Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 28.04.2016, Az.: 6 U 102/15
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 28.04.2016
- Aktenzeichen
- 6 U 102/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 33182
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2016:0428.6U102.15.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 18.09.2015 - AZ: 4 O 254/12
Rechtsgrundlagen
- BGB § 634 Nr. 4 Alt. 1
Fundstellen
- BauR 2017, 1397-1398
- BauSV 2017, 73-74
- Bauen+ 2017, 48
- IBR 2017, 265
Amtlicher Leitsatz
Aus der Überschreitung einer Kostenschätzung, die nur zur "Vorlage bei der Bank" dienen sollte, um dieser die Erforderlichkeit eines Kredits plausibel zu machen, und lediglich "ca."-Angaben der Kosten enthält, kann der Bauherr jedenfalls dann keinen Anspruch gegen den Architekten herleiten, wenn dieser keine weiteren Leistungen erbracht hat.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. September 2015 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim teilweise abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert im Berufungsverfahren wird auf 66.698 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt Schadensersatz aus Architektenvertrag.
Sie beabsichtigte im Frühjahr 2010, eine in ihrem Eigentum stehende Doppelhaushälfte in der N. in A., bestehend aus drei Mietwohnungen und einer von ihr als Naturheilpraxis genutzten Wohnung, zu sanieren und umzubauen. Die Klägerin beauftragte die Beklagte, die ein Institut für Geomantie, Medizin und Architektur unter der Bezeichnung G. in U. betreibt und welche die Klägerin über das U. H. kennengelernt hatte, mündlich, ihr bei der Realisierung des Vorhabens gegen eine Honorarvergütung von 55 Euro pro Stunde behilflich zu sein. Der von der Beklagten zu erbringende Leistungsumfang ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte erstellte insgesamt drei Kostenschätzungen, u.a. eine Kostenschätzung zur "Vorlage bei der Bank" (Anlage A 8 zur Klagschrift im Anlagenhefter I) über insgesamt 125.000,00 Euro, davon 98.500 Euro für reine Umbaukosten und 26.500 Euro für Inneneinrichtung, Statik, Architektenhonorar und (ca. 8.000 Euro) Unvorhergesehenes.
Während der Umbauphase stellte die Klägerin fest, dass der Kostenrahmen der von der Beklagten erstellten Kostenaufstellung nicht eingehalten wird. Am 21. Januar 2011 fand ein "Revisionsgespräch" über den Baufortschritt und bereits angefallene und künftig zu erwartende Kosten statt, an dem die Parteien und M.M. teilnahmen.
Die Klägerin zahlte für den Umbau des Objekts nach ihren Angaben insgesamt 173.198,00 Euro.
Sie hat Zahlung von 66.698 Euro nebst Zinsen, Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen sowie Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz weiteren Schadens verlangt.
Die Klägerin hat behauptet, die Parteien hätten vereinbart, den Kostenrahmen von 125.000,00 Euro entsprechend der von der Beklagten für die Vorlage bei der X-Bank erstellen Kostenaufstellung nicht zu überschreiten, weil die Beklagte gewusst habe, dass die Klägerin keine weiteren finanziellen Mittel außer den bei der X-Bank finanzierten 120.000,00 Euro sowie weiteren 10.000,00 Euro aus einem Bausparkredit zur Verfügung haben werde. - Die Beklagte hat Abweisung der Klage erstrebt. Sie hat vorgetragen, sie habe die Klägerin bei dem Umbau nur ökologisch beraten sollen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben, über "den Ablauf des Finanzierungstermins am 21.10.2010 und den Ablauf des 'Revisionsgespräches' am 21.1.2011" durch Vernehmung der Zeugen J. P., B. Z., M. M. und F. S. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme verweist der Senat auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 9. Oktober 2014 (Bl. 140 - 146 d. A.) und 19. März 2015 (Bl. 178 - 180 d. A.).
Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme hat das Landgericht der Klage zu einem Betrage von 46.735,24 Euro nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.
Gegen dieses Urteil, auf dessen Inhalt der Senat zur näheren Sachdarstellung verweist, wenden sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit welcher sie die vollständige Klageabweisung erstrebt, und die Klägerin mit ihrer Anschlussberufung, mit der sie Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von weiteren 19.962,76 Euro nebst Zinsen erreichen möchte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung ist begründet, die Anschlussberufung unbegründet.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 66.698 Euro aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Architektenvertrag (§ 280 Abs. 1, § 283 Satz 1, § 634 Nr. 4 Fall 1 BGB). Die Tatsache, dass der Umbau der Doppelhaushälfte auf dem Grundstück der Klägerin in A. mehr gekostet hat als 125.000 Euro, ist kein Mangel des Architektenwerkes der Beklagten. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass die Parteien 125.000 Euro als bestimmten Kostenrahmen vereinbart haben.
a) Dieses kann der Senat der Aussage J. P. als Zeugin vor dem Landgericht anders als dieses nicht entnehmen, ohne dass er die Zeugin selbst vernehmen muss. Diese Aussage lässt schon ihrem protokollierten Inhalt nach nicht sicher auf die Vereinbarung des bestimmten Kostenrahmens von 125.000 Euro zwischen den Parteien schließen [vgl. dazu: Urt. d. Sen. v. 6. Okt. 2005 zu 6 U 58/05 S. 10 u. e aa m. w. N. = VII ZR 239/05 (NZB zurückgewiesen)]. Die Zeugin ist bei vertraglichen Vereinbarungen der Parteien nicht zugegen gewesen und hat nur ihren Eindruck bekundet, die Klägerin sei "kostenmäßig limitiert" gewesen, und ihr "Gefühl, (die Beklagte habe) von diesem Limit (gewusst)."
b) Aus der Erklärung der Beklagten vor dem Landgericht (Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 27. Juni 2013 - Bl. 107 d. A.), die Klägerin habe ihr "gesagt, dass sie ... 125.000 Euro aufbringen könne und evtl. einen Puffer von 10.000 Euro habe", lässt sich die Vereinbarung dieses Kostenrahmens als verbindlich ebenfalls nicht ableiten. Die Beklagte hat diese Erklärung einleuchtend relativiert, indem sie gesagt hat, "die Kostenaufstellung (sei) eine erste Einschätzung gewesen." Die Klägerin hat ihre Behauptung, die Parteien hätten vereinbart, dass die Beklagte die Leistungsphasen 1 bis 8 des § 33 Satz 2 HOAI i. d. F. v. 11. Aug. 2009 erbringe, nicht bewiesen und das Vorbringen der Beklagten, sie habe sie - die Klägerin - nur zu den ökologischen Gesichtspunkten ihres Umbaus beraten sollen, nicht zu widerlegen vermocht. Grundlegende Leistungen der genannten Phasen fehlen. Es gibt keine Baupläne, keine maßstabsgerechten Ausführungszeichnungen, für welche die Beklagte durch ihre Unterschrift die Verantwortung übernommen hat, und die Beklagte hat ihre Kostenschätzung (Anlage A 8 zur Klagschrift im Anlagenhefter I) nicht in einer Kostenberechnung und dann in einer Kostenfeststellung gemäß DIN 276 fortgeschrieben. Viel mehr spricht dafür, dass die Kostenschätzung unverbindlich war. Sie diente, wie auf ihr vermerkt, nur zur "Vorlage bei der Bank", um dieser die Erforderlichkeit eines Kredits in Höhe von 125.000 Euro plausibel zu machen, und enthält lediglich "ca."-Angaben der Kosten. Dementsprechend hat nicht einmal die Klägerin erklärt, die Beklagte und sie hätten 125.000 Euro als festen Kostenrahmen verabredet. Sie hat sich stattdessen bei ihrer Anhörung vor dem Landgericht (Seite 2 der Sitzungsniederschrift vom 27. Juni 2013 - Bl. 106 d. A.) widersprüchlich geäußert, indem sie einerseits gesagt hat, sie habe der Beklagten "gesagt, die Bausumme in der Aufstellung d(ü)rf(e) nicht überschritten werden, und andererseits, "einen Betrag von 125.000 Euro als Limit habe (sie) ihr nicht genannt."
c) Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 21. März 2013 zu VII ZR 230/11), welche die Klägerin (Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 11. April 2016 - Bl. 297 d. A.) heranzieht, kann sie nichts für sich herleiten. Diese betrifft einen anderen Sachverhalt als den vorliegenden. Dort war der Architekt mit der Planung des Objekts gemäß den Leistungsphasen 1 bis 4 des § 15 Abs. 2 HOAI beauftragt, was sich hier nicht feststellen lässt. In dem vom Oberlandesgericht Frankfurt (Urt. v. 15. Dez. 2011 zu 12 U 71/10) waren die Architekten, ebenfalls anders als hier, sogar mit dem vollen Leistungsbild des § 15 HOAI beauftragt.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10 Satz 1, § 711 Satz 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO und die Streitwertfestsetzung aus § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO für die Zulassung nicht vorliegen.