Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 19.06.2003, Az.: 4 A 4106/01

Antragsteller; Außengesellschaft; Betriebsinhaber; Erzeuger; Gesellschaft bürgerlichen Rechts; Innengesellschaft; Schaffleisch-Erzeugerprämie; Schaffleischerzeuger

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
19.06.2003
Aktenzeichen
4 A 4106/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48049
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Schaffleischerzeuger können nicht nur die traditionell als Einzelpersonen mit ihren Familien wirtschaftenden Landwirte, sondern auch Vereinigungen natürlicher Personen ohne Rücksicht auf die Rechtsform dieser Vereinigungen (GmbH, KG, GbR etc.) sein.

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 11.04.2000 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung ... vom 29.05.2001 werden aufgehoben.

Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin zu 2. für die Jahre 1998 und 1999 weitere Mutterschafprämien in Höhe von insgesamt 1.157,16 Euro zu bewilligen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand:

1

Die Kläger wenden sich gegen die Rücknahme von Bescheiden, durch die ihnen für die Jahre 1997 und 1998 eine Mutterschafprämie bewilligt worden ist und gegen die Rückforderung dieser Prämie. Daneben begehrt die Klägerin zu 2. für die Jahre 1998 und 1999 weitere Zahlungen von Mutterschafprämie.

2

Die Kläger betreiben in ... den sog. Käsehof. Sie bewirtschaften landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, betreiben Schafhaltung und erzeugen Produkte aus Schafmilch. Seit 1984 nimmt die Klägerin zu 2. die Prämie zur Förderung der Schaffleischerzeugung (Mutterschafprämie) in Anspruch. Durch Bescheid vom 23.10.1995 regelte der Beklagte Amt für Agrarstruktur... die Prämienberechtigung der Klägerin zu 2. neu und setzte ihre erzeugerspezifische Obergrenze für die Zeit ab dem Wirtschaftsjahr 1996 auf nunmehr 30 Mutterschafe fest.

3

Neben der Mutterschafprämie nahmen die Kläger in den vergangenen Jahren regelmäßig Ausgleichszahlungen für Kleinerzeuger nach der Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen in Anspruch. Als Antragsteller trat der Kläger zu 1. auf. Die Klägerin zu 2. unterzeichnete als „Mitunternehmerin“. Die Bewilligungsbescheide waren an beide Kläger gerichtet.

4

Einschließlich einer Vorschusszahlung für das Jahr 1998 erhielt die Klägerin zu 2. die begehrte Mutterschafprämie zunächst ohne Beanstandungen. Im Rahmen einer Anhörung teilte der Beklagte im März 1999 mit, die rechtlichen Verhältnisse des Betriebes seien nicht eindeutig erkennbar. Es sei nicht klar, ob es sich um einen einzelnen Betrieb oder eine Betriebsgemeinschaft handele. Möglich erscheine auch eine Teilung des Familienbetriebes in zwei selbstständige Betriebsteile, wie z. B. den Schaffleisch- und den Flächensektor. Auch hätten die Kläger in den Jahren 1997 und 1998 im Rahmen der Anträge auf Ausgleichszahlung angegeben, sie betrieben eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Wegen der bestehenden Unsicherheiten würden keine weiteren Zahlungen vorgenommen.

5

Bereits 1998 hatten die Kläger mitgeteilt, die Klägerin zu 2. sei Betriebsleiterin eines landwirtschaftlichen Familienbetriebes, Eigentümerin der Schafe und Inhaber der Prämienberechtigung. Nunmehr führten sie mit Schreiben vom 08.04.1999 aus, es gebe nur einen landwirtschaftlichen Betrieb beider Kläger. Alle Arbeiten in diesem Betrieb würden von den Ehepartnern in gemeinsamer Verantwortung getragen. Betriebsleiterin sei die Klägerin zu 2., mitarbeitende Familienarbeitskraft der Kläger zu 1.. Für die landwirtschaftliche Produktion seien beide Kläger verantwortlich.

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Durch Bescheid vom 11.04.2000 nahm der Beklagte die an die Klägerin zu 2. gerichteten Vorschuss- und Abschlusszahlungsbescheide für das Jahr 1997 vom 30.09.1997 (über 231,00 DM) und vom 28.04.1998 (über 469,20 DM) sowie den an beide Kläger gerichteten Vorschusszahlungsbescheid für das Jahr 1998 vom 30.09.1998 (über 328,50 DM) zurück. Gleichzeitig forderte er die geleisteten Prämienzahlungen in Höhe von insgesamt 1.028,70 DM verzinslich zurück. Darüber hinaus lehnte der Beklagte die Anträge auf Zahlung von Mutterschafprämie für die Wirtschaftsjahre 1997 bis 1999 ab. Zur Begründung führte er u. a. aus, die Bewilligungsbescheide seien rechtswidrig ergangen. Die Mutterschafprämie könne nur Erzeugern i.S.d. gemeinsamen Marktorganisation für Schaffleisch und damit Personen gewährt werden, die für die Produktion des Schaffleisches wirtschaftlich verantwortlich seien. Daneben setze die Gewährung der Mutterschafprämie voraus, dass den Prämienbewerbern eine erzeugerspezifische Obergrenze (Schafquote) zugewiesen sei. Im Fall der Kläger werde die Schafhaltung in gemeinsamer unternehmerischer Verantwortung als „faktische“ GbR betrieben. Die GbR sei jedoch nicht im Besitz der Prämienrechte, die nur der Klägerin zu 2. zugeteilt worden seien. Diese habe die Prämienrechte auch nicht im Rahmen des hierfür gemeinschaftsrechtlich vorgeschriebenen Verfahrens auf die GbR übertragen.

7

Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 25.04.2000 Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, die Klägerin zu 2. sei sowohl Inhaberin der Schafquote als auch Betriebsleiterin des landwirtschaftlichen Betriebes. Neben diesem Betrieb existiere eine selbständige GbR nicht.

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Die Bezirksregierung ... wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 29.05.2001 (den Klägern zugestellt am 12.06.2001) zurück, wobei sie die Ausführungen des Ausgangsbescheides wiederholte. Ergänzend äußerte sie die Auffassung, die Anträge für die Jahre 1997 bis 1999 seien auch abzulehnen, sofern die Klägerin zu 2. tatsächlich Betriebsleiterin gewesen sei, weil die Anträge unter gemeinsamer Betriebsleitung gestellt worden seien und damit in wesentlicher Hinsicht falsche Angaben enthalten würden.

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Am 10.07.2001 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung beziehen sie sich auf ihren Widerspruchsvortrag.

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Der Kläger zu 1. beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 11.04.2000 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung ... vom 29.05.2001 aufzuheben, soweit sie ihn betreffen.

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Die Klägerin zu 2. beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 11.04.2000 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung ... vom 29.05.2001 aufzuheben, soweit die Bescheide sie betreffen, sowie den Beklagten zu verpflichten, ihr auf ihren unter dem 28.01.1998 gestellten Antrag eine Abschluss-Mutterschafprämie für das Wirtschaftsjahr 1998 in Höhe von 991,20 DM und auf ihren unter dem 14.01.1999 gestellten Antrag eine Mutterschafprämie für das Wirtschaftsjahr 1999 in Höhe von 1.272,00 DM zu bewilligen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verweist auf einen Erlass des Nds. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 31.10.2000, wonach nach Einbringung eines Betriebes in eine GbR die Antragstellung durch letztere erfolgen müsse, da die einzelnen Gesellschafter nicht mehr antragsberechtigt seien.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten und der Bezirksregierung ... Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat Erfolg.

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Sie ist zulässig. Dies gilt für die Klage des Klägers zu 1. ohne Rücksicht darauf, dass nicht er selbst, sondern die Klägerin zu 2. prämienberechtigt ist. Jedenfalls sollen ihm durch den Vorschussbescheid vom 30.09.1998 für das Wirtschaftsjahr 1998 gewährte Subventionen wieder entzogen werden, wodurch er in seinen Rechten verletzt sein könnte (§ 42 Abs. 2 VwGO).

20

Die Klage ist auch begründet.

21

Der Beklagte geht davon aus, dass der Betrieb der Kläger ab 1997 als GbR geführt worden ist. Er zieht hieraus den Schluss, dass seit 1997 nur noch die GbR Erzeugerin von Schaffleisch sei und einen Antrag auf Gewährung einer Prämie gemäß § 1 Nr. 3 der Verordnung über die Gewährung von Prämien für männliche Rinder, Mutterkühe und Mutterschafe (Rinder- und Schafprämienverordnung) i. d. F. der Bekanntmachung vom 25.03.1996 (BGBl. I S. 537) bzw. (ab 1999) vom 15.04.1999 (BGBl. I S. 730) i. V. m. der VO (EWG) Nr. 3013/89 über die gemeinsame Marktorganisation für Schaf- und Ziegenfleisch (ABl. EG Nr. L 289/01) bzw. (ab 20.11.1998) der VO (EG) Nr. 2467/98 (ABl. EG Nr. L 312/01) stellen könne. Einem solchen Antrag müsse jedoch der Erfolg schon deshalb versagt bleiben, weil nicht die GbR, sondern die Klägerin zu 2. aufgrund des Bescheides vom 23.10.1995 Inhaberin der Prämienberechtigung sei. Die Bezirksregierung ... ergänzt diese Auffassung durch die Erwägung, für den Fall, dass die Klägerin zu 2. doch Betriebsleiterin sei, seien die Anträge abzulehnen, weil die Anträge von beiden Klägern und daher formell fehlerhaft gestellt worden wären. Dem folgt das Gericht nicht.

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Schaffleischerzeuger ist nach Art. 1 Nr. 1 der VO (EWG) Nr. 3493/90 vom 27.11.1990 zur Festlegung der Grundregeln für die Gewährung der Prämie zugunsten der Schaf- und Ziegenfleischerzeuger (Abl. EG Nr. L 337/07) der einzelne Betriebsinhaber, gleich ob natürliche oder juristische Person, der ständig mindestens zehn Mutterschafe hält. Erzeuger sind daher die Betriebsinhaber. Hierunter versteht man nach Art. 1 Abs. 4 der VO (EWG) Nr. 3508/92 vom 27.11.1992 zur Einführung eines integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems für bestimmte gemeinschaftliche Beihilferegelungen (ABl. EG Nr. L 355/1) den einzelnen landwirtschaftlichen Erzeuger, dessen Betrieb sich im Gebiet der Gemeinschaft befindet, gleich ob natürliche oder juristische Person oder eine Vereinigung natürlicher oder juristischer Personen und unabhängig davon, welchen rechtlichen Status die Vereinigung und ihre Mitglieder aufgrund der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften haben.

23

Betriebsinhaber und damit Erzeuger sind daher nicht nur die traditionell als Einzelpersonen mit ihren Familien wirtschaftenden Landwirte, sondern auch Vereinigungen natürlicher Personen ohne Rücksicht auf die Rechtsform dieser Vereinigungen (GmbH, KG, GbR etc.). Art. 1 Abs. 4 der VO (EWG) Nr. 3508/92 will den Anspruch der in verschiedenen Rechtsformen arbeitenden landwirtschaftlichen Betriebsinhaber einheitlich regeln. Entsprechend der Erwägung der Kommission, allen Erzeugern von Schaffleisch zum Ausgleich ihrer Einkommensverluste eine Sonderprämie für eine begrenzte Zahl von Tieren zukommen zu lassen (vgl. jeweils die Präambel der VO (EWG) Nr. 3013/89 - ABl. EG Nr. L 289/1 - bzw. der VO (EG) Nr. 2467/98 - ABl. EG Nr. L 312/1 über die gemeinsame Marktorganisation für Schaf- und Ziegenfleisch), sollten alle von den Maßnahmen einer Anpassung des Angebots an die Markterfordernisse betroffenen Betriebsinhaber anspruchsberechtigt sein. Die Rechtsform, in der sich die Gesellschafter organisiert haben, sollte ohne Auswirkungen auf die Anspruchsberechtigung sein. Diese Regelung war zur Klärung von Zweifelsfragen nötig. Mit der Prämiengewährung sollte der Schaf- und Ziegenfleisch erzeugenden ländlichen Bevölkerung durch Stützung ihres Einkommens eine angemessene Lebenshaltung erleichtert werden, die infolge von Maßnahmen der Agrarmarktordnung in Gefahr war abzusinken. Empfänger der Prämie sollten Betriebsinhaber sein, die tatsächlich Schaf- oder Ziegenfleisch erzeugten und hieraus ihr Einkommen erzielten. Zielgruppe war damit der landwirtschaftliche Betriebsinhaber als natürliche Einzelperson oder als Mehrheit von Personen (Vater/Sohn oder Ehegatten). Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts zum Erzeuger-Begriff (Urt. v. 19.10.1999 - 3 L 6040/95 -).

24

Betriebsleiter kann daher nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers sowohl der einzelne Landwirt, der den Hof mit Familienangehörigen führt, als auch eine juristische Person oder eine GbR sein, soweit sie als sog. Außengesellschaft durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (vgl. hierzu Sprau in Palandt, BGB, 62. Aufl. 2003, § 705 Rn. 24). Das Nds. Oberverwaltungsgericht hat in der genannten Entscheidung auch nicht ausgeschlossen, dass "die Kläger als Gesellschafter einer GbR nach europäischem Recht Erzeuger i. S. der genannten Verordnungen (EWG)" sein können. Es kommt somit nicht darauf an, ob die Klägerin zu 2. den landwirtschaftlichen Betrieb unter wesentlichen Mitsprache- und Mitentscheidungsbefugnissen des Ehemanns als landwirtschaftliche Einzel-Unternehmerin führt oder ob sie ihn gemeinsam mit ihrem Ehemann (z. B. auch im Rahmen einer GbR) leitet. Jedenfalls ist sie an der Leitung des Betriebs maßgeblich beteiligt. In diesen Betrieb hat sie die ihr zuerkannte Prämien-Berechtigung eingebracht.

25

Die Auffassung des Nds. Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Erlass vom 31.10.2000, wonach im Fall der Gründung einer GbR nur noch diese, nicht jedoch die einzelnen Gesellschafter antragsbefugt sind, kann allenfalls im Fall des Bestehens einer Außengesellschaft zutreffen, nicht jedoch, wenn die GbR nur als Innengesellschaft besteht, die keine eigene Rechtspersönlichkeit darstellt. Eine Ehegatten-Gesellschaft besteht in der Regel nicht als Außen-, sondern als Innengesellschaft, beispielsweise mit dem Zweck des Aufbaus eines Unternehmens oder der gemeinsamen Ausübung einer beruflichen Tätigkeit (Sprau, a.a.O., Rn. 39). Auch in diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob die Kläger im Rahmen eines landwirtschaftlichen Familienunternehmens oder als Gesellschafter einer Innengesellschaft aufgetreten sind. Jedenfalls haben sie die Anträge auf Gewährung von Schafprämie nicht für eine Außengesellschaft gestellt.

26

Schließlich folgt die Kammer auch nicht der Auffassung der Bezirksregierung, dass es formfehlerhaft wäre, den Antrag im Fall des Bestehens eines Familienbetriebs durch beide Ehegatten zu stellen. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Klägerin zu 2. den Antrag als prämienberechtigtes Familienmitglied gestellt hat.

27

Der Kläger zu 1., der nicht selbst prämienberechtigt ist, kann vom Beklagten die Gewährung zusätzlicher Prämien nicht begehren. Er kann sich jedoch gegen den Entzug der Prämie, soweit sie auch ihm gewährt worden ist, erfolgreich zur Wehr setzen. Dies betrifft die Vorschusszahlung für 1998; nur insoweit ist der angefochtene Bescheid auch an den Kläger zu 1. gerichtet. Die Klägerin zu 2. kann sich mit Erfolg gegen den Entzug sämtlicher bereits gewährter Leistungen wenden und zugleich für die Jahre 1998 (Abschlussbescheid) und 1999 zusätzliche Leistungen begehren.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 VwGO.

29

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.