dass eine neue und rechtsfehlerfreie dienstliche Beurteilung zur Auswahl des Antragstellers führt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. September 2002, a.a.O.; OVG Lüneburg, Urteil vom 05. Juni 2003 - 2 ME 123/03 -, juris, RdNr. 16 mit weiteren Nachweisen). Zudem bedarf die dienstliche Beurteilung nur dann einer näheren gerichtlichen Überprüfung, wenn der Antragsteller sie angefochten hat (OVG Lüneburg, Urteil vom 05. Juni 2003, a.a.O., RdNr. 14). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.
Dienstliche Beurteilungen sind von den Verwaltungsgerichten nur beschränkt nachprüfbar. Ausschließlich der Dienstherr oder der für ihn handelnde jeweilige Vorgesetzte soll nach dem erkennbaren Sinn der Regelungen über die dienstliche Beurteilung ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den - ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden - zahlreichen sachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Abgabe dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen, speziell denen der Laufbahnverordnung über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften im Einklang stehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31.01 -, juris, RdNr. 17; OVG Lüneburg, Beschluss vom 05. Juni 2003, a.a.O., RdNr. 17; VG Göttingen, Urteil vom 22. Juli 2008 - 3 A 278/06 -, UA S. 6).
Gemessen an diesen Grundsätzen stellt sich nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung die dem Antragsteller erteilte dienstliche Beurteilung vom 05. März 2009 als rechtswidrig dar. Sie wurde zum einen unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften, die bei der Beurteilung schwerbehinderter Beamter zu berücksichtigen sind, erstellt. Zum anderen wurde die Schwerbehinderteneigenschaft des Antragstellers bei der Bewertung einzelner Leistungsmerkmale offensichtlich nicht hinreichend berücksichtigt.
Nach Ziffer 12 BRLPol finden bei der Beurteilung von schwerbehinderten Menschen die Nrn. 8.1 bis 8.3 SchwbRichtl Anwendung. Gemäß Nr. 8.2 SchwbRichtl ist in jedem Beurteilungsverfahren vor Erstellung der Beurteilung ein Gespräch mit der Schwerbehindertenvertretung über den Umfang der Schwerbehinderung und die Auswirkungen auf die Arbeits- und Verwendungsfähigkeit zu führen (Satz 1). In der Beurteilung ist zu vermerken, ob, wann und mit welchem Ergebnis dieses Gespräch stattgefunden hat (Satz 4). Des Weiteren ist nach Nr. 8.1 SchwbRichtl zu unterstellen, dass schwerbehinderte Beschäftigte im Verhältnis zu Nichtbehinderten in der Regel eines größeren Einsatzes an Energie bedürfen, um gleichwertige Leistungen zu erbringen (Satz 1). Bei der Beurteilung ihrer Leistung ist daher eine etwaige Minderung der Arbeits- und Verwendungsfähigkeit durch die Behinderung besonders zu berücksichtigen (Satz 2). Demzufolge sind Qualität und Umfang der beurteilten Leistung zunächst nach allgemeinen Maßstäben zu beurteilen. Im Anschluss hieran ist zu prüfen, ob und ggf. in welchem Umfang behinderungsbedingte Minderleistungen vorliegen. Sofern eine durch die Behinderung verursachte Minderung der Arbeits- und Verwendungsfähigkeit vorliegt, ist weiter zu überlegen, auf welche Weise diese bei der dienstlichen Beurteilung angemessen zu berücksichtigen ist. Insoweit hat im Rahmen des Gesamturteils ein wertender Ausgleich zwischen den Leistungsdefiziten einerseits und einem besonderen Verantwortungsbewusstsein und erhöhter Leistungsbereitschaft andererseits stattzufinden, wobei nach qualitativen und quantitativen Minderleistungen des Beamten zu unterscheiden ist. Denn nach Nr. 8.3 Satz 3 SchwbRichtl ist die Qualität der erbrachten Leistungen grundsätzlich nach allgemeinen Maßstäben zu beurteilen. Hingegen darf eine möglicherweise geringere Quantität der Arbeitsleistung, soweit sie auf behinderungsbedingten Minderungen beruht, das Beurteilungsergebnis nicht negativ beeinflussen (Nr. 8.3 Satz 4 SchwbRichtl; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1988 - 2 C 72.85 -, juris, wonach § 13 Abs. 3 BLV dahingehend auszulegen ist, dass zur Wahrung des Leistungsgrundsatzes bei der Beurteilung Schwerbehinderter nur eine durch die Behinderung bedingte quantitative Minderleistung zu berücksichtigen ist). Nach Nr. 8.3 Satz 2 SchwbRichtl ist dem Schwerbehinderten unter Beachtung des Grundsatzes von Nr. 8.1 Satz 1 SchwbRichtl und unter besonderer Berücksichtigung seines Strebens nach Leistung und Fortbildung das Gesamturteil zuzuerkennen, das er erhalten würde, wenn seine Arbeits- und Verwendungsfähigkeit nicht infolge der Behinderung gemindert wäre. Schließlich sind Art und Umfang der Berücksichtigung einer Minderung der Arbeits- und Verwendungsfähigkeit durch die Behinderung in einer die Beurteilung abschließenden Gesamtwürdigung zu vermerken (Nr. 8.3 Satz 1 SchwbRichtl). Dieser Vermerk dient nach Auffassung der Kammer der Plausibilisierung. Durch ihn soll der Beurteilte bzw. ein außen stehender Dritter nachvollziehen können, in welchem Umfang der Schwerbehinderteneigenschaft des Beamten bei der Beurteilung Rechnung getragen worden ist.
Vorliegend fehlt es bereits an einem ordnungsgemäßen Gespräch mit der Schwerbehindertenvertretung. PHK G. hat sich zwar am 15. Januar 2009 im Rahmen des Beurteilungsverfahrens mit POK I. in dessen Funktion als Schwerbehindertenvertreter unterhalten. Dieses Gespräch genügt jedoch nicht den Anforderungen von Nr. 8.2 SchwbRichtl. Ausweislich der Gesprächsnotiz vom 16. Januar 2009 hat POK I. PHK G. nämlich lediglich "die Richtlinien vorgelesen und erklärt". Über den Umfang der Schwerbehinderung des Antragstellers und die Auswirkungen auf die Arbeits- und Verwendungsfähigkeit wurde hingegen offensichtlich nicht gesprochen. Aber selbst wenn diese Punkte in dem Gespräch tatsächlich thematisiert worden sein sollten, ändert sich das gefundene Ergebnis nicht. Denn in diesem Fall würde der von POK I. erstellte Gesprächsvermerk, der als Anlage zu der Beurteilung genommen wurde und damit Bestandteil von dieser ist, wegen fehlender Wiedergabe des eigentlichen Gesprächsergebnisses nicht den in Nr. 8.2 Satz 4 SchwbRichtl genannten Formvorschriften entsprechen. Zudem hat EPHK H. in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 12. Februar 2009 erklärt, ihm sei das Ergebnis dieses Gesprächs nicht bekannt. Damit hätte er - unterstellt das Gespräch mit dem Schwerbehindertenvertreter wäre ordnungsgemäß durchgeführt worden - die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht voll ausgeschöpft und der Beurteilung des Antragstellers eine unvollständige Tatsachengrundlage zugrunde gelegt. Zwar braucht der Zweitbeurteiler keinen unmittelbaren Eindruck von der Eignung und Leistung des Beurteilten zu haben (so BVerwG in ständiger Rechtsprechung, etwa: Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31.01 -, RdNr. 20 und Urteil vom 07. Juni 1984 - 2 C 54.82 -, juris RdNr. 26 m.w.N.). Seine Mitwirkung an der Beurteilung beruht vielmehr darauf, dass er andere Erkenntnismöglichkeiten als die eigene unmittelbare Beobachtung des Beamten nutzt. Das im Rahmen eines Beurteilungsverfahrens geführte Gespräch zwischen Erstbeurteiler und Schwerbehindertenvertretung stellt für den Zweitbeurteiler eine solche Erkenntnisquelle dar; dies insbesondere auch deshalb, weil der Vermerk über das Gespräch mit der Schwerbehindertenvertretung nach Nr. 8.2 SchwbRichtl unmittelbarer Bestandteil der dienstlichen Beurteilung ist. Für die Kammer ist in diesem Zusammenhang auch nicht nachvollziehbar, warum EPHK H. das von PHK G. vergebene Werturteil von "C/oberer Bereich" auf "C/mittlerer Bereich" herabstufte, obwohl ihm der Inhalt des Gesprächs mit der Schwerbehindertenvertretung nicht bekannt war, und obwohl ihm bewusst war, dass dieses Gespräch PHK G. überhaupt zur Vergabe der Wertungsstufe "C/oberer Bereich" veranlasst hatte.
Zudem liegt ein Verstoß gegen Nr. 8.3 Satz 1 SchwbRichtl vor. Die dienstliche Beurteilung des Antragstellers enthält den nach dieser Vorschrift erforderlichen Vermerk über Art und Umfang der Berücksichtigung einer behinderungsbedingten Minderung der Arbeits- und Verwendungsfähigkeit nicht. Ihr ist bereits nicht zu entnehmen, in welchem Umfang die Arbeits- und Verwendungsfähigkeit des Antragstellers überhaupt behinderungsbedingt gemindert ist. Lediglich der Stellungnahme von EPHK H. vom 12. Februar 2009 lässt sich durch den hierin enthaltenen Verweis auf die "durchaus erkennbare und jederzeit belegbare Konstitution" des Antragstellers entnehmen, dass dessen Arbeits- und Verwendungsfähigkeit aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung offenbar tatsächlich gemindert ist. Selbst wenn diese Stellungnahme - was dem Beurteilungsvorgang jedoch nicht zu entnehmen ist - dem Antragsteller als Bestandteil der dienstlichen Beurteilung zusammen mit dem Beurteilungsvordruck bekannt gegeben worden sein sollte, wäre den Anforderungen von Nr. 8.3 Satz 1 SchwbRichtl hierdurch nicht Genüge getan. Die Ausführungen von EPHK H. beschreiben nämlich nicht, in welcher konkreten Art und in welchem konkreten Umfang die Arbeits- und Verwendungsfähigkeit des Antragstellers gemindert ist. Sie erschöpfen sich insoweit vielmehr in einer vagen Andeutung. Auch die von PHK G. erstellte Mail vom 15. Juni 2009 (Bl. 119 der GA) hilft in diesem Zusammenhang nicht weiter. Denn aus ihr ergibt sich lediglich, dass der Antragsteller insulinpflichtiger Diabetiker ist und daher seinen Blutzuckerspiegel zu beobachten und den täglich Erfordernissen durch die Gabe von Spritzen anzupassen hat. Im Folgenden zählt PHK G. zwar die Begleitsymptome auf, die "nach einschlägiger Fachliteratur" bei einer Diabetes-Erkrankung vorkommen. Er kommt des Weiteren zu dem Ergebnis, dass sich diese Symptome qualitativ auf die Arbeitsleistung "auswirken können". An dieser Stelle wäre es jedoch notwendig gewesen, die bei dem Antragsteller feststellbaren Begleiterscheinungen der Diabetes-Erkrankung darzulegen und in Bezug zu seiner Arbeits- und Verwendungsfähigkeit als Polizeivollzugsbeamter zu setzen. Die bloße Darstellung der möglichen Symptome einer Diabetes-Erkrankung genügen den Anforderungen von Nr. 8.3 SchwbRichtl nicht.
Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die festgestellten Verfahrensfehler zwischenzeitlich in entsprechender Anwendung von § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG geheilt wurden. Die Verletzung der Verfahrensvorschriften wirkt sich auch auf die Rechtmäßigkeit der dienstlichen Beurteilung aus. Denn bei den Nrn. 8.2 und 8.3 Satz 1 SchwbRichtl handelt es sich um Schutzvorschriften zugunsten Schwerbehinderter. Dieser Schutz liefe leer, wenn ein Verstoß gegen diese Vorschriften folgenlos bliebe (vgl. für einen Verstoß gegen § 84 SGB IXOVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 09. Oktober 2003 - 2 M 105/03 -, juris, RdNr. 32). Es ist auch möglich, dass die Beurteilung des Antragstellers nach Durchführung eines rechtmäßigen Verfahrens mit einem besseren Gesamturteil als "C/mittlerer Bereich" abschließen wird, und die Antragsgegnerin dann eine neue, für ihn positive Auswahlentscheidung treffen wird.
Da aus den vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich ist, inwieweit PHK G. und EPHK H. den Umfang der Schwerbehinderung des Antragstellers und dessen Auswirkungen auf die Arbeits- und Verwendungsfähigkeit selbst kennen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beurteilung eine unvollständige Tatsachengrundlage zugrunde liegt. Außerdem haben weder Erst- noch Zweitbeurteiler in einer für die Kammer nachvollziehbaren Weise dargelegt, dass sie die durch die Schwerbehinderung verursachte Minderung der Arbeits- und Verwendungsfähigkeit bei der Bewertung der einzelnen Leistungsmerkmale angemessen berücksichtigt haben. Hierfür fehlt es bereits - wie soeben dargelegt - an einer Darstellung, auf welche Art und in welchem Umfang der Antragsteller aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung vermindert arbeits- und verwendungsfähig ist. Zudem haben PHK G. und EPHK H. die Schwerbehinderteneigenschaft des Antragstellers (lediglich) bei dem Leistungsmerkmal "Fachkompetenz" besonders berücksichtigt, indem sie die ursprünglich beabsichtigte Bewertung dieses Merkmals mit dem Werturteil "C" aufgrund der Schwerbehinderung auf das Werturteil "B" anhoben. Die Kammer kann sich zwar keine Sachverhaltskonstellation vorstellen, aufgrund derer die Schwerbehinderung gerade bei diesem Leistungskriterium besondere Berücksichtigung finden müsste. Bei der Fachkompetenz handelt es sich nämlich gerade um ein Leistungsmerkmal, das regelmäßig anhand qualitativer und nicht quantitativer Arbeitsleistungen zu messen ist. Da der Antragsteller insoweit jedoch nicht benachteiligt wurde, bedarf dieser Punkt keiner weiteren Aufklärung. Allerdings hätten PHK G. und EPHK H. im Rahmen der Bewertung der Leistungsmerkmale "Berufliches Selbstverständnis/Bürgerorientierung" und "Aufgabenbewältigung" die Auswirkungen der Schwerbehinderung genau prüfen müssen. Denn ausweislich des Beurteilungsvordrucks werden mit diesen Leistungsmerkmalen u.a. das Engagement und die Einsatzbereitschaft ("Berufliches Selbstverständnis/Bürgerorientierung") bzw. das quantitative Maß der geleisteten Arbeit unter Berücksichtigung des Zeitfaktors und des Schwierigkeitsgrades sowie die psychische und physische Belastbarkeit ("Aufgabenbewältigung") bewertet. Dies sind Arbeitsmerkmale, auf die eine Schwerbehinderung unmittelbaren Einfluss nehmen kann. Das Ergebnis dieser Prüfung hätte in die Bewertung der genannten Leistungsmerkmale einfließen müssen; hierüber hätte ein Vermerk erstellt und zur Beurteilung genommen werden müssen.
Hingegen kann der Antragsteller nicht verlangen, allein aufgrund seiner Schwerbehinderung den Beigeladenen zu 1) bis 3) vorgezogen zu werden. Die Schwerbehinderteneigenschaft zählt nämlich noch nicht einmal zu den sog. Hilfskriterien mit Leistungsbezug. Vielmehr ist sie als sozialer Belang ohne Qualifikationsbezug anzusehen, dem ein Vorrang gegenüber leistungsbezogenen (Hilfs)Kriterien nicht eingeräumt werden kann ( OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. April 2003 - 2 ME 129/03 - ). Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung sowohl des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl.z.B. Beschluss vom 14. April 2003, a.a.O., m.w.N.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts ( Beschluss vom 15. Februar 1990 - 1 WB 36.88-, juris, und Beschluss vom 22. Oktober 1991 - 2 B 41.91 -, juris), dass die Schwerbehinderteneigenschaft einem schwerbehinderten Beamten - auch unter Fürsorgegesichtspunkten - keinen Anspruch auf vorrangige Auswahl zu vermitteln vermag. Lediglich dann, wenn die aus dem Leistungsprinzip abgeleiteten Hilfskriterien eine Unterscheidung zwischen den konkurrierenden Bewerbern um eine Beförderungsstelle nicht mehr zulassen, beide Bewerber also aufgrund ihrer Aus- und Fortbildung, in ihren Fähigkeiten und ihren Leistungen für die Beförderungsstelle als "absolut gleich geeignet" (BVerwG, Beschluss vom 15. Februar 1990, aaO,) anzusehen sind, kann die Schwerbehinderteneigenschaft einen Vorrang zu Gunsten des Schwerbehinderten begründen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. April 2003, a.a.O.). Folglich hat der Antragsteller nur dann im Vergleich zu den Beigeladenen zu 1) und 3) eine Beförderungschance, wenn er nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens eine Beurteilung mit dem Gesamturteil "C/oberer Bereich" erhält.
Obwohl es im vorliegenden Verfahren nicht mehr entscheidungserheblich darauf ankommt, weist die Kammer gleichwohl auf Folgendes hin: Für den Fall, dass der Antragsteller nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Beurteilungsverfahren eine Beurteilung mit dem Gesamturteil "C/oberer Bereich" erhalten sollte, hält es die Kammer für erforderlich, dass die Antragsgegnerin auf der Leistungsebene - also vor der Befassung mit den Hilfskriterien "Schwerbehinderung" und "Dienst- und Lebensalter" - noch weitere frühere dienstliche Beurteilungen der Beteiligten heranzieht. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 21. August 2003 (a.a.O.) klargestellt, dass leistungs- und eignungsbezogene Hilfskriterien, nach denen die Auswahl erfolgen soll, erst bestimmt werden dürfen, wenn sich nach den vorrangigen Kriterien der aktuellen Beurteilung und sodann der früheren Beurteilungen kein Vorsprung für einen der Bewerber ergibt. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinen Entscheidungen zwar nicht ausdrücklich angesprochen, für welchen Zeitraum rückwirkend die Leistungsentwicklung anhand der früheren Beurteilungen betrachtet werden muss. Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe im Urteil vom 21. August 2003 ergibt sich aber, dass zumindest sämtliche Beurteilungen der Bewerber im zuletzt innegehabten Statusamt zu berücksichtigen sind ( OVG Lüneburg, Beschluss vom 08. September 2006 - 2 ME 1137/06 -, juris, RdNr. 7; VG Lüneburg, Beschluss vom 26. Oktober 2004 - 1 B 67/04 -, Entscheidungsdatenbank des OVG Lüneburg).
Sofern trotz Beachtung dieser Grundsätze eine Auswahlentscheidung anhand der sog. "leistungsferneren Hilfskriterien" (Auswahlebene 5) zu treffen sein sollte, weist die Kammer auf Folgendes hin: Die Auswahlebene 5 sieht eine Auswahlentscheidung anhand der Regelungen des SGB IX, des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes sowie des Dienst- und Lebensalters der Beamten vor, ohne dass eine Wertigkeit der Reihenfolge erkennbar wird. Zwar sind nach Nr. 7.1 Satz 1 SchwbRichtl bei der Besetzung neu eingerichteter oder frei werdender Arbeitsplätze, die einem Beförderungsamt zugeordnet sind oder eine höhere Eingruppierung ermöglichen, schwerbehinderte Beschäftigte bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung vorrangig zu berücksichtigen. Wortlaut sowie Sinn und Zweck dieser Verwaltungsvorschrift entspricht es aber, einen Schwerbehinderten erst bei ansonsten (absolut und nicht lediglich im Wesentlichen) gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorrangig zu berücksichtigen. Maßgeblich sind daher insoweit alle Kriterien, die für die Bestimmung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistungen bedeutsam sind (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 29. Mai 1995 - 5 M 1525/95 -, Rechtsprechungsdatenbank des OVG Lüneburg). Durch Nr. 7.1 Satz 1 SchwbRichtl wird damit zwar deutlich, dass neben den traditionellen Hilfskriterien (z.B. Dienst- und Lebensalter) das zusätzliche Beförderungskriterium der Schwerbehinderung geschaffen werden soll, um ein Gegengewicht zu den traditionellen Hilfskriterien zu bieten. Hierdurch werden andere Kriterien jedoch nicht gleichsam automatisch verdrängt. Nach Auffassung der Kammer kann daher eine die Bevorzugung des schwerbehinderten Beamten rechtfertigende Gleichheit dann nicht angenommen werden, wenn der Dienstherr aufgrund des höheren allgemeinen Dienstalters eines nichtbehinderten Konkurrenten einen Vorteil für diesen feststellt. Denn ein höheres Dienstalter spricht regelmäßig auch dafür, dass mit der längeren "Stehzeit" ein größerer Zuwachs an Erfahrung verbunden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. August 1995 - 5 M 7720/94 -, juris, RdNr. 27). Dies ist jedoch häufig gegenüber anderen Kriterien wenig aussagekräftig. Daher setzt die Beförderungsentscheidung zugunsten des dienstälteren Konkurrenten voraus, dass das höhere Dienstalter im konkret gewichteten Einzelfall tatsächlich einen Leistungsvorsprung begründet. Dabei wird der Unterschied im Dienstalter ins Verhältnis gestellt werden müssen zur Gesamtdauer der dienstlichen Karriere der konkurrierenden Bewerber und den ggf. anderen gewichtigen Hilfskriterien. Nur so kann nämlich geprüft werden, ob aus dem höheren Dienstalter tatsächlich ein höherer Erfahrungsschatz resultieren kann (so zur Frauenförderung VG Oldenburg, Beschluss vom 22. Mai 2001 - 6 B 4273/00 - ). Andernfalls bestände die Gefahr, dass niemals eine absolut gleiche Eignung eines schwerbehinderten und eines nichtschwerbehinderten Beamten feststellbar wäre mit der Folge, dass Nr. 7.1 Satz 1 der Schwerbehinderungsrichtlinien leerliefe. Hingegen stellt das Lebensalter kein leistungsbezogenes Hilfskriterium dar. Aufgrund von Nr. 7.1 Satz 1 SchwbRichtl ist daher dem Hilfskriterium der Schwerbehinderung dem Hilfskriterium des Lebensalters der Vorrang einzuräumen mit der Folge, dass bei absolut gleicher Einschätzung von Leistung, Eignung und Befähigung ein schwerbehinderter Beamter im Vergleich zu einem älteren nichtschwerbehinderten Beamten zu bevorzugen wäre.
Einen weitergehenden Schutz von Schwerbehinderten verlangt auch § 128 Abs. 1 SGB IX, der nicht durch das AGG ausgeschlossen ist (vgl. § 2 Abs. 3 AGG), nicht. Hiernach sind die besonderen Vorschriften und Grundsätze für die Besetzung der Beamtenstellen unbeschadet der Geltung des Zweiten Teils des SGB IX auch für schwerbehinderte Beamte und Beamtinnen so zu gestalten, dass die Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen gefördert und ein angemessene Anteil schwerbehinderter Menschen unter den Beamtinnen und Beamten erreicht wird. Der Anspruch darauf schließt jedoch nicht eine Bevorzugung bei Beförderungen ein. Obwohl das Hilfskriterium der Schwerbehinderung soziale Belange ohne Qualifikationsbezug betrifft, ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass die Schwerbehinderteneigenschaft in Konkurrenz zu anderen beachtenswerten Hilfskriterien als ein zulässiges Kriterium herangezogen wird. Es ist aber nicht gerechtfertigt, eine starre Reihenfolge der Hilfskriterien dergestalt aufzustellen, dass sich die Schwerbehinderteneigenschaft stets durchsetzt. Denn die Regelungen zum Schutz der Schwerbehinderten sollen in erster Linie die Nachteile ausgleichen, die Beschäftigten aus der Schwerbehinderung erwachsen. Ein Anspruch auf Bevorzugung im Vergleich zu nichtschwerbehinderten Beschäftigten korrespondiert hiermit nicht. Gleiches gilt auch für die Verfassungsbestimmung des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. April 2003, a.a.O.).