Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 17.06.2003, Az.: 4 A 4054/01
Extensivierungsprämie; Nachweisanforderungen; Prämienberechtigung; Rindersonderprämie; Schlachtbescheinigung
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 17.06.2003
- Aktenzeichen
- 4 A 4054/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48048
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 13 Abs 1 Rind/SchafPrV
- § 13 Abs 2 Rind/SchafPrV
- § 13 Abs 4 S 1 Rind/SchafPrV
- Art 10 Abs 2a EWGV 3886/92
- Art 43 EWGV 3886/92
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Liegt eine vollständig ausgefüllte Schlachtbescheinigung vor, so führt der Umstand, dass im Schlachtbetrieb keine weiteren Aufzeichnungen über die Schlachtung geführt worden sind, nicht zwingend zur Versagung der Rindersonderprämie.
Tenor:
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger auf seinen unter dem 9. März 1999 gestellten Antrag eine weitere Sonderprämie für Rindfleischerzeuger in Höhe von 280,50 Euro zuzüglich 6 % Zinsen seit Klageerhebung zu bewilligen.
Der Bescheid des Beklagten vom 1. November 1999 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung vom 2. März 2001 werden insoweit aufgehoben, als sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Sonderprämie für Rindfleischerzeuger.
Der Kläger beantragte als Kleinerzeuger unter dem 09.03.1999 bei dem Beklagten Amt für Agrarstruktur die Bewilligung einer Rindersonderprämie für zwei Bullen. Er gab an, er habe die Bullen durch direkten Verkauf an einen Schlachtbetrieb im Inland vermarktet. Zum Nachweis der Schlachtungen der Tiere legte er Schlachtbescheinigungen des Schlachters aus vom 16.10.1998 (betreffend den Bullen mit der Ohrmarken-Nummer DE 03 40120768, geschlachtet am 16.10.1998) sowie vom 03.02.1999 (betreffend den Bullen mit der Ohrmarken-Nummer DE 03 40120770, geschlachtet am 03.02.1999) vor. Am 28.01.1999 hatte der Beklagte den Betrieb des Schlachters überprüft und dabei keine Unterlagen über vorgenommene Schlachtungen vorgefunden.
Durch Bewilligungsbescheid vom 01.11.1999 gewährte der Beklagte dem Kläger eine Vorschusszahlung der Sonderprämie für Rindfleischerzeuger für das Jahr 1999 in Höhe von 79,21 DM. Zur Begründung führte er aus, für das Rind mit der Ohrmarken-Nummer DE 03 40120768 werde eine Prämie nicht gewährt. Da der Schlachter über die Schlachtung dieses Rindes keine Aufzeichnungen geführt habe, fehle ein wesentlicher Nachweis für die Entstehung des Anspruchs auf Gewährung einer Rindersonderprämie. Die Vorlage einer Schlachtbescheinigung allein reiche insoweit nicht aus. Die Prämie für das Rind mit der Ohrmarken-Nummer DE 03 40120770 werde in Anwendung der VO (EWG) Nr. 3887/92 i.V.m. der VO (EG) Nr. 1678/98 um 50 % gekürzt. Danach sei die Prämie um den Prozentsatz der Differenz zwischen den im Antrag angegebenen und den festgestellten Tieren zu kürzen. Hiergegen legte der Kläger am 26.11.1999 Widerspruch ein.
Am 28.01.2000 führte die Bezirksregierung eine erneute Prüfung bei dem Schlachter durch und stellte in ihrem Prüfbericht zu dem Rind mit der Ohrmarken-Nummer DE 03 40120768 fest, die Richtigkeit der Schlachtbescheinigung könne hinsichtlich der Ohrmarken-Nummer, des Tags der Schlachtung, der Tier-Kategorie und des Schlachtgewichts bestätigt werden. Eine Schlachtnummer sei nicht vorgefunden worden.
Durch Bescheid vom 02.06.2000 bewilligte der Beklagte dem Kläger eine Abschlusszahlung der Sonderprämie für Rindfleischerzeuger 1999. Wiederum sah der Beklagte von einer Prämie für das Rind mit der Ohrmarken-Nummer DE 03 40120768 ab und kürzte für das Rind mit der Nummer DE 03 40120770 die Rindersonderprämie und eine zusätzlich gewährte Extensivierungsprämie um 50 %. Der Abschlusszahlungs-Bescheid wurde nicht an die Prozessbevollmächtigten des Klägers, die ihn im Verwaltungsverfahren bereits vertraten, sondern an den Kläger selbst gesandt. Mit Schreiben vom 17.08.2000 wandte sich der Kläger weiter gegen die Kürzung und begründete seinen Widerspruch.
Die Bezirksregierung wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 02.03.2001 (dem Kläger zugestellt am 30.03.2001) mit der Begründung zurück, bei der Vermarktungsform eines direkten Verkaufs an einen Schlachtbetrieb im Inland müsse auch der betreffende Schlachtbetrieb den Anforderungen in vollem Umfang entsprechen. Der Betrieb hätte den Schlachtbescheinigungen entsprechende Aufzeichnungen führen und diese mindestens 4 Jahre lang aufbewahren müssen. Durch nachträglich vorgelegte Unterlagen oder schriftliche oder mündliche Erklärungen könne der Nachweis einer Schlachtung nicht erbracht werden. Der Kläger trage auch für das Vorliegen der im Bereich der Schlachtstätte liegenden Umstände die Beweislast.
Am 23.04.2001 hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, ihm auf seinen unter dem 09.03.1999 gestellten Antrag eine weitere Sonderprämie für Rindfleischerzeuger in Höhe von 280,50 Euro zuzüglich 6 % Zinsen seit Klageerhebung zu bewilligen sowie den Bescheid des Beklagten vom 01.11.1999 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung vom 02.03.2001 insoweit aufzuheben, als sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unzulässig, da der Abschlusszahlungs-Bescheid bestandskräftig geworden sei. Die Klage sei auch unbegründet, da eine Beweisführung durch eine Aussage des Schlachters bzw. durch die Vorlage von Unterlagen der Veterinärverwaltung unzulässig sei.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung über die Umstände der vom Kläger behaupteten Schlachtung des Bullen mit der Ohrmarken-Nummer DE 03 40120768 Beweis durch Vernehmung des Schlachters als Zeugen erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Der Kläger wendet sich mit der vorliegenden Klage gegen den Vorschuss-Bescheid vom 01.11.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung vom 02.03.2001. Gegenstand der Klage ist dagegen nicht der Abschlusszahlungs-Bescheid vom 02.06.2000. Es bestehen im Hinblick auf das Fehlen von Ermessenserwägungen (vgl. § 41 Abs. 1 S. 2 VwVfG) bereits erhebliche Bedenken dagegen, dass der Bescheid vom 02.06.2000 dem seinerzeit bereits anwaltlich vertretenen Kläger ordnungsgemäß bekannt gegeben worden ist und ihm gegenüber Wirksamkeit entfaltet. Jedenfalls aber hat der Kläger durch sein Schreiben vom 17.08.2000, durch das er seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.11.1999 erstmals in der Sache begründet hat, auch gegen die teilweise Versagung der Prämien im Bescheid vom 02.06.2000 Widerspruch eingelegt. Über diesen Widerspruch hat die Bezirksregierung nicht entschieden, denn der Widerspruchsbescheid nimmt in seinem Tenor ausdrücklich nur auf den Vorschuss-Bescheid Bezug. Da der Bescheid vom 02.06.2000 somit entweder nicht wirksam geworden oder aber durch Widerspruch angefochten worden ist, stellt er keine bereits bestandskräftig gewordene Regelung dar und steht daher entgegen der Auffassung des Beklagten auch einer Zulässigkeit der Klage gegen den Vorschussbescheid nicht entgegen.
Die Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind teilweise rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 VwGO), denn er hat einen Anspruch auf Bewilligung einer höheren als der gewährten Rindersonder- und Extensivierungsprämie.
Gemäß § 13 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung über die Gewährung von Prämien für männliche Rinder, Mutterkühe und Mutterschafe (Rinder- und Schafprämien-Verordnung; RSVO) in der am 01.01.1999 in Kraft getretenen Fassung der Bekanntmachung vom 15.04.1999 (BGBl. I S. 730) kann die Sonderprämie nur für männliche Rinder beantragt werden, für die dem Antrag eine Abrechnung oder Schlachtbescheinigung nach Absatz 1 beigefügt wird. Nach Absatz 1 der Vorschrift sind in der Schlachtbescheinigung neben den europarechtlich geforderten Angaben die Ohrmarken-Nummer des Tieres, das Schlachtgewicht (hilfsweise Lebendgewicht) sowie die Angabe, ob das Tier ein Bulle oder ein Ochse ist, aufzuführen. Nach Art. 10 Abs. 2 a) der VO (EWG) Nr. 3886/92 (ABl. EG L Nr. 391/20) muss die Schlachtbescheinigung weiter den Namen und die Adresse des Schlachtbetriebs sowie den Tag der Schlachtung und die Schlachtnummer enthalten. Diese Angaben sind und u. a. dazu erforderlich, in Verbindung mit anderen Unterlagen, z. B. dem Bestandsregister, den für die Prämiengewährung vorausgesetzten Zeitraum zu belegen, innerhalb dessen das Tier in dem Erzeugerbetrieb vor der Schlachtung gehalten wurde (vgl. hierzu Art. 4 b Abs. 2 Satz 2 der VO (EWG) Nr. 805/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch, geändert durch VO (EWG) Nr. 2066/92 (ABl. EG Nr. L 215/50), i. V. m. Art. 15 Abs. c) der VO (EWG) Nr. 3886/92 i. d. F. der Verordnung (EG) Nr. 2311/96 (ABl. EG Nr. L 313/09).
Der Kläger hat bereits bei Antragstellung für die beiden Bullen mit den Ohrmarken-Nummern DE 03 40120768 und DE 03 40120770 vollständige und nachvollziehbare Schlachtbescheinigungen vorgelegt. Der Zeuge hat sich an die Schlachtung des Bullen mit der Nummer DE 03 40120768 erinnert und bestätigt, dass er die Schlachtbescheinigung in engem zeitlichen Zusammenhang mit dieser Schlachtung ausgestellt hat. Der Zeuge hat auf das Gericht einen glaubwürdigen Eindruck gemacht und es bestehen keine Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Aussage. Hinzu kommt, dass ein Mitarbeiter der Bezirksregierung in seinem Bericht über die Prüfung des Schlachtbetriebes am 28.01.2000 unter der Rubrik "Anhand der Unterlagen des Schlachtbetriebes kann die Richtigkeit der beiliegenden Schlachtbescheinigungen bestätigt werden" die Antwort "ja" angekreuzt hat. Dieser Vermerk bezieht sich ausdrücklich auch auf den Bullen mit der Ohrmarken-Nummer DE 03 40120768, hinsichtlich dessen der Prüfer lediglich das Fehlen der Schlachtnummer gerügt hat, während sämtliche sonstigen Umstände (Ohrmarken-Nummer, Tag der Schlachtung, Tierkategorie, Gewicht) als ordnungsgemäß bezeichnet wurden.
Der Auffassung des Beklagten, die Richtigkeit der Schlachtbescheinigung könne ausschließlich durch einen Abgleich mit den Aufzeichnungen des Schlachters bewiesen werden, folgt die Kammer nicht. Voraussetzung für die Gewährung der Prämie ist nach § 13 Abs. 4 RSVO die Vorlage einer Schlachtbescheinigung, die die o. g. Eintragungen gemäß § 13 Abs. 1 RSVO enthalten muss. Eine derartige Bescheinigung liegt hier vor. Das Unterlassen von Aufzeichnungen durch den Schlachter nach § 13 Abs. 2 RSVO kann zwar im Einzelfall durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Schlachtbescheinigung erwecken. Der Schluss, dass dieses Unterlassen zwingend zu einer Versagung der Prämie führen muss, ist jedoch nicht gerechtfertigt. Vielmehr kann die Richtigkeit einer Schlachtbescheinigung auch auf andere Weise bestätigt werden, beispielsweise im Wege einer Beweisaufnahme.
Im Übrigen sieht § 13 Abs. 2 RSVO, auf den der Beklagte abstellt, die Aufbewahrung gesonderter Aufzeichnungen des Schlachters nicht bezüglich sämtlicher Angaben nach § 13 Abs.1 RSVO vor, sondern nur für die Unterlagen über die Erfassung der Kennzeichnung nach § 4 RSVO (d. h. die Vergabe von Ohrmarken). Auch deshalb hält es die Kammer für unzulässig, aus dem Fehlen sonstiger Aufzeichnungen den zwingenden Schluss zu ziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Prämie seien trotz ordnungsgemäßer Schlachtbescheinigung nicht nachgewiesen worden.
Da die Klage Erfolg hat, ist dem Kläger eine weitere Rindersonderprämie und eine weitere Extensivierungsprämie (letztere auf der Rechtsgrundlage des Art. 43 der VO (EWG) Nr. 3886/92 (a.a.O.) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2311/96 (ABl. EG Nr. L 313/09) zu gewähren. Die Rindersonderprämie betrug pro Rind 264,04 DM zuzüglich einer Extensivierungsprämie in Höhe von 101,70 DM, insgesamt also 365,74 DM und für zwei Rinder daher 731,48 DM. Darauf wurden an den Kläger bisher 182,87 DM gezahlt. Der Kläger kann daher die Zahlung weiterer (548,61 DM =) 280,50 Euro beanspruchen.
Daneben hat der Kläger in entsprechender Anwendung von §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB Anspruch auf Gewährung von Prozesszinsen, wobei der Ausspruch sich gemäß § 88 VwGO im Rahmen des in mündlicher Verhandlung gestellten Antrags hält.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.