Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 12.08.2010, Az.: 8 U 15/10
Umfang der zulässigen Übertragung von Verkehrssicherungspflichten hinsichtlich eines Mehrfamilienhauses
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 12.08.2010
- Aktenzeichen
- 8 U 15/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 23290
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2010:0812.8U15.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 03.12.2009 - AZ: 19 O 139/09
Rechtsgrundlagen
- § 138 Abs. 1 BGB
- § 823 BGB
Fundstellen
- I&F 2011, 177
- MDR 2011, 100-101
- NJW 2010, 8
- NJW-RR 2011, 106-108 "Trittrost"
- NZV 2011, 140
- ZfIR 2010, 773
Amtlicher Leitsatz
1. Die Übertragung von Verkehrssicherungspflichten durch den primär verkehrssicherungspflichtigen Eigentümer auf einen Hauswart (hier: einen 67 Jahre alten Rentner) ist unwirksam, wenn neben der Verpflichtung zum Rasenmähen, Fegen, Räumen und Streuen 'die allgemeine Gebäudeaufsicht hinsichtlich der baulichen Instandhaltung' übertragen wird.
2. Wird in einem Hauswartvertrag die Verkehrssicherungspflicht für mehr als 20 (Mehrfamilien)Häuser, außerdem Läden und Garagen, übertragen, und erhält der Hauswart für seine Tätigkeit nur ein Entgelt dergestalt, dass er in einer 48 m2 großen Wohnung mit zwei Zimmern frei wohnen darf (nur Grundmiete), dann kommt zwar die Annahme der Sittenwidrigkeit des Hauswartvertrages in Betracht. Auf die formale Wirksamkeit des Vertrages, mit dem Verkehrssicherungspflichten übertragen werden sollen, kommt es aber nicht an.
In dem Rechtsstreit
Unfallkasse P. und T. Körperschaft des öffentlichen Rechts,
vertreten durch den Geschäftsführer ...,
Kläger und Berufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsbüro ...,
gegen
Baron C.H. v. E., ...,
Beklagter und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte ...,
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 3. Dezember 2009 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover geändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.775,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz auf 4.453,55 € seit dem 3. Februar 2007 sowie auf 322,20 € seit dem 5. Juli 2007 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche über die im Klageantrag zu 1 geltend gemachten Schäden hinausgehende weitere Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung des Postbeamten L. B. bei dem Unfall am 22. Juni 2006 auf dem Grundstück S.weg ..., ... H., entstanden sind und künftig entstehen werden, soweit die Ansprüche auf die Klägerin übergegangen sind oder übergehen werden.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht ihres Versicherten L. B. wegen eines Unfalls in Anspruch, den dieser während seiner Tätigkeit als Paketzusteller am 22. Juni 2006 infolge eines wackelnden Metallrostes vor dem Haus des Beklagten im S.weg in H. erlitten haben soll.
Der Beklagte hat einen Sturz des Zustellers und die behaupteten Verletzungen in Abrede genommen. der Metallrost habe nicht gewackelt. Im Übrigen hat er die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen L. und B. B. sowie U. S. und P. S. (Bl. 66 ff. d. A.).
Das Landgericht hat sodann die Klage abgewiesen. Zwar sei es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sich der Metallrost vor dem Hauseingang in einem objektiv verkehrswidrigen Zustand befunden habe und der Zeuge B. deshalb gestürzt sei. Nach der glaubhaften Aussage des Zeugen S. aber habe der Beklagte seine Verkehrssicherungspflichten durch Vertrag auf diesen übertragen. Eingehende Kontrollen der Metallroste durch regelmäßiges Betreten oder sonstige "Wackelproben" seien nicht geschuldet gewesen. Eine Sichtkontrolle sei ausreichend gewesen. Auch nach dem eigenen Vortrag der Klägerin und der Aussage des Zeugen B. habe man dem Rost den wackeligen Zustand nicht angesehen. Eine Haftung für den Zeugen S. aus § 831 BGB komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil dieser nicht pflichtwidrig gehandelt habe. Der Beklagte habe auch nicht für ein etwaiges Unterlassen der Mieter einzustehen. Auf die erhobene Einrede der Verjährung komme es nicht an. unabhängig davon wäre sie unbegründet.
Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin unter Wiederholung ihrer erstinstanzlich gestellten Anträge auf Zahlung und Feststellung.
Das Landgericht habe die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätze der Parteien zurückgewiesen. Dennoch habe das Landgericht in seinem Urteil die Angaben des Zeugen S. hinsichtlich des Abschlusses eines Hauswartvertrages zugrunde gelegt, obgleich sich der Beklagte diese Angaben erst nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 17. November 2009 zu Eigen gemacht habe. Dies habe das Landgericht nicht mehr berücksichtigen dürfen. Widersprüche in den Aussagen des Zeugen S. in dieser Sache und dem früheren Rechtsstreit 437 C 9423/07 Amtsgericht Hannover habe das Landgericht nicht berücksichtigt. Eine Übertragung von Verkehrssicherungspflichten hätte vorausgesetzt, dass der Zeuge S. das Haus hätte betreten müssen, was aber nicht der Fall gewesen sei. Auch die vom Landgericht geforderte bloße Sichtkontrolle habe der Zeuge S. nicht vorgenommen. Außerdem habe das Landgericht die dem Beklagten obliegenden Kontrollpflichten völlig unberücksichtigt gelassen.
Die Klägerin beantragt,
an sie 4.775,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem Basiszinssatz auf 4.453,55 € seit dem 3. Februar 2007 sowie auf 322,20 € seit dem 5. Juli 2007 zu zahlen,
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche über die im Klageantrag zu 1 geltend gemachten Schäden hinausgehende weitere Schäden zu ersetzen, die der Klägerin aus der Verletzung des Postbeamten L. B. bei dem Unfall am 22. Juni 2006 auf dem Grundstück S.weg ..., ... H., entstanden sind und künftig entstehen werden, soweit die Ansprüche auf die Klägerin übergegangen sind oder übergehen werden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Zur Übertragung der Verkehrssicherungspflichten auf den Zeugen S. verweist der Beklagte - nach erfolgtem Senatshinweis gemäß Verfügung vom 10. März 2010 - auf den als Anlage B 2 (Bl. 153 d. A.) vorgelegten Hauswartvertrag vom 26. September 2005. Es habe eine klare und eindeutige Absprache bestanden, welche Kontrollen und Maßnahmen von dem Zeugen S. durchzuführen gewesen seien. Die Aussage des Zeugen S. hinsichtlich des Hauswartvertrags habe sich der Beklagte wirksam zu Eigen gemacht. Es sei grundsätzlich auch ohne ausdrückliche Erklärung der begünstigen Partei davon auszugehen, dass sie sich einen für sie günstigen Tatsachenvortrag zu Eigen mache. Verspätung liege nicht vor. Der Zeuge S. habe die ihm übertragene Verkehrssicherungspflicht ordnungsgemäß erfüllt. Den Mangel habe er nicht feststellen können.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, das angefochtene Urteil, die Beiakten 437 C 9423/07 Amtsgericht Hannover sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist in vollem Umfang begründet. der Beklagte schuldet der Klägerin wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten den geltend gemachten Schadensersatz.
1. Das Landgericht ist nach durchgeführter Beweisaufnahme davon ausgegangen, dass L. B. am 22. Juni 2006 nach dem Verlassen des Hauses S.weg ... auf den wackelnden Metallrost getreten ist, dieser nachgegeben hat und er deswegen zu Fall gekommen ist. Die vom Landgericht dazu getroffenen Feststellungen sind nicht zu beanstanden. Die Angriffe der Berufung richten sich dagegen auch nicht.
2. Der Sturz des L. B. beruht auf einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht.
a) Grundsätzlich ist derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (BGH, VersR 2008, 1083, 1551[BGH 03.06.2008 - VI ZR 223/07]). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schaden zu bewahren. Voraussetzung ist, dass sich vorausschauend die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Andererseits kann nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Hiernach sind die Vorkehrungen zu treffen, die nach der Intensität der Gefahr und den Sicherheitserwartungen des jeweiligen Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden, die bei bestimmungsgemäßer oder bei nicht ganz fern liegender bestimmungswidriger Nutzung drohen. Ein Tätigwerden des Verkehrssicherungspflichtigen ist erst dann geboten, wenn Gefahren bestehen, die auch für einen sorgfältigen Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag. Dabei kommt es zur Bestimmung dessen, was vom Verkehrssicherungspflichtigen an Sicherungsmaßnahmen einerseits und vom Benutzer an eigener Aufmerksamkeit und Vorsicht andererseits zu fordern ist, immer auf die Umstände des Einzelfalles an. Allgemein gilt, dass Sicherungsmaßnahmen umso eher zumutbar sind, je größer die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung sind (BGH, VersR 2005, 279[BGH 05.10.2004 - VI ZR 294/03]).
b) Dies zugrunde gelegt, ist, wie bereits in der mündlichen Verhandlung erörtert, unabhängig von der Frage einer wirksamen Übertragung von Verkehrssicherungspflichten (dazu s. u. 3.) von einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten auszugehen.
Das Landgericht hat gemeint, es habe nur eine Sichtprüfung durchgeführt werden müssen. Dem schließt sich der Senat nicht an, weil eine Sichtprüfung offenkundig nicht geeignet war, Gefahren ausreichend zuverlässig auszuschließen, zumal die Einfassung des Rostes, wie die bei den Akten und bei den Beiakten befindlichen Lichtbilder zeigen, die nach der Aussage des Zeugen S. in dem Beiaktenverfahren den Zustand vor Reparatur dokumentieren, bereits an mehreren Stellen repariert worden war. Vielmehr war es erforderlich und dem Verkehrssicherungspflichtigen auch zumutbar, in angemessenen zeitlichen Abständen die Roste zu betreten, um die Trittsicherheit, die vorliegend fehlte, bei einer mit sehr geringem Aufwand zu bewerkstelligenden Kontrolle aber bemerkt worden wäre, zu überprüfen. Dass eine solche Überprüfung auch stattgefunden hätte, lässt sich dem Vortrag des Beklagten und auch der Aussage des Zeugen S. nicht entnehmen. Der Sturz spricht ohnehin dagegen. Dann, wenn sich auf diesem Weg nicht fernliegende Gefahren nicht ausreichend sicher ausschließen lassen, kann eine solche oberflächliche Prüfung nicht genügen. Bei Bäumen soll eine Sichtprüfung grundsätzlich ausreichend sein, aber die Situation ist dort auch eine andere, weil eingehendere Untersuchungen aufwändig sind. Für frei zugängliche Metallroste, die durch schlichtes Betreten mit sehr geringem Aufwand auf ihre Trittfestigkeit überprüft werden können, gilt dies nicht.
Das Landgericht hat im angefochtenen Urteil ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt zu sein, dass sich der Metallrost in einem objektiv verkehrswidrigen Zustand befunden habe, und der Zeuge B. deshalb gestürzt sei. Dem tritt der Senat bei, ohne sich veranlasst zu sehen, sich auf ein bestimmtes Maß, bis zu dem ein Nachgeben eines Metallrostes vor einem Haus hinzunehmen ist, festzulegen. Höhenunterschiede auf begehbaren Flächen, auf denen Publikumsverkehr besteht, sollen schon dann zu einer Haftung des Sicherungspflichtigen führen können, wenn diese 1,5 bis 2 cm betragen, aber auch dabei kommt es immer auf die konkreten Umstände im Einzelfall an (vgl. OLG Celle, MDR 1998, 1031 [OLG Celle 23.12.1997 - 9 U 120/97]. BGH, MDR 1967, 387. OLG Oldenburg, NJWRR 1986, 903). Solche Fälle, in denen es um Unebenheiten auf Bürgersteigen oder ähnlichen Flächen etwa durch hochstehende Gehwegplatten geht, sind freilich mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Dem Nachgeben des Metallrostes auf einer Seite entspricht ein Anheben auf der gegenüber liegenden Seite, so dass ein Nachgeben um einen cm einen Höhenunterschied von 2 cm zwischen der höchsten und der tiefsten Stelle bedeutet. Überdies bedeutet dieses Kippeln eine besondere Gefahr, die es bei bloßen Bodenunebenheiten nicht gibt. Schließlich ist ein Absenken vor dem Betreten nicht erkennbar, was die Gefahr gegenüber einer Bodenunebenheit weiter erhöht.
Der Zeuge B. hat dazu ausgesagt, nicht ganz genau zu wissen, wie tief sich das Gitter beim Betreten gesenkt habe. Er nehme an, so 3 bis 5 cm. Er habe beim Betreten gespürt, dass sich das Gitter gesenkt habe. Der Zeuge St., Mieter in dem Haus S.weg ..., hat ausgesagt, er habe schon bemerkt gehabt, dass der Tritt vor dem Haus locker gewesen sei. Wenn man da draufgetreten sei, habe das ganz schön geeiert. Der Rost sei an der einen Seite beim Drauftreten schon ganz schön runtergegangen. Der Zeuge S. hat ausgesagt, den Rost nach dem Unfall kontrolliert zu haben. Er habe da mal mit der Hand draufgedrückt. Da sei er so ca. 1 cm runtergegangen, genauer gesagt, auf einer Ecke runtergesackt. Er stelle sich das so vor, dass der Zeuge B. beim Drauftreten dann irgendwie dahintergehakt sei. Nach den Aussagen der Zeugen B. und St. kann nicht zweifelhaft sein, dass der Zustand objektiv verkehrswidrig war. Zwar will der Zeuge S. nur ein seinem Umfang nach geringeres Nachgeben festgestellt haben, aber die Annahme eines objektiv verkehrswidrigen Zustandes wird dadurch nicht in Frage gestellt. Ein Draufdrücken mit der Hand ist schon eine von vornherein ungeeignete Prüfung. ausreichend aussagekräftige Ergebnisse sind auf diesem Weg nicht zu erzielen. Welche Maßnahmen von den irgendwann nach dem Sturz beauftragten Handwerkern konkret vorgenommen wurden und insbesondere welcher Höhenunterschied beseitigt wurde, hat der Beklagte ungeachtet der Nachfrage des Senats in der Verfügung vom 10. März 2010 nicht vorgetragen.
3. Die Verletzung der Verkehrssicherungspflichten ist auch dem Beklagten selbst anzulasten, weil er die an sich ihn treffenden Pflichten nicht wirksam auf den Zeugen S. übertragen hat.
a) Das Landgericht ist im angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass der Beklagte nach der glaubhaften Aussage des Zeugen S. Verkehrssicherungspflichten durch einen einige Monate vor dem Unfall geschlossenen Hauswartvertrag auf diesen übertragen habe. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Auffassung, das Landgericht habe einen solchen Vertrag nicht annehmen dürfen, weil sich erst nach der mündlichen Verhandlung der Beklagte die entsprechende Äußerung des Zeugen S. in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht zu Eigen gemacht habe.
Es trifft bereits nicht zu, wenn der Beklagte meint, das Landgericht habe die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätze der Parteien in seinem Urteil gemäß § 296 ZPO zurückgewiesen. Unter IV. heißt es auf Seite 7 des angefochtenen Urteils lediglich, dass die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätze der Parteien vom 17. und 27. November 2009 keine Veranlassung gäben, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, § 156 ZPO. Damit aber ist keine Zurückweisung verspäteten Vorbringens erfolgt. § 531 Abs. 1 ZPO ist von vornherein - und damit unabhängig von der Frage der Berechtigung einer Zurückweisung - nicht anwendbar.
Überdies hat sich der Beklagte stillschweigend die Aussage des Zeugen S. zu Eigen gemacht. Es entspricht nach der Rechtsprechung des BGH einem allgemeinen Grundsatz, dass sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden Umstände, soweit sie ihre Rechtsposition zu stützen geeignet sind, hilfsweise zu Eigen macht (BGH, NJW 1991, 1541, 1542 [BGH 08.01.1991 - VI ZR 102/90], unter II. 3. b). Es heißt in dem genannten Urteil vom 8. Januar 1991, dass dieser Grundsatz im Arzthaftungsprozess, um den es ging, nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zugunsten des geschädigten Patienten umso mehr Beachtung verdiene, als der Patient im allgemeinen die medizinischen Vorgänge und Zusammenhänge nur unvollkommen zu überblicken vermöge und deshalb in gewissem Umfange darauf angewiesen sei, dass der Sachverhalt durch Einholung eines Sachverständigengutachtens aufbereitet werde. Vielfach werde sich die genauere Problemstellung erst aus dem Sachverständigengutachten ergeben und werden die Parteien erst auf dieser Grundlage ihr Vorbringen näher präzisieren können. Dann aber liege es umso näher, dass der Patient Umstände, die bei einer sachverständigen Beurteilung zu seinen Gunsten hervorträten, auch ohne dahingehende ausdrückliche Erklärung in sein Klagevorbringen aufnehme. Auf solche Fälle aber ist der genannte Grundsatz nicht beschränkt. Er gilt in gleicher Weise für Beweisaufnahmen durch die Vernehmung von Zeugen (BGH, NJW 2001, 2177 [BGH 03.04.2001 - VI ZR 203/00]).
Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, insbesondere deswegen, weil die Aussage des Zeugen S. für den Beklagten in keiner Weise neu gewesen sein kann der Beklagte war selbst Partei des vom Zeugen S. erstmals erwähnten Hauswartvertrages - änderte dies in der Sache nichts, denn erstmals in der zweiten Instanz hat auf den gerichtlichen Hinweis vom 10. März 2010 hin der Beklagte den Hauswartvertrag vom 26. September 2005 als Anlage B 2 vorgelegt. Die Klägerin hat sich dazu nicht bzw. nur dahingehend geäußert, dass die Vorlage verspätet sei, womit sie aber weder den Abschluss noch den Inhalt dieses Hauswartvertrages angezweifelt hat, sodass beides als unstreitig anzusehen ist. Unstreitiges Vorbringen ist aber nie verspätet (BGHZ 161, 138).
b) Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass Verkehrssicherungspflichten auf einen Dritten übertragen werden können. Es entspricht der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung, dass Verkehrssicherungspflichten mit der Folge weitgehender eigener Entlastung des Verkehrssicherungspflichtigen delegiert werden können. Voraussetzung des Übergangs der Verkehrssicherungspflicht ist aber, dass die Übertragung klar und eindeutig vereinbart ist (vgl. BGH, NJW 2008, 1440 [BGH 22.01.2008 - VI ZR 126/07]. 1996, 2646). Soweit auf eine ausdrückliche Vereinbarung in der Rechtsprechung verzichtet worden ist, betrifft dies, soweit ersichtlich, andere Fälle, insbesondere solche, in denen zwischen dem ursprünglich und dem später Verkehrssicherungspflichten ohnehin Abreden bestehen, wie etwa im Verhältnis von Bauherr und Bauunternehmer (vgl. OLG Celle, 9 U 74/04, Urteil vom 2. Februar 2005, zitiert nach juris). Maßstab ist, dass die Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sichergestellt sein muss (vgl. BGH, NJW 1996, 2646 [BGH 04.06.1996 - VI ZR 75/95]). Sind Verkehrssicherungspflichten wirksam delegiert worden, verkürzen sich die Verkehrssicherungspflichten des ursprünglich Verantwortlichen auf Kontroll und Überwachungspflichten (vgl. BGH, NJW 2008, 1440 [BGH 22.01.2008 - VI ZR 126/07]).
Zwar gibt es keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, dass Verkehrssicherungspflichten auf einen Hauswart übertragen werden (siehe auch LG Karlsruhe, 2 O 324/06, Urteil vom 30. Mai 2006, zitiert nach juris). Damit geht es insoweit nur noch um die Frage, welche inhaltlichen Anforderungen an eine wirksame Übertragung von Verkehrssicherungspflichten zu stellen sind. In dem zwischen dem Beklagten und dem Zeugen S. geschlossenen Hauswartvertrag heißt es, dass der Zeuge S. ab 1. Oktober 2005 die Aufgaben eines Hauswarts für die dort genannten Wohnhäuser, darunter auch das hier in Rede stehende Anwesen S.weg Nr. ..., übernimmt. Zu den - umfangreichen - Aufgaben des Hauswarts gehören danach u. a. das Rasenmähen, Fegen, Räumen und Streuen sowie ´die allgemeine Gebäudeaufsicht hinsichtlich der baulichen Instandhaltung, sachgemäßen Benutzung durch die Mieter und sonstigen Benutzer sowie die Aufrechterhaltung von Ordnung und Sauberkeit gemäß der Hausordnung´. Festgestellte Mängel und Schäden teile der Hauswart dem Hauseigentümer alsbald mit. bei Unfallgefahr sofort - möglichst telefonisch . Bei Urlaub oder sonstiger Verhinderung sorge der Hauswart selbstständig für eine Vertretung, ohne dass dem Beklagten hieraus Kosten entstehen. Der Hauswart übe seine Tätigkeit in eigener Zeiteinteilung und eigener Verantwortung aus. Der Beklagte hat dazu die Auffassung vertreten, es habe eine klare und eindeutige Absprache zwischen ihm und dem Zeugen S. gegeben, welche Kontrollen und Maßnahmen von dem Zeugen S. durchzuführen seien, um Gefahren für die Mieter (um die es hier aber gar nicht geht) zu vermeiden. Von einer klaren und eindeutigen Absprache in Gestalt des Hauswartvertrages kann nicht die Rede sein. Welche Maßnahmen der Zeuge S. im Einzelnen vorzunehmen hatte, findet sich in dem Vertrag, der hinsichtlich der Gebäudeaufsicht nur eine sehr pauschale Regelung trifft, gerade nicht. So hat das OLG Nürnberg (NJWRR 2001, 1106, 1107) eine klare Absprache verneint in einem Fall, in dem die verkehrssicherungspflichtige Beklagte zur Begründung einer Übertragung nur auf ihre Hallenordnung verweisen konnte, in der es zur Sicherheit der Geräte nur eine allgemeine Aussage gab. Der BGH hat eine in einem Mietvertrag enthaltene Regelung, wonach die ´Instandhaltung, Ausbesserungen an der Mietsache sowie sonstige Vorkehrungen, die zur Erfüllung des Mietzwecks erforderlich sind´, vom Mieter übernommen werden, für eine nicht ausreichend klare Absprache gehalten (NJW 1996, 2646 [BGH 04.06.1996 - VI ZR 75/95], [BGH 04.06.1996 - VI ZR 75/95] unter II. 1.).
Maßstab muss sein, ob die Ausschaltung von Gefahren zuverlässig sichergestellt ist. Dies lässt keine generelle Beantwortung der Frage nach den an den Inhalt von Übertragungsvereinbarungen zu stellenden Anforderungen zu. Abzustellen ist vielmehr auf den jeweiligen Einzelfall. Bedeutung kommt dem Umstand zu, wie umfangreich die Gefahren sind, derer sich der eigentlich Verkehrssicherungspflichtige zu entledigen gedenkt. Es macht einen Unterschied, ob Verkehrssicherungspflichtigen für ein kleines Grundstück oder für einen großen Gebäudekomplex bzw. eine Vielzahl von Grundstücken übertragen werden. Vorliegend wurde dem Zeugen S. mit dem in Rede stehenden Vertrag die Verkehrssicherung für mehr als 20 (!) (Mehrfamilien)Häuser, außerdem Läden und Garagen, übertragen. Dagegen, dass den Anforderungen durch den Vertrag genügt ist, spricht weiter, dass - vom Beklagten - nichts dafür vorgetragen ist, dass der Zeuge S., nach seinen Angaben Rentner, Erfahrungen mit der Tätigkeit als Hauswart hat. Von einem gewerblichen Unternehmen, das gerade wegen seiner Sachkunde beauftragt wird, wird erwartet werden können, und darf der eigentlich Verkehrssicherungspflichtige erwarten, dass ein solches professionelles Unternehmen selbst weiß, was zu tun ist, so dass eine genauere Aufschlüsselung der Aufgaben entbehrlich erscheint (s. a. BGH, NJW 1993, 1647, 1648 [BGH 05.11.1992 - III ZR 91/91], unter II. 4. c). Für einen ´Laien´ gilt dies aber nicht. Es ist weiter von Bedeutung, dass der Zeuge S. für seine Tätigkeit als Hauswart nur ein Entgelt dergestalt erhielt, dass er in einer 48 m2 Wohnung mit zwei Zimmern frei wohnen durfte (nur Grundmiete). Für eine Vertretung bei Urlaub oder Krankheit hatte der Zeuge S. selbst und auf eigene Kosten zu sorgen. Bemisst man den Mietwert mit 250 bis 300 €, so erhielt der Zeuge S. für seine Tätigkeit für jedes Haus kaum mehr als 10 € im Monat. Das lässt Rückschlüsse darauf zu, in welchem Umfang überhaupt vom Zeugen Leistungen erwartet wurden. Mit anderen Worten: Es blieb neben den ausdrücklich übertragenen Tätigkeiten wie insbesondere Schneeräumen, Streuen, Rasenmähen und Fegen praktisch keine Zeit für darüber hinausgehende Verrichtungen, die - wie vorliegender Sachverhalt zeigt - zur Gefährdung Dritter aber nötig gewesen wären. Der Zeuge S. hatte offenbar auch keinen festen Plan, den er in bestimmten Abständen abgearbeitet hätte. Es heißt in seiner Aussage vor dem Landgericht vielmehr, die Außenanlagen habe er ´vielleicht einmal im Monat´ kontrolliert. Den Rost habe er vor dem Unfall nicht kontrolliert. Vor dem Unfall sei er auch nicht über den Rost gegangen. Es habe ihm auch keiner etwas wegen des Rostes gesagt. Die Aussage des Zeugen St., der nach seinen Angaben zur Zeit des Unfalls seit zwei Monaten im S.weg ... wohnte, belegt, dass der zum Sturz führende Mangel nicht erst unmittelbar vor dem Sturz entstanden war. er sei deswegen ´immer an der Seite langgegangen´.
Der Vortrag des Beklagten zu einer Besprechung des Vertrages am 26. September 2005 (Bl. 149 f.) ist nahezu substanzlos. Beweisangebote ersetzen hier wie auch sonst den erforderlichen Sachvortrag nicht.
Betrachtet man das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung aus dem Hauswartvertrag, zeigt sich ein aus den genannten Gründen grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung. Dieses dürfte wie auch sonst beim Austauschvertrag den Schluss auf die verwerfliche Gesinnung rechtfertigen (vgl. BGH, NJW 1992, 899, 900 [BGH 08.11.1991 - V ZR 260/90]. 2002, 429, 432) und damit die Annahme der Sittenwidrigkeit des Vertrages begründen (§ 138 Abs. 1 BGB). Es ist aber schon nicht entscheidend, ob der Vertrag mit dem primär Verkehrssicherungspflichtigen rechtswirksam zustande gekommen ist. Entscheidend ist vielmehr, dass der in die Verkehrssicherungspflicht Eintretende faktisch die Verkehrssicherung für den Gefahrenbereich übernimmt und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch den primär Verkehrssicherungspflichtigen unterbleiben, weil sich dieser auf das Tätigwerden des Beauftragten verlässt (vgl. BGH, NJW 2008, 1440 [BGH 22.01.2008 - VI ZR 126/07]). Das kann aber dahinstehen, weil es auf die formale Wirksamkeit einer Absprache von vornherein nicht ankommt und ansonsten auch im Falle der Nichtigkeit es an einer wirksamen, den Beklagten entlastenden Übertragung der Verkehrssicherungspflichten fehlte.
c) Nur der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass der Beklagte den ihm im Falle einer wirksamen Übertragung der Verkehrssicherungspflichten noch verbliebenen Pflichten ebenfalls nicht nachgekommen ist. Sind Verkehrssicherungspflichten wirksam delegiert worden, verkürzen sich die Verkehrssicherungspflichten des ursprünglich Verantwortlichen auf Kontroll und Überwachungspflichten (vgl. BGH, NJW 2008, 1440 [BGH 22.01.2008 - VI ZR 126/07]). Entsprechender Vortrag zu einer Pflichtverletzung insoweit oblag der Klägerin. Diese hat sich auf S. 7 ihrer Berufungsbegründung damit begnügt vorzutragen, das Landgericht habe die Kontrollpflichten des Beklagten unberücksichtigt gelassen. Dem lässt sich im Wege der Auslegung aber entnehmen, dass die Klägerin eine Pflichtverletzung des Beklagten vortragen will (s. a. bereits Bl. 52). Dann war es Sache des Beklagten darzulegen, welche Kontroll und Überwachungsmaßnahmen er getroffen haben will. Daran fehlt es. Er verteidigt sich vielmehr damit, es sei nur eine Sichtkontrolle geschuldet gewesen. Bei einer solchen habe auch er selbst den Mangel nicht erkennen können. Damit ist aber nur wieder die Frage aufgeworfen, ob eine Sichtkontrolle genügte, was aus den obengenannten Gründen ohnehin nicht der Fall ist.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.