Landgericht Oldenburg
Urt. v. 18.11.1982, Az.: 5 O 68/82
Anforderungen an die Substantiierung eines Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb; Voraussetzungen der Qualifizierung einer Zeitungsanzeige als wettbewerbswidrigen Boykottaufruf
Bibliographie
- Gericht
- LG Oldenburg
- Datum
- 18.11.1982
- Aktenzeichen
- 5 O 68/82
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1982, 17844
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOLDBG:1982:1118.5O68.82.0A
Rechtsgrundlagen
- § 824 BGB
- § 1004 BGB
- § 1 UWG
Fundstelle
- AfP 1983, 418-419
Verfahrensgegenstand
Unterlassung kreditschädigender Zeitungsanzeigen
...
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg
auf die mündliche Verhandlung vom 18. November 1982
durch
...
für Recht erkannt:
Tenor:
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.200,- DM abwenden.
Tatbestand
Die Verfügungsklägerin, eine private Wohnungsbeugesellschaft kauft Grundstücke auf, die sie anschließend bebaut und dann verkauft. Am 28. September 1982 beurkundete der Notar ... in Bremen einen Grundstückskaufvertrag der Verfügungsklägerin mit der Verkäuferin .... In einer nachfolgende Auseinandersetzung der Vertragsparteien vertrat der Verfügungsbeklagte die Verkäufer.
Am 9. Oktober 1982 ließ der Verfügungsbeklagte im Delmenhorster Kreisblatt folgende Anzeige veröffentlichen:
"Gesucht werden Grundstückseigentümer, die über den Notar ... Grundstücke an die Firma ... verkauft haben. Melden Sie sich bitte unter folgender Telefonnummer: ..., 8.00 bis 13 Uhr und 14.00 bis 18.30 Uhr."
Die angegebene Telefonnummer ist die des Verfügungsbeklagten.
Am 16. September 1982 hatte der Notar ... einen Grundstückckaufvertrag zwischen der Verfügungsklägerin und den Verkäufern Eheleute ... beurkundet. Auch hier gab es später Auseinandersetzungen zwischen den Vertragsparteien. Mit Schreiben vom 14.1.1982 an den Notar ... meldete sich der Verfügungsbeklagte als Vertreter der Eheleute ... und focht den Kaufvertrag wegen Irrtums und arglistiger Täuschung an.
Die Verfügungsklägerin meint, der Verfügungsbeklagte habe durch die Annonce in rechtswidriger weise Grundstücksverkäufer die Grundstücke an sie verkauft hätten, als Mandanten geworben und sie veranlaßt, gegen sie, die Verfügungsbeklagte, vorzugehen. Die Anzeige wirke sich kreditschädigend für sie aus, da sie eindeutig dahingehend zu verstehen sei, die Grundstückseigentümer seien durch betrügerischen Zusammenwirken der Verfügungsklägerin mit dem Notar ... geschädigt worden, man müsse sich deswegen zusammenschließen und gemeinsam gegen sie, die Verfügungsklägerin, vorgehen. In diesem Sinne hätten auch die Eheleute ... die Anzeige verstanden. Darüberhinaus erwecke die Anzeige den Eindruck, bei der Verfügungsklägerin handele es sich um eine betrügerische Firma, bei der man keine Objekte kaufen und an die man keine verkaufen dürfe. Der Verfügungsbeklagte sei keine Unterlassungsverpflichtung eingegangen,
Die Verfügungsklägerin beantragt,
dem Antragsgegner bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 100.000,-, ersatzweise Ordnungshaft, aufzugeben, es zu unterlassen, Zeitungsanzeigen mit nachfolgendem Inhalt aufzugeben:
"Gesucht
werden Grundstückseigentümer, die über den Notar Dr. ... Grundstücke an die Firma ... verkauft haben.
Melden Sie sich bitte unter folgender Telefonnummer: ... 8.00 bis 13 Uhr und 14.00 bis 18.30 Uhr."
Der Verfügungsbeklagte beantragt,
den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Er trägt vor, daß er die Suchanzeige aufgegeben habe, weil er die Verhandlungsposition seiner Mandantin ... habe stärken wollen durch Kenntniserlangung von etwaigen Parallelverfahren. Keineswegs habe er beabsichtigt, die Wettbewerbsposition von Konkurrenten der Verfügungsklägerin zu stärken.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, den sie mündlich vorgetragen haben.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, da der Verfügungsklägerin der geltendgemachte Unterlassungsanspruch nicht zusteht.
Aus § 1004 i.V. mit § 824 BGB läßt sich der Unterlassungsanspruch nicht herleiten. Denn § 824 BGB setzt voraus, daß der Verletzer eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die sich schädigend für den ... Kredit oder den Erwerb oder das Fortkommen eines anderen auswirkt. Die beanstandete Anzeige enthält aber keine Tatsachenbehauptung, sie stellt vielmehr eine Äußerung dar, die, insoweit einem Boykottaufruf vergleichbar, weder Tatsachenbehauptung noch Werturteil ist. Der Umstand, daß Leser darüber tatsächliche Vermutungen anstellen können, aus welchem Grunde der Anzeigende Grundstückseigentümer sucht, die an die Verfügungsklägerin über den Notar ... Grundstücke verkaufe haben, und daß sie möglicherweise sogar diejenigen Vermutungen anstellen könnten, die die Verfügungsklägerin für wahrscheinlich hält, macht die Anzeige nicht zu einer Tatsachenbehauptung; deren Aussage beschränkt sich vielmehr darauf, daß Käufer, die die genannten Voraussetzungen erfüllen, gesucht werden und wo sie sich melden sollen.
Der Unterlassungsanspruch ist auch nicht aus §§ 825 Abs. 1 i.V. mit 1004 BGB wegen Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als sonstiges Recht begründet.
Denn dazu wäre erforderlich, daß die Beeinträchtigung unmittelbar gegen den Gewerbebetrieb der Verfügungsklägerin gerichtet und betriebsbezogen wäre. Daran fehlt es hier aber, denn die Anzeige stellt keinen unmittelbaren Eingriff in den Betrieb der Verfügungsklägerin dar. Darüberhinaus setzt der Anspruch nach diesen Vorschriften voraus, daß der Eingriff rechtswidrig ist. Das ist hier nicht der Fall. Die Anzeige diente einem erlaubten Zweck, nämlich dem, die Position der Mandantin ... des Verfügungsbeklagten bei der Auseinandersetzung mit der Verfügungsklägerin durch Kenntniserlangung von dem ihren parallel gelagerten Fällen zu stärken. Wenn die Anzeige zugleich eine Beeinträchtigung des Betriebes der Verfügungsklägerin zur Folge hatte, war dies nicht rechtswidrig, da weder das Ausmaß der Beeinträchtigung außer Verhältnis zu dem erstrebten Erfolg stand noch das angewandte Mittel zu mißbilligen war; die Anzeige war vielmehr ein geeignetes und an sich nicht zu mißbilligendes Mittel zur Erreichung des erstrebten Zwecks (vgl. Larenz, Schuldrecht Bd. II, § 72 III 6, S. 633).
Auch aus § 1 UWG läßt sich der mit dem Antrag geltendgemachte Unterlassungsanspruch nicht herleiten. Der Verfügungsbeklagte ist kein Mitwettbewerber der Verfügungsklägerin und kein Gewerbetreibender i.S. des UWG. Die Anzeige war an sich geeignet, für die Verfügungsklägerin Wettbewerbsschädigend zu wirken. Eine Wettbewerbshandlung jemandes, der nicht Konkurrent und nicht Gewerbetreibender ist, begründet nur dann Ansprüche nach dem UVG, wenn sie geeignet ist, fremden Wettbewerb zu fördern, hier den anderer Grundstückskäufer und Mitbewerber der Verfügungsklägerin, und wenn der Handelnde die Absicht hatte, mit der Wettbewerbshandlung fremden Wettbewerb zu fördern, wobei diese Absicht nicht der alleinige und wesentliche Beweggrund der Handlung zu sein braucht (Baumbach/Hefermehl, 13. Aufl., EinlUWG Rdnr. 224 ff.).
Diese Absicht hatte der Verfügungsbeklagte jedoch bei Aufgabe der Anzeige offensichtlich nicht. Konkurrenten der Verfügungsklägerin waren für ihn nicht ersichtlich. Ihm ging es lediglich darum, im Interesse seiner Mandantin ... Grundstückkäufer kennenzulernen, die Grundstücke an die Verfügungsklägerin verkauft hatten. Eine Absicht, fremden Wettbewerb zu fördern, war unter den gegebenen Umständen nicht einmal als ganz zurücktretende Nebenabsicht festzustellen. Folglich kommt auch ein Anspruch nach § 1 UWG nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils für den Beklagten wegen der Kosten aus §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.