Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.03.1996, Az.: 7 W 40/95

Anforderungen an einen Hofübergabevertrag; Anspruch auf Erteilung eines Erbscheins mit Hoffolgezeugnis ; Ermittlung der Wirksamkeit eines Hofübergabevertrages

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
28.03.1996
Aktenzeichen
7 W 40/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1996, 16996
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1996:0328.7W40.95.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Springe - 16.12.1994 - AZ: 2 LwH 11/94

Verfahrensgegenstand

Antrag auf Erteilung eines Erbscheins nebst Hoffolgezeugnis nach dem am 1. Juli 1994 verstorbenen Landwirt ... zuletzt wohnhaft in ...

In der Landwirtschaftssache
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...
und die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
gem. §§ 20 Abs. 2 LwVG, 6 Satz 1 Nds. Ausführungsgesetz vom 21.07.1953
ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter
am 28. März 1996
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 gegen den Beschluß des Landwirtschaftsgerichts Springe vom 16. Dezember 1994 werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 2 und 3 tragen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und haben der Beteiligten zu 1 deren im Beschwerdeverfahren erwachsenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Beschwerdewert: 647.600,- DM.

Gründe

1

I.

Die Beteiligte zu 1 ist die Witwe des am 23. Juli 1994 verstorbenen Landwirts ... (Erblasser). Aus der gemeinsamen Ehe ist der am 15. Februar 1989 geborene Sohn ... hervorgegangen.

2

Durch Hofübergabevertrag vom 30. August 1990 (Urkundenrolle Nr. 462/1990 des Notars ... in ... hatte die Beteiligte zu 2, die Mutter des Erblassers, diesem ihren im Grundbuch von ... Bl. ... eingetragenen Hof i. S. der Höfeordnung mit einem Einheitswert von 161.900 DM übertragen. Durch Beschluß des Landwirtschaftsgerichts Springe vom 14. März 1991 war der Vertrag landwirtschaftsgerichtlich genehmigt, der Erblasser als neuer Eigentümer am 16. April 1991 im Grundbuch eingetragen worden. In dem Übergabevertrag hatte sich der Erblasser verpflichtet, seiner Schwester, der Beteiligten zu 3, eine Abfindung von 40.000 DM zu zahlen.

3

Durch Erbvertrag ebenfalls vom 30. August 1990 (Urkundenrolle Nr. 463/1990 desselben Notars) hatte der Erblasser auf seine gesetzlichen Erbansprüche am hofesfreien Vermögen der Beteiligten zu 2 verzichtet und sich verpflichtet, der Beteiligten zu 3 eine weitere Abfindung von 160.000 DM zu zahlen. Dieser Vertrag ist dem Landwirtschaftsgericht zur Genehmigung nicht vorgelegt worden.

4

Der Erblasser hinterließ ein Testament vom 12. April 1991, das zu 8 IV 169/94 AG Springe eröffnet worden ist und durch das er die Beteiligte zu 1 zu seiner befreiten Vorerbin und den gemeinsamen Sohn ... zum Nacherben eingesetzt hat.

5

Mit Antrag vom 19. September 1994 (Urkundenrolle Nr. 1385/1994 des Notars ... hat die Beteiligte zu 1 die Erteilung eines Erbscheins mit Hoffolgezeugnis beantragt, durch das sie als befreite Vorerbin sowohl hinsichtlich des Hofes als auch des hofesfreien Vermögens und der gemeinsame Sohn ... als Nacherbe ausgewiesen werden.

6

Gegen die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses haben die Beteiligten zu 2 und 3 Bedenken angemeldet und diese damit begründet, daß der Hofübergabevertrag mangels ordnungsgemäßer Genehmigung nicht wirksam und der Erblasser demgemäß nicht Eigentümer des Hofes geworden sei. Dem Antrag der Beteiligten zu 2 auf Eintragung eines Amtswiderspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs hat das Grundbuchamt nicht entsprochen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht Hannover durch Beschluß vom 2. Februar 1995 zurückgewiesen (3 T 18/95).

7

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Landwirtschaftsgericht die Erteilung eines Erbscheins nebst Hoffolgezeugnis mit dem beantragten Inhalt angekündigt, sofern nicht binnen zwei Wochen ab Zustellung Beschwerde eingelegt werde. Gegen den der Beteiligten zu 2 am 21. Dezember 1994 zugestellten Beschluß hat diese mit am 29. Dezember 1994 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt, der sich die Beteiligte zu 3 mit Schriftsatz vom 18. April 1995 angeschlossen hat. Das Landwirtschaftsgericht hat nicht abgeholfen.

8

Auf die zitierten Urkunden und Entscheidungen wird ebenso Bezug genommen wie auf den Inhalt der im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze.

9

II.

Die Beschwerden der Beteiligten zu 2 und 3 sind unzulässig.

10

Ob das Landwirtschaftsgericht berechtigt war, eine Entscheidung durch Ankündigungsbeschluß oder Vorbescheid zu treffen, oder ob es nicht vielmehr, weil jedenfalls kein Bedürfnis für eine Vorklärung bestand, sogleich den Antrag der Beteiligten zu 1 auf Erteilung von Erbschein und Hoffolgezeugnis hätte bescheiden müssen, kann dahinstehen. Denn mangels zulässiger Rechtsmittel kommt eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ohnehin nicht in Betracht.

11

Beide Beteiligte sind nicht beschwerdeberechtigt i. S. der §§ 22 LwVG, 20 Abs. 1 FGG. Beschwerdeberechtigt i. S. dieser Bestimmungen ist nur der in seiner Rechtsstellung durch die Entscheidung beeinträchtigte Beteiligte, d. h. für die vorliegende Entscheidung nur jeder. Erbprätendent, der das bezeugte oder hier zu bezeugende Erbrecht selbst für sich beansprucht.

12

Es ist schon nicht zweifelhaft, daß die Beteiligten zu 2 und 3 nicht materiell Beteiligte am Erbscheinsverfahren des Landwirtschaftsgerichts waren. Der Erblasser hat sie weder in seinem Testament vom 12. April 1991, dessen Gültigkeit nicht in Frage steht, als Erben oder sonstige Begünstigte berücksichtigt, noch wären sie im Fall des Eintritts der gesetzlichen Erbfolge Erben oder Miterben nach dem Erblasser, weil sie als Elternteil bzw. Schwester in der zweiten Verwandtenerbfolge des § 1925 BGB durch Ehefrau und Sohn des Erblassers ausgeschlossen sind, §§ 1924, 1931 BGB. Der formellen Beteiligung der Beteiligten zu 2 und 3 am Erbscheinsverfahren des Landwirtschaftsgerichts bedurfte es daher nicht.

13

Die Beschwerden sind auch nicht etwa deswegen als zulässig (und begründet) zu erachten, weil gleichsam von Amts wegen verhindert werden muß, daß ein Hoffolgezeugnis erteilt wird, das nicht erteilt werden darf, weil der Erblasser nicht Eigentümer des betroffenen Hofes gewesen ist. Es ist zwar richtig, daß ein Erbe, der die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses begehrt, für seinen Antrag kein Rechtsschutzbedürfnis hat, wenn zur Erbschaft kein Hof gehört. Zu erwägen wäre, daß die Erteilung zu versagen wäre, wenn dieser Umstand offensichtlich wäre. Davon kann hier aber nicht gesprochen werden.

14

Es kann offen bleiben, ob die Eintragung des Erblassers als Eigentümer im Grundbuch auf Grund des Übertragungsvertrages eine etwa fehlende Genehmigung, die im übrigen immer noch nachgeholt werden könnte, heilt. Denn hier bedarf es dieser angeblich fehlenden (Teil-) Genehmigung betr. weitergehender Abfindungen nicht mehr. Das Landwirtschaftsgericht prüft die Genehmigungsfähigkeit nach Versagungsgründen einerseits des Grundstücksverkehrsgesetzes und andererseits des Höferechts. Etwa bestehende Versagungsgründe nach dem GrdstVG sind gem. § 7 Abs. III GrdstVG wegen Fristablaufs nicht mehr wirksam. Ist die Eigentumsänderung im Grundbuch länger als ein Jahr eingetragen, gilt die Genehmigung des Übertragungsvertrages grundstücksverkehrsrechtlich als erteilt.

15

Ob diese Fiktion auch für die Genehmigung nach höferechtlicher Inhaltskontrolle gilt, sagt das Gesetz nicht ausdrücklich, und auch in Literatur und Rechtsprechung wird diese Frage, soweit ersichtlich, nicht erörtert. Von einer entsprechenden Anwendung des § 7 Abs. III GrdstVG, aber auch nach allgemeinen höferechtlichen Grundsätzen ist indessen davon auszugehen.

16

Dem Übergeber steht es frei, im Übergabevertrag die Abfindungsansprüche der weichenden Erben gemäß § 12 HöfeO zu regeln. Er kann sie einvernehmlich mit dem Übernehmer gänzlich außer Acht lassen mit der Folge, daß die weichenden Erben ihre gesetzlichen Abfindungsansprüche geltend machen können und müssen. Er kann sie auch nach wirksamer Genehmigung mit dem Übernehmer und/oder den demnächstigen Miterben vereinbaren, und er kann sie außerhalb des Übergabevertrages mit diesen verabreden, und zwar so, daß das Landwirtschaftsgericht als Genehmigungsstelle von dieser Regelung nichts erfährt. In keinem dieser Fälle kann die Wirksamkeit der landwirtschaftsgerichtlichen Genehmigung bezweifelt werden.

17

Treffen Übergeber und Übernehmer indessen in dem Hofübergabevertrag eine Abfindungsregelung und ergänzen sie diese zugleich mündlich, schriftlich oder wie hier in einem notariell beurkundeten Vertrag, so drängt sich zunächst der Verdacht auf, daß die Vertragsschließenden diese getrennten Regelungen zum Zwecke einer Gesetzesumgehung getroffen haben, um die gerichtliche Genehmigung sicherzustellen und der Gefahr der Versagung wegen des höferechtlichen Vorwurfs der Aushöhlung des Höferechts bei zu hohen Abfindungsleistungen zu entgehen. Abgesehen davon, daß das Gesetz oder ein Gericht eine derartige Umgehung, die von beiden Beteiligten des Übergabevertrages gewollt und gebilligt ist, nicht verhindern können, erscheint es auch formalistisch, bei einer Fallgestaltung wie hier die Wirksamkeit der höferechtlichen Genehmigung zu verneinen.

18

Dem Übergeber ist es unbenommen, das Höfestatut jederzeit aufzugeben und den Hof ohne höferechtliche Genehmigung zu übertragen - allerdings mit der Folge, daß sich Abfindungsansprüche nach dem allgemeinen Erbrecht des BGB richten, die jedoch erst beim Tode des Übergebers entstehen. Andererseits kann der Übernehmer den weichenden Erben neben der Abfindung aus dem Hof (§ 12 HöfeO) weitere Zahlungen aus seinem hofesfreien Vermögen, soweit vorhanden, versprechen. Auch das hätte keine Auswirkungen auf die Genehmigung.

19

Letztlich handelt die Beteiligte zu 2 mit ihrem Vorgehen treuwidrig. Sie kann sich nicht auf eine etwaige Unwirksamkeit der Genehmigung, die sie selbst herbeigeführt hat, berufen. Eine Anfechtung der landwirtschaftsgerichtlichen Genehmigung vom 14. März 1991, die sie bisher offensichtlich ebensowenig erklärt hat wie eine gerichtliche Geltendmachung ihres angeblichen Eigentums, wäre im übrigen als unzulässig zu beurteilen, weil sie ihr Anfechtungs-/Beschwerderecht insoweit auch durch Zeitablauf und Untätigkeit trotz Kenntnis verwirkt hat.

20

Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf §§ 34 Abs. I, 44 Abs. I LwVG, die über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten auf § 45 Abs. I Satz 2 LwVG.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 647.600,- DM.

Der Geschäftswert bestimmt sich nach §§ 131 Abs. 1 S. 2, 107, 30, 19 KostO.