Sozialgericht Aurich
Urt. v. 04.12.2014, Az.: S 13 KR 149/14

Begiun der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung

Bibliographie

Gericht
SG Aurich
Datum
04.12.2014
Aktenzeichen
S 13 KR 149/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 31628
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGAURIC:2014:1204.S13KR149.14.0A

Tenor:

Der Bescheid vom 30. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 9. April 2014 wird insoweit aufgehoben, als die Beklagten Beiträge zur Kranken und Pflegeversicherung für die Zeit vom 30. Juli 2013 bis zum 6. Januar 2014 festgesetzt haben. Die Beklagten tragen die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung streitig. Die Klägerin war mit einem Polizeibeamten verheiratet. Sowohl er als auch die Klägerin waren beihilfeberechtigt. Zur Absicherung der nicht vom Beihilfesatz umfassten Kosten im Krankheitsfall diente ihre Mitgliedschaft bei der Spargemeinschaft und Unterstützungskasse der Polizei J. von 1974 (SpUKa), bei der es sich um einen Verein handelt und zu deren Zwecken es gemäß § 1 Abs. 4 ihrer Satzung gehört, ihre Mitglieder zum Sparen anzuhalten, damit bei Erkrankungen finanzielle Mittel vorhanden sind und nach Erstattung durch die Beihilfe die Krankheitskosten aus dem (persönlichen) Sparfonds gedeckt werden können. Überschreiten die Kosten das Sparguthaben des Mitglieds, kann nach Maßgabe der zu berücksichtigenden Verhältnisse Zuschuss aus dem Gemeinschaftsfonds gewährt werden. Nach § 10 Abs. 3 der Satzung besteht kein Rechtsanspruch auf Zahlungen durch die SpUKa (Satz 3). Anträge auf Erstattungen verjähren zwei Jahre nach Ausstellungsdatum der Rechnung (Satz 6). Im August 2012 wandte die Klägerin sich an die Beklagte zu 1) und begehrte gesetzlichen Krankenversicherungsschutz vom Zeitpunkt der Rechtskraft der bevorstehenden Scheidung. Die Beklagte zu 1) vertrat die Auffassung, dass die Klägerin keinen vollständigen Kranken- und Pflegeversicherungsschutz habe und die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zum 1. April 2007 eingetreten sei. Für die Zeit vor dem 30. Juli 2013 verzichtete sie auf die Erhebung von Beiträgen und setzte die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Bescheid vom 27. November 2013 für die Zeit ab dem 30. Juli 2013 in Höhe von monatlich insgesamt 152,27 EUR fest, gegen den die Klägerin Widerspruch erhob. Die Ehe der Klägerin ist seit dem 7. Januar 2014 rechtskräftig geschieden. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 9. April 2014 zurück. Hiergegen richtet sich die am 6. Mai 2014 bei Gericht eingegangene Klage. Die Klägerin macht geltend, dass eine Beitragspflicht erst ab dem 7. Januar 2014 bestehe. Zudem sei ausweislich der Bescheinigung der SpUKa vom 22. Juli 2013 ein Krankenversicherungsschutz über die PAX-Familienfürsorge gegeben gewesen. Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 30. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 9. April 2014 insoweit aufzuheben, als die Beklagten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vor dem 7. Januar 2014 festgesetzt haben.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass die Mitgliedschaft in der SpUKa nicht ausreiche um einen anderweitige Absicherung im Krankheitsfall im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zu begründen. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten wird auf die Inhalte der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 30. September 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 9. April 2014 ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, als die Beklagten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vor dem 7. Januar 2014 festgesetzt haben. Die Klägerin ist erst ab dem 7. Januar 2014 bei den Beklagten gesetzlich kranken- und sozial pflegeversichert. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind in der gesetzlichen Krankenversicherung unter näher geregelten Voraussetzungen die Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) sind kraft Gesetzes in den Schutz der sozialen Pflegeversicherung alle einbezogen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Die Klägerin hatte in der Zeit vom 30. Juli 2013 bis zum 6. Januar 2014 einen anderweitigen Anspruch auf Krankenversicherung, wenn sie bei der PAX-Familienfürsorge ergänzend zu dem Beihilfeanspruch eine private Krankenzusatzversicherung unterhielt. Unabhängig von der Form und dem Umfang des ergänzenden Krankenversicherungsschutzes über die PAX-Familienfürsorge zählte die Klägerin in der streitgegenständlichen Zeit nicht zu dem Personenkreis des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, weil ihr entweder ein anderweitiger Anspruch auf Krankenversicherung über die Mitgliedschaft bei der SpUKa zustand (a) oder wie Personen zu behandeln ist, die einen anderweitigen Anspruch im Krankheitsfall haben (b). a) Ein Anspruch ist gemäß § 194 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) das Recht von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. § 10 Abs. 3 Satz 3 der Satzung der SpUKa schließt nicht Ansprüche aus, sondern Rechtsansprüche. Hiermit könnte die gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen sein, aber nicht der Anspruch selbst, was für Streitfälle über die Höhe oder den Umfang der erstattungsfähigen Kosten Relevanz besitzt. Die SpUKa könnte dann nicht generell die Erfüllung ihr gegenüber geltend gemachter Ansprüche unter Berufung auf § 10 Abs. 3 Satz 3 ihrer Satzung verweigern. Für diese Auslegung spricht auch § 10 Abs. 3 Satz 6 der Satzung, die eine Verjährungsregelung enthält. Verjähren können jedoch nur Ansprüche, vgl. § 194 Abs. 1 BGB. Eine die Durchsetzung von Ansprüchen betreffende Verjährungsregelung setzt voraus, dass Ansprüche überhaupt entstehen können. Ungeachtet dessen wäre ein genereller Ausschluss von Ansprüchen mit § 242 BGB nicht vereinbar, weil er die Mitglieder der SpUKa unangemessen benachteiligte. Satzungsbestimmungen von Vereinen unterliegen der Inhaltskontrolle auf ihre Angemessenheit im Sinne des § 242 BGB (vgl. Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 27. Juli 2007, 26 O 543/06). Die unangemessene Benachteiligung beruht darauf, dass die Mitglieder der SpUKa durch ihre Beiträge einen persönlichen Sparfonds für den Fall der Entstehung von Kosten im Krankheitsfall bilden. Steht diesem persönlichen Sparfonds keine Leistungspflicht der SpUKa auf Auszahlung der Mittel aus diesem persönlichem Sparfonds gegenüber, liegt die unangemessene Benachteiligung auf der Hand. Ob ein teilweiser Ausschluss auf Zuzahlung aus dem Gemeinschaftsfonds noch mit § 242 BGB vereinbar wäre, kann dahingestellt bleiben, weil dem das in der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. November 2012, XI ZR 145/12 Rn. 63 mit weiteren Nachweisen) anerkannte Verbot der geltungserhaltenden Reduktion für Allgemeine Geschäftsbedingungen, das hier entsprechend gilt, entgegensteht. b) Selbst wenn die Klägerin keinen Anspruch gegenüber der SpUKa gehabt haben sollte, war sie entgegen der Auffassung der Beklagten nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gesetzlich krankenversichert. Die Regelung ist teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass beihilfeberechtigte Personen die hinsichtlich der über den Beihilfesatz hinausgehenden Kosten in Selbsthilfeeinrichtungen oder Solidargemeinschaften wie die SpUKa im Krankheitsfall tatsächlich abgesichert sind, wie beihilfeberechtige Personen zu behandeln sind, die eine private Zusatzkrankenversicherung abgeschlossen haben. Denn eine Absicherung im Krankheitsfall besteht für beide Personengruppen. Eine Schutzbedürftigkeit für eine darüberhinausgehende Absicherung über die gesetzliche Krankenversicherung besteht nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).