Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.07.1993, Az.: 17 M 2332/93

Zulässigkeit des Erlasses einstweiliger Verfügungen mit einem Ausspruch verfahrensrechtlichen Inhalts im personalvertretungsrechtlichen Verfahren im Grundsatz; Mitbestimmungsrecht an der Aufstellung eines Sozialplans; Notwendigkeit der Aufstellung eines Sozialplans wegen Verringerung der Bundeswehr durch Auflösung oder Verkleinerung von Dienststellen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.07.1993
Aktenzeichen
17 M 2332/93
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1993, 18848
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1993:0709.17M2332.93.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 23.04.1993 - AZ: 8 B 4118/92

Verfahrensgegenstand

Initiativantrag auf Aufstellung eines Sozialplanes

Vvorläufiger Rechtsschutz

Der 17. Senat - Fachsenat für Bundespersonalvertretungssachen - des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat
am 9. Juli 1993
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen - vom 23. April 1993 wird zurückgewiesen.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde, mit der der Antragsteller weiterhin erstrebt, dem Beteiligten durch einstweilige Verfügung - wegen Dringlichkeit der Sache ohne mündliche Verhandlung - aufzugeben, das Mitbestimmungsverfahren nach den §§ 70 Abs. 1, 75 Abs. 3 Nr. 13 Bundespersonalvertretungesetz neu einzuleiten, wenn er weiterhin beabsichtigt, personelle Maßnahmen aus Anlaß der Verringerung der Bundeswehr durch Auflösung oder Verkleinerung von Dienststellen im Marinematerialdepot ... in ... durchzuführen, ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zu Recht abgelehnt. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.

2

Das Beschwerdevorbringen kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Insbesondere verweist der Antragsteller für die Statthaftigkeit seines Verfügungsantrags zu unrecht auf den vom OVG Lüneburg (Beschl. v. 24.2.1991 - 18 M 6302/92 -) bestätigten Beschluß des VG Oldenburg vom 11. November 1992 (9 B 3441/92, PersR 1993, 231). Allerdings hat das Oberverwaltungsgericht dort seine bereits früher (Beschl. v. 12.6.1991 - 18 M 8459/91 und v. 20.8.1991 - 17 M 8357/91) ausgesprochene Ansicht bekräftigt, daß auch im personalvertretungsrechtlichen Verfahren einstweilige Verfügungen mit einem Ausspruch verfahrensrechtlichen Inhalts im Grundsatz zulässig sind. Jedoch ging es in jenem Fall um eine von der Dienststelle beabsichtigte Einstellung eines Bewerbers, bei welcher der Personalrat hinsichtlich der Auswahlentscheidung des entscheidungsbefugten Vertretungsorgans nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden war mit der Folge, daß die Erklärungsfrist für den Personalrat noch nicht in Lauf gesetzt war; deshalb wurde die Dienststelle verpflichtet, das Mitbestimmungsverfahren neu (und ordnungsgemäß) einzuleiten, wenn sie an ihrer vom Vertretungsorgan getroffenen Auswahlentscheidung festhalten wollte. Mit dieser Gestaltung ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Denn hier geht es nicht um ein unstreitiges Mitbestimmungsrecht an einer einzelnen Personalmaßnahme, sondern um ein vom Antragsteller im Hinblick auf eine Vielzahl personeller Maßnahmen - unabhängig von deren Mitbestimmungspflichtigkeit im konkreten Einzelfall - im Wege des Initiativrechts beanspruchtes, rechtlich aber sehr zweifelhaftes Mitbestimmungsrecht an der Aufstellung einv. 20.8.1991 - 17 M 8357/91) ausgesprochene Ansicht bekräftigt, daß auch im personalvertretungsrechtlichen Verfahren einstweilige Verfügungen mit einem Ausspruch verfahrensrechtlichen Inhalts im Grundsatz zulässig sind. Jedoch ging es in jenem Fall um eine von der Dienststelle beabsichtigte Einstellung eines Bewerbers, bei welcher der Personalrat hinsichtlich der Auswahlentscheidung des entscheidungsbefugten Vertretungsorgans nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden war mit der Folge, daß die Erklärungsfrist für den Personalrat noch nicht in Lauf gesetzt war; deshalb wurde die Dienststelle verpflichtet, das Mitbestimmungsverfahren neu (und ordnungsgemäß) einzuleiten, wenn sie an ihrer vom Vertretungsorgan getroffenen Auswahlentscheidung festhalten wollte. Mit dieser Gestaltung ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Denn hier geht es nicht um ein unstreitiges Mitbestimmungsrecht an einer einzelnen Personalmaßnahme, sondern um ein vom Antragsteller im Hinblick auf eine Vielzahl personeller Maßnahmen - unabhängig von deren Mitbestimmungspflichtigkeit im konkreten Einzelfall - im Wege des Initiativrechts beanspruchtes, rechtlich aber sehr zweifelhaftes Mitbestimmungsrecht an der Aufstellung eines Sozialplans gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG. Dem entspricht es, daß der Verfügungsantrag des Antragstellers - in Anlehnung an das Verfahren 18 M 6302/92 - nur scheinbar einen Verfahrensrechtlichen Inhalt hat; insbesondere hatte der Beteiligte hier keinerlei Mitbestimmungsverfahren nach § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG etwa fehlerhaft eingeleitet, so daß ihm auch keine "Neueinleitung" aufgegeben werden könnte. Der Sache nach richtet der Antrag sich - wie im ursprünglichen Antrag vom 4. November 1992 auch deutlich zum Ausdruck kommt - darauf, dem Beteiligten sämtliche personellen Maßnahmen aus Anlaß der Verringerung der Bundeswehr durch Auflösung oder Verkleinerung von Dienststellen im Marinematerialdepot ... in ... zu untersagen, solange nicht der vom Antragsteller erstrebte Sozialplan aufgestellt ist. Es liegt auf der Hand, daß für einen solchen Unterlassungsanspruch kein Raum ist.

3

Davon abgesehen hat der Antragsteller weder einen Verfügungsanspruch noch einen Verfügungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Schon an dem geltend gemachten Mitbestimmungsrecht aus § 75 Abs. 3 Nr. 13 BPersVG bestehen erhebliche Zweifel. Denn dieses setzt voraus, daß ein Plan zum Ausgleich oder zur Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen aufgestellt werden soll, die den Beschäftigten infolge von Rationalisierungsmaßnahmen entstehen. Entscheidendes Merkmal einer Rationalisierungsmaßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne ist es, daß durch sie die Leistungen der Dienststelle verbessert werden sollen (BVerwG, Beschl. v. 17.6.1992 - 6 P 17.91 -, PersR 1992, 451). Weder mit der Verringerung der Bundeswehr als solcher noch ihrer Dienststellen im Marinematerialdepot 4 in Weener noch den dadurch ausgelösten personellen Anpassungen soll aber eine Leistungssteigerung erreicht werden; diese Maßnahmen sollen vielmehr nur den Personalbestand dem veränderten Auftrag der Bundeswehr anpassen. Zum anderen könnte ein Sozialplan immer nur wirtschaftliche Nachteile einer Rationalisierungsmaßnahme ausgleichen oder mindern. Welche konkreten Nachteile das sein sollen, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht; einige der von ihm angeführten Personalmaßnahmen sind für die betroffenen Beschäftigten sogar wirtschaftlich vorteilhaft (z. B. kürzere Wegstrecken); bei anderen Maßnahmen, insbesondere den Umsetzungen auf einen gleichwertigen Dienstposten ist jedenfalls kein wirtschaftlicher Nachteil erkennbar. Ebensowenig hat der Antragsteller dargetan, daß die gesetzlichen Regelungen (§§ 2, 13, 51 BBesG sowie die Begrenzungsfunktion des Reisekosten-, Umzugskosten- und Trennungsgeldrechts) und im Tarifbereich der "Tarifvertrag über einen sozialverträglichen Personalabbau im Bereich des Bundesministers der Verteidigung" vom 30. November 1991 sowie der Tarif vorbehält des § 75 Abs. 5 BPersVG hinsichtlich der materiellen Arbeitsbedingungen hier noch einen substantiellen Spielraum für einen zusätzlichen Ausgleich wirtschaftlicher Nachteile von Personalmaßnahmen in einem Sozialplan eröffnen. Die vom Antragsteller beispielhaft angeführten Ausgleichsmaßnahmen - höhere Einstufung von Arbeitsplätzen, einmalige oder laufende Ausgleichszahlungen bei Umsetzungen oder Versetzungen, Ersatz zusätzlicher Aufwendungen - dürften mit diesen rechtlichen Grenzen jedenfalls kaum vereinbar sein. Schließlich könnte ein Initiativrecht des Antragstellers nur insoweit bestehen, als die Zuständigkeit des ihm zugeordneten Beteiligten reicht (BVerwG, Beschl. v. 22.2.1991 - 6 PB 10.90 -, PersR 1991, 282 m. Nachw.). Die vom Antragsteller angestrebten Maßnahmen zum Ausgleich und zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile von Personalmaß nahmen könnten hier jedoch nicht vom Beteiligten in eigener Zuständigkeit getroffen werden, sondern allenfalls gemäß § 92 Nr. 1 BPersVG seitens der personalbearbeitenden Dienststelle bzw. nur von übergeordneten Dienststellen der Bundeswehr.

4

Dieser Beschluß ist gemäß §§ 83 Abs. 2 BPersVG, 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG unanfechtbar.

Dr. Dembowski