Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 27.02.2013, Az.: 1 B 28/13
Anspruch; Folgenbeseitigungsanspruch; unbefristeter Führerschein
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 27.02.2013
- Aktenzeichen
- 1 B 28/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 64440
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 24a FeV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein Fahrerlaubnisinhaber, dessen Führerschein vor dem 19.01.2013 bereits ausgestellt war, hat auch nach dem 19.01.2013 einen Anspruch auf Aushändigung eines unbefristeten Führerscheins.
Gründe
Der nach §§ 122 Abs. 1, 88 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – auszulegende Antrag des Antragstellers,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, ihm den Führerschein für seine Fahrerlaubnis der Klassen A1, B, M, L, T/S unbefristet zu erteilen,
hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierzu muss der um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Nachsuchende gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2 und 294 ZPO glaubhaft machen, dass ihm der geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch (Anordnungsanspruch) zusteht und darüber hinaus im Hinblick auf eine ansonsten drohende Rechtsvereitelung oder -erschwerung eine besondere Dringlichkeit der Rechtsschutzgewährung (Anordnungsgrund) zu bejahen ist.
Im vorliegenden Fall fehlt es an einem Anordnungsgrund. Die Entscheidung über den Antrag ist nicht besonders eilbedürftig. Dem Antragsteller droht kein Rechtsverlust, wenn er die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abwartet. Er ist zurzeit im Besitz einer noch bis zum 22.03.2013 gültigen Prüfungsbescheinigung nach § 48 a Abs. 3 Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV - (Fahrerlaubnis für begleitetes Fahren ab 17 Jahre); darüber hinaus liegt laut telefonischer Auskunft der Antragsgegnerin sein neuer befristeter Führerschein in der Führerscheinstelle zur Abholung bereit. Der befristete Führerschein enthalte dieselben Fahrberechtigungen, die auch der unbefristete Führerschein enthalten hätte. Der Führerschein gilt bis zum Jahr 2028. Bis zu diesem Zeitpunkt wird unzweifelhaft eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren ergangen sein.
Die Kammer weist darauf hin, dass dem Antragsteller jedoch ein Anordnungsanspruch in Gestalt eines Folgenbeseitigungsanspruchs zustehen dürfte. Der aus § 1004 BGB analog hergeleitete Folgenbeseitigungsanspruch setzt einen hoheitlichen Eingriff voraus, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt, sodass dadurch ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen wird. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Nach der im vorliegenden Fall zu Grunde zu legenden, bis zum 18.01.2013 geltenden Rechtslage waren Führerscheine unbefristet auszustellen. Gemäß § 24 a Abs. 1 Satz 1 FeV ist erst die Gültigkeit der ab dem 19.01.2013 ausgestellten Führerscheine der Klassen AM, A1, A2, A, B auf 15 Jahre befristet. Für den Antragsteller war vor dem 19.01.2013 ein Führerschein ausgestellt. Er hat seine Führerscheinprüfung am 16.04.2012 bestanden und sein Führerschein lag der Führerscheinstelle spätestens im Dezember 2012 vollständig ausgefüllt vor. Ihm stand deshalb das Recht auf einen unbefristeten Führerschein zu. Dieses Recht hat die Antragsgegnerin in rechtswidriger Weise verletzt, indem sie den Führerschein zerschnitten hat. Der Antragsteller hat deshalb einen Anspruch auf Wiederherstellung des vorherigen Zustandes, nämlich auf Beschaffung und Aushändigung eines unbefristeten Führerscheins. Dem kann die Antragsgegnerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, ein unbefristeter Führerschein könne nicht mehr ausgestellt werden, da die Bundesdruckerei keine entsprechenden Führerscheinvordrucke mehr herstellen könne. Selbst wenn dies zutreffen sollte, ist nicht ersichtlich, warum dem Antragsteller nicht auf andere Weise ein unbefristeter Führerschein ausgestellt werden kann. So könnte auf dem Vordruck handschriftlich vermerkt werden, dass der Führerschein unbefristet gilt. Auch das Datum des Bestehens der Führerscheinprüfung wird laut telefonischer Auskunft der Antragsgegnerin handschriftlich in den Führerscheinvordruck eingetragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Nach § 52 Abs.2 GKG ist im Hauptsacheverfahren ein Streitwert von 5.000 Euro anzunehmen, wenn - wie hier - der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes keine genügenden Anhaltspunkte bietet. Dieser Wert ist im einstweiligen Rechtschutzverfahren nicht herabzusetzen, da der Antragsteller eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt. Wäre er im einstweiligen Rechtschutzverfahren erfolgreich, hätte er bereits erreicht – die Ausstellung eines unbefristeten Führerscheins -, was er auch nur im Hauptsacheverfahren erreichen kann.