Sozialgericht Aurich
Urt. v. 27.03.2014, Az.: S 55 AS 498/12

Berücksichtigung eines Einkommens bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende

Bibliographie

Gericht
SG Aurich
Datum
27.03.2014
Aktenzeichen
S 55 AS 498/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 39131
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGAURIC:2014:0327.S55AS498.12.0A

Tenor:

Der Bescheid vom 18.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2012 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, den Bescheid vom 19.08.2011 geändert mit Bescheid vom 29.08.2011 insoweit abzuändern, als dass keine Guthaben aus Erstattungen des Energieversorgers, die über 80,46 Euro hinaus gehen, auf den Bedarf der Kläger angerechnet werden. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im gerichtlichen Verfahren über die Rechtmäßigkeit der den Klägern in der Zeit von August 2011 bis Dezember 2011 bewilligten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II). Die Klägerin zu 1) ist am H. 1962 geboren und lebt seit längerem im Bereich der örtlichen Zuständigkeit des Beklagten in der Gemeinde I ... Sie bezieht ebenfalls seit längerem Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II von der für den Beklagten handelnden Gemeinde. Im Jahr 2010 bezog die Klägerin zunächst alleine entsprechende Leistungen. Ende 2010 bis Januar 2011 bezog sie die Leistungen gemeinsam in Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II mit dem Kläger zu 2), der im Jahre 1958 geboren wurde. In der Zeit von Februar 2011 bis Juli 2011 bildeten die Kläger keine Bedarfsgemeinschaft. Zum 01.08.2011 zogen sie wieder zusammen und bildeten wieder eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II. Mit einem Bescheid vom 19.08.2011 wurden den Klägern für die Zeit vom 01.08.2011 bis 31.12.2011 laufende Leistungen nach dem SGB II bewilligt. Es handelte sich um einen Änderungsbescheid zu einer Bewilligung alleine für die Klägerin zu 1. mit einem Bescheid vom 09.06.2011 aufgrund der Aufnahme des Klägers zu 2. in die Bedarfsgemeinschaft. In diesem Bescheid wurde des Weiteren in diesem Zeitraum ein monatlicher Betrag von 110,62 Euro als Kürzung der monatlichen Aufwendungen des Unterkunftsbedarfs wegen eines Erdgasguthabens laut Abrechnungen des örtlichen Energieversorgers vom 13.07.2011 aufgenommen. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 29.08.2011 wurden die den Klägern gewährten Leistungen in der Zeit von August bis Dezember 2011 nochmals abgeändert, dies unter anderem in Form einer Senkung der Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II ab Dezember 2011 bis Januar 2012 wegen eines (weiteren) Gasguthabens von 20,03 Euro. Es wurde in diesem Bescheid aber im Monat Dezember 2011 eine Kürzung der monatlichen Aufwendungen wie zuvor im Bescheid vom 19.08.2011 in Höhe von 110,62 Euro verfügt. Streitig ist ein Bescheid des Beklagten vom 18.04.2012 in Gestalt eines Widerspruchsbescheides vom 27.07.2012, mit dem ein Antrag der Kläger vom 12.12.2011 im sogenannten Zugunstenverfahren gem. § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren (SGB X) auf Überprüfung und Abänderung der Leistungsbewilligungen in der Zeit August bis Dezember 2011 abgelehnt wurde. Weiterhin wurde in diesem Bescheid eine Überprüfung eines Bescheides vom 03.08.2010 gegenüber der Klägerin zu 1. abgelehnt. In diesem Bescheid war ein Einkommen der Klägerin zu 1) in Höhe von brutto 320,00 Euro aufgrund einer Zahlung der Tochter angerechnet worden. Die Klägerin zu 1) erhielt mit Datum vom 13.07.2011 eine Abschlussrechnung des Energieversorgers für die Abnahmestelle J. K. in L. Oberwohnung. Aus dieser Abrechnung ergab sich, dass ein Rechnungsbetrag für Erdgas in der Zeit vom 09.07.2010 bis 08.07.2011 von 975,82 Euro entstanden war. Hiervon waren die Abschlagszahlungen Erdgas in Höhe von 1.260,00 Euro abgesetzt, sodass ein Guthaben für die Belieferung mit Erdgas in Höhe von 284,18 Euro ausgewiesen war. Ein Guthaben von 522,60 Euro wurde ausweislich der Abrechnung am 20.07.2011 auf das Bankkonto der Klägerin zu 1) überwiesen. Dieses setzte sich zusammen aus dem Guthaben aus der Belieferung mit Gas und einem Guthaben aus der Belieferung mit Haushaltsenergie. Ebenfalls am 13.07.2011 erhielt der Kläger zu 2) eine Jahresabrechnung des Energieversorgers für die Zeit vom 16.01.2011 bis 08.07.2011. Aus dieser Rechnung ergab sich ein Rechnungsbetrag Erdgas von 317,83 Euro. Von diesem wurden Abschlagszahlungen in Höhe von 570,00 Euro abgesetzt, sodass ein Restbetrag Erdgas von 252,17 Euro ausgewiesen wurde. Diese Schlussrechnung erging für die Adresse K. in L. Unterwohnung. Ein Guthabenbetrag von 456,78 Euro aus einem Guthaben für die Belieferung mit Strom sowie die Belieferung mit Erdgas wurde ebenfalls an den Kläger zu 2) ausbezahlt. Weiter erhielt der Kläger zu 2) noch eine Schlussrechnung vom 10.08.2011 betreffs der gleichen Wohnung, aus welcher sich ein Guthaben für die Belieferung mit Gas in Höhe von 20,03 Euro ergab. Ein Gesamtguthaben von 32,29 Euro wurde auch an den Kläger ausbezahlt.

Die Kläger sind nach angenommenem teilweisem Anerkenntnis des Begehrens noch der Auffassung, dass die Leistungsbewilligungen in der Zeit August bis Dezember 2011 rechtswidrig erfolgt seien, weil ein Gasguthaben nicht auf ihren Bedarf hätte angerechnet werden dürfen. Diese Einschätzung ergebe sich daraus, dass dieses Guthaben nicht aufgrund von Zahlungen des Beklagten entstanden sei, sondern aus eigenen Leistungen der Kläger. Die Kläger hätten im Zeitraum, auf den sich die Jahresabrechnungen des Energieversorgers bezogen, nicht die vollen Abschläge als Leistungen für die Bedarfe der Kosten der Heizung anerkannt bekommen, sondern nur anteilig. Sie hätten auch durchgehend im Bezug für Leistungen nach dem SGB II gestanden. Den Klägern seien in den Zeiten, auf die sich die Abrechnungen beziehen, nur abgesenkte Heizkosten ausbezahlt worden, sodass dass Guthaben ausweislich der Abrechnung nicht Leistungen des Beklagten entspreche. Des Weiteren könne selbst bei Annahme eines anrechenbaren Guthabens dieses nicht auf den streitigen Zeitraum von August bis Dezember 2011 verteilt werden.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid vom 08.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Bescheide vom 19.08.2011 und 29.08.2011 insoweit abzuändern, als dass keine Guthaben aus Erstattungen des Energieversorgers auf den Bedarf der Kläger angerechnet werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Der Beklagte ist der Auffassung, dass es im Rahmen der Regelungen des § 22 Abs. 3 SGB II zur Anrechnung von Energiekostenguthaben nicht erheblich sei, ob diese aus Leistungen des Beklagten bestritten worden seien oder aus anderen Geldquellen der Leistungsempfänger. Es handele sich in jedem Fall um Guthaben, die dem Bereich der Kosten der Unterkunft und Heizung zuzuordnen seien. Es handele sich nicht um Guthaben aus dem Bereich der Haushaltsenergie, die nicht angerechnet werden könnten.

Die Kammer führte in dieser Angelegenheit am 27.03.2014 eine mündliche Verhandlung durch. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung gab der Beklagte ein Anerkenntnis dergestalt ab, dass in Bezug auf den ebenfalls im streitigen Widerspruchsbescheid geregelten Monat Juni 2010 kein Einkommen der Klägerin zu 1) aus Zahlung einer Tochter angerechnet werde. Eine diesbezügliche Rückforderung werde nicht mehr geltend gemacht. Dieses Anerkenntnis wurde durch die Klägerin zu 1) angenommen. Das Anerkenntnis beruhte darauf, dass Vertrauensschutzvorschriften des § 45 Abs. 2 SGB X nicht berücksichtigt worden waren. Ebenfalls in der mündlichen Verhandlung vom 27.03.2014 teilte der Beklagte mit, dass dem Kläger zu 2) in der Zeit von Januar 2011 bis Juli 2011 insgesamt 450,00 Euro an Leistungen für die Bedarfe der Unterkunft in Form von Heizkosten gezahlt worden waren.

Gegenstand der Entscheidungsfindung war der Inhalt der mündlichen Verhandlung vom 27.03.2014, diesbezüglich wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Weiterer Gegenstand der Entscheidungsfindung waren die Gerichtsakten sowie die vom Beklagten überreichten Verwaltungsvorgänge betreffs der Bedarfsgemeinschaft der Klägerin zu 1) zunächst alleine und ab 01.08.2011 gemeinsam mit dem Kläger zu 2). Gegenstand der Entscheidungsfindung war insbesondere die mündliche Auskunft des Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung bezüglich der Höhe der an den Kläger zu 2) ausbezahlten Leistungen für die Bedarfe der Kosten der Heizung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Der streitige Bescheid vom 18.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2012 ist rechtswidrig ergangen und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Die Kläger haben einen Anspruch gegen den Beklagten auf Abänderung zweier Bescheide vom 19.08. und 29.08.2011 in Bezug auf die ihnen zustehenden Leistungen für die Bedarfe der Heizung in der Zeit August 2011 bis Dezember 2011. Die Kürzung der monatlichen Aufwendungen für die Bedarfe der Unterkunft der Kläger aufgrund von Anrechnung eines Guthabens aus den Jahresabrechnungen des Energieversorgers verstößt gegen die Regelungen des § 22 SGB II. Von daher verstößt der Bescheid vom 18.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2012 gegen die Regelungen des § 44 Abs. 1 SGB X. Die Kläger haben Anspruch auf Abänderung der Bescheide vom 19.08. und 29.08.2011 durch den Beklagten.

I. Im Rahmen des Zugunstenverfahrens gem. § 44 SGB X ist nicht nur der Bescheid vom 29.08.2011 Gegenstand des Verfahrens geworden, sondern auch der Bescheid vom 19.08.2011. Bereits dieser Bescheid regelt die von den Beteiligten umfänglich geprüfte Anrechnung der Guthaben aufgrund der Abrechnung des Energieversorgers erstmalig. Eine isolierte Aufhebung des Bescheides vom 29.08.2011, wie durch die Kläger zeitweise schriftlich begehrt, würde für den streitigen Zeitraum ins Leere gehen. Diese Einschätzung des Gerichts deckt sich mit der Einschätzung der Beteiligten, die im Rahmen des Zugunstenverfahrens umfänglich zu den Regelungen des Bescheides vom 19.08.2011 Stellung genommen haben. Insbesondere hat der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012 sich umfänglich zu dieser Regelung eingelassen. Auch war der ursprüngliche Antrag gem. § 44 SGB X vom 12.12.2011 nicht alleine auf den Bescheid vom 29.08.2011 beschränkt. Ebenfalls ergibt sich die weitgehende Einbeziehung des Bescheides vom 19.08.2011 entgegen dem zunächst im Verwaltungsverfahren ausdrücklich formulierten Antrag der Kläger aus den dargestellten Begründungen. Von daher hat der Beklagte zu Recht im Rahmen der Bearbeitung des Antrages gem. § 44 SGB X umfänglich erläutert und begründet, warum das gesamte Gasguthaben anrechenbar ist.

II. Bei den streitigen Bescheiden vom 19.08. und 29.08.2011 handelt es sich um Änderungsbescheide bezüglich der Leistungsbewilligungen der Kläger. Diese Änderungsbescheide sind in der Sache auf die Regelungen des § 48 Abs. 1 SGB X durch den Beklagten gestützt worden. Der Beklagte ging in diesen Bescheiden von einer nachträglichen Einkommenserzielung aufgrund der Energiekostenguthaben beim Energieversorger der Kläger aus. Diese Änderung war jedoch nicht im weitergehenden Rahmen als bis zu einem Betrag von 80,46 Euro möglich. Der darüber hinausgehende Betrag des Energiekostenguthabens fällt nicht unter die Regelung des § 22 Abs. 3 SGB II. Dies ergibt sich daraus, dass bis auf einen Betrag von 80,46 Euro nach Akteninhalt der gesamte Betrag der Guthaben von den Klägern aus eigenen Mitteln bestritten worden ist und nicht aus Geldleistungen des Beklagten.

Die Kläger erfüllen die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach. Die Klägerin zu 1. ist Berechtigte i. S. des § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) und den gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Sie ist erwerbsfähig i. S. v. § 8 SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II), da dem Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung, die sie an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens drei Stunden täglich hindern könnte, zu entnehmen sind. Zudem ist sie im Grundsatz gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit §§ 9, 11, 12 SGB II hilfebedürftig, weil sie voraussichtlich für die Dauer von sechs Monaten weder über ein eigenes, den Hilfebedarf deckendes Einkommen (§ 11 SGB II) noch über für die sofortige Verwertung zu berücksichtigendes Vermögen im Sinne des § 12 SGB II verfügt. Sie lebte im streitigen Zeitraum in einer Bedarfsgemeinschaft mit dem Kläger zu 2. welcher als erwerbsfähiger Anspruchsberechtigter ebenfalls zum Bezug von Leistungen nach dem SGB II berechtigt war. Im streitigen Zeitraum war der Hilfebedarf der Kläger nicht durch Einkommen i.S.d. § 11 SGB II in Form von Gasguthaben, die nach § 22 Abs. 3 SGB II anrechenbar sind, weiter gemindert als bis zu einem Betrag von 80,46 EUR. Die Regelung des § 22 Abs. 3 SGB II lautet: Rückzahlungen und Guthaben, die den Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie beziehen bleiben außer Betracht. Bei dem Guthaben ausweislich der Abrechnungen des Energieversorgers vom 13.07.2011 und 10.08.2011 und der Darlegungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ist nur ein Betrag von 80,46 Euro durch den Beklagten zu Gunsten des Klägers zu 2) erbracht gewesen. Der restliche Betrag resultiert aus Eigenleistungen der Kläger. Die Klägerin zu 1) hatte im Zeitraum Juli 2010 bis Juli 2011 Gaskosten in Höhe von 975,82 Euro. In dieser Zeit hat sie ausweislich der vorliegenden Verwaltungsakten monatlich 41,10 Euro an Leistungen des Beklagten für Energiekosten der Heizung erhalten, also insgesamt 493,20 Euro. Die restlichen 482,62 Euro waren von ihr aus ihrem zeitweiligen Erwerbseinkommen bzw. aus ihren Regelsatzleistungen getragen worden. Das Guthaben von 284,18 Euro ist somit im vollen Umfang den eigenen Zahlungen der Klägerin zu 1) zuzuordnen. Bezüglich des Klägers zu 2) sind in der Zeit von Januar 2011 bis Juli 2011 Kosten für die Belieferung mit Erdgas von 317,83 + 51,71 Euro entstanden, also insgesamt 369,54 Euro. Die Zahlungen des Beklagten im streitigen Zeitraum erreichen ausweislich des Vorbringens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung insgesamt 450,00 Euro. Dementsprechend überschritten die Zahlungen des Beklagten für die Abschläge den tatsächlichen Rechnungsbetrag um 80,46 Euro. Das ausgewiesene Guthaben erreichte einen Betrag von 272,20 Euro.

Guthaben aus Beträgen, die ein Leistungsempfänger im Abrechnungszeitraum aus seinen Regelsatz bzw. seinem anrechnungsfrei gestellten Einkommen getragen hat, könne nicht nach § 22 Abs. 3 SGB II angerechnet werden. (Nippen in ZFSH 2014, Seiten 71 ff; Piepenstock in PK SGB II, 3. Auflage 2012, § 22 Rn 136; vgl. Berlit in LPK SGB II 5. Auflage 2013 § 22 Rn 121; vgl. SG Chemnitz vom 31.01.2013 Aktenzeichen S 40 AS 5401/11; SG Chemnitz vom 11.04.2013 Aktenzeichen S 14 AS 4157/12; a.A. LSG Baden Württemberg vom 20.01.2010 Aktenzeichen L 3 AS 3759/09; SG Dresden vom 16.01.2012 Aktenzeichen S 36 AS 7571/10; SG Potsdam vom 23.10.2012 Aktenzeichen S 19 AS 3121/09 jeweils zit. nach ). Diese fehlende Annahme von anrechenbaren Einkommen im Sinne des § 22 SGB II resultiert aus dem Rechtsgedanken der Regelung des § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II. Hiernach sind Leistungen nach dem SGB II nicht als Einkommen anrechenbar. Direkt ist die Regelung des § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II jedoch nicht anwendbar, da die Guthaben aus den Abrechnungen des Energieversorgers keine unmittelbaren Leistungen nach dem SGB II darstellen, sondern es sich um Leistungen des Energieversorgers handelt, die aufgrund der privatrechtlichen Abreden mit den Leistungsempfängern erbracht werden. So erfolgt die Rückzahlung bzw. Erstattung des Guthabens nicht aufgrund sozialrechtlicher Regelungen, sondern allein aufgrund privatrechtlicher Regelungen. Dennoch ist dem Rechtsgedanken des § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II Rechnung zu tragen. (so ebenso BSG vom 22.03.2012 Aktenzeichen B 4 AS 139/11 R; vgl. BSG vom 23.08.2011 Aktenzeichen B 14 AS 185/10 R; BSG vom 23.08.2011 Aktenzeichen B 14 AS 186/10 R zit. nach ). Tatsächlich handelt es sich bei den Zahlungen des Leistungsempfängers für Bedarfe an Heizkosten, die das angemessene überschreiten und nicht vom Leistungsträger übernommen werden um die Verwendung des Regelsatzes im Sinne des § 20 SGB II. Diese Verwendung der Regelsatzleistungen für höhere Abschläge als vom Leistungsträger als angemessen anerkannt entspricht der Intention der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in pauschalierten Regelsätzen. Hinsichtlich dieses Regelbedarfs kann der Leistungsempfänger selbst bestimmen, wie er diesen verwendet (vgl. Bundesverfassungsgericht vom 09.02.2010 Aktenzeichen 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 zit. nach ). Auch schließt der Regelbedarf ausdrücklich einen Ansparbetrag ein, der seine Entsprechung in den Vermögensfreibetrag des § 12 Abs. 1 Nr. 4 SGB II findet. (Bundestagsdrucksache 15/1516 Seite 53) Dementsprechend. ist es auch geboten, Einnahmen, die aus Einsparungen bzw. Verwendungen der Regelbedarfe resultieren, von der Berücksichtigung als Einkommen freizustellen (BSG vom 23.08.2011 Aktenzeichen B 14 AS 185/10 R; vgl. BSG vom 22.03.2012 Aktenzeichen B 4 AS 139/11 R - zu den sogenannten früheren Warmwasserpauschalen - zitiert nach ). Dieser Einschätzung des erkennenden Gerichts kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Herkunft eines Guthabens an Energiekosten nicht entscheidungserheblich ist (a. A. SG Potsdam vom 23.10.2012 Aktenzeichen S 19 AS 3121/09 vor dem Hintergrund, dass Herkunft eines Einkommens unerheblich für die Frage der Anrechnung ist) Wie oben ausgeführt resultiert die fehlende Anrechnungsmöglichkeit im Sinne des § 22 Abs. 3 SGB II aus dem Rechtsgedanken des § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II. Bezüglich Guthaben aufgrund von Zahlungen aus Zeiten vor dem Leistungsbezug, worüber das BSG (vom 22.03.2012 Aktenzeichen B 4 AS 139/11 R zitiert nach ) entschieden hat, ist dieser Rechtsgedanke nicht anwendbar. Es handelt sich bei diesen Zahlungen nicht um Leistungen nach dem SGB II, die zur Entstehung des Guthabens geführt haben. Folglich käme eine entsprechende Anwendung des Gedankens des § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II für Abschlagszahlungen aus Einkünften vor dem Beginn eines Leistungsbezugs im Gegensatz zur hiesigen Fallkonstellation nicht in Betracht. Des Weiteren ist festzustellen, dass die Regelungsintention des Gesetzgebers bei Einführung der vormaligen Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II, die dem hier entscheidungserheblichen § 22 Abs. 3 SGB II in der im streitigen Zeitraum gültigen Fassung entspricht, die Auffassung der Kammer stützt. Hiernach soll die Regelung bezwecken, dass Beträge, die der kommunale Träger übernommen hat, bei Erstattungen ihm zugute kommen (vgl. BT-Drucksache 16/1696, 26 ff; vgl. BSG vom 15.04.2008 Aktenzeichen B 14/7 B AS 58/06 R zitiert nach ). Die von der Kammer vorgenommene Einschätzung stellt die Übertragung dieser Intention auf einen umgekehrten Fall dar. Ein kommunaler Träger soll nicht von den Erstattungen profitieren, die er nicht selbst übernommen hat. (vgl. Berlit a.a.O. § 22 Rn 121 ff.; vgl. SG Chemnitz a.a.O.). Die Bewertung der Kammer gilt im gleichen Maße für den Fall, dass die Leistungsempfänger die vom Beklagten nicht übernommenen Unterkunftskosten bzw. Energiekosten nicht aus den Regelsatzleistungen bezahlt hätten, sondern aus ihren nicht anrechenbaren Erwerbseinkommen. Es ist zunächst festzustellen, dass tatsächlich im Regelfall nicht zu ermitteln ist, mit welchen Geldbeträgen genau die übersteigenden Kosten bestritten wurden. Es kann sein, dass faktisch die Beträge nicht aus Erwerbseinkommen, sondern aus Regelsatzleistungen des Beklagten gezahlt wurden. Dies wäre dann erkennbar der Fall, wenn der Leistungsträger in Anwendung des § 22 Abs. 7 SGB II die Energiekosten unmittelbar aus den Leistungen an den Energieversorger gezahlt hätte. Aber auch ohne die Annahme dieser Konstellation kann bei angenommener Bestreitung der übersteigenden Kosten aus Einkommen (welches nicht angerechnet wurde), keine andere Bewertung vorgenommen werden. Es stellte sich als zufällig dar, wie die Zahlungsflüsse im Einzelfall gestaltet sind. Ein solcher Zufall kann nicht entscheidungserheblich für die Frage sein. Die Annahme, dass bei Bestreiten der höheren Abschläge aus dem anrechnungsfreien Einkommen eine Anrechnung möglich ist, würde dazu führen, dass die Vorschriften zur Nichtanrechenbarkeit von Einkommen im Sinne der §§ 11 ff. SGB II umgangen würden. Das Einkommen würde dann zwar nicht auf den Regelbedarf angerechnet, aber vermittelt durch Energiekostenerstattungen auf die Kosten der Unterkunft, also auch auf Leistungen nach dem SGB II, vgl. §§ 19 ff. SGB II. Auch würde bei diesem Vorgehen die Anreizfunktion der Einkommensfreibeträge missachtet. Die Einkommensfreibeträge sollen dazu motivieren, anstatt alleine Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Anspruch zu nehmen, auch nicht bedarfsdeckende Erwerbstätigkeiten anzutreten und somit den Hilfebedarf zu senken und den Leistungsempfänger für den Arbeitsmarkt zu aktivieren. Diese Funktion würde nicht mehr erfüllt, wenn wie oben geschildert das übersteigende Einkommen dann wieder reduziert würde.

Bei Zugrundelegung der obigen Wertungen kann im Falle der Kläger jedoch ein Betrag von 80,46 Euro angerechnet werden. Dieser Betrag wurde durch den Kläger zu 2) nicht aus eigenen Regelsatzleistungen bzw. anrechnungsfreiem Einkommen bestritten, sondern ergibt sich rechnerisch aus der Differenz zwischen den Leistungen des Beklagten und dem Rechnungsbetrag für Energiekosten. (s.o.) Die Anrechnung dieses Betrages ist auch möglich, da der Betrag nicht vom Energieversorger intern verrechnet worden ist, sondern an den Kläger zu 2) ausbezahlt wurde. (vgl. zu fiktivem Einkommen BSG vom 16.05.2012 Aktenzeichen B 4 AS 132/11 R) Dieses Einkommen stand dem Kläger zu 2) auch als bereites Mittel zur Verfügung. Er konnte damit seine leistungsrechtlichen Bedarfe decken. Die Anrechnung des Einkommens des Klägers zu 2) aus dem Energiekostenguthaben in Höhe von 80,46 Euro war im streitigen Zeitraum nach der Regelung des § 22 Abs. 3 SGB II auf die gesamten Unterkunftskosten möglich. Diese Regelung sieht keine bedarfsanteilige Verteilung der Einnahme im Sinne des § 9 SGB II vor, sondern eine Reduktion der Unterkunftskosten der Bedarfsgemeinschaft. Im Übrigen ergäbe sich bezogen auf den streitigen Zeitraum auch bei einer Anrechnung alleine auf den Unterkunftsanteil des Klägers zu 2) keine abweichende Bewertung. Jedenfalls im gesamten streitigen Zeitraum kann diese Einnahme auf den Unterkunftsbedarf des Klägers zu 2) angerechnet werden. Im streitigen Zeitraum erreicht dieser Bedarf insgesamt jedenfalls einen Betrag von mehr als 80,46 Euro. Von daher bedurfte es keiner Entscheidung der Kammer zu der Frage, ob die Anrechnung des Guthabens nur auf den angemessenen Teil der Unterkunftskosten erfolgen kann oder auch auf die gesamten Unterkunftskosten (vgl. hierzu BSG vom 12.12.2013 Aktenzeichen B 14 AS 83/12 R bislang nur Terminsbericht).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Kläger sind mit ihrem Begehren zwar in Bezug auf 80,46 Euro Anrechnung von Energiekostenguthaben nicht durchgedrungen, aber dieses Unterliegen führt nach Aktenlage aufgrund von Veranlassungsgesichtspunkten zu einer Kostentragung des Beklagten. Der Beklagte hatte bis zum Termin der mündlichen Verhandlung weder den Bevollmächtigten der Kläger noch dem Gericht die genauen Zahlen bezüglich der Leistungen für die Kosten der Energieversorgung offen gelegt. Dies insbesondere auch nicht in Anbetracht der Tatsache, dass nach dem Vorbringen der Kläger spätestens im Klageverfahren dies für die Entscheidung erheblich sein könnte. Es wurden die Leistungsakten des Klägers zu 2. aus der Zeit, in der er alleine Leistungen vom Beklagten bezog, nicht überreicht.

Die Berufung war nicht gem. § 144 Abs. 1 SGG zulässig, da der maßgebliche Berufungswert weder für die Kläger noch für den Beklagten überschritten ist. Die Berufung war jedoch auf die Anträge der Beteiligten nach Auffassung der Kammer gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Zumindest im Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer lag keine Entscheidung des zuständigen Obergerichtes bzw. des Bundessozialgerichts zu der Frage, ob aus Regelsatz- bzw. anrechnungsfreien Einkommen erwirtschaftete Nebenkosten bzw. Heizkostenguthaben der Regelung des § 22 Abs. 3 SGB II unterfallen, vor.