Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.02.1999, Az.: 7 W (L) 47/98

Beurteilung der Wirtschaftsfähigkeit eines Erben ; Anfechtung eines Testaments; Erteilung eines Erbscheins; Hoffolgezeugnis; Bestimmung eines Erben durch einen Dritten

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.02.1999
Aktenzeichen
7 W (L) 47/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1999, 20171
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:1999:0217.7W.L47.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Otterndorf - 05.05.1998 - AZ: 6 Lw 20/96
AG Otterndorf - 06.05.1998 - AZ: 6 Lw 20/96
AG Otterndorf - 26.05.1998 - AZ: 6 Lw 20/96

Verfahrensgegenstand

Antrag auf Erteilung eines Erbscheins mit Hoffolgezeugnis nach dem am 4. Januar 1996 verstorbenen Landwirt ... ... in ... hinsichtlich des im Grundbuch von ... Bl. ... eingetragenen Hofes i. S. der Höfeordnung

In der Landwirtschaftssache
hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts
durch
den Richter am Oberlandesgericht ...,
die Richterin am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Oberlandesgericht ...
- gemäß Art. II § 6 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum LwVG vom 19. Dezember 1955 (GVBl. S. 291) ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter -
am 17. Februar 1999
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Otterndorf vom 5./6./26. Mai 1998 wird, soweit sie sich gegen die Erteilung des Hoffolgezeugnisses richtet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird der angefochtene Beschluss aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Erbfolge in das hofesfreie Vermögen des Erblassers an das Landwirtschaftsgericht zurückverwiesen, das auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beteiligten zu 3 und 4 nach einem Wert von 162.000 DM. Im Übrigen ist das Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten zu 2 bis 5 sind die Abkömmlinge des am 4. Januar 1996 verstorbenen Landwirts ... (Erblasser), der am 6. Oktober 1913 geboren und verwitwet war. Der Beteiligte zu 1 ist der am 24. Januar 1972 geborene Abkömmling der Beteiligten zu 2. Ein weiterer Sohn der Beteiligten zu 2, ..., ist am 31. August 1996 verstorben.

2

Der Erblasser hinterließ den im Grundbuch von Neuenkirchen Bl. 1035 eingetragenen Grundbesitz, für den seit dem 25. Mai 1981 der Hofvermerk eingetragen ist, nachdem er bis dahin Ehegattenhof gewesen war. Der Hof umfasst etwa 26 ha, davon 9.60.44 ha Hof- und Gebäudefläche mit Garten und Grünland für den Obstbau. Der Einheitswert beträgt 20.000 DM, der Wirtschaftswert 27.000 DM. Das vom Erblasser am 10. Januar 1981 privatschriftlich verfasste Testament lautet:

"Nach dem Tode meiner Ehefrau bin ich Alleineigentümer des Erbhofes in ..., zur Größe vom 25,4 ha mit einem Einheitswert von 30.500 DM.

Meine Kinder sind alle gut versorgt, insbesondere haben alle drei Töchter in einen Hof eingeheiratet, deswegen ist die Hofesnachfolge bei mir so schwierig. Nach dem Gesetz wäre meine Tochter Hildegard als Hofeserbin berufen, da auch sie bereits mit einem Landwirt in ... verheiratet ist, bestimme ich, dass an ihrer Stelle einer ihrer Söhne Hofeserbe meines Hofes wird. Sofern ich nicht mehr dazu komme, dafür eine namentliche Bestimmung zu treffen, soll meine Tochter ... das Recht haben, von ihren Söhnen den Hoferben meines Hofes zu bestimmen. Diese Bestimmung muss sie spätestens bei Vollendung des 25. Lebensjahres des ältesten Sohnes getroffen haben. Sollte sie zur Bestimmung des Hoferben nicht mehr kommen, so soll das zuständige Landwirtschaftsgericht dies übernehmen.

Meine Frau und ich waren immer bemüht, unsere Kinder stets gleichmäßig zu behandeln. Deswegen sollen sich meine Kinder Bar- und Spargelder, die bei meinem Ableben noch vorhanden sind, gleichmäßig teilen.

Der noch zu bestimmende Hoferbe soll den Hof so übernehmen, wie er sich dann vorfindet, er darf ihn in den ersten 20 Jahren nicht verkaufen.

Sofern ich zu keiner anderweitigen Bestimmung mehr komme, sollen die weichenden Erben die gesetzliche Abfindung erhalten. Für den Fall, dass diese letztwillige Verfügung angefochten wird, soll der oder die Anfechtende nur seinen Pflichtteil bekommen. Ich jedenfalls war bemüht, eine allen Kindern gerecht werdende Verfügung zu treffen und den Hof zu erhalten. Deswegen ist es auch mein Wunsch, dass sich nach meinem Ableben alle Kinder gut verstehen und zusammenhalten."

3

Der Beteiligte zu 1 hat Erteilung eines Erbscheines mit Hoffolgezeugnis beantragt. Die Beteiligte zu 2 hat ihn zum Hoferben bestimmt. Er ist als Sohn von Landwirtseheleuten geboren, hat seine Kindheit und Jugend auf dem elterlichen Hof verlebt und ist von frühester Kindheit an mit allen landwirtschaftlichen Arbeiten vertraut. Nach dem Besuch der Grundschule und der Hauptschule einschließlich der 10. Klasse und Ausbildung bei der landwirtschaftlichen Bezugs- und Absatzgenossenschaft in ... besuchte er die einjährige Fachoberschule Wirtschaft in ... und erwarb das Zeugnis der Fachhochschulreife. Nach einem studienvorbereitenden Praktikum im Zimmerer- und Maurerhandwerk leistete er den Zivildienst auf dem Jugendhof in ... ab und studierte seit dem 1. März 1994 in ... Bauingenieurwesen. Nach seiner Eintragung als neuer Eigentümer des Hofes hat er mit dem Obstanbau begonnen und 717 Obstbäume gepflanzt. Nach der Stellungnahme der Kreisstelle der Landwirtschaftskammer Hannover in Otterndorf ist der Beteiligte zu 1 wirtschaftsfähig.

4

Die Beteiligten zu 1 und 2 haben die Erteilung eines Erbscheins mit Hoffolgezeugnis beantragt, durch den der Beteiligte zu 1 als Hoferbe und die Beteiligten zu 2 bis 5 als Erben des hofesfreien Vermögens zu gleichen Teilen ausgewiesen werden.

5

Dem Antrag sind die Beteiligten zu 3 bis 5 entgegengetreten. Sie haben die Ansicht vertreten, der hinterlassene Grundbesitz sei kein Hof im Sinne der Höfeordnung, weil der Erblasser die Bewirtschaftung seit langem eingestellt und die Ländereien verpachtet habe. Wesentliches lebendes oder totes Inventar sei ohnehin nicht vorhanden gewesen. Die Beteiligten haben ferner die Ansicht vertreten, der Beteiligte zu 1 sei nicht wirtschaftsfähig.

6

Das Landwirtschaftsgericht hat das Gutachten des landwirtschaftlichen Sachverständigen ... in ... vom 15. April 1997 und dessen Ergänzungsgutachten vom 26. Januar 1998 eingeholt und sodann mit den Beteiligten die Hofstelle in Augenschein genommen. Durch den angefochtenen Beschluss hat es Hoffolgezeugnis und Erbschein erteilt, durch den der Beteiligte zu 1 als Hoferbe und die Beteiligten zu 2 bis 5 als Erben des hofesfreien Vermögens zu je 1/4 des Nachlasses ausgewiesen werden.

7

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 3 und 4, mit der sie weiterhin die Ansicht vertreten, dass der Grundbesitz kein Hof im Sinne der Höfeordnung mehr sei und dass an der Wirtschaftsfähigkeit des Beteiligten zu 1 ernsthafte Zweifel bestünden.

8

Die Beteiligten zu 1 und 2 verteidigen den angefochtenen Beschluss.

9

Wegen des Beschwerdevorbringens im Einzelnen wird auf den Inhalt der im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

10

Dem Senat lagen die Grundakten von ... Bl. ... sowie ..., ferner die Akten 4 IV 27/96 AG Otterndorf vor. Auf sie wird ebenfalls verwiesen.

11

II.

Die Beschwerde ist, so weit sie sich gegen die Erteilung des Hoffolgezeugnisses richtet, nicht begründet. Im Übrigen, d. h. wegen des die Erbfolge in das hoffreie Vermögen ausweisenden Erbscheins, war der angefochtene Beschluss aufzuheben, die Sache war an das Landwirtschaftsgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.

12

1.

Der Beteiligte zu 1. ist Hof erbe nach dem Erblasser. Dieser hat ihn in seinem privatschriftlichen Testament vom 10. Januar 1981 wirksam zum Hoferben bestimmt. Das Testament ist gültig. Die Bestimmung des Erblassers, dass seine älteste Tochter einen ihrer beiden Söhne als Hoferben bestimmen solle, sofern er selbst dazu nicht mehr komme, war rechtlich möglich. Nach allgemeiner Meinung in Rechtsprechung und Literatur verbietet § 2065 Abs. 1 BGB wohl die vom Ermessen beeinflusste Bestimmung eines Erben durch einen Dritten, nicht jedoch die Bezeichnung des Erben nach festgelegten sachlichen Gesichtspunkten wie aus einem vom Erblasser festgelegten eng begrenzten Kreis von Personen durch einen dazu geeigneten Dritten (vgl. BGHZ 15, 199; NJW 1965, 2201). Dem ist auch der Senat gefolgt (Rdl. 1958, 36 m. w. H.; vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 57. Aufl., Rn. 4 zu § 2065). Da der Erblasser in dem Bestreben, seine Abkömmlinge gleichmäßig zu bedenken und keinen dem anderen vorzuziehen, mochte er nicht den Hof einer Tochter vererben. Im Zeitpunkt der Testamentserrichtung 1981 war der Beteiligte zu 1 gerade 9, sein 1986 verstorbener Bruder 7 Jahre alt. Es war völlig offen, wer von den beiden am besten geeignet sein würde, die Hofnachfolge anzutreten. Dem Erblasser war daran gelegen, dass sein Hof als solcher erhalten blieb, und seine älteste Tochter, die Beteiligte zu 2, schien ihm Garantin dafür zu sein, den richtigen Hofnachfolger auszusuchen. Die Beteiligte zu 2 hat die Wahl ordnungsgemäß getroffen.

13

Selbst wenn dies rechtlich nicht möglich gewesen wäre, wäre der Beteiligte zu 1 gleichwohl kraft Gesetzes Hof erbe geworden. Da der Erblasser seine Abkömmlinge von der Hoffolge ausgeschlossen hatte, war gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 HöfeO in der im Zeitpunkt des Erbfalls geltenden Fassung einer von deren Abkömmlingen Hoferbe, und zwar entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 3 HöfeO der älteste Abkömmling des ältesten Kindes.

14

Der Beteiligte zu 1 ist auch als wirtschaftsfähig anzusehen. Wirtschaftsfähigkeit ist ein relativer Begriff. Sie beurteilt sich stets an dem nachgelassenen Hof (vgl. Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 6. Aufl., Rn. 91 zu § 6 HöfeO). Danach muss der Hoferbe landwirtschaftlich-technische Fähigkeiten haben, den konkreten landwirtschaftlichen Betrieb technisch ordnungsgemäß zu bewirtschaften. Diese besitzt der Beteiligte zu 1 für den vererbten Hof, der teils Milchviehbetrieb, teils Obsthof war. Den Obstanbau will der Beteiligte zu 1 fortsetzen und hat ihn bereits mit dem Pflanzen von 750 Obstbäumen in die Tat umgesetzt, dabei unterstützt von der Obstbauversuchsanstalt Jork. Der andere Aspekt der Wirtschaftsfähigkeit, die organisatorisch-kalkulatorische oder finanzielle Wirtschaftsfähigkeit (vgl. Wöhrmann/Stöcker a. a. O., Rn. 93 zu § 6 HöfeO) beherrscht der Beteiligte zu 1 offensichtlich. Ob er die Milchwirtschaft oder Viehwirtschaft wieder aufnimmt oder den Obstanbau zunächst im Nebenbetrieb führt, ist nicht entscheidend und hängt auch von den Folgen des tief greifenden Strukturwandels in der Landwirtschaft ab, sodass es auf eine darauf gerichtete Wirtschaftsfähigkeit des Beteiligten zu 1 nicht entscheidend ankommt.

15

Der landwirtschaftliche Betrieb des Erblassers ist auch noch Hof im Sinne der Höfeordnung. Die Hofeigenschaft ist nicht außerhalb des Grundbuchs entfallen. Der Erblasser hat etwa 1984 70-jährig offensichtlich aus Altersgründen und, um die Altersrente zu erhalten, die Bewirtschaftung eingestellt und die Ländereien zum Teil stückweise langfristig verpachtet. Erlösbringendes Inventar war wohl nicht vorhanden. Dieser Tatbestand indiziert ebenso wenig wie die Einstellung der landwirtschaftlichen Tätigkeit auf Grund des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit den Wegfall der Hofeigenschaft ohne Löschung des Hof Vermerks. Maßgeblich ist stets die Willensrichtung des Hofeigentümers. Dass der Erblasser die Betriebseinheit seines Hofes nicht auflösen wollte, beweist sein privatschriftliches Testament, in dem er ausdrücklich den Wunsch und Willen geäußert hat, dass sein Hof in den ersten 20 Jahren nach seinem Tode nicht veräußert werden dürfe. Deutlicher kann der Wille nicht geäußert werden. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, z. B. RdL 1995, 179 steht nicht entgegen. Die Maßnahmen des Hofeigentümers bei der Aufgabe der Landwirtschaft spiegeln regelmäßig seinen Willen wieder, den Betrieb für immer oder nur vorübergehend stillzulegen. Gibt es darüber hinaus den feststellbaren Willen des Hofeigentümers, der etwas anderes bestimmt, ist dieser maßgebend, nicht die objektiven Umstände. Ein solcher gegenteiliger Wille kommt nachgerade in der Bestimmung eines Hoferben zum Ausdruck. Das Landwirtschaftsgericht hat mit großer Sorgfalt auf Grund des Gutachtens des Sachverständigen ... und eigener Augenscheinseinnahme die Feststellung dazu getroffen, dass die Bewirtschaftung des Hofes ohne große Kosten, zunächst nur im Nebenerwerb, wieder aufgenommen werden kann. Darauf kann verwiesen werden.

16

Selbst wenn der landwirtschaftliche Betrieb kein Hof im Sinne der Höfeordnung mehr wäre, wäre der Beteiligte zu 1 Erbe kraft Verfügung von Todes wegen. Die Bestimmung des Erblassers wäre damit nicht hinfällig, sondern müsste ausgelegt werden, wie es dem Willen des Erblassers am ehesten entspräche. Dann wäre der Beteiligte zu 1 als Alleinerbe anzusehen, der den Abkömmlingen des Erblassers, den Beteiligten zu 2 bis 5, das ehemals hofesfreie Vermögen, also alles, was nicht zum Betrieb gehört, im Wege der Teilungsanordnung oder als Vermächtnis auszukehren hätte.

17

2.

Das Landwirtschaftsgericht hat grundsätzlich richtig über das hofesfreie Vermögen einen Erbschein erteilt, durch den die Beteiligten zu 2 bis 5 als Erben zu gleichen Teilen ausgewiesen sind. Es hat dabei allerdings nicht die Bestimmung des Erblassers beachtet, dass derjenige der Abkömmlinge, der seine letztwillige Verfügung anfechte, nur den Pflichtteil erhalten solle. Das Landwirtschaftsgericht hat nicht geprüft, ob der Widerspruch der Beteiligten zu 3 bis 5 gegen die Erteilung des Hoffolgezeugnisses für den Beteiligten zu 1 im Sinne eines Anfechtens des Testamentes des Erblassers zu verstehen ist. Das drängt sich umso mehr auf, als die Beteiligten zu 3 und 4 die Entscheidung des Landwirtschaftsgerichts mit der Beschwerde angefochten haben. Der Wille des Erblassers ist maßgebend und muss von Amts wegen berücksichtigt werden. Das Landwirtschaftsgericht wird also zu prüfen haben, ob es auf entsprechenden Antrag einen neuen Erbschein über das hofesfreie Vermögen erteilen muss, wozu der Senat nicht berechtigt ist.

18

3.

Der Senat hat den Einheitswert erfragt. Das Finanzamt Cuxhaven hat mit Schreiben vom 16. Februar 1999 den Einheitswert per 1. Januar 1981 auf 30.500 DM mitgeteilt. Danach beträgt der Gegenstandswert der Beschwerde gemäß § 19 Abs. 4 KostO (4 × 30.500 =) 122.000 DM zzgl. des Wertes des hofesfreien Vermögens, den die Beteiligten mit 40.000 DM angegeben haben.

19

Die Entscheidung über die Gerichtskosten beruht auf §§ 34 Abs. 1, 44 LwVG. Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten beruht auf § 45 Abs. 1 Satz 2 LwVG.