Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.07.1993, Az.: 3 L 187/90
Prämie für die Nichtvermarktung von Milch; Landwirtschaft; Prämie; Nichtvermarktung; Milchviehhaltung; Milchablieferung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.07.1993
- Aktenzeichen
- 3 L 187/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 13729
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1993:0726.3L187.90.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stade 30.08.1990 - 1 A 155/89
- nachfolgend
- BVerwG - 25.03.1994 - AZ: BVerwG 3 B 77/93
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 1. Kammer Stade - vom 30. August 1990 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchviehhaltung. Zu den von ihm bewirtschafteten Flächen gehören 26,06 ha, die er von seinem Vater gepachtet und die dieser von dem Landwirt ... erworben hat. Unter Bezugnahme auf eine von dem Landwirt ... bei der Bezirksregierung Lüneburg am 11. Dezember 1979 beantragten Prämie für die Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen gab der Kläger am 15. Dezember 1979 u.a. die Verpflichtungserklärung ab, daß er die Fläche nicht zur Milchviehhaltung nutzen werde. Dem Prämienantrag des Landwirts ..., der am 15. Dezember 1979 die Milchablieferung einstellte, lag eine landwirtschaftlich genutzte Fläche von insgesamt 57,26 ha und eine prämienberechtigte Milchmenge von 52.695 kg zugrunde.
Am 14. Juni 1989 beantragte der Kläger bei der Kreisstelle der Beklagten im Landkreis Cuxhaven in Bremerhaven eine Bescheinigung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 der Milch-Garantiemengen-Verordnung (MGV) und die Berechnung einer vorläufigen spezifischen Anlieferungs-Referenzmenge nach § 6 a Abs. 1 MGV. Mit Bescheid vom 28. Juni 1989 gab die Kreisstelle der Beklagten dem Antrag für eine Milchmenge von 23.981 kg (= 45,51 % von 52.695 kg) statt. Der Berechnung der Milchmenge legte sie die von dem Landwirt ... insgesamt bewirtschaftete und dem Prämienantrag zugrunde gelegte landwirtschaftliche Nutzfläche von 57,26 ha und die vom Kläger übernommene landwirtschaftliche Nutzfläche von 26,06 ha (= 45,51 %) zugrunde.
Gegen den Bescheid legte der Kläger mit der Begründung Widerspruch ein, daß die prämienberechtigte Milchmenge von 52.695 kg von dem Landwirt ... ausschließlich mit den von ihm übernommenen 26,06 ha landwirtschaftliche Nutzfläche erzeugt worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 1989 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger hat am 17. November 1989 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Er habe einen Anspruch auf die Bescheinigung einer prämienberechtigten Milchmenge von 52.695 kg. Diese Milchmenge habe der Landwirt ... ausschließlich mit den von ihm übernommenen ländwirtschaftlichen Nutzflächen erzeugt. Alle anderen landwirtschaftlichen Nutzflächen in dem landwirtschaftlichen Betrieb Picker hätten nicht der Milcherzeugung gedient. Die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung sei daher nicht sachgerecht.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm zu bescheinigen, daß die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 2 Nr. 7 MGV erfüllt seien und die Prämienmilchmenge 52.695 kg betrage, und den Bescheid vom 28. Juni 1989 sowie den Widerspruchsbescheid vom 16. Oktober 1989 aufzuheben, soweit sie seinem Verpflichtungsantrag entgegenständen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat erwidert: Der Landwirt ... habe im Zeitpunkt der Stellung seines Prämienantrages 57,26 ha landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschaftet. Hiervon habe der Kläger pachtweise 26,06 ha, also 45,51 %, übernommen. Demzufolge könne ihm auch nur eine anteilige Prämienmilchmenge nach § 9 Abs. 2 Nr. 7 e MGV bescheinigt werden. Unerheblich sei, in welchem Umfang die landwirtschaftlichen Nutzflächen der Milcherzeugung gedient hätten. Eine Differenzierung nach den für die Milcherzeugung verwendeten Flächen sei weder im Gemeinschaftsrecht noch im nationalen Recht vorgesehen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 30. August 1990 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Dem Kläger könne nach § 9 Abs. 2 Nr. 7 e MGV nur eine anteilige Prämienmilchmenge bescheinigt werden. Auf die Nutzung der Flächen zur Milcherzeugung komme es nicht an. Eine derartige Differenzierung sehe das nationale und das Gemeinschaftsrecht nicht vor.
Gegen diese Entscheidung führt der Kläger Berufung. Zur Begründung wiederholt er sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor: Die Beklagte verstoße gegen den Gleichheitssatz. Bei der Bescheinigung des Übergangs von Referenzmengen habe sie immer auf den Umfang der übergegangenen Flächen für die Milcherzeugung abgestellt. Der Landwirt ... habe nach dem Verkauf der Hofstelle, der 7 ha Ackerland und 19 ha Grünland an seinen Vater die ihm verbliebenen Flächen nur zur Produktion von Marktfrüchten genutzt.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinem im ersten Rechtszug gestellen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und erwidert: Bei den sog. Nichtvermarkterquoten komme es auf den Umfang der Flächen zur Milcherzeugung nicht an.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren in ihrem wesentlichen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig.
Dem Kläger steht ein Anspruch nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 der Verordnung über die Abgaben im Rahmen von Garantiemengen im Bereich der Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (Milch-Garantiemengen-Verordnung - MGV -) i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. Juli 1992 (BGBl I S. 1323) mit späteren Änderungen iVm § 6 a MGV nur für die von der Beklagten berechnete anteilige prämienberechtigte Milchmenge von 23.981 kg zu. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 e MGV bescheinigt die Beklagte als zuständige Landesstelle, wenn - wie im Falle des Klägers - ein Teil des Betriebes unter Übernahme der Nichtvermarktungsverpflichtungen nach der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 des Rates vom 17. Mai 1977 zur Einführung einer Prämienregelung für die Nichtvermarktung von Milch und Milcherzeugnissen und die Umstellung der Milchkuhbestände (ABl EG Nr. L 131/1) - VO (EWG) Nr. 1078/77 - abgetreten worden ist, welcher Anteil der Prämienmilchmenge der abgetretenen landwirtschaftlich genutzten Fläche entsprochen hat. Mithin ist der Berechnung der prämienberechtigten Milchmenge die vom Kläger übernommene landwirtschaftliche Nutzfläche und die von dem Landwirt ... insgesamt bewirtschaftete landwirtschaftliche Nutzfläche, für die er die Prämienverpflichtungen nach Art. 2 VO (EWG) Nr. 1078/77 eingegangen war und die der Kläger (anteilig) für 26,06 ha als Pächter übernommen hat, zugrunde zu legen.
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es bei der Bescheinigung der prämienberechtigten Milchmenge auf den Umfang der übernommenen Fläche zur Erzeugung der Prämienmilchmenge nicht an. Durch Urteile vom 28. April 1988 (Rs 120/86 - DVBl 1988, 732[EuGH 28.04.1988 - - 120/86]; Rs 170/86 - AgrarR 1988, 254) erklärte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundsregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Art. 5 c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl EG Nr. L 90/13) - VO (EWG) Nr. 857/84 - wegen Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes insoweit für ungültig, als sie keine Zuteilung einer Referenzmenge an Erzeuger vorsah, die in Erfüllung einer im Rahmen der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 eingegangenen Verpflichtung während des von dem betreffenden Mitgliedstaat gewählten Referenzjahres keine Milch geliefert hatten. Diesen Urteilen trägt mit späteren Korrekturen durch den EuGH (vgl. Urt. v. 11. 12. 1991 - Rs C - 189/89; v. 22. 10. 1991 - Rs C - 44/89 - AgrarR 1991, 306; v. 3. 12. 1992 - Rs C - 264/90 -) die Verordnung (EWG) Nr. 764/89 des Rates vom 20. März 1989 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 857/84über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Art. 5 c der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse (ABl EG Nr. L 84/2) Rechnung. Damit sollte den Milcherzeugern aus Gründen des Vertrauensschutzes unter den weiteren genannten Voraussetzungen eine Referenzmenge bescheinigt werden, die sich zum Abbau der Milchüberschüsse innerhalb der Europäischen Gemeinschaften verpflichtet hatten, ihren gesamten landwirtschaftlichen Betrieb und damit sämtliche landwirtschaftlichen Nutzflächen und nicht nur einzelne Produktionsfaktoren (Wirtschaftsgebäude und landwirtschaftliche Nutzflächen), mit denen die prämienberechtigte Milchmenge erzeugt worden war, für einen Zeitraum von vier bzw. von fünf Jahren nicht für die Milchviehhaltung und Milchproduktion zu nutzen. Von dieser Verpflichtung wurden alle landwirtschaftlichen Nutzflächen unabhängig von dem Umfang ihres Beitrags zur Erzeugung der prämienberechtigten Milchmenge erfaßt. Nicht zu beanstanden ist daher die in § 9 Abs. 2 Nr. 7 e MGV vorgesehene Aufteilung der prämienberechtigten Milchmenge, die dem Anteil der Fläche, für die die Verpflichtung zur Nichtvermarktung eingegangen war, Rechnung trägt.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegt ein Verstoß der Beklagten, deren Entscheidung der in § 9 Abs. 2 Nr. 7 e MGV getroffenen Regelung entspricht, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) nicht vor. Die unter den Beteiligten streitige Bescheinigung wird den Milcherzeugern erteilt, weil sie aufgrund der nach der Verordnung (EWG) Nr. 1078/77 für ihren gesamten landwirtschaftlichen Betrieb eingegangenen Verpflichtungen im Referenzjahr 1983 keine Milch geliefert haben und ihnen deshalb keine Referenzmenge von der Molkerei berechnet worden ist. Dafür ist unerheblich, in welchem Umfang die Flächen zur Erzeugung der Prämienmilchmenge beigetragen haben.
Nach alledem kann die Berufung keinen Erfolg.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 713 ZPO.
Die Revision kann nicht zugelassen werden, weil dafür die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Eichhorn
Schnuhr
Dr. Berkenbusch