Landgericht Oldenburg
Beschl. v. 16.11.1982, Az.: 5 T 399/82

Ausscheiden eines Flurstücks aus dem Grundbuch; Voraussetzungen einer Grundbuchberichtigung; Eigentumserwerb eines Flurstücks als öffentlicher Wasserzug aufgrund Eintragung im Wasserzugsregister; Ausschluß eines Eigentumserwerbs kraft Gesetzes an öffentlichen Wasserzügen durch Gutglaubenserwerb oder Ersitzung

Bibliographie

Gericht
LG Oldenburg
Datum
16.11.1982
Aktenzeichen
5 T 399/82
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1982, 14667
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOLDBG:1982:1116.5T399.82.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Oldenburg - 23.06.1981

Verfahrensgegenstand

Im Grundbuch von Oldenburg Blatt ... eingetragenes Grundstück

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des Amtsgerichts Oldenburg vom 23. Juni 1981 aufgehoben.

Das Grundbuchamt beim Amtsgericht Oldenburg wird nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe angewiesen, über den Antrag der Haaren-Wasseracht auf Abschreibung des Flurstückes Nr. ... unter Berichtigung der Eigentumsangaben erneut zu entscheiden.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.

Gründe

1

Zu dem im Tenor genannten Grundstück gehört u.a. das Flurstück ... der Flur ... der Gemarkung Oldenburg.

2

Die Beteiligte zu 2) hat mit Schriftsatz vom 12. Dezember 1980 beantragt, dieses Flurstück aus dem Grundbuch auszuscheiden, da dieses Flurstück als öffentlicher Wasserzug bereits 1979 im Wasserzugsregister eingetragen worden sei und die Beteiligte zu 2) als Wasser- und Bodenverband aufgrund des Oldenburgischen Geest-Wasser-Genossenschaftsgesetzes vom 19. August 1922 Eigentümerin des Flurstückes als öffentlicher Wasserzug geworden sei.

3

Durch den angefochtenen, hiermit in Bezug genommenen Beschluß vom 23.6.1981 hat der Rechtspfleger beim Grundbuchamt Oldenburg den Antrag der Beteiligten zu 2) zurückgewiesen. In den Gründen des Beschlusses ist ausgeführt, daß es dahingestellt bleiben könne, ob die Beteiligte zu 2) gemäß Artikel 8 oder gemäß Artikel 15 der Wasserordnung für das Herzogtum Oldenburg vom 20.11.1868 das Eigentum an dem fraglichen Flurstück erworben habe, da die Beteiligten zu 1) als im Grundbuch eingetragene Eigentümerin des Flurstückes entweder gemäß § 892 BGB im Wege des gutgläubigen Erwerbes oder nach § 900 BGB im Wege der Ersitzung rechtmäßige Eigentümerin des fraglichen Flurstückes geworden ist, und somit das Grundbuch richtig ist.

4

Dagegen richtet sich die Erinnerung der Beteiligten zu 2) vom 21. Oktober 1982, auf deren Begründung verwiesen wird.

5

Da der Rechtspfleger und der Richter der Erinnerung nicht abgeholfen haben, gilt diese als Beschwerde gegen die angefochtene Entscheidung.

6

Die Beschwerde ist nach § 71 Abs. 1 GBO zulässig.

7

Sie ist begründet und muß zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen, da die Beteiligte zu 2) die nach § 22 Abs. 1 zur Berichtigung des Grundstückes und zur Abschreibung des fraglichen Flurstückes notwendigen Nachweis geführt hat, daß nicht die Beteiligte zu 1), sondern die Beteiligte zu 2) Eigentümerin des fraglichen Grundstückes ist.

8

Nach den von der Beteiligten zu 2) vorgelegten öffentlichen Urkunden muß davon ausgegangen werden, daß das fragliche Flurstück als Bestandteil des Verbandgewässers zweiter Ordnung Nr. 4.03.1-Hakenbäke- als öffentlicher Wasserzug im Wasserzugsregister der Stadt Oldenburg eingetragen war.

9

Aus dieser Eintragung allein kann die Beteiligte zu 2) aber noch nicht eine Grundbuchberichtigung nach § 22 Abs. 1 GBO herleiten. Voraussetzung für eine solche Grundbuchberichtigung ist es nämlich, daß der Antragsteller alle Möglichkeiten ausräumt, die der Richtigkeit der begehrten Eintragung entgegenstehen würden (vgl. Horber, Grundbuchordnung, 15. Aufl., Anm. 5 a zu § 22 GBO). Grundsätzlich ist es daher auch erforderlich, daß derjenige, der eine Grundbuchberechtigung nach § 22 Abs. 1 GBO beantragt, die Möglichkeiten eines Gutglaubenserwerbes oder einer Ersitzung durch den Bucheigentümer oder dessen Rechtsvorgänger ausräumt (vgl. Beschluß der Kammer vom 14. Juli 1982 (- 5. T. 99/82 -).

10

Ein solcher Nachweis, daß ein Gutglaubenserwerb oder ein Erwerb im Wege der Ersitzung ausgeschlossen sind, ist allerdings dann nicht zu führen, wenn ein solcher Eigentumserwerb kraft Gesetzes ausgeschlossen wäre.

11

Ein solcher Ausnahmefall liegt aber hier vor, da nach den Bestimmungen der Wasserordnung für das Herzogtum Oldenburg vom 20.11.1868 (Gesetzblatt für das Herzogtum Oldenburg, 20. Band, 1867/1868, Seite 838 ff), die nach Artikel 65 EGBGB für die Eigentumsverhältnisse an Gewässern maßgebend ist (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 41. Aufl., Anm. 1 zu Artikel 65 EGBGB), der Erwerb des Eigentums an öffentlichen Wasserzügen nach den §§ 892, 900 BGB ausgeschlossen ist.

12

Ein solcher Ausschluß eines Gutglaubenserwerbes oder Erwerbes im Wege der Ersitzung folgt allein schon aus der lapidaren Bestimmung des Artikels 2 § 3 der Wasserordnung, wonach die öffentlichen Wasserzüge Eigentum der Gemeinden sind. Insbesondere ist ein solcher Ausschluß aber aus Artikel 16 § 5 der Wasserordnung zu entnehmen, da nach dieser Bestimmung an öffentlichen Wasserzügen Privatrechte (Wasserservituten) nicht erworben werden können. Die Bestimmung des Artikels 16 § 5 der Wasserordnung bezieht sich zwar seinem Wortlaut nach nur auf dingliche Rechte, sie ist aber ihrem Sinn und Zweck nach auch auf das Eigentum, an öffentlichen Wasserzügen auszudehnen, da nach der erkennbaren Intention der Wasserordnung die öffentlichen Wasserzüge der Einwirkungen durch das Privatrecht entzogen werden sollten. So hat auch schon das Oberlandesgericht Oldenburg in einem Urteil vom 14. Oktober 1911 (Zeitschrift für Verwaltung und Rechtspflege, Band 39, 1912, Seite 354 ff), in dem u.a. um das Eigentum an einem seit 1875 in den Wasserzugsregistern der Stadt Oldenburg als öffentlichen Wasserzug eingetragenen Wasserzug ging, ausgeführt, daß gemäß Artikel 16 § 5 der Wasserordnung der Erwerb des Eigentums eines Anliegers, sei es aufgrund des § 892 BGB oder einer anderen Bestimmung des neuen bürgerlichen Rechts ausgeschlossen und der streitige Wasserzug ohne Rücksicht auf den Inhalt des Grundbuches und auf die Wirkung der inzwischen vorgenommenen privatrechtlichen Verfügungen als im Eigentum der Stadtgemeinde Oldenburg stehend anzusehen ist.

13

Nach alledem ist davon auszugehen, daß ein Eigentumserwerb der Beteiligten zu 1) an dem streitigen Flurstück nach den §§ 892, 900 BGB aufgrund der Bestimmungen der Wasserordnung für das Herzogtum Oldenburg ausgeschlossen ist.

14

Im Hinblick darauf, daß der fragliche Wasserzug erst nach Inkrafttreten der Wasserordnung für das Herzogtum Oldenburg in das Wasserzugsregister eingetragen worden ist, könnte allerdings fraglich sein, ob ein Eigentumserwerb der Gemeinde an diesem Wasserzug nur durch privatrechtsgestaltenden Rechtsakt möglich gewesen ist. Diese Frage kann aber dahingestellt bleiben, da nach Artikel 8 § 5 der Wasserordnung das Wasserzugsregister vollen Beweis für die Eigenschaft eines Wasserzuges als öffentlichen Wasserzug und damit auch für das Eigentum der Gemeinde an diesem Wasserzug in der Zeit der Geltung der Wasserordnung erbringt.

15

Nach alledem steht fest, daß das fragliche Flurstück als Teil eines im Wasserzugsregister eingetragenen Wasserzuges Eigentum der Stadt Oldenburg war. Dieses Eigentum ging dann gemäß den §§ 1, 36 des Gesetzes für den Landesteil Oldenburg betreffend die Bildung von Geest-Wasser-Genossenschaften vom 9.8.1922 (Gesetzblatt für den Freistaat Oldenburg, Band XLI, Seite 1207) auf die Beteiligte zu 2) als öffentlich-rechtliche Wassergenossenschaft über.

16

An diesem Rechtszustand hat sich auch nichts durch das Inkrafttreten der Ersten Wasserverbandsverordnung (WVVO) vom 3.9.1937 und des Niedersächsischen Wassergesetzes (NWG) vom 7.7.1960 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 105) geändert.

17

Zwar sind mit dem Inkrafttreten der Wasserverbandsverordnung nach § 191 Abs. 1 WVVO die entgegenstehenden Vorschriften der Länder außer Kraft getreten. Dies gilt aber nur für das Landesrecht über die öffentlich-rechtlichen Wasser- und Bodenverbände. Das materielle allgemeine Landeswasserrecht ist dagegen durch § 191 WVVO nicht aufgehoben worden (vgl. Kaiser-Linckelman-Schleberger, Kommentar zur WVVO, Anm. 2 zu § 1919 WVVO). Daraus folgt, daß das Eigentum an den öffentlichen Wasserzügen durch die Regelungen der Wasserverbandsverordnung nicht berührt worden ist.

18

Nach § 145 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 des Niedersächsischen Wassergesetzes ist darüber hinaus die Wasserordnung für das Herzogtum Oldenburg und das Gesetz für den Landesteil Oldenburg, betreffend Bildung von Geest-Wasser-Genossenschaften außer Kraft gesetzt worden. Nach § 53 Satz 1 NWG bleibt jedoch das Eigentum an oberirdischen Gewässern, das am 15.7.1960 bestanden hat, aufrechterhalten. Damit ist auf eine Neuregelung des Eigentums an Gewässern verzichtet worden, so daß das Eigentumsrecht der aus den Wassergenossenschaften hervorgegangenen Wasser- und Bodenverbänden an öffentlichen Wasserzügen im Oldenburger Rechtsgebiet weiterhin gilt (vgl. Rehder, Kommentar zum NWG, Anm. 1 und Anm. 2 zu § 53 NWG).

19

Nach alledem hat die Beteiligte zu 2) den nach § 22 Abs. 1 GBO erforderlichen Nachweis geführt, daß das fragliche Flurstück nicht im Eigentum der Beteiligten zu 1), sondern im Eigentum der Beteiligten zu 2) steht.

20

Der angefochtene Beschluß war daher aufzuheben und das Grundbuchamt anzuweisen, über den Antrag der Beteiligten zu 2) auf Abschreibung des Flurstückes unter Berichtigung der Eigentumsangaben erneut zu entscheiden.

21

Die Kostenentscheidung folgt auf § 131 KostO.