Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 05.03.2013, Az.: 2 B 656/12

wiederholte Antragstellung; wahrer Aufenthaltszweck; Fortgeltungsfiktion; schwerwiegende persönliche Gründe; Prozessführung; Schengen-Visum; Verlängerung; Visakodex

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
05.03.2013
Aktenzeichen
2 B 656/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 64444
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Einstweiliger Rechtsschutz gegen die Ablehnung der Verlängerung eines Schengen-Visums ist auch in den Fällen gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren, in denen der Visumsinhaber den für seinen wahren Aufenthaltszweck erforderlichen Aufenthaltstitel vor seiner Einreise in das Bundesgebiet nicht eingeholt hat.

2. In Fällen der vom Visumsinhaber allein steuerbaren Ursachen für seinen weiteren Verbleib im Bundesgebiet scheidet eine Verlängerung seines Schengen-Visums aus den in Artikel 33 Visakodex genannten Gründen regelmäßig aus.

3. Die Verlängerung eines Schengen-Visums kann daher nicht zu dem Zweck erfolgen, dem Visumsinhaber den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zur persönlichen Führung eines Verwaltungsrechtsstreits zu ermöglichen.

4. Die wiederholte Stellung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit demselben Aufenthaltszweck aufgrund desselben, den hiermit befassten (Ausländer-)Behörden unterbreiteten Lebenssachverhaltes löst die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht erneut aus, sofern über den vorangegangenen, verfahrensgegenständlichen Antrag bereits entschieden wurde und die Überprüfung dieser negativen Entscheidung noch rechtshängig ist.

Gründe

I.

Die Antragsteller sind russische Staatsangehörige. Der Antragsteller zu 1.), Ehemann der Antragstellerin zu 2.) und Vater der minderjährigen Antragstellerin zu 3.), hielt sich in den Jahren 2007 bis 2012 mehrfach - vorwiegend zu geschäftlichen Zwecken - aufgrund erteilter Schengen-Visa kurzzeitig im Bundesgebiet auf. Im Januar 2011 erwarb er das leerstehende Wohnhaus G. Straße x in H.. Ein Jahr später errichtete er unter Angabe des e.g. Objektes als Sitz der Gesellschaft eine GmbH - Firma I. GmbH -, deren Gegenstand der Handel mit Bekleidung sowie anderen Waren sein soll. Der Antragsteller zu 1.) als alleiniger Gesellschafter bestellte sich zum Geschäftsführer der GmbH und ließ die Firma in das Handelsregister eintragen (HRB J. AG Göttingen). Wegen des - wenig aussagekräftigen - Unternehmenskonzeptes wird auf die Darstellung des Antragstellers zu 1.) verwiesen (Bl. 19 f. AuslA).

Ausweislich der von den Antragstellern der Ausländerbehörde des Antragsgegners vorgelegten russischen Reisepässe erteilte das Deutsche Generalkonsulat in Jekaterinburg den Antragstellern zuletzt am 24.11.2011 jeweils ein vom 17.12.2011 bis 16.12.2012 gültiges Schengen-Visum zu touristischen Zwecken (Typ C), welches die Antragsteller zur mehrfachen Einreise in das Bundesgebiet und zum Aufenthalt über eine Gesamtdauer von bis zu 90 Tagen innerhalb eines Bezugszeitraums von 6 Monaten berechtigte. Den in den im Jahre 2008 ausgestellten russischen Reisepässen der Antragsteller zu 1.) und 2.) vorhandenen Sichtvermerken zufolge reisten diese aufgrund dieser Visa erstmals am 18.12.2011 in die Bundesrepublik ein und verließen diese am 17.02.2012.

Am 08.05.2012 beantragten die Antragsteller beim Generalkonsulat in Jekaterinburg die Erteilung eines nationalen Visums zum Zwecke der Einreise und des unbefristeten Aufenthalts in der Bundesrepublik ab dem 01.08.2012, der Antragsteller zu 1.) zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit (§ 21 AufenthG), die Antragstellerinnen zu 2.) und 3.) hiervon abgeleitet aus familiären Gründen.

Im Rahmen des Visumserteilungsverfahrens wies die Stadt H. als Gewerbeaufsichtsbehörde darauf hin, dass der Antragsteller zu 1.) mehrfachen Aufforderungen zur Anmeldung seines Gewerbes gem. § 14 GewO bislang nicht nachgekommen sei. Ermittlungen ihres Außendienstes hätten ergeben, dass lediglich die provisorische Beschriftung des Briefkastens der im Eigentum des Antragstellers zu 1.) stehenden Liegenschaft in H. auf diesen hinweise, selbige ansonsten einen unbewohnten Eindruck vermittele. Es gebe keine Anhaltspunkte für eine dort stattfindende gewerbliche Tätigkeit; sie - die Stadt H. - gehe daher von einem Scheingewerbe (sog. Briefkastenfirma) aus. Die ebenfalls beteiligte IHK K. geht in ihrer Stellungnahme ebenfalls von einem unbewohnten Grundstück des Antragstellers zu 1.) in H. aus, für das eine gewerbliche Nutzung nicht zu erkennen sei. Ein übergeordnetes wirtschaftliches Interesse an der gewerblichen Betätigung des Antragstellers zu 1.) sei weder vorgetragen noch erkennbar; ebenso ein besonderes regionales Bedürfnis hieran. Der Antragsteller zu 1.) habe kein Unternehmenskonzept vorgestellt; seine Geschäftsidee sei nicht innovativ. Die I. GmbH könne gem. § 4a GmbHG ihren Verwaltungssitz im Ausland haben, sodass der Antragsteller zu 1.) seine Geschäfte vollständig von der Russischen Föderation aus führen könne. Personal für Leitungs- und Vertriebsausgaben könne in Deutschland eingestellt werden. Im Übrigen sei er auf die - bisher von ihm genutzte - Möglichkeit der Visaerteilung für Kurzaufenthalte zu verweisen, sofern seine Anwesenheit im Bundesgebiet aus geschäftlichen Gründen erforderlich sei. Den e.g. Stellungnahmen schloss sich der Antragsgegner an und versagte seine Zustimmung zur Visumserteilung.

Mit Bescheid vom 13.06.2012 lehnte das Deutsche Generalkonsulat in Jekaterinburg die Erteilung der beantragten nationalen Visa unter Verweis auf die Stellungnahmen des Antragsgegners und der IHK K. ab. Hiergegen remonstrierten die Antragsteller erfolglos und haben am 01.11.2012 zur Niederschrift des Urkundsbeamten Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland zum VG Berlin - VG 13 K 318.12 V - erhoben, über die bislang noch nicht entschieden wurde. Ausweislich der Sichtvermerke in den neuen, im Jahre 2012 ausgestellten russischen Reisepässen der Antragsteller waren diese zuvor am 21.09.2012 in die Bundesrepublik eingereist und halten sich seither ununterbrochen im Bundesgebiet auf.

Mit Schreiben vom 02.10.2012 beantragte der Antragsteller zu 1.) beim Antragsgegner die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit gem. § 21 AufenthG, über die der Antragsgegner bislang nicht entschieden hat.

Mit Schreiben vom 24.11.2012 beantragten die Antragsteller die Verlängerung ihrer am 16.12.2012 auslaufenden Schengen-Visa unter Verweis auf ihr beim VG Berlin anhängiges Klageverfahren. Mit weiterem Schreiben vom 06.12.2012 wiederholten die Antragsteller ihr Begehren auf Verlängerung ihrer Visa und verwiesen hierzu auf § 6 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, wonach ihre Visa als nationale Visa für weitere 3 Monate verlängert werden könnten.

Der Antragsgegner teilte den Antragstellern mit Schreiben vom 11.12.2012 mit, ihrem Begehren könne nicht entsprochen werden, da die Voraussetzungen der Verlängerung eines Besuchs-Visums gem. § 6 Abs. 2 AufenthG nicht vorlägen. Es sei den Antragstellern zuzumuten, den Ausgang des Klageverfahrens vor dem VG Berlin in ihrem Heimatland abzuwarten.

Hieraufhin sprachen die Antragsteller zu 1.) und 2.) am 17.12.2012 persönlich bei der Ausländerbehörde des Antragsgegners vor, legten ihre russischen Pässe zur Ablichtung vor und betonten, im Hinblick auf das beim VG Berlin anhängige Klageverfahren nicht freiwillig aus der Bundesrepublik ausreisen zu wollen, um den Rechtsstreit weiter von der Bundesrepublik aus führen zu können.

Dies nahm der Antragsgegner zum Anlass, mit Bescheid vom 18.12.2012 den Antrag der Antragsteller auf Verlängerung ihrer Visa um weitere 3 Monate abzulehnen, diese darüber hinaus zur Ausreise aus der Bundesrepublik bis zum 31.12.2012 aufzufordern und ihnen für den Fall der nicht fristgerechten freiwilligen Ausreise die Abschiebung in die Russische Föderation anzudrohen. Zur Begründung führte der Antragsgegner im Wesentlichen aus, eine Verlängerung der Visa zur Wahrung der politischen Interessen der Bundesrepublik oder aus völkerrechtlichen Gründen gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 AufenthG scheide ebenso aus wie die Verlängerung nach den Vorgaben des Art. 33 des Visakodex. Die Antragsteller seien weder durch das Vorliegen höherer Gewalt noch aufgrund humanitärer oder schwerwiegender persönlicher Gründe gehindert auszureisen. Sie beabsichtigten mit ihrem Verhalten eine bewusste Umgehung der Einreisevorschriften und seien offensichtlich nicht bereit, die gesetzlichen Vorschriften zu beachten. Es sei ihnen problemlos möglich und zumutbar, den Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in ihrem Heimatland abzuwarten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung des Bescheides (Bl. 102 ff. AuslA des ASt. 1.) verwiesen.

Hiergegen haben die Antragsteller am 21.12.2012 die bei der erkennenden Kammer unter dem Aktenzeichen 2 A 655/12 anhängige Klage erhoben und gleichzeitig um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sowie Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachgesucht. Sie erstreben in der Hauptsache die Verpflichtung des Antragsgegners zur Verlängerung ihrer Visa um weitere 3 Monate sowie die Untersagung der angedrohten Abschiebung. Zur Begründung verweisen die Antragsteller auf die aus ihrer Sicht gegebene Notwendigkeit, ihr Klageverfahren vor dem VG Berlin weiter von Deutschland aus zu führen. Die Korrespondenz aus der Russischen Föderation heraus gestalte sich sehr schwierig; ihr russischer Wohnsitz sei von dem Firmensitz der I. GmbH mehr als 4000 Kilometer entfernt. Die Postlaufzeit zwischen der Russischen Föderation und Deutschland betrage mindestens zwei Wochen. Zudem sei die russische Post sehr unzuverlässig; es komme oft vor, dass Post den Empfänger nicht erreiche. Vor diesem Hintergrund drohe ihnen, vom VG Berlin gesetzte Fristen nicht einhalten zu können. Das Deutsche Generalkonsulat in Jekaterinburg liege mit dem PKW zu fahrende L. km (= 12 Stunden Autofahrt) von ihrem Wohnsitz in M. entfernt; diese Strecke müsse bei jeder Beantragung eines Schengen-Visums bewältigt werden und die Visumserteilung dauere mehr als einen Monat. Der Vorschlag der IHK K., weiterhin mit Schengen-Visa zu Kurzaufenthalten in die Bundesrepublik einzureisen und im Übrigen die gewerbliche Tätigkeit der I. GmbH durch einen angestellten deutschen Geschäftsführer sicherzustellen, sei für ihn - den Antragsteller zu 1.) - nicht akzeptabel. Er beabsichtige die Eröffnung eines Ladens in einer großen Stadt (z.B. N.), nicht am Sitz seiner GmbH in H.. Er schaffe dadurch Arbeitsplätze und zahle Steuern. Schließlich seien sie im September 2012 in die Bundesrepublik eingereist, um hier - wie in der Vergangenheit - Urlaub zu machen.

Die Antragsteller beantragen,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage - 2 A 655/12 - gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18.12.2012 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verweist zur Begründung auf den in der Hauptsache angefochtenen Bescheid vom 18.12.2012 und ergänzt, das Vorbringen der Antragsteller sei für ihn nicht nachvollziehbar. Der russische Wohnsitz der Antragsteller befinde sich lediglich in gut 600 Kilometern Entfernung vom Deutschen Generalkonsulat in Jekaterinburg. Die behauptete Unzuverlässigkeit der russischen Post sei nicht bewiesen. Die Antragsteller hätten ihren wahren Aufenthaltszweck verschleiert; tatsächlich bezweckten sie einen Daueraufenthalt in der Bundesrepublik und versuchten, durch ihre Weigerung zur freiwilligen Ausreise Tatsachen zu schaffen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (3 Bände Ausländerakten) Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

1.) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache - 2 A 655/12 - anhängigen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18.12.2012 gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist zulässig.

a) Soweit sich die Antragsteller mit ihrer Anfechtungsklage gegen die im e.g. Bescheid enthaltene Abschiebungsandrohung wenden, ist dies unzweifelhaft, denn die Klage entfaltet insoweit keine aufschiebende Wirkung, vgl. § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. §§ 70 Abs. 1 NVwVG, 64 Abs. 4 NdsSOG (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 30.06.2010 - 8 ME 133/10 -, zit. nach juris Rn. 21).

b) Sofern es das Begehren der Antragsteller auf Verlängerung ihrer Schengen-Visa betrifft, ist der nach § 123 Abs. 5 VwGO vorrangige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ebenfalls zielführend, denn die in der Hauptsache - 2 A 655/12 - erhobene Klage gegen den insoweit ablehnenden Bescheid des Antragsgegners vom 18.12.2012, die gem. § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung entfaltet, löst die gesetzlich vorgesehene Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG aus. Obwohl ein Schengen-Visum von seiner Konzeption her grundsätzlich nur zu kurzfristigen Aufenthalten im Bundesgebiet berechtigt, kann ein Antrag auf Verlängerung dieses Visums die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nach dem eindeutigem Wortlaut dieser Norm und der Gesetzessystematik des AufenthG auslösen, weil es sich hierbei um einen Aufenthaltstitel gem. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG handelt (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 01.09.2008 - 18 B 943/08 -, InfAuslR 2009, S. 74 ff., zit. nach juris Rn. 1, 6 m.w.N.).

aa) Zwar haben die Antragsteller vor ihrer letzten Einreise in das Bundesgebiet am 21.09.2012 nicht das für ihren (wahren) Aufenthaltszweck erforderliche Visum i.S.d. §§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eingeholt, denn aufgrund ihres Verhaltens seit der Ablehnung ihres Antrags auf Erteilung von nationalen Visa durch das Deutsche Generalkonsulat in Jekaterinburg mit Bescheid vom 13.06.2012 geht die erkennende Kammer davon aus, dass die Antragsteller am 21.09.2012 nicht, wie von ihnen angegeben, nur zum Zwecke des Urlaubs in die Bundesrepublik eingereist sind. Sie teilt vielmehr die Einschätzung des Antragsgegners, dass sich die Antragsteller von vorn herein in der Absicht eines dauerhaften, zumindest aber zeitlich längerfristigen Aufenthalts in das Bundesgebiet begeben haben. Die Antragsteller haben von vorn herein zu erkennen gegeben, dass sie die negative Entscheidung des Deutschen Generalkonsulats in Jekaterinburg nicht akzeptieren und hiergegen den Rechtsweg beschreiten werden. Dieser Umstand an sich ist den Antragstellern zwar nicht vorwerfbar. Zu ihren Lasten geht im Rahmen der Würdigung ihrer wahren Einreisemotive indes ihre bewusste Entscheidung, gerichtlichen Rechtsschutz gegen die ablehnende Entscheidung der Deutschen Auslandsvertretung nicht - wie gesetzlich vorgesehen - von ihrem Heimatland aus in Anspruch zu nehmen, sondern hierfür unter Ausnutzung von noch gültigen Schengen-Visa in das Bundesgebiet einzureisen und hierin notfalls über die Geltungsdauer der Visa hinaus bis zum Abschluss ihres Klageverfahrens verbleiben zu wollen. Die Erforderlichkeit i.S.d. §§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG orientiert sich am aktuellen Aufenthaltszweck bzw. demjenigen Aufenthaltstitel, dessen Erteilung der betroffene Ausländer aktuell beantragt (BVerwG, Urteil vom 11.01.2011 - 1 C 23/09 -, BVerwGE 138, S. 353 ff., zit. nach juris Rn. 20; NdsOVG, Beschluss vom 12.07.2012 - 8 ME 94/12 -, zit. nach juris Rn. 5 jew.m.w.N.). Über das danach erforderliche nationale Visum (etwa im Hinblick auf einen erlaubten Aufenthalt gem. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG aus dringenden persönlichen Gründen wie z.B. die Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung, vgl. NdsOVG, a.a.O., Rn. 14) verfügen die Antragsteller nicht.

bb) Auf die Problematik, dass der betroffene Ausländer mit einem nur kurzfristig geltenden Schengen-Visum eingereist ist, obwohl er tatsächlich einen längerfristigen oder Daueraufenthalt beabsichtigte und deshalb ein nationales Visum gem. § 6 Abs. 3 AufenthG benötigte, kommt es im Rahmen des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG - anders als bei der Anwendung der §§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 6 Abs. 3 Satz 1 AufenthG - indes nicht an (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 01.09.2008, a.a.O., Rn. 6; Funke-Kaiser in: Gemeinschaftskommentar zum AufenthG, Stand: 66. Erg.lfg. Dez. 2012, § 81 AufenthG Rn. 40; zweifelnd Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 79. Erg.lfg. Nov. 2012, § 81 AufenthG Rn. 34). Denn in § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ist im Unterschied zur früheren Rechtslage nach § 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AuslG keine Regelung enthalten, die etwa im Fall einer unerlaubten Einreise (eine solche liegt nach dem Urteil des BVerwG vom 11.01.2011, a.a.O., bei Einreise mit einem Schengen-Visum trotz abweichenden Aufenthaltszwecks allerdings nicht vor) bestimmt, dass die Fiktion des Fortbestandes des ursprünglichen Aufenthaltstitels nicht eintritt (HessVGH, Beschluss vom 16.03.2005 - 12 TG 298/05 -, InfAuslR 2005, S. 304 ff., zit. nach juris Rn. 8). Anders als die Erlaubnisfiktion des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verlangt die Fortgeltungsfiktion auch keinen rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet (Dienelt in: Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage, § 81 Rn. 17; vgl. auch NdsOVG, Beschluss vom 12.07.2012, a.a.O., Rn. 4 ff. zum Ausschluss der Erlaubnisfiktion gem. § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG bei visumsfreier Einreise unter Verschleierung des wahren Aufenthaltszwecks).

2.) Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache - 2 A 655/12 - anhängigen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18.12.2012 gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist unbegründet.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen die Ablehnung der Erteilung eines Aufenthaltstitels und gegen die Abschiebungsandrohung mit Ausreisefristsetzung anordnen, wenn bei der vom Gericht vorzunehmenden Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Verwaltungsakts und dem Interesse des Betroffenen, vom Vollzug der behördlichen Verfügung vorerst verschont zu bleiben, das letztgenannte überwiegt. Maßgeblich - aber nicht ausschließlich - ist hierbei auf die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs abzustellen, soweit diese sich bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung überschauen lassen. Bestehen hiernach - in Anlehnung an den für das behördliche Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO geltenden Maßstab - ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des in der Hauptsache angefochtenen Verwaltungsaktes, ist dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben, denn am Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Interesse bestehen. Umgekehrt ist der Rechtsschutzantrag abzulehnen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Rechtmäßigkeit ausgesetzt ist, denn mit seinem Vollzug soll nach der gesetzgeberischen Wertung des § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bzw. § 64 Abs. 4 Satz 1 NdsSOG aufgrund der im Ausländer- bzw. Verwaltungsvollstreckungsrecht gegebenen Eilbedürftigkeit nicht bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zugewartet werden müssen

Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des in der Hauptsache angefochtenen Bescheides des Antragsgegners vom 18.12.2012.

a) Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer Schengen-Visa über deren Gültigkeit bis zum 16.12.2012 hinaus. Ein solcher Anspruch käme allenfalls nach § 6 Abs. 2 AufenthG, zuletzt geändert durch Art. 1 Nr. 5 a) des 2. Richtlinienumsetzungsgesetzes vom 22.11.2011 (BGBl I., S. 2258) mit Wirkung vom 26.11.2011, in Betracht. Nach Satz 1 dieser Vorschrift können Schengen-Visa nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 bis zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von drei Monaten innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Tag der ersten Einreise an verlängert werden. Für weitere drei Monate innerhalb der betreffenden Sechsmonatsfrist kann ein Schengen-Visum nach Satz 2 der e.g. Vorschrift aus den in Artikel 33 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009/EG [Visakodex] genannten Gründen, zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder aus völkerrechtlichen Gründen als nationales Visum verlängert werden.

aa) Sofern es die Verlängerung der am 24.11.2011 ausgestellten und bis zum 16.12.2012 gültigen Schengen-Visa der Antragsteller betrifft, wäre gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 AufenthG deren Verlängerung ausgehend von der ersten Einreise der Antragsteller innerhalb des ersten Sechs-Monats-Zeitraums am 18.12.2011 - unter Berücksichtigung einer maximalen Aufenthaltsdauer von 90 Tagen, gerechnet ab der zweiten Einreise der Antragsteller am 21.09.2012 - längstens bis zum 20.12.2012 möglich, sofern die - nachstehend unter bb) und cc) wiedergegebenen - materiellen Erteilungsvoraussetzungen vorlägen. Denn die Verlängerung nach Satz 1 dieser Vorschrift kann je Bezugszeitraum von 6 Monaten, gerechnet von dem Tag der ersten Einreise des Betroffenen in das Hoheitsgebiet der Schengen-Staaten, maximal bis zur Gesamtaufenthaltsdauer von 3 Monaten innerhalb eines 6-monatigen Bezugszeitraums erfolgen (Zeitler, HTK-AuslR, § 6 AufenthG, zu Abs. 1 und 2, Ziffer 5.1). Dies ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Nr. 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 810/2009/EG [Visakodex], wonach ein Schengen-Visum grundsätzlich nur zu geplanten Kurzaufenthalten von bis zu 3 Monaten berechtigen und danach zumindest eine formelle Ausreise aus dem Schengen-Gebiet erfolgen muss, auch wenn diese nur kurzfristig erfolgt (vgl. EuGH, Urteil vom 03.10.2006 - C-241/05 - Nicolae Bot gegen Préfet du Val-de-Marne, Slg. I-9627, zit. nach juris Rn. 33 und 38 f., zu Art. 20 SDÜ; Funke-Kaiser, a.a.O., § 6 AufenthG Rn. 42).

Dem entspricht auch die Vorgabe der Europäischen Kommission gem. Teil V Ziffer 1.5. des sog. Visakodex-Handbuch, wonach im Allgemeinen die Visumsverlängerung nicht zu einer Gesamtaufenthaltsdauer von mehr als 90 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen führen sollte. Gemäß Art. 51 i.V.m. Art. 52 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009/EG [Visakodex] ist die Europäische Kommission befugt, durch Beschluss Hinweise und Beispiele zur Rechtsanwendung des Visakodex zu geben. Von dieser Befugnis hat die Europäische Kommission mit Beschluss vom 19.03.2010 über ein Handbuch für die Bearbeitung von Visumsanträgen und die Änderung von bereits erteilten Visa, K (2010) 1620, abrufbar unter:

http://ec.europa.eu/home-affairs/policies/borders/docs/c_2010_1620_de.pdf, Gebrauch gemacht. Gemäß Erwägungsgrund 6 des Visakodex-Handbuch sollen die Mitgliedsstaaten zur Gewährleistung einer einheitlichen Umsetzung der Unionsbestimmungen über die Bearbeitung von Visumsanträgen und die Änderung von bereits erteilten Visa ihre zuständigen Behörden anweisen, sich bei der Bearbeitung von Visumsanträgen und der Änderung erteilter Visa in erster Linie auf das Handbuch zu stützen.

Für die Zeit ab dem 21.12.2012 kann die Verlängerung der Schengen-Visa der Antragsteller gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 AufenthG für eine Gesamtaufenthaltsdauer von weiteren 3 Monaten dagegen nur als nationales Visum erfolgen, sofern die materiellen Voraussetzungen hierfür gegeben sind (dazu nachstehend bb) und cc)); hier also längstens bis zum 20.03.2013. Denn der Regelungsbereich des Visakodex erfasst nur Schengen-Visa für den kurzfristigen Aufenthalt; Visa für einen längeren Aufenthalt werden dagegen aufgrund nationaler Bestimmungen erteilt (Zeitler, a.a.O., Ziffer 5.2).

Die materiellen Voraussetzungen für die Verlängerung der Schengen-Visa der Antragsteller als solches bis zum 20.12.2012 gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 AufenthG und darüber hinaus als nationales Visum bis zum 20.03.2013 gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 AufenthG liegen indes nicht vor.

bb) Art. 33 Abs. 1 der in § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AufenthG in Bezug genommenen Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 13.07.2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft [Visakodex] - kurz VK -, ABl. L 243 vom 15.09.2009, S. 1 ff., bestimmt, dass die Gültigkeitsdauer und/oder die Aufenthaltsdauer eines erteilten (Schengen-)Visums verlängert werden, wenn die zuständige Behörde eines Mitgliedsstaates der Ansicht ist, dass ein Visumsinhaber das Vorliegen höherer Gewalt oder humanitärer Gründe belegt hat, aufgrund derer er daran gehindert ist, das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums bzw. vor Ablauf der zulässigen Aufenthaltsdauer zu verlassen. Diese Verlängerungen werden kostenlos vorgenommen. Nach Abs. 4 dieses Artikels ist für die Verlängerung eines (Schengen-)Visums die Behörde des Mitgliedsstaates zuständig, in dessen Hoheitsgebiet sich der Drittstaatsangehörige zum Zeitpunkt der Beantragung der Verlängerung befindet; danach hier der Antragsgegner, weil sich die Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung in H. aufgehalten haben und dort wohl nach wie vor wohnen.

Die Antragsteller waren weder durch höhere Gewalt noch durch das Vorliegen humanitärer Gründe daran gehindert, das Bundesgebiet rechtzeitig vor Ablauf ihrer Schengen-Visa zu verlassen. Als Beispiel für höhere Gewalt i.S.d. Art. 33 Abs. 1 VK nennt das Visakodex-Handbuch der Europäischen Kommission, an dem sich der Antragsgegner als zuständige Ausländerbehörde zu orientieren hat (vgl. oben Erwägungsgrund 6 des Visakodex-Handbuches, a.a.O.), die kurzfristige Änderung des Flugplans durch die Fluggesellschaft (z.B. wegen der Wetterverhältnisse, Streik). Als Beispiel für humanitäre Gründe i.S.d. Art. 33 Abs. 1 VK führt das Visakodex-Handbuch die plötzliche schwere Erkrankung des Visumsinhabers (d.h. der Visumsinhaber ist reiseunfähig) oder die plötzliche schwere Erkrankung oder den Tod eines engen Verwandten, der in einem (Schengen-) Mitgliedsstaat lebt, an (a.a.O., S. 116). Gemessen hieran sind die von den Antragstellern im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Gründe für ihren weiteren Verbleib im Bundesgebiet zweifelsohne keinem der e.g. Beispiele zuzuordnen oder aber von ihrer Tragweite her als vergleichbar schwerwiegend einzustufen. Anders als in den e.g. Beispielen des Visakodex-Handbuches beruht nämlich der jetzige Verbleib der Antragsteller im Bundesgebiet allein auf deren freiem Willensentschluss und ist deshalb von ihnen - anders als in den e.g. Beispielen - steuerbar. Vom Visumsinhaber steuerbare Ursachen können nach Auffassung der Kammer keine Visumsverlängerung gem. Art. 33 Abs. 1 VK rechtfertigen.

cc) Nach Art. 33 Abs. 2 VK können die Gültigkeitsdauer und/oder die Aufenthaltsdauer eines erteilten (Schengen-)Visums verlängert werden, wenn der Visumsinhaber schwerwiegende persönliche Gründe, die eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer oder der Aufenthaltsdauer rechtfertigen, belegt. Für diese Verlängerungen wird eine Gebühr von 30 Euro erhoben. Anders als nach Art. 33 Abs. 1 VK, der eine gebundene Entscheidung vorgibt, steht die Verlängerung des Schengen-Visums gem. Abs. 2 dieser Vorschrift im Ermessen der zuständigen Behörde des Mitgliedsstaates (Funke-Kaiser, a.a.O., § 6 AufenthG Rn. 77 f.; Zeitler, HTK-AuslR, Art. 33 VK, Ziffer 2 und 3).

Das Visakodex-Handbuch führt für diesen Tatbestand folgende Beispiele an (a.a.O., S. 117):

Beispiele für schwerwiegende persönliche Gründe, die eine Verlängerung des Visums rechtfertigen:

- Ein namibischer Staatsangehöriger ist nach Köln (Deutschland) gereist, um ein Familienmitglied abzuholen, das sich dort einer Operation unterzogen hat. Am Vortag vor der geplanten Abreise erleidet der Patient einen Rückfall und darf das Krankenhaus erst zwei Wochen später verlassen.

- Ein angolanischer Geschäftsmann ist nach Italien gereist, um dort mit einem italienischen Unternehmen einen Vertrag auszuhandeln und mehrere Produktionsstätten zu besuchen. Die Verhandlungen dauern länger als erwartet und der Geschäftsmann muss eine Woche länger bleiben als geplant.

Beispiel für persönliche Gründe, die keine Verlängerung des Visums rechtfertigen:

- Ein kolumbianischer Staatsangehöriger ist zu einem Familientreffen nach Schweden gereist. Auf dem Treffen begegnet er einem alten Freund und möchte seinen Aufenthalt um zwei Wochen verlängern.

Die von den Antragstellern im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Gründe für ihren weiteren Verbleib im Bundesgebiet sind auch mit den vorstehend genannten Positiv-Beispielen nicht gleichzusetzen; eine Abgrenzung zwischen den humanitären Gründen i.S.d. Art. 33 Abs. 1 VK und den schwerwiegenden persönlichen Gründen i.S.d. Art. 33 Abs. 2 VK ist deshalb hier entbehrlich (vgl. dazu Funke-Kaiser, a.a.O., § 6 AufenthG Rn. 77). Den e.g. Positiv-Beispielen ist gemein, dass die Geschehnisse (längerer Krankenhausaufenthalt, längerdauernde Vertragsverhandlungen) für den Visumsinhaber zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Schengen-Gebiet nicht vorhersehbar und - zumindest nicht allein - steuerbar sind. Demgegenüber haben die Antragsteller die Ursache für den von ihnen geltend gemachten Hauptgrund des erstrebten weiteren Verbleibs im Bundesgebiet erst nach ihrer Einreise willentlich herbeigeführt; sie haben am 01.11.2012 persönlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten des VG Berlin Klage erhoben und wollen seither das Verfahren vom Inland aus selbst führen.

Die Antragsteller haben darüber hinaus weder dargelegt und glaubhaft gemacht, warum ihnen die Beauftragung eines im Inland ansässigen Verfahrensbevollmächtigten (etwa eines Rechtsanwaltes) zur Durchführung des Klageverfahrens vor dem VG Berlin unzumutbar sein sollte, noch haben sie nachvollziehbar dargelegt und glaubhaft gemacht, warum sie entgegen der Verfügung des zuständigen Berichterstatters der 13. Kammer des VG Berlin vom 28.11.2012 (Bl. 22 GA) keinen Zustellungsbevollmächtigten im Bundesgebiet benennen und sodann in ihr Heimatland ausreisen können. Mit der Bestellung eines Verfahrens- oder Zustellungsbevollmächtigten wäre den von den Antragstellern vorgebrachten Argumenten zu den Postlaufzeiten und drohenden Fristversäumnissen sowie zur Unzuverlässigkeit der russischen Post von vorn herein die Grundlage entzogen. Das NdsOVG hat in seinem Beschluss vom 12.07.2012 (a.a.O, Rn. 14) zu § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgeführt, in Einzelfällen könne auch die Teilnahme an einer Gerichtsverhandlung als Verfahrenspartei einen dringenden persönlichen Grund darstellen. Dringend i.S.d. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG sei dieser Grund aber nur, wenn aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls dem privaten Interesse des Ausländers an der sofortigen vorübergehenden Legalisierung seines Aufenthalts ein deutlich höheres Gewicht zukommt als dem widerstreitenden öffentlichen Interesse an der Durchsetzung der Ausreisepflicht. Diesen Gedanken macht sich die Kammer für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals des schwerwiegenden persönlichen Grundes i.S.d. Art. 33 Abs. 2 VK zu Eigen. Die von den Antragstellern vorgebrachten Argumente vermögen bei Abwägung mit dem widerstreitenden öffentlichen Interesse, dass Remonstrations- und Klageverfahren gegen die begehrte Visumserteilung ablehnende Entscheidungen der deutschen Auslandsvertretungen grundsätzlich vom Heimatland des betroffenen Ausländers aus zu führen sind, die Annahme eines schwerwiegenden persönlichen Grundes nicht zu rechtfertigen, zumal die Antragsteller - anders als in dem vom NdsOVG (a.a.O.) entschiedenen Fall - hier ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht nur zur Teilnahme an einer möglichen mündlichen Verhandlung vor dem VG Berlin einfordern, sondern darüber hinaus über die gesamte weitere Verfahrensdauer des Klageverfahrens und - so ist der Diktion der Antragsteller zu entnehmen - für ein sich ggf. daran anschließendes Rechtsmittelverfahren. Ausgehend von durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit begehren sie damit der Sache nach einen längerfristigen Aufenthalt im Bundesgebiet und würden bei einer Verlängerung ihres Schengen-Visums dessen Kurzfristigkeit ad absurdum führen, zumal derzeit ausgeschlossen erscheint, dass das Verfahren vor dem VG Berlin bis zum 20.03.2013 - dem Zeitpunkt der maximalen Verlängerung der Aufenthaltsdauer gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 AufenthG (siehe vorstehend aa)) - abgeschlossen ist. Die Antragsteller müssen sich deshalb zur Durchsetzung darauf verweisen lassen, zunächst aus dem Bundesgebiet auszureisen und ggf. zu dem hier verfolgten Zweck nach Erteilung eines nationalen Visums gem. § 6 Abs. 3 AufenthG wieder einzureisen. Nichts anderes gilt letztlich für das subsidiär geltend gemachte Interesse des Antragstellers zu 1.), im Bundesgebiet als Geschäftsführer und Gesellschafter seiner GmbH selbständig gewerblich tätig zu sein. Dieses Ansinnen ist angesichts der von der IHK K. aufgezeigten Möglichkeiten (weitere Kurzaufenthalte mit Schengen-Visa, Bestellung eines deutschen Geschäftsführers etc.) ebenfalls nicht als schwerwiegender persönlicher Grund i.S.d. Art. 33 Abs. 2 VK einzustufen. Im Übrigen ist der Antragsteller zu 1.) mit dieser Argumentation auf das beim VG Berlin anhängige Klageverfahren zu verweisen, geht es ihm der Sache nach damit um eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 21 AufenthG.

dd) Die Verlängerung der Schengen-Visa der Antragsteller gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 AufenthG scheidet ebenfalls aus. Bei einem gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 AufenthG verlängerten Visum handelt es sich um ein nationales Visum eigener Art, für das die Erteilungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 3 AufenthG nicht anzuwenden sind. Durch den Verweis auf die Erteilungsvoraussetzungen des Art. 33 VK sind diese abschließend und speziell geregelt (Zeitler, a.a.O., Ziffer 5.2). Dabei kann dahinstehen, ob die in § 6 Abs. 2 Satz 2 AufenthG genannten weiteren Voraussetzungen „zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder aus völkerrechtlichen Gründen“ alternativ neben die Voraussetzungen der Verlängerung gem. Art. 33 Abs. 1 oder 2 VK oder kumulativ zu diesen hinzu treten müssen (vgl. Zeitler, a.a.O. § 6 AufenthG, zu Abs. 1 und 2, Ziffer 5.2). Verlängerungsgründe gem. Art. 33 Abs. 1 oder 2 VK sind nicht gegeben; auf die obigen Ausführungen zu bb) und cc) wird insoweit Bezug genommen. Unterstellt man daneben einen alternativen Verlängerungstatbestand „zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder aus völkerrechtlichen Gründen“, ist dies für die Antragsteller ebenfalls nicht zielführend. Ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet ist offensichtlich weder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland noch aus völkerrechtlichen Gründen erforderlich.

b) Die im Bescheid des Antragsgegners vom 18.12.2012 enthaltene Abschiebungsandrohung begegnet ebenfalls keinen ernstlichen Zweifeln an ihrer Rechtmäßigkeit. Sie entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Die Antragsteller sind gem. § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, da ihre Schengen-Visa am 16.12.2012 abgelaufen sind. Ihre Ausreisepflicht ist gem. § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AufenthG vollziehbar, denn ihre Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18.12.2012 entfaltet aus den vorstehenden Gründen zu a) keine aufschiebende Wirkung, sodass sich die Antragsteller nicht auf die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG berufen können. Dies gilt auch in Ansehung des Umstandes, dass die Ausländerbehörde des Antragsgegners den weiteren Antrag des Antragstellers zu 1.) vom 02.10.2012 (Bl. 63 AuslA) auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 21 AufenthG zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit in H. bislang offenbar nicht abschlägig beschieden hat. Zwar erlischt nur mit der vollständigen Ablehnung sämtlicher Anträge auf Verlängerung des bisherigen und/oder Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels die infolge dieser Anträge gem. § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ausgelöste Fortgeltungsfiktion (Funke-Kaiser, a.a.O., § 81 AufenthG Rn. 60). Die unvollständige Ablehnung der vom Antragsteller zu 1. gestellten Anträge (Visumsverlängerung einerseits und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 21 AufenthG andererseits) wirkt sich hier jedoch nicht zu seinen Gunsten aus. Die Kammer hat bereits entschieden, dass die wiederholte Stellung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit demselben Aufenthaltszweck - hier nach § 21 AufenthG - aufgrund desselben, den hiermit befassten (Ausländer-) Behörden unterbreiteten Lebenssachverhaltes die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht auszulösen vermag, sofern - wie hier durch das Deutsche Generalkonsulat in Jekaterinburg - über den vorangegangenen, verfahrensgegenständlich identischen Antrag bereits entschieden wurde und die Überprüfung dieser negativen Entscheidung bei einem anderen Verwaltungsgericht - hier dem VG Berlin unter dem Az.: VG 13 K 318.12 V - noch rechtshängig ist (Beschluss der Kammer vom 13.09.2006 - 2 B 293/06 -, zit. nach juris Rn. 7). Auch die vom Antragsgegner zum 31.12.2012 gesetzte Ausreisefrist ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und dreißig Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Eine datumsmäßige Fixierung wird dem gerecht, wenn die Ausreisepflicht - wie hier - kraft Gesetzes vollziehbar ist (BVerwG, Urteil vom 11.12.2012 - 1 C 15/11 -, zit. nach juris Rn. 25). Ab Bekanntgabe des angefochtenen Bescheides des Antragsgegners am 21.12.2012 verblieb den Antragstellern für eine freiwillige Ausreise somit 10 Tage Zeit, die angesichts der kurzen Dauer ihres Aufenthalts im Bundesgebiet und den fehlenden Bindungen im Inland zur Regelung ihrer Angelegenheiten im Hinblick auf ihre Heimreise ausreichend bemessen sind.

3.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffern 1.5 und 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 07./08.07.2004 (abgedruckt bei Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 17. Aufl., Anh. § 164 Rn. 14).

Gemäß §§ 166 VwGO, 114 Satz 1 ZPO ist Prozesskostenhilfe demjenigen zu gewähren, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn der Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer in der Hauptsache anhängigen Klage hat aus den vorstehenden Gründen zu 2.) keine hinreichenden Erfolgsaussichten.