Verwaltungsgericht Osnabrück
Urt. v. 06.06.2008, Az.: 6 A 25/07
Bibliographie
- Gericht
- VG Osnabrück
- Datum
- 06.06.2008
- Aktenzeichen
- 6 A 25/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 46040
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOSNAB:2008:0606.6A25.07.0A
Rechtsgrundlagen
Amtlicher Leitsatz
- 1.
§ 3 Abs. 2 NHundG hat keine drittschützende Wirkung.
- 2.
Zu den Voraussetzungen, unter denen der Einzelne ein ordnungsbehördliches Einschreiten gegen einen Dritten auf der Grundlage des § 13 Abs. 1 NHundG beanspruchen kann.
Tatbestand
Die im Jahre 1931 geborene Klägerin ist Halterin zweier Rauhhaardackel namens "F." und "G.". Am 30.04.2005 waren die beiden (seinerzeit ca. 9 bzw. 8 1/2 Jahre alten) Hunde der Klägerin in einen Beißvorfall mit einem anderen Hund verwickelt, in dessen Verlauf der andere Hund Bissverletzungen davontrug, die tierärztlich behandelt werden mussten. Nachdem der Beklagten dieser Sachverhalt bekannt geworden war, schaltete sie einen Amtstierarzt ein, der in seiner diesbezüglichen Stellungnahme dringend die Ablegung eines Wesenstests für die beiden Hunde empfahl, weil die Klägerin offenbar nicht in der Lage sei, beide Hunde zusammengeleint sicher zu lenken. Im Hinblick darauf stellte die Beklagte mit Bescheid vom 16.06.2005 auf der Grundlage des Niedersächsischen Gesetzes über das Halten von Hunden (NHundG) die Gefährlichkeit der beiden Hunde der Klägerin fest und wies die Klägerin darauf hin, dass das Halten dieser Hunde einer - von bestimmten Voraussetzungen abhängigen - behördlichen Erlaubnis bedürfe; bis zur Entscheidung über einen entsprechenden Erlaubnisantrag müssten die Hunde außerhalb ausbruchssicherer Grundstücke mit Leine und Maulkorb geführt werden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Klage und suchte parallel dazu um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach; das letztgenannte Begehren blieb in zwei Instanzen erfolglos ( VG Osnabrück, B.v. 20.09.2005 - 4 B 25/05 -; OVG Lüneburg, B.v. 16.05. 2006 - 11 ME 333/05 - ). Am 26.06.2006 erteilte die Beklagte der Klägerin die Erlaubnis zum Halten ihrer als gefährlich eingestuften Hunde, nachdem diese zwei Gutachten der praktischen Tierärztin Dr. H. vom 14.09.2005 vorgelegt hatte, wonach ihre Hunde einen zwischenzeitlich durchgeführten Wesenstest bestanden hätten. In der Folgezeit kamen die Klägerin und die Beklagte außergerichtlich u.a. dahingehend überein, dass die Einstufung der beiden Hunde der Klägerin als gefährlich sowie der generelle Leinenzwang zwar bestehen bleibe, von einem Maulkorbzwang jedoch abgesehen werde und für die Hunde auch keine erhöhte Hundesteuer gefordert werde; im Hinblick darauf erklärten die Beteiligten das anhängige Klageverfahren (4 A 165/05) übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt.
Mit Schreiben vom 25.07.2006 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie drei Tage zuvor zusammen mit ihrer Tochter und ihren beiden - jeweils angeleinten - Dackeln im Bereich des I. in J. spazieren gegangen und dabei auf den Vater der Beigeladenen getroffen sei, der den von der Beigeladenen gehaltenen Hund - einen mittlerweile ca. 8 Jahre alten Mischlingsrüden namens "K." - ausgeführt habe. Dieser Hund, der seinerzeit nicht angeleint gewesen sei, sei, ohne auf das Rufen des Vaters der Beigeladenen zu hören, knurrend und bellend auf einen ihrer Dackel zugelaufen und habe diesen mehrere Minuten lang umrundet, bevor er dann vom Vater der Beigeladenen habe angeleint werden können. Durch diesen Vorfall hätten sie und ihre Tochter sich akut bedroht gefühlt, so dass sie darum bitte, geeignete verwaltungsrechtliche Schritte gegen die verantwortliche Hundehalterin einzuleiten. In der Folgezeit (Schreiben vom 11. und 30.08. 2006 sowie 31.01.2007) berichtete die Klägerin über weitere vergleichbare Vorfälle aus den Jahren 2004 bis 2006, bei denen sie sich durch den Hund der Beigeladenen bedroht gefühlt habe und zum Teil nur mit Mühe habe verhindern können, dass ihre Hunde von diesem verletzt worden seien. - Die im Rahmen des von der Beklagten daraufhin eingeleiteten Verwaltungsverfahrens angehörte Beigeladene sowie deren Vater bestritten die von der Klägerin im Einzelnen geschilderten Vorfälle und wiesen darauf hin, dass es noch nie vorgekommen sei, dass ihr Hund die Hunde der Klägerin gebissen oder die Klägerin selbst bedroht habe; vielmehr habe es im Jahre 2004 - umgekehrt - einen Vorfall gegeben, bei dem ihr eigener Hund von den beiden Dackeln der Klägerin gebissen worden sei.
Auf Veranlassung der Beklagten begutachtete der Amtstierarzt Dr. L. (Landkreis J.) den Hund der Beigeladenen und kam in seiner Stellungnahme vom 01.09. 2006 zu dem Ergebnis, dass dieser im Umgang mit Menschen gut sozialisiert sei und eine hohe Reizschwelle gegenüber Versuchen zur Auslösung eines aggressiven Verhaltens zeige; Hinweise auf eine gesteigerte Aggressivität im Sinne des NHundG lägen nicht vor. Auf entsprechende Nachfrage der Beklagten teilte der Amtstierarzt am 08.12.2006 telefonisch ergänzend mit, dass das Verhalten der Hunde der Klägerin und der Beigeladenen speziell gesteuert sei und die von der Klägerin geschilderten Reaktionen nur dann aufträten, wenn diese drei Hunde zusammenträfen; eine gesteigerte Aggressivität des Hundes der Beigeladenen ergäbe sich daraus jedoch nicht. - Im Hinblick darauf beschränkte sich die Beklagte darauf, die Beigeladene mit Schreiben vom 26.09.2006 auf die Pflichten von Hundehaltern hinzuweisen, die sich allgemein aus der Verordnung über die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit im Gebiet der Stadt J. ergäben, und ihr zu raten, ihren Hund zumindest im Bereich des Wohnhauses der Klägerin möglichst anzuleinen. Weitere Maßnahmen hielt sie dagegen nicht für geboten und teilte dies der Klägerin unter dem 12.12.2006 mit. Mit Schreiben vom 18.12.2006 mahnte die Klägerin daraufhin nochmals ein unverzügliches ordnungsbehördliches Einschreiten gegen die Beigeladene an und stellte anschließend mit Schreiben vom 31.01.2007 den konkreten Antrag, dass die Beklagte die Gefährlichkeit des Hundes der Beigeladenen feststellen und dieser aufgeben solle, ihren Hund bis zur Entscheidung über einen etwaigen Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Haltungserlaubnis außerhalb ausbruchssicherer Grundstücke mit Leine und Maulkorb zu führen.
Nachdem die Beklagte darauf (zunächst) nicht reagiert hatte, hat die Klägerin am 08.02.2007 Klage erhoben. Sie macht unter Hinweis auf die bereits im Verwaltungsverfahren benannten Vorfälle und unter Schilderung weiterer vergleichbarer Vorfälle im Laufe des Jahres 2007, wegen deren Einzelheiten auf die klägerischen Schriftsätze vom 08.05., 10.12. und 14.12.2007 verwiesen wird, geltend, dass es in der Vergangenheit eine Vielzahl von Vorfällen gegeben habe, in denen der Hund der Beigeladenen, der jeweils nicht angeleint gewesen sei bzw. sich in einzelnen Fällen vom Fahrrad des jeweiligen Hundeführers losgerissen habe, sie und ihre beiden Hunde angegriffen habe. Dadurch sei es wiederholt zu bedrohlichen, von der Beigeladenen fortlaufend bagatellisierten Situationen gekommen, in denen sie eine Schädigung ihrer Hunde durch Bissverletzungen nur mit Mühe habe verhindern können; in einem Fall habe sie sich bei dem Versuch, die konkrete Situation zu entschärfen, selbst eine Meniskusverletzung zugezogen. Festzuhalten sei in diesem Zusammenhang, dass stets der Hund der Beigeladenen der Angreifer gewesen sei, während sie selbst ihre Hunde regelmäßig an der Leine führe und diese auch sonst "im Griff habe". Auch im Übrigen gebe es keinerlei Hinweise auf ein gestörtes oder inadäquat aggressives Verhalten ihrer Hunde; dies werde durch zwei aktuelle, am 24.04.2008 beim Institut für Tierschutz und Verhalten der Tierärztlichen Hochschule Hannover durchgeführte Wesenstests belegt. Demgegenüber treffe es entgegen der Behauptung der Beigeladenen nicht zu, dass deren Hund vor einigen Jahren von ihren (der Klägerin) Hunden gebissen worden sei. Soweit der im Verwaltungsverfahren hinzugezogene Amtstierarzt Dr. L. ausgeführt habe, dass bei dem Hund der Beigeladenen keine gesteigerte Aggressivität vorliege, sei dies eine Fehleinschätzung, die maßgeblich auf den zuvor gemachten Angaben von Familienmitgliedern der Beigeladenen beruhe. Auch das Ergebnis einer im Laufe des Klageverfahrens durchgeführten weiteren Verhaltensprüfung des Hundes der Beigeladenen (gutachtliche Stellungnahme der Amtstierärztin Dr. M. vom 06.03.2008) sei nicht hinreichend aussagekräftig, weil die insoweit durchgeführte Prüfung unvollständig gewesen sei; insoweit bedürfe es vielmehr der Durchführung eines umfassenden Wesenstests. - Angesichts der geschilderten Gesamtsituation habe sie daher ein berechtigtes Interesse daran, bei künftigen Spaziergängen mit ihren Hunden in der näheren und weiteren Umgebung ihres Wohnhauses, in der sich Begegnungen mit dem Hund der Beigeladenen nicht vermeiden ließen, nicht ständig Angst vor weiteren Angriffen des Hundes der Beigeladenen haben zu müssen. Daher sei die Beklagte zu einem ordnungsbehördlichen Einschreiten in der Weise verpflichtet, dass sie die Gefährlichkeit des Hundes der Beigeladenen - mit den daran anknüpfenden Rechtsfolgen - feststelle, da die insoweit maßgebliche Vorschrift des § 3 Abs. 2 NHundG zu ihren (der Klägerin) Gunsten drittschützende Wirkung entfalte. Im Übrigen habe sie nach allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Grundsätzen zumindest einen Anspruch darauf, dass die Beklagte anderweitige geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr ergreife, weil sich die von dem Hund der Beigeladenen ausgehenden Gefahren letztlich auf sie und ihre beiden Hunde konkretisierten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, die Gefährlichkeit des Hundes der Beigeladenen gem. § 3 Abs. 2 NHundG festzustellen und der Beigeladenen aufzugeben, ihren Hund bis zur Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zur Hundehaltung außerhalb ausbruchssicherer Grundstücke mit Leine und Maulkorb zu führen,
hilfsweise,
nach pflichtgemäßem Ermessen auf der Grundlage des § 13 NHundG geeignete Maßnahmen zu treffen, um die vom Hund der Beigeladenen ausgehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Klage mangels Klagebefugnis bzw. - bezüglich des Hilfsantrags - mangels vorheriger Antragstellung bei der Behörde bereits unzulässig sei. Im Übrigen habe die Klägerin auch der Sache nach keinen Anspruch auf das begehrte gefahrenabwehrrechtliche Einschreiten, weil sich im gesamten Verlauf des Verfahrens keine objektivierbaren Anhaltspunkte dafür ergeben hätten, dass der Hund der Beigeladenen ein erhöhtes Maß an Aggressivität aufweise. Diese Einschätzung rechtfertige sich aufgrund der schriftlichen und fernmündlichen Stellungnahmen des im Verwaltungsverfahren hinzugezogenen Amtstierarztes Dr. L. vom 01.09. und 08.12.2006, die im Übrigen durch das Ergebnis der weiteren, im Laufe des Klageverfahrens von der Amtstierärztin Dr. M. durchgeführten Verhaltensprüfung bestätigt worden seien.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Auch sie hält die Klage für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet. Die von der Klägerin im Einzelnen geschilderten Vorfälle hätten sich in dieser Form nicht ereignet und insbesondere nicht zu den behaupteten Gefährdungen der Klägerin oder ihrer Hunde geführt. Dass es sich bei ihrem (der Beigeladenen) Hund nicht um einen gefährlichen, sondern im Gegenteil um einen gutmütigen Hund handele, sei im Übrigen zwischenzeitlich bereits zweimal amtstierärztlich bestätigt worden. Allein der Umstand, dass die Klägerin bezüglich anderer (größerer) Hunde offenbar dieselben Beschränkungen wie bei ihren eigenen, in der Vergangenheit als gefährlich eingestuften Hunde herbeiführen wolle, rechtfertige das beantragte Einschreiten ebenso wenig wie ihr Wunsch, nach ihren eigenen Maßstäben an die Umwelt ungestört spazieren gehen zu können.
Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen auf die Gerichtsakten dieses Verfahrens und der Verfahren 4 A 165/05 und 4 B 25/05 sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
1) Allerdings ist die Klage grundsätzlich als Verpflichtungsklage statthaft, weil die Beklagte mit ihrem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 12.12.2006, das (wenn auch nicht unbedingt seiner äußeren Form, so doch) jedenfalls seinem Inhalt nach als versagender Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, das von der Klägerin zuvor - in allgemeiner Form (vgl. deren Schreiben vom 25.07.2006) - beantragte ordnungsbehördliche Einschreiten gegen die Beigeladene, etwa die Anordnung eines generellen Leinenzwangs für deren Hund, ausdrücklich abgelehnt hat; da das Schreiben vom 12.12.2006 nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, ist die Klage auch nicht verfristet (§ 58 Abs. 2 VwGO). Selbst wenn man in dem genannten Schreiben keinen ablehnenden Verwaltungsakt sehen wollte, wäre die Klage gleichwohl als (Untätigkeits-)Klage statthaft, weil die Beklagte in diesem Fall über den von der Klägerin erstmals am 25.07.2006 gestellten Antrag auf behördliches Einschreiten nicht innerhalb angemessener Frist entschieden hätte (§ 75 Sätze 1 und 2 VwGO).
2) Soweit die Klägerin mit ihrem Hauptantrag die Verpflichtung der Beklagten begehrt, auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 NHundG die Gefährlichkeit des Hundes der Beigeladenen festzustellen, ist die Klage jedoch unzulässig, weil es der Klägerin insoweit an der erforderlichen Klagebefugnis fehlt. Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Verpflichtungs- bzw. Untätigkeitsklage nur dann zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch die Ablehnung oder Unterlassung des begehrten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies setzt voraus, dass die Rechtsnorm, aus der der Kläger den behaupteten Anspruch auf Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts herleitet, ausschließlich oder - ggf. neben anderen Zwecken - zumindest auch dem Schutz seiner eigenen Rechte dient. Letzteres wiederum kann nur dann angenommen werden, wenn in der betreffenden Norm das individuell geschützte private Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der unmittelbar geschützten Personen hinreichend deutlich klargestellt und abgegrenzt wird, mit der Norm mithin gerade auch der Zweck verfolgt wird, dass bestimmte Träger von Individualinteressen deren Einhaltung verlangen können (vgl. BVerwG, U.v. 20.10.1972 - IV C 107.67 -, BVerwGE 41, 59 <63>; U.v. 25.02.1977 - IV C 22.75 -, BVerwGE 52, 122 <128 f.>; U.v. 16.03.1989 - 4 C 36.85 -, BVerwGE 81, 329 [BVerwG 16.03.1989 - BVerwG 4 C 36.85]<334>; U.v. 17.07.1993 - 3 C 3.89 -, BVerwGE 92, 313 <317> ) . Daran fehlt es hier.
Gemäß § 1 NHundG ist es Zweck des Gesetzes, Gefahren für die öffentliche Sicherheit vorzubeugen und abzuwehren, die mit dem Halten und Führen von Hunden verbunden sind. Diesem Zweck dient u.a. die dem Bereich der Gefahrenvorsorge zuzuordnende (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 12.12.2005 - 11 ME 92/05 -, Nds. VBl. 2005, 213) Vorschrift des § 3 Abs. 2 NHundG, wonach die Behörde bei Vorliegen eines entsprechenden - gesetzlich näher definierten - Gefahrenverdachts berechtigt ist, die Gefährlichkeit eines Hundes festzustellen. Diese Vorschrift, deren Einhaltung die Klägerin für sich reklamiert, enthält jedoch lediglich einen objektiv-rechtlichen Auftrag des Gesetzgebers an die zuständigen Behörden, bei entsprechenden Verdachtsmomenten zur vorbeugenden Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit tätig zu werden, mit dem nicht zugleich auch ein subjektiver Rechtsanspruch eines Dritten auf ein entsprechendes behördliches Tätigwerden korrespondiert. Denn insoweit fehlt es an einem bestimmten und gegenüber der Allgemeinheit hinreichend deutlich abgrenzbaren, d.h. individualisierbaren und nicht übermäßig weiten Personenkreis (vgl. BVerwG, U.v. 25.02.1977, aaO), der durch die Vorschrift in der Weise begünstigt werden soll, dass er - anders als der übrige Teil der Allgemeinheit - von der Behörde eine Gefährlichkeitsfeststellung i.S.d. § 3 Abs. 2 NHundG in Bezug auf einen bestimmten Hund soll verlangen und ggf. auch gerichtlich durchsetzen können (vgl. VG Gelsenkirchen, U.v. 27.10.2005 - 16 K 1013/03 -, juris, zum LHundG NRW). Allein aus der - insoweit von der nordrhein-westfälischen Rechtslage abweichenden - Formulierung des § 3 Abs. 2 Satz 1 NHundG, wonach die Behörde, wenn sie "einen Hinweis" auf ein bestimmtes Aggressionsverhalten eines Hundes erhält, den Sachverhalt von Amts wegen zu prüfen hat, folgt nicht, dass der Gesetzgeber damit einem - wie für die Annahme einer drittschützenden Vorschrift erforderlich - individualisierbaren Personenkreis (etwa dem betreffenden "Hinweisgeber") einen durchsetzbaren Anspruch auf ein entsprechendes behördliches Einschreiten eingeräumt hat, zumal solche "Hinweise" nicht einmal unbedingt von einer (ggf. selbst betroffenen) Privatperson stammen müssen, sondern in der Praxis etwa auch von Polizei- oder anderen Behördenbediensteten gegeben werden. Soweit mit dem NHundG allgemein die von Hunden ausgehenden Gefahren abgewehrt bzw. diesen bereits vorsorgend begegnet werden soll und damit im Ergebnis letztlich auch der Einzelne (als Teil der Allgemeinheit) einen entsprechenden Schutz erfährt, handelt es sich um eine bloße faktische Reflexwirkung, die für sich genommen ebenfalls noch keine Klagebefugnis begründet (vgl. VG Gelsenkirchen, aaO; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 42 Rn. 87 m.w.N.). Fehlt es mithin an einem hinreichend eingrenzbaren Kreis der potentiell Berechtigten, kann von einer drittschützenden Wirkung des § 3 Abs. 2 NHundG nicht ausgegangen werden; würde man dem Einzelnen insoweit gleichwohl einen durchsetzbaren subjektiven Rechtsanspruch zugestehen, wäre damit der Weg für eine Popularklage eröffnet, die dem deutschen Verwaltungsprozessrecht fremd ist (vgl. §§ 42 Abs. 2, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Selbst wenn man dies im Ergebnis jedoch anders sehen wollte, wäre das mit dem Hauptantrag verfolgte Klagebegehren jedenfalls unbegründet, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Einstufung des Hundes der Beigeladenen als Gefahrhund aus den nachfolgend unter 3) dargelegten Gründen nicht vorliegen.
3) Auch der von der Klägerin gestellte Hilfsantrag hat keinen Erfolg.
Nach § 13 Abs. 1 NHundG kann die Behörde unbeschadet der Vorschriften des NHundG nach Maßgabe des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) die im Einzelfall notwendigen Maßnahmen treffen, um eine von einem Hund ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit abzuwehren. Zum Schutzgut der öffentlichen Sicherheit gehören zwar grundsätzlich auch die subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen (vgl. Saipa, Nds. SOG, § 1 Rn. 6 und 6.1; Ipsen, Niedersächsisches Gefahrenabwehrrecht, 2. Aufl., Rn. 84, 96; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl., Rn. 89-93; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl., Kap. E Rn. 18-20, jew.m.w.N.); daraus folgt jedoch nicht, dass die Behörde im Einzelfall stets zum Schutz derartiger Rechte bzw. Rechtsgüter einzuschreiten hat. Soweit es um die Gefahr einer Verletzung ausschließlich privater Rechte durch eine bestimmte andere Privatperson geht, ist der Betroffene vielmehr regelmäßig darauf zu verweisen, zivilrechtlichen bzw. -prozessualen Rechtsschutz gegen den privaten Störer in Anspruch zu nehmen, während ein Schutz derartiger Individualrechte durch die Ordnungsbehörde oder die Polizei nur ausnahmsweise, nämlich in besonderen Eilfällen (vgl. § 1 Abs. 3 Nds. SOG), in Betracht kommt (vgl. Saipa, aaO, Rn. 15; Ipsen, aaO, Rn. 96, 97; Götz, aaO, Rn. 94; Lisken/Denninger, aaO, Rn. 18). Diese Subsidiarität ordnungsbehördlichen Tätigwerdens gilt zwar dann nicht, wenn das private Recht oder Rechtsgut des Einzelnen, um dessen mögliche Gefährdung es im Einzelfall geht, auch durch Vorschriften des öffentlichen Rechts - sei es durch spezielle verwaltungsrechtliche Normen, sei es durch die Grundrechte - geschützt ist (vgl. Saipa, aaO; Ipsen, aaO, Rn. 98; Götz, aaO, Rn. 91, 96; Lisken/ Denninger, aaO, Rn. 19), was hier angesichts der von der Klägerin geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigungen in Betracht kommt. Auch in einem solchen Fall steht ein ordnungsbehördliches Einschreiten jedoch im Ermessen der Behörde (§ 13 Abs. 1 NHundG, § 11 Nds. SOG) mit der Folge, dass der Betroffene regelmäßig keinen unmittelbaren Rechtsanspruch auf ein entsprechendes Einschreiten, sondern lediglich einen Anspruch darauf hat, dass die Behörde über seinen diesbezüglichen Antrag ermessensfehlerfrei entscheidet. Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn das behördliche Ermessen im Einzelfall ausnahmsweise auf Null reduziert ist, im Ergebnis mithin eine Verpflichtung zu dem begehrten Einschreiten besteht; eine derartige Verpflichtung ist regelmäßig jedoch nur dann anzunehmen, wenn es um den Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter, insbesondere um die Abwehr drohender Gefahren für Leib und Leben oder bedeutende Vermögenswerte des Betroffenen geht (vgl. Ipsen, aaO, Rn. 268, 269; Götz, aaO, Rn. 354; Lisken/Denninger, aaO, Rn. 131, 139, jew.m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann die Klägerin ein Einschreiten der Beklagten gegen die Beigeladene auf der Grundlage des § 13 Abs. 1 NHundG nicht beanspruchen.
Eine Reduzierung des der Beklagten eingeräumten Ermessens liegt nicht vor, weil eine Gefahrensituation in dem soeben dargelegten Sinne nicht erkennbar ist. Dass die Klägerin selbst in der Vergangenheit bereits einmal von dem Hund der Beigeladenen angegriffen (oder gar verletzt) worden und damit einer Gefährdung ihrer eigenen körperlichen Unversehrtheit (vgl. insoweit auch § 2 Nr. 1d) Nds. SOG) ausgesetzt gewesen ist oder dass derartiges in unmittelbarer Zukunft droht, hat sie selbst nicht behauptet. Soweit sie eine (im Bejahensfalle rechtlich als Sachbeschädigung zu qualifizierende) Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit ihrer beiden Hunde befürchtet, erscheint schon fraglich, ob es sich dabei überhaupt um ein Rechtsgut im oben beschriebenen Sinne handelt, das die Behörde ggf. zu schützen hat. Jedenfalls aber kann eine akute, ggf. ein entsprechendes Einschreiten fordernde Gefährdungssituation hier schon vom Tatsächlichen her nicht angenommen werden, weil die Klägerin im Laufe des Verfahrens keinen einzigen Fall geschildert hat, in dem der Hund der Beigeladenen einen ihrer Hunde tatsächlich gebissen hätte (und deshalb möglicherweise von einer entsprechenden Wiederholungsgefahr auszugehen wäre); in der mündlichen Verhandlung hat sie ausdrücklich bestätigt, dass es dazu in der Vergangenheit noch nicht gekommen ist.
Auch im Übrigen lässt die Entscheidung der Beklagten, von einem Einschreiten gegen die Beigeladene abzusehen, Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO, auf deren etwaiges Vorliegen sich die gerichtliche Überprüfung zu beschränken hat, nicht erkennen. Dass von dem Hund der Beigeladenen keine konkrete oder gar gegenwärtige Gefahr im Sinne des § 2 Nr. 1a) bzw. 1b) Nds. SOG für geschützte Rechtsgüter der Klägerin ausgeht, durfte die Beklagte nach den vorstehenden Ausführungen zu Recht annehmen. Eine für die Klägerin günstigere Beurteilung ergäbe sich im Übrigen auch dann nicht, wenn man (auch) im Rahmen der Ermessensbetätigung nach § 13 NHundG den in § 3 Abs. 2 NHundG enthaltenen - ausdrücklich allerdings nur für die dort geregelte Gefährlichkeitsfeststellung vorgesehenen - rechtlichen Maßstab zugrunde legen und für ein etwaiges Einschreiten einen bloßen Gefahrenverdacht ausreichen lassen wollte. Denn auch ein solcher Gefahrenverdacht, den § 3 Abs. 2 Satz 1 NHundG dahingehend definiert, dass der betreffende Hund eine gesteigerte Aggressivität aufweist, insbesondere Menschen oder Tiere gebissen oder sonst eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust oder Schärfe gezeigt hat, besteht bezüglich des Hundes der Beigeladenen nicht. Beißvorfälle mit entsprechenden Schädigungen der Klägerin oder ihrer Hunde hat es bislang - wie bereits dargelegt - offenbar nicht gegeben. Soweit es die übrigen gesetzlichen Merkmale (über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust oder Schärfe) betrifft, ist deren Vorliegen durch die beiden in den Jahren 2006 und 2008 durchgeführten amtstierärztlichen Begutachtungen gerade nicht bestätigt worden. Vielmehr ist der Hund der Beigeladenen in dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. L. vom 01.09.2006) - umgekehrt - als "gut sozialisiert im Umgang mit Menschen" und mit einer "hohen Reizschwelle gegenüber Versuchen zur Auslösung eines aggressiven Verhaltens" ausgestattet bezeichnet worden; lediglich gegenüber den beiden Hunden der Klägerin sei sein Verhalten "speziell gesteuert" (vgl. insoweit die ergänzende telefonische Stellungnahme des Dr. L. vom 08.12.2006). Diese Einschätzung ist durch das Ergebnis einer weiteren, im Laufe des Klageverfahrens durchgeführten Verhaltensprüfung bestätigt worden, im Rahmen derer dem Hund der Beigeladenen attestiert worden ist, dass er keine Aggressionen gegenüber Menschen oder Tieren gezeigt habe (Gutachten Dr. M. vom 06.03.2008). Soweit die Klägerin diese beiden Untersuchungen für unzureichend bzw. nicht hinreichend aussagekräftig und stattdessen die Durchführung eines Wesenstests mit dem Hund der Beigeladenen für erforderlich hält, ist dem nicht zu folgen; denn nach der gesetzlichen Konstruktion des NHundG ist ein Wesenstest (§ 9 NHundG) erst - und ausschließlich - nach einer etwaigen (bislang nicht existierenden) Gefährlichkeitsfeststellung im Rahmen des dann erforderlichen Erlaubnisverfahrens (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 NHundG) durchzuführen.
Auch im Übrigen ist die - sachkundige - Einschätzung der beiden genannten Amtstierärzte nachvollziehbar und wird insbesondere nicht allein dadurch entkräftet, dass die Klägerin diese nicht teilt bzw. die von ihr im Einzelnen geschilderten Vorfälle subjektiv - möglicherweise auch aufgrund des offensichtlich angespannten nachbarschaftlichen Verhältnisses zur Familie der Beigeladenen und/oder aufgrund der Tatsache, dass ihre eigenen Hunde in der Vergangenheit als gefährlich eingestuft worden sind - grundlegend anders bewertet als die übrigen Beteiligten. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein - ggf. ein behördliches Einschreiten erfordernder - Gefahrenverdacht besteht, kann nicht allein auf die subjektiven Vorstellungen und Empfindungen des Betroffenen abgestellt werden; vielmehr bedarf es insoweit hinreichender objektiver Anhaltspunkte, die sich ihrerseits an den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben orientieren müssen. Danach setzt eine "gesteigerte" Aggressivität im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 NHundG voraus, dass die Reizschwelle des betreffenden Hundes und damit seine Angriffs- und Bisshemmung besonders niedrig ist und deshalb die Gefahr besteht, dass er ohne besonderen Anlass oder Außenreiz von einem "normalen" Verhalten zu einem Angriffsverhalten übergeht. Davon ist - von etwaigen, hier nicht gegebenen Beißvorfällen abgesehen - regelmäßig nur dann auszugehen, wenn der Hund wegen rassespezifischer Merkmale oder wegen seiner Zucht und Ausbildung eine gesteigerte Aggressivität aufweist oder durch sein Verhalten gezeigt hat, dass er unkontrolliert Wild oder andere Tiere hetzt bzw. reißt oder, ohne selbst angegriffen oder provoziert worden zu sein, wiederholt Menschen gefährdet oder in gefahrdrohender Weise angesprungen hat (vgl. zum Vorstehenden Stabno, Hunderecht in Niedersachsen, Kommentar zu § 3 NHundG, S. 13-16, 24, 25 m.w.N.). Derartige Verhaltensmerkmale sind bezüglich des Hundes der Beigeladenen auch auf der Grundlage des (umfangreichen) Sachvortrags der Klägerin nicht festzustellen. Demgegenüber reichen unterhalb dieser Schwelle liegende, sich noch im Rahmen der "natürlichen" Aggressivität eines Hundes bewegende Verhaltensweisen - insbesondere etwa im Zusammenhang mit bloßen Rang- oder Revierkämpfen mit anderen Hunden (Zulaufen auf einen fremden Hund, Anknurren bzw. Anbellen, ggf. auch Anspringen) - für eine Einstufung als Gefahrhund auch dann nicht aus, wenn diese von einzelnen privaten Dritten subjektiv als "auffällig" oder "störend" empfunden werden (vgl. insoweit auch den Schriftlichen Bericht zum Entwurf des NHundG, LT-Drs. 14/4006, S. 4).
Unbegründet ist schließlich auch die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung geäußerte Befürchtung, dass ihr ihre eigenen Hunde weggenommen werden könnten, wenn der Hund der Beigeladenen nicht ständig an der Leine geführt werde und es deshalb zukünftig möglicherweise zu weiteren "Auseinandersetzungen" mit ihren Hunden komme. Soweit sie in diesem Zusammenhang aus einem Schreiben der Beklagten vom 15.08.2006 zitiert hat, handelt es dabei um ein an den Vater der Beigeladenen gerichtetes Anhörungsschreiben, in dem dieser (u.a.) allgemein auf die Rechtsfolgen einer etwaigen Gefährlichkeitsfeststellung hingewiesen worden ist. Weder diesem Schreiben noch dem sonstigen aktenkundigen Verhalten der Beklagten lässt sich jedoch entnehmen, dass diese aktuell oder in absehbarer Zeit die Absicht hat, in der genannten Weise gegen die Klägerin selbst vorzugehen. Selbst wenn dies wider Erwarten doch geschehen sollte, könnte die Klägerin dagegen um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen, ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, ob und ggf. in welcher Weise die Beigeladene ihrerseits mit den von der Klägerin geforderten ordnungsbehördlichen Maßnahmen überzogen wird.