Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 31.08.2004, Az.: 2 B 2197/04
Ausschuss; Ausschussbesetzung; Fraktion; Gruppe; Kräfteverhältnis; Neubesetzung; Neubildung; Ratsausschuss; Sitzverteilung; Verwaltungsausschuss; zusätzliche Ausschusssitze; Zählgemeinschaft
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 31.08.2004
- Aktenzeichen
- 2 B 2197/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50731
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OVG - 04.02.2005 - AZ: 10 ME 104/04
Rechtsgrundlagen
- § 39b GemO ND
- § 51 GemO ND
- § 56 GemO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Rechtlich unbeachtlich ist es, wenn sich (Einzel-)Mitglieder oder/und Fraktionen des Rates zusammenschließen und dieser Zusammenschluss von Anfang an materiell-rechtlich einer Gruppe im Sinne von § 39 b Abs. 1 und 2 NGO entspricht, zunächst aber formell eine Gruppe noch nicht gebildet wurde, sondern dies erst später auf Grund einer weiteren Vereinbarung geschieht.
2. Das Motiv, Vorteile bei der Besetzung von Ausschüssen zu erlangen, darf bei der Bildung einer Gruppe im Vordergrund stehen.
3. Nur so genannte Zählgemeinschaften dürfen bei der Sitzverteilung in den Ausschüssen nicht berücksichtigt werden.
Gründe
Dieser Antrag war gemäß den §§ 88, 122 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) unter Berücksichtigung des (übrigen) Vorbringens der Antragstellerin dahingehend auszulegen, dass sie begehrt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, (1.) seinen Beschluss vom 10. Mai 2004 bezüglich der Feststellung der Ausschussbesetzung entsprechend der Anlage 13 zur Niederschrift über die Sitzung des Antragsgegners vom 10. Mai 2004 und (2.) seinen Beschluss vom selben Tag über die Feststellung der Neubesetzung der Ausschussvorsitze, hilfsweise, die Verteilung der Ausschussvorsitze in der Sitzung des Antragsgegners vom 10. Mai 2004 außer Vollzug zu setzen. Die Antragstellerin wendet sich tatsächlich nicht gegen den von ihr im Antrag genannten Beschluss der Antragsgegnerin vom 10. Mai 2004 über die Feststellung der Neubildung von Verwaltungsausschuss und Ratsausschüssen, weil dieser Beschluss - im Gegensatz zu dem Beschluss über die Feststellung der Ausschussbesetzung - noch keine Regelung hinsichtlich der Besetzung des Verwaltungsausschusses und der Ratsausschüsse enthält. Im Übrigen bat die Antragstellerin mit Schreiben vom 25. März 2004 selbst um die Aufnahme des Tagesordnungspunktes „Neubesetzung im Verwaltungsausschuss und den Ratsausschüssen“ auf die Tagesordnung zur nächsten Sitzung des Antragsgegners, nachdem sie gegenüber dem Antragsgegner mit Schreiben vom 22. März 2004 angezeigt hatte, dass ein (von ihr konkret genannter) Ratsherr, der zuvor im Dezember 2003 aus der SPD-Fraktion ausgetreten war, mit sofortiger Wirkung Mitglied ihrer Ratsfraktion sei. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass das Gericht - auch in einem Klageverfahren - Beschlüsse eines Rates, wie sie hier im Streite stehen, nicht aufheben kann. Denn bei derartigen Beschlüssen handelt es sich um Maßnahmen, die - wie § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO für eine kassatorische Entscheidung aber voraussetzt - keine Verwaltungsakte darstellen.
Es lässt sich dem Vorbringen der Antragstellerin allerdings nicht in ausreichendem Maße entnehmen, dass sich ihr Begehren lediglich auf die Neubesetzung des Verwaltungsausschusses und des Werksausschusses „Bäder“ bezieht, auch wenn sie nur diese beiden Ausschüsse in ihrer Antragsschrift - teilweise sinngemäß - ausdrücklich nannte. Gegen eine derartige Auslegung spricht entscheidend, dass die Antragstellerin ihren Antrag in diesem Sinne nicht einmal aufgrund des Vorbringens des Antragsgegners konkretisierte, der darauf hingewiesen hat, ein Anordnungsanspruch bestehe nach ihrem eigenen Vortrag allenfalls für die beiden genannten Ausschüsse.
Der so verstandene Antrag hat aber keinen Erfolg.
Eine einstweilige Anordnung kann nur ergehen, wenn sowohl ein Anordnungsgrund, d.h. die Dringlichkeit der begehrten Regelung, als auch ein Anordnungsanspruch, d.h. der Anspruch auf die begehrte Leistung, glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Hier fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches.
a) Soweit sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag zu (1.) gegen die Feststellung der Besetzung der Ausschüsse wendet, deren Zusammensetzung sich trotz der Bildung der Gruppe SPD/FDP einschließlich des auf der Liste Bürger für O... (BFO) in den Rat gewählten Ratsmitgliedes - im Folgenden Ratsmitglied (BFO) genannt - nicht zu ihren Ungunsten verändert hat, selbst wenn man zu ihren Gunsten berücksichtigt, dass sie einschließlich des aus der SPD-Fraktion ausgetretenen Ratsmitgliedes mit Wirkung vom 22. März 2004 über 8 Ratssitze verfügt, ist der Antrag schon deshalb erfolglos, weil die Antragstellerin durch die Bildung der Gruppe SPD/FDP insoweit nicht in ihren Rechten verletzt wird.
Im Übrigen steht dem Antrag zu (1.) insgesamt entgegen, dass nach der in diesem Verfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Beschluss des Antragsgegners vom 10. Mai 2004, „die Ausschussbesetzung wird entsprechend der Anlage 13 festgestellt“, aller Voraussicht nach rechtlich nicht zu beanstanden ist. Dabei ist dieser Beschluss dahingehend zu verstehen, dass damit gleichzeitig auch die sich aus der Anlage 13 neu ergebene Sitzverteilung festgestellt wurde. Gemäß § 51 Abs. 8 Satz 3 <2. Hs.> i.V.m. Abs. 4 Nds. Gemeindeordnung i.d.F. vom 19. Februar 2004 (GVBl. S. 63) (NGO) stellen die Ratsfrauen und Ratsherren die sich neu ergebene Sitzverteilung und die Ausschussbesetzung durch Beschluss fest. Entsprechendes gilt gemäß § 56 Abs. 3 Satz 5 NGO für den Verwaltungsausschuss (vgl. zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 51 Abs. 4 NGO auch Menzel in KVR-NGO, Komm., Stand: März 2004, § 56 Rn. 65).
Es ist nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 8 Satz 2 NGO - hinsichtlich des Verwaltungsausschusses i.V.m. § 56 Abs. 3 Satz 5 NGO - nicht vorlagen. Gemäß § 51 Abs. 8 Satz 2 NGO muss ein Ausschuss neu gebildet werden, wenn sich das Verhältnis der Stärke der Fraktionen und Gruppen des Rates verändert hat, seine Zusammensetzung ihm nicht entspricht und ein Antrag auf Neubildung gestellt wird. Entsprechendes gilt für die Neubildung des Verwaltungsausschusses (s. § 56 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 51 Abs. 8 Satz 2 NGO). Ausschüsse werden gemäß § 51 Abs. 2 NGO in der Weise gebildet, dass die von den Ratsfrauen und Ratsherren festgelegten Sitze auf die Vorschläge der Fraktionen und Gruppen des Rates nach der Reihenfolge der Höchstzahlen verteilt werden, die sich durch Teilung der Mitgliederzahlen der Fraktionen und Gruppen durch 1, 2, 3 usw. ergeben (d’Hondtsches Höchstzahlverfahren). Über die Zuteilung übrig bleibender Sitze entscheidet bei gleichen Höchstzahlen das Los, das die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister i.S.v. § 51 Abs. 2 NGO zu ziehen hat. Für den Verwaltungsausschuss bestimmen die Ratsfrauen und Ratsherren aus ihrer Mitte die Beigeordneten, deren Anzahl sich aus § 56 Abs. 2 Satz 1 NGO ergibt. Für den Verwaltungsausschuss der Stadt sind 10 Beigeordnete zu bestimmen, weil zum Antragsgegner 50 Ratsfrauen und Ratsherren gehören (s. §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 32 Abs. 1 Satz 1 NGO).
Die erste Voraussetzung des § 51 Abs. 8 Satz 2 NGO war schon deshalb erfüllt, weil sich seit dem 27. April 2004 das Verhältnis der Stärke der Fraktionen und Gruppen des Antragsgegners infolge der Bildung der Gruppe SPD/FDP verändert hat, auch wenn zwischen den Fraktionen der SPD und der FDP und dem Ratsmitglied (BFO) schon seit dem 22. November 2001 eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit in der Ratsperiode 2001 - 2006 im Stadtrat von O... besteht. Der Zusammenschluss von Ratsfrauen und Ratsherren zu Fraktionen oder Gruppen wird nämlich erst mit der schriftlichen Mitteilung an den Oberbürgermeister wirksam (§ 21 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung für den Rat, den Verwaltungsausschuss und die Ratsausschüsse der Stadt O... vom 13. November 2001). Dabei ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass die FDP-Fraktion gegenüber dem Oberbürgermeister mit Schreiben vom 20. Dezember 2002 anzeigte, dass das Ratsmitglied (BFO) mit sofortiger Wirkung Mitglied ihrer Fraktion sei mit der Folge, dass es sich seitdem bei diesem Zusammenschluss formal um eine Gruppe handelt. Nach Auffassung des Gerichts sind Fraktionen nämlich (nur) Zusammenschlüsse von Mitgliedern derselben Partei oder Wählergruppe, und alle anderen Zusammenschlüsse, z. B. von Einzelmitgliedern, von Mitgliedern verschiedener Parteien, von Fraktionen und Einzelmitgliedern sowie von Fraktionen sind Gruppen (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 10. Oktober 2000 - 10 L 1442/00 -, Nds. VBl. 2001, 94, m.w.N.). Hiervon ausgehend geht das Gericht - ebenso wie offensichtlich die Beteiligten - davon aus, dass Erklärungen der FDP-„Fraktion“ auch für das Ratsmitglied (BFO) galten/gelten. Die Fraktion der SPD und die FDP-„Fraktion“ teilten dem Oberbürgermeister unter dem 27. April 2004 mit, sie würden zur Kenntnis geben, dass die „Fraktionen“ von SPD und FDP in Zukunft eine Gruppe bilden würden, und mit einem am 10. Mai 2004 eingegangenen Schreiben vom selben Tag erklärten sie, sie würden informatorisch anzeigen, dass die Gruppe einen Vorstand gebildet habe, und die inhaltliche Grundlage der Gruppenbildung bilde der zwischen beiden „Fraktionen“ geschlossene Koalitionsvertrag. Aufgrund der Bildung der Gruppe SPD/FDP besitzt dieser Zusammenschluss seit dem 27. April 2004 25 Ratssitze. Im Übrigen handelt es sich aus den oben genannten Gründen auch bei dem Zusammenschluss der Antragstellerin mit dem oben genannten, aus der SPD-Fraktion ausgetretenen Ratsmitglied seit dem 22. März 2004 formal um eine Gruppe.
Die Gruppe SPD/FDP einschließlich des Ratsmitgliedes (BFO) wäre allerdings dann bei der Sitzverteilung in den Ausschüssen nicht zu berücksichtigen, wenn dieser Zusammenschluss gegen den aus dem Prinzip der repräsentativen Demokratie folgenden Grundsatz der Spiegelbildlichkeit der Zusammensetzung von Ratsplenum und Ratsausschüssen verstoßen würde. Dies lässt sich indes entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht feststellen.
Insofern wird zunächst auf die nachfolgenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 10. Dezember 2003 (- 8 C 18/03 -, NVwZ 2004, 621 ff.) hingewiesen, denen sich das Gericht anschließt:
„Nach Art. 28 I 2 GG muss das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden eine Vertretung haben, die aus unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Diese Bestimmung überträgt die in Art. 20 I und II GG getroffene Grundentscheidung der Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der Demokratie auf die Ebene der Gemeinden (vgl. BVerfGE 47, 253 [272] = NJW 1978, 1967 [BVerfG 15.02.1978 - 2 BvR 268/76]; BVerfGE 83, 37 [53] = NJW 1991, 162 [BVerfG 31.10.1990 - 2 BvF 3/89]). Daraus folgt, dass die Gemeindevertretung, auch wenn sie kein Parlament, sondern Organ einer Selbstverwaltungskörperschaft ist, die Gemeindebürger repräsentiert (vgl. BVerwGE 90, 104 [105] = NVwZ 1993, 375). Diese Repräsentation vollzieht sich nicht nur im Plenum, sondern auch in den Ausschüssen des Gemeinderats (vgl. BVerwGE 90, 104 [113] = NVwZ 1993, 375, und BVerwG, Buchholz 11 Art. 28 GG Nr. 87 = NVwZ-RR 1993, 209). Da sie der ganzen Volksvertretung, das heißt der Gesamtheit ihrer gewählten Mitglieder obliegt, haben alle Mitglieder grundsätzlich gleiche Mitwirkungsrechte (vgl. BVerfGE 80, 188 [217f.] = NVwZ 1990, 253 [BVerfG 13.06.1989 - 2 BvE 1/88]; BVerfGE 84, 304 [321] = NJW 1991, 2474). Entsprechendes gilt für die Fraktionen als Zusammenschlüsse politisch gleichgesinnter Mitglieder der Volksvertretung. Auch die Fraktionen sind somit im Plenum und in den Ausschüssen grundsätzlich gleichberechtigt an der Willensbildung der Volksvertretung zu beteiligen (vgl. BVerfGE 70, 324 [362f.] = NJW 1986, 907; BVerfGE 84, 304 [322ff., 327f.] = NJW 1991, 2474 [BVerfG 16.07.1991 - 2 BvE 1/91]).
Nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 80, 188 [222] = NVwZ 1990, 253) muss grundsätzlich jeder Ausschuss des Bundestags ein verkleinertes Bild des Plenums sein und in seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums widerspiegeln. Aus dem Prinzip der demokratischen Repräsentation und der Einbeziehung der Gemeinderäte in dieses Prinzip folgt, dass für Ratsausschüsse das Gleiche gilt. Auch diese dürfen nicht unabhängig von dem Stärkeverhältnis der Fraktionen besetzt werden, über das die Gemeindebürger bei der Wahl der Ratsmitglieder mitentschieden haben. Vielmehr müssen auch diese Ausschüsse grundsätzlich als verkleinerte Abbilder des Plenums dessen Zusammensetzung und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum widerspiegeln (vgl. BVerwGE 90, 104, 105 = NVwZ 1993, 375). Aus diesem Grund haben die einzelnen Fraktionen Anspruch auf Berücksichtigung bei der Ausschussbesetzung nach Maßgabe ihrer jeweiligen Mitgliederzahl (vgl. BVerwG NVwZ-RR 1993, 209 [BVerwG 07.12.1992 - BVerwG 7 B 49.92]). Hat eine Fraktion demnach einen Anspruch auf mehrere Sitze in einem Ausschuss, kann sie diese auch beanspruchen. Entgegen der Auffassung der Bekl. genügt es nicht, dass Fraktionen überhaupt - das heißt mit einem Sitz - in den Ausschüssen vertreten sind.
Der aus dem Prinzip der repräsentativen Demokratie folgende Grundsatz der Spiegelbildlichkeit der Zusammensetzung von Ratsplenum und Ratsausschüssen gewinnt bei den so genannten beschließenden Ausschüssen, denen der Rat Angelegenheiten zur abschließenden Erledigung übertragen hat, erhöhte Bedeutung, weil sie in ihrem Aufgabenbereich die Repräsentationstätigkeit der Gesamtheit der vom Volk gewählten Ratsmitglieder nicht nur teilweise vorwegnehmen, sondern insgesamt ersetzen (vgl. BVerwGE 90, 104 [105] = NVwZ 1993, 375; BVerwG = NVwZ-RR 1993, 209).
Das BerGer. meint, die Ausschüsse müssten nicht notwendig ein Spiegelbild der Mehrheitsverhältnisse im Rat nach Fraktionen, sondern könnten auch ein Spiegelbild der Mehrheitsverhältnisse im Rat nach gemeinsamen Wahlvorschlägen verschiedener Fraktionen sein. Dies widerspricht dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes. Das Wahlergebnis gibt dann nicht mehr die Zusammensetzung des Plenums und das darin wirksame politische Meinungs- und Kräftespektrum wieder, sondern das Zahlenverhältnis des hinter dem gemeinsamen Wahlvorschlag stehenden Zusammenschlusses zu den daran nicht beteiligten Fraktionen oder - falls und soweit auch diese ein ebensolches Bündnis eingegangen sind - zu deren Zusammenschluss. So gebildete Zählgemeinschaften wurden als solche weder vom Volk gewählt noch verfolgen sie über die Ausschusswahlen hinausgehende gemeinsame politische Ziele. Grund des Zusammenschlusses ist allein die Gewinnung von zusätzlichen Ausschusssitzen. Wie die Kl. zu Recht geltend macht, darf ein erst nach der Kommunalwahl vereinbartes „ad hoc-Bündnis zum Zweck der besseren Reststimmenverwertung“, das sich nur zur Gewinnung eines mathematischen Vorteils bei dem anschließenden Verteilungsverfahren gebildet hat, nicht Grundlage der Sitzverteilung in den Ausschüssen sein. Vielmehr müssen in diesen die vom Volk gewählten Vertreter entsprechend ihres politischen Stärkeverhältnisses nach Fraktionen oder Gruppen repräsentiert werden. Eine Zählgemeinschaft seitens der Mehrheit darf die Zusammensetzung der Ausschüsse nicht zu Lasten einer Minderheit ändern. Ansonsten wird der Minderheitenschutz missachtet, dem - wie das OVG ausführt - die Bestimmungen über die Besetzung von Ratsausschüssen - hier § 50 III 3 NWGO - dienen.
Dies macht der vorliegende Fall deutlich. Die Wahl spiegelt nicht das Kräfteverhältnis der einzelnen Fraktionen zueinander wider, sondern das Kräfteverhältnis zwischen der gebildeten Verbindung der Fraktionen von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP einerseits und der Kl. andererseits. Der Zusammenschluss der die Mehrheit bildenden Fraktionen hat zu einer mathematischen Verschiebung des Kräfteverhältnisses zu Gunsten dieser Mehrheit und zu Lasten einer Minderheit, der Kl., geführt, die bei Durchführung der Wahlen getrennt nach Fraktionen unter Anwendung des - in Nordrhein-Westfalen gesetzlich vorgegebenen - d´Hondt´schen Höchstzahlverfahrens erwartungsgemäß zwei Ausschusssitze an Stelle nur eines Sitzes erlangt hätte. Der Wahlvorschlag der Mehrheitsfraktionen dagegen erhielt auf diese Weise einen Sitz mehr als ihn die den Wahlvorschlag einreichenden Fraktionen erhalten hätten, wenn jede für sich einen Wahlvorschlag gemacht hätte. Dieser Sitz wurde auf Grund einer Vereinbarung der vier Fraktionen, die der Aufstellung der gemeinsamen Liste zu Grunde lag, der FDP-Fraktion überlassen. Die vier Fraktionen hätten sich aber auch auf einen beliebigen anderen, ebenso willkürlichen Verteilungsmodus einigen können.
Die gleichen Überlegungen liegen der Rechtsprechung des BVerfG zur Unzulässigkeit von Listenverbindungen unterschiedlicher Parteien bei Bundestagswahlen zu Grunde (BVerfGE 82, 322 = NJW 1990, 3001). Danach führt jede derartige Listenverbindung zu einem Verstoß gegen die Chancengleichheit - und damit zu einem Verstoß gegen das Grundgesetz -, weil sie den Erfolg von Wählerstimmen ungleich gewichtet, ohne dass dafür ein zwingender sachlicher Grund angeführt werden kann (BVerfGE 82, 322 [345] = NJW 1990, 3001). Dabei versteht das BVerfG unter einer Listenverbindung eine bloße Zählgemeinschaft, die zur Gewinnung eines rechnerischen Vorteils gebildet wurde - bei der Bundestagswahl zur Überwindung der Sperrklausel -, ohne dass eine verfestigte Form des Zusammenwirkens vorliegt (BVerfGE 82, 322 [346] = NJW 1990, 3001 [BVerfG 29.09.1990 - 2 BvE 1/90]). Nichts anderes kann gelten für einen gemeinsamen Wahlvorschlag von Fraktionen, der ohne verfestigte Form des Zusammenwirkens allein zur Erlangung eines Vorteils bei einer Ausschussbesetzung eingereicht wurde.
…
Kein Wahlsystem kann die Spiegelbildlichkeit bei der Ausschussbesetzung in letzter Konsequenz herstellen. Insbesondere werden bei jedem Berechnungsverfahren Fraktionen zwangsläufig teils über-, teils unterrepräsentiert. Wie die Spiegelbildlichkeit im Detail verwirklicht werden soll, liegt daher in der Gestaltungsfreiheit des Landesgesetzgebers. Dieser hat hier das Berechnungsverfahren nach d´Hondt vorgegeben und von darüber hinausgehenden Regelungen abgesehen. Dies ist zulässig (vgl. für das d´Hondt´sche Verfahren bei Wahlen zum Gemeinderat BVerwG, Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 35 = NVwZ 1992, 488 [BVerwG 29.11.1991 - BVerwG 7 C 13.91]).“
Ergänzend ist hinzuzufügen, dass mit den so genannten beschließenden Ausschüssen der Verwaltungsausschuss in Niedersachsen vergleichbar ist, auch wenn ihm nicht nur vom Rat Angelegenheiten zur abschließender Erledigung übertragen werden, sondern auch schon Aufgaben gesetzlich übertragen worden sind (s. § 57 Abs. 3 NGO). Das Urteil des BVerwG versteht das Gericht dahingehend, dass nur so genannte Zählgemeinschaften bei der Sitzverteilung in den Ausschüssen nicht berücksichtigt werden dürfen (so wohl auch jetzt Thiele, Rathaus und Recht, 2/2004, Seite 9 f., weitergehend noch in NGO, Komm., 6. Auflage 2002, § 39 b Erl. 1 bzgl. der Zählgemeinschaften; unklar Schwind, JA 2004, 603 ff. [BVerwG 10.12.2003 - BVerwG 8 C 18.03]; a.A. wohl Achelpöhler, Alternative Kommunal Politik - AKP - 2004, 26 f. <von der Antragstellerin vorgelegt>; vgl. im Übrigen auch Menzel in KVR-NGO, a.a.O., § 51 Rn. 42 m.w.N., ohne Berücksichtigung des Urteils des BVerwG), auch wenn einige Ausführungen des BVerwG bei isolierter Betrachtung darauf hindeuten könnten, dass auch andere Gruppen unbeachtlich sein könnten. Für die Auffassung des Gerichts sprechen Einschränkungen wie z.B. „zur Erlangung eines zusätzlichen Sitzes gebildete“ im Leitsatz („… Bei der Besetzung der Ausschüsse sind deshalb - zur Erlangung eines zusätzlichen Sitzes gebildete - gemeinsame Vorschläge mehrerer Fraktionen unzulässig“) (vgl. BVerwG, a.a.O. < 621 >) oder Ausführungen wie „ein erst nach der Kommunalwahl vereinbartes „ad hoc-Bündnis zum Zweck der besseren Reststimmenverwertung“, das sich nur (Hervorhebung durch das erkennende Gericht) zur Gewinnung eines mathematischen Vorteils bei dem anschließenden Verteilungsverfahren gebildet hat, …“ oder „So gebildete Zählgemeinschaften wurden als solche weder vom Volk gewählt noch verfolgen sie über die Ausschusswahlen hinausgehende gemeinsame politische Ziele. Grund des Zusammenschlusses ist allein (Hervorhebung durch das erkennende Gericht) die Gewinnung von zusätzlichen Ausschusssitzen“ (vgl. BVerwG, a.a.O. < 622 >).
Der Hinweis der Antragstellerin auf die Urteile des Bay. VGH vom 17. März 2004 (- 4 BV 03.117 -, BayVBl. 2004, 432 ff., und - 4 BV 03.1159 -, BayVBl. 2004, 429 ff. = NVwZ-RR 2004, 602 ff. [VGH Bayern 17.03.2004 - 4 BV 03.1159], vgl. dazu auch Deubert, BayVBl. 2004, 435 ff.) verhilft ihrem Begehren ebenfalls nicht zum Erfolg, weil die Rechtslage in Bayern mit derjenigen in Niedersachsen nicht vergleichbar ist. Insbesondere existiert eine dem Art. 33 Abs. 1 BayGO entsprechende Regelung nicht in Niedersachsen. Gemäß Art. 33 Abs. 1 Satz 1 BayGO regelt der Gemeinderat die Zusammensetzung der Ausschüsse in der Geschäftsordnung. Danach haben die kommunalen Gremien grundsätzlich die Wahlmöglichkeit unter verschiedenen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Prinzips der repräsentativen Demokratie und des Gebots der Wahlgleichheit gerecht werdenden Berechnungsverfahren. Der niedersächsische Gesetzgeber hat dagegen das d’Hondtsche Höchstwahlverfahren vorgeschrieben (s. § 51 Abs. 2 Satz 1 NGO), das aus den im Urteil des BVerwG vom 10. Dezember 2003 dargelegten Gründen ebenfalls zulässig ist. Zwar werden die Chancen kleiner Gruppen auf Berücksichtigung bei der Sitzverteilung um so geringer, je kleiner das zu besetzende Gremium ist. Daraus folgt aber kein verfassungsrechtlicher Zwang zum Übergang auf ein Berechnungsverfahren, das solche Gruppen stärker begünstigt als das d'Hondt'sche Höchstzahlverfahren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Oktober 1993 - 7 B 19/93 -, NVwZ-RR 1994, 109; Nds. OVG, Beschluss vom 28. Februar 1998 - 10 M 5793/97 -, NVwZ-RR 1999, 189 [OVG Niedersachsen 26.02.1998 - 10 M 5793/97]). Außerdem hat der Gemeinderat in Bayern gemäß Art. 33 Abs. 1 Satz 2 BayGO dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen (s. auch Art. 27 Abs. 2 Satz 2 BayLKrO). Auch eine derartige Vorschrift existiert nicht in der NGO. Nach alledem ist aller Voraussicht nach auch in den Fällen der so genannten „Über-Aufrundung“ (vgl. dazu die o.g. Urteile des Bay. VGH vom 17. März 2004) der Rückgriff auf ein anderes Berechnungsverfahren unzulässig. Im vorliegenden Fall würde unter Berücksichtigung der Erwägungen des Bay. VGH ein Fall der „Über-Aufrundung“ vorliegen. Denn während die Gruppe SPD/FDP einschließlich des Ratsmitgliedes (BFO) nach dem d’Hondtschen Höchstwahlverfahren 6 Sitze und die Antragstellerin unter Berücksichtigung von 8 Ratssitzen nur 1 Sitz in einem aus 10 Mitgliedern bestehenden Ausschuss erhält, würden auf die zuerst genannte Gruppe nach dem Hare-Niemeyer-Verfahren 5 Sitze und auf die Antragstellerin (aufgerundet) 2 Sitze entfallen.
Gruppen, die nicht reine Zählgemeinschaften sind, wirken ebenso wie Fraktionen gemäß § 39 b Abs. 2 NGO bei der Willensbildung und Entscheidungsfindung im Rat, im Verwaltungsausschuss und in den Ausschüssen mit. Nach § 39 b Abs. 1 NGO können sich mindestens zwei Ratsfrauen oder Ratsherren zu einer Fraktion oder Gruppe zusammenschließen. Eine Gruppe zeichnet sich dadurch aus, dass eine verfestigte Form des Zusammenwirkens der Gruppenmitglieder besteht (vgl. BVerwG, a.a.O. < 622 >). Jedenfalls in der Regel sind es Zusammenschlüsse von Mitgliedern der Gemeindevertretung mit jeweils gemeinsamen politischen Grundanschauungen, die sich zusammen geschlossen haben, um ihre Vorstellungen und Aktivitäten aufeinander abzustimmen und diese im arbeitszeitlichen Zusammenwirken zur besseren Wirksamkeit zu verhelfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 1992 - 7 C 20/91 -, NVwZ 1993, 375 < 376 >, zur Fraktion), ohne dass aber die Mitglieder der Gruppe der gleichen politischen Partei angehören müssen. Erforderlich ist allerdings nicht ein ständiges gemeinsames sachliches Vorgehen bei allen im Rat behandelten Angelegenheiten. Ein Zusammenschluss von Ratsmitgliedern verliert seine Eigenschaft als Gruppe auch nicht deshalb, weil sie insbesondere auch zu dem Zweck gebildet wurde, Vorteile bei der Besetzung von Ausschüssen zu erlangen. Dieses Motiv darf im Vordergrund stehen und hindert eine wirksame Gruppenbildung nicht, solange sich die hierfür erforderliche gemeinsame Vertrauensbasis nicht in dieser Übereinstimmung erschöpft (vgl. VG Hannover, Urteil vom 22. August 1991 - 9 A 121/90 -, NSt-N 1991, 288 < 289 >; Menzel, a.a.O., § 51 Rn. 42 m.w.N.).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich, dass es sich bei dem Zusammenschluss der Fraktion der SPD und der FDP-Fraktion einschließlich des oben genannten Ratsmitgliedes (BFO) um eine unzulässige Zählgemeinschaft handelt. Vielmehr lässt sich insbesondere der Vereinbarung zwischen der SPD, FDP und dem genannten Ratsmitglied zur Zusammenarbeit in der Ratsperiode 2001 - 2006 im Stadtrat entnehmen, dass die Voraussetzungen für die Bildung einer Gruppe vorliegen. Nach dieser Vereinbarung basiert die Zusammenarbeit auf dem Grundsatz der Partnerschaft zwischen den Partnern bei Respektierung der Eigenständigkeit beider Fraktionen. Von Bedeutung ist auch, dass nach der Vereinbarung von den beteiligten Fraktionen sowie dem genannten Ratsherrn ein einheitliches Abstimmungsverhalten angestrebt wird. Die Antragstellerin macht insoweit auch lediglich sinngemäß geltend, wegen der genannten Vereinbarung habe es der von ihr beanstandeten Gruppenbildung überhaupt nicht bedurft. Hinsichtlich der Zusammenarbeit verändere sich durch die Gruppenbildung nichts. Allein die Sitzverteilung in den Ausschüssen und der Zugriff auf die Vorsitze mache die Gruppenbildung sinnvoll. Nach Auffassung des Gerichts ist es jedoch rechtlich unbeachtlich, wenn sich (Einzel-)Mitglieder oder/und Fraktionen des Rates zusammenschließen und dieser Zusammenschluss von Anfang an materiell-rechtlich einer Gruppe im Sinne von § 39 b Abs. 1 und 2 NGO entspricht, zunächst aber formell eine Gruppe noch nicht gebildet wurde, sondern dies erst später auf Grund einer weiteren Vereinbarung geschieht. Zwar sind zur Bildung einer Gruppe die übereinstimmenden Willenserklärungen der beteiligten Ratsfrauen und Ratsherren erforderlich, die gemeinsam den Gruppenvertrag bzw. die Gruppenvereinbarung abschließen, wobei dies in der Regel im Rahmen einer konstituierenden Sitzung geschieht (vgl. Wefelmeier in KVR-NGO, a.a.O., § 39 b Rn. 20). Es sind aber von der Antragstellerin weder Anhaltspunkte vorgetragen worden noch ist sonst ersichtlich, dass diese Voraussetzung nicht erfüllt ist und die Mitglieder der SPD- und FDP-Fraktion einschließlich des genannten Ratsmitglieds (BFO) mit der Bildung der Gruppe nicht einverstanden (gewesen) sind. Unterstellt werden kann, dass primäres Ziel der Gruppenbildung war, einen Vorteil bei der Besetzung der Ausschüsse und der Ausschussvorsitze zu erlangen. Dies ist nämlich aus den bereits oben genannten Gründen unerheblich, weil der Antragsgegner überzeugend dargelegt hat, dass die Gruppenbildung nicht allein die Gewinnung von zusätzlichen Ausschusssitzen zum Ziel hatte, sondern als Verstärkung und Bekräftigung der bisherigen politischen Zusammenarbeit anzusehen sei, nachdem - wie oben ebenfalls ausgeführt - ein Mitglied die SPD-Fraktion verlassen und später der Antrag stellenden Fraktion beigetreten sei, die daraufhin im Rahmen der Neubesetzung der Ausschüsse nach § 51 NGO in der Regel einen zweiten Ausschusssitz hinzugewonnen habe. Der enge Schulterschluss zwischen den koalierenden Ratsfraktionen sei als bewusst herbeigeführte politische Entscheidung zu sehen, die gemeinsame Politik bis zum Ende der Ratsperiode fortzusetzen.
b) Aus den Ausführungen unter a) ergibt sich gleichzeitig, dass der Antrag zu (2.) sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch Hilfsbegehrens ebenfalls keinen Erfolg hat.
Für den Hauptantrag zu (2.) gilt dies schon deshalb, weil laut Niederschrift über die Sitzung des Rates am 10. Mai 2004 ein entsprechender Beschluss über die Feststellung der Neubesetzung der Ausschussvorsitze nicht gefasst wurde.
Der Hilfsantrag ist abzulehnen, weil die Zuteilung der Ausschussvorsitze sowie der Zugriff auf diese in der Ratssitzung am 10. Mai 2004 (dazu s. § 51 Abs. 7 und - ggfls. - Abs. 9 NGO) aus den von der Antragstellerin genannten Gründen entsprechend den oben dargestellten Erwägungen ebenfalls aller Voraussicht nach nicht rechtswidrig gewesen ist, und darüber hinaus weder ersichtlich noch vorgetragen worden ist, dass weitere Grunde vorliegen, die dem Hilfsbegehren der Antragstellerin zum Erfolg verhelfen könnten.