Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.09.2012, Az.: L 1 KR 383/11

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
27.09.2012
Aktenzeichen
L 1 KR 383/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44350
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 28.07.2011 - AZ: S 3 KR 11/07

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 28. Juli 2011 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.231, 53 € für die stationäre Behandlung der Versicherten I. in der Zeit vom 19. Januar 2006 bis 3. Februar 2006 nebst 2 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab 22. Februar 2006 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Der Streitwert wird auf 6.231, 53 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Vergütung von stationärer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin, die J. -Kliniken - Marienhospital K., behandelten in der Zeit vom 19. Januar 2006 bis zum 3. Februar 2006 die am 8. Juni 1935 geborene Versicherte der Beklagten L.. Die Klägerin  führte bei dieser einen Endoprotheseneingriff am Kniegelenk durch und stellte der Beklagten dafür am 7. Februar 2006 6.251,53 € in Rechnung (DRG I44B, OPS -Code 5-822.01).

Die Klägerin hatte in den Jahren 2003 66 Kniegelenks-Totalendoprothesen (Knie-TEP), 2004 64 und 2005 35 durchgeführt. Im Jahr  2006 führte sie 18 Knie-TEP durch.

Die Beklagte lehnte eine Vergütung ab.

Die Klägerin erhob am 9. Januar 2007 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück. Sie führte aus, dass die Beklagte auf die Zahlungsaufforderung der Klägerin ohne Angaben von Gründen den Rechnungsausgleich verweigert habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) würde der Vergütungsanspruch unabhängig davon eintreten, ob ein Prüfungsverfahren zur Notwendigkeit und Dauer einer Krankenhausbehandlung noch eingeleitet werden solle oder ein solches noch nicht abgeschlossen sei.

Die Beklagte wies darauf hin, dass sie keine Kostenübernahmeerklärung abgegeben habe, weil die Leistung außerhalb des Versorgungsauftrages des Marienhospitals K. gelegen habe. Der Sicherstellungsvertrag nach § 112 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe nur Gültigkeit für Leistungen, die sich im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses bewegten. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Auf der Grundlage des § 137 Abs. 1 Nr. 3 SGB V  habe der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) am 16. August 2005 beschlossen, für die Leistung „Kniegelenk-Totalendoprothese (Knie-TEP)“ ab dem 1. Januar 2006 eine verbindliche Mindestmenge von 50 Eingriffen pro Krankenhaus pro Jahr festzulegen. Eine Übergangsregelung habe vorgesehen, dass Krankenhäuser, die knapp unter dieser Menge gelegen hätten (40 bis 49 Eingriffe pro Jahr) und im BQS-Verfahren zur stationären Qualitätssicherung 2004 die geforderten Kriterien erfüllt hätten, die Leistung 2006 noch hätten erbringen und abrechnen dürfen. Bei der Klägerin seien im Jahre 2005 nach eigenen Angaben lediglich 35 Knie-TEPs implantiert. Auf die näheren Gründe komme es nicht an. Die Übergangsregelung, die 40 bis 49 Eingriffe vorsehe, finde keine Anwendung. Der Grenzwert des GBA sei sachgerecht und werde von der Klägerin nicht erfüllt. Ausnahmetatbestände nach § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB V oder § 137 Abs.1 Satz 5 SGB V lägen nicht vor.

Das SG Osnabrück hat die Klage mit Urteil vom 28. Juli 2011 abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Klägerin stehe der Vergütungsanspruch nicht zu. Dem grundsätzlich gegebenen Vergütungsanspruch bei Erbringung stationärer Leistungen stehe die Nichteinhaltung der Mindestmengenregelung (§ 137 Abs. 1 Satz 4 SGB V) entgegen.

Die Klägerin sei ein zugelassenes Krankenhaus im Sinne des § 108 SGB V. Sie habe die für Kniegelenk-TEP festgelegte Mindestmenge von 50 Eingriffen pro Krankenhaus und Jahr, die vom GBA im August 2005 festgelegt worden sei, nicht eingehalten. Es sei  zu einem kontinuierlichen Rückgang der entsprechenden Eingriffe gekommen. Nachdem die Klägerin 2003 noch 66 x, 2004 64 x und 2005 35 x Knie-TEP durchgeführt habe, sei diese Zahl in 2006 noch weiter herabgesunken. Von der Beklagten sei dazu ua. angegeben worden, dass die Klägerin im Jahresverlauf 2006 die DRG I44a (Implantation einer bikondylären Endoprothese oder andere Endoprothesenimplantation/-revison am Kniegelenk mit äußerst schweren CC) 12-mal und die Leistung I44b (Implantation einer bikondylären Endoprothese oder andere Endoprothesenimplantation/-revision am Kniegelenk ohne äußerst schwere CC) 6-mal erbracht habe.

Das Gericht teile die Auffassung der Beklagten, dass das Nichtüberschreiten der Mindestmenge für 2006 auch vorhersehbar gewesen sei. Bereits von 2004 zu 2005 habe sich die Zahl der Eingriffe fast halbiert und zudem auch unter dem Schwellenwert (ab 40 Eingriffe) gelegen, ab dem noch eine Übergangsregelung gegolten habe. Das Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 31. Januar 2006 belege, dass die Klägerin selbst nicht mit einem Erreichen der Mindestmenge gerechnet habe. Sie habe nämlich um eine Sonderregelung für das Jahr 2006 gebeten. Sie sei damit also selbst der Auffassung gewesen, dass die geforderte Mindestmenge nicht erreicht würde, denn anderenfalls hätte es der Bitte bzw. dem Antrag auf eine solche Sonderregelung nicht bedurft.

Auch der Qualitätsbericht der Klägerin 2007 für das Berichtsjahr 2006 zeige, dass schon längst innerhalb der MKA eine Spezialisierung vorgenommen worden sei. Laut diesem Bericht werde die Kniegelenk-TEP nicht mehr bei der Klägerin erbracht, sondern sei im Schwesterkrankenhaus Franziskus-Hospital M. (N.) gebündelt gewesen. Dass eine solche Bündelung von Leistungen schon längst eingeleitet worden sei, zeigten auch die von der Beklagten genannten Zahlen bezüglich der im selben Zeitraum erfolgten Knie-TEP im Franziskus-Hospital. In den Jahren 2003 bis 2006 hätten die Zahlen für diese Eingriffe zwischen 400 und 500 Eingriffen pro Jahr gelegen. Die zwischen den Beteiligten getroffene Entgeltvereinbarung für das Jahr 2006 vom 21. November 2006 markiere lediglich das ausdrückliche Ende. Aus dieser Vereinbarung könne nicht gefolgert werden, dass bis November 2006, also bis zum Abschluss dieser Entgeltvereinbarung, nicht zu erkennen gewesen sei, dass die Mindestmenge nicht erreicht werde. Dies habe vielmehr schon zu Beginn des Jahres 2006 festgestanden. Da die Mindestmengenvereinbarung gemäß § 137 Abs. 2 Satz 1 SGB V für zugelassene Krankenhäuser unmittelbar verbindlich sei und gemäß Satz 2 dieser Vorschrift Vorrang vor Verträgen nach § 112 Abs. 1 SGB V habe, brauche nicht mehr darauf eingegangen zu werden, inwieweit die unstreitig erbrachte Leistung vom Versorgungsauftrag der Klägerin gedeckt werde oder nicht.

Gegen das am 8. August 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10. August 2011 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen erhoben. Sie hat auf ein zusprechendes Urteil des SG Osnabrück vom 19. Mai 2011 - S 13 KR 9/07 - Bezug genommen, in dem der Sachverhalt umfassend ermittelt und dargestellt worden sei. Aus dem Schreiben vom 31. Januar 2006 sei keinesfalls zu entnehmen, dass die Klägerin selbst nicht mit einem Erreichen der Mindestmenge gerechnet habe. Es habe sich lediglich um ein Antwortschreiben auf eine Anfrage der Beklagten vom 13. Januar 2006 gehandelt. In dem Schreiben würden die Gründe für den Rückgang der Knie-TEPs im Kalenderjahr 2005 auf 35 Fälle ausführlich dargelegt.

Im Kalenderjahr 2005 sei es aufgrund eines integrierten Versorgungsvertrages für Hüft-TEPs zu Konfrontationen mit den niedergelassenen Orthopäden als Krankenhauseinweiser gekommen. Diese Konfrontation habe sich auch auf das Einweisungsverhalten für Knie-TEPs durchgeschlagen. Trotz dieser Konflikte sei die Klägerin immerhin auf 35 Knie-TEPs, also nur 5 unterhalb der Übergangsregelung von 40, gekommen. Sie habe zu Beginn des Kalenderjahres 2006 darauf vertrauen dürfen, die Mindestmenge im Kalenderjahr 2006 wieder zu erreichen. Die gegenteilige Auslegung des SG Osnabrück widerspreche dem eindeutigen Wortlaut und Inhalt dieses Schreibens.

§ 137 Abs. 1 Satz 4 SGB V in der streitgegenständlichen Fassung lautete, wenn die nach S. 3 Nr. 3 erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht werde, dürften ab dem Jahr 2004 entsprechende Leistungen nicht erbracht werden. Von einer Voraussichtlichkeit könne jedoch auf der Grundlage des Schreibens vom 31. Januar 2006 überhaupt keine Rede sein. Auch die Mutmaßung, dass schon längst eine Spezialisierung erfolgt sei, sei unzutreffend. Die Entscheidung zur Einstellung der Leistung am Marienhospital K. und Konzentrierung der Leistung auf das Franziskus-Hospital M. sei erst Mitte 2006 gefallen und erst am 20. Oktober 2006 in der 21. Aufsichtsratssitzung bestätigt worden. Aus dem eindeutigen Wortlaut der Entgeltvereinbarung für das Kalenderjahr 2006 ergebe sich, dass die Leistungserbringung in Abstimmung mit den Krankenkassen im Laufe des Jahres eingestellt worden sei. Einer solchen Übergangsregelung hätte es nicht bedurft, wenn die Leistungserbringung aus Sicht der Beklagten von Anfang an ausgeschlossen gewesen wäre.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 28. Juli 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.251,53 € für die stationäre Behandlung der Versicherten  L. (Aufnahme-Nr. 10603036) nebst 2 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 22. Februar 2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese hat vorgelegen und ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung geworden.

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig. Sie ist auch begründet.

Die Klägerin kann von der Beklagten die Zahlung von 6.251,53 € für die stationäre Behandlung der Versicherten  L. in der Zeit vom 19. Januar 2006 bis 3. Februar 2006 verlangen.

Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs 5 SGG zulässig. Die Klage eines Krankenhausträgers gegen eine Krankenkasse auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten ist ein Streit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, ein Vorverfahren nicht durchzuführen  und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten ist (vgl. ständige Rechtsprechung des BSG, z.B Urteil vom 30. Juni 2009 - B 1 KR 24/08 R mwN). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert (vgl. BSG aaO.).

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruches ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. dem Sicherstellungsvertrag nach § 112 Abs. 2 zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG entsteht die Zahlungsverpflichtung einer gesetzlichen Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den bei ihr versicherten Patienten. Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, wenn die Versorgung im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich gewesen ist.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung ist von der Beklagten zu keiner Zeit  bestritten worden.

Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist nicht wegen § 137 SGB V ausgeschlossen.

Nach § 137 Abs. 1 Satz 1 SGB in der vom 1. Januar 2004 bis 30. Juni 2008 geltenden Fassung beschließt der GBA unter Beteiligung des Verbandes der privaten Krankenversicherung, der Bundesärztekammer sowie der Berufsorganisationen der Krankenpflegeberufe Maßnahmen der Qualitätssicherung für nach § 108 zugelassene Krankenhäuser einheitlich für alle Patienten. Nach § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB V regeln  die Beschlüsse nach Satz 1 insbesondere einen Katalog planbarer Leistungen nach den §§ 17 und 17 b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, bei denen die Qualität des Behandlungsergebnisses im besonderen Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist, Mindestmengen für die jeweiligen Leistungen je Arzt oder Krankenhaus und Ausnahmetatbestände. Nach § 137 Abs. 1 Satz 4 SGB V dürfen entsprechende Leistungen nicht erbracht werden, wenn die nach Satz 1 Nr. 2 erforderliche Mindestmenge bei planbaren Leistungen voraussichtlich nicht erreicht wird.

Bei der Festlegung von Mindestmengen wird davon ausgegangen, dass die Erfahrung der Leistungserbringer mit höheren Behandlungszahlen sich auf die Qualität der Leistung auswirkt. Die Mindestmenge dient der Zentralisierung von Leistungen zugunsten einer höheren Spezialisierung (vgl. Roters, Kasseler Kommentar, Band 1, § 137 Rdnr. 34). Die Steuerung über Mindestmengen ist damit ein Instrument der Qualitätssicherung. Maßgeblich war die Einschätzung aufgrund verschiedener Studien, dass es einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der durchgeführten Operationen und der Qualität der Behandlungsergebnisse gibt. Das BSG hat entschieden, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 137 Abs 3 Satz 1 Nr. 2 SGB V in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise davon ausgegangen ist, dass die Leistungserbringung im Krankenhaus neben weiteren Anforderungen zur Qualitätssicherung unter besonderen Voraussetzungen auch an die Einhaltung von Mindestmengen geknüpft werden darf (vgl. BSG, Terminsbericht Nr. 48/12 zur Sitzung vom 12. September 2012).

Auf der Grundlage des § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB V hatte der GBA am 16. August 2005 beschlossen, für die Leistung „Kniegelenk-Totalendoprothese (Knie-TEP)“ ab 1. Januar 2006 eine verbindliche Mindestmenge von 50 Eingriffen pro Krankenhaus pro Jahr festzulegen.  Dabei hat der GBA  in Hinblick auf die nach der Verfahrensordnung  jeweils spätestens bis zum 31. August eines Jahres zu treffende Entscheidung über die Einführung von Mindestmengen einen konkreten Schwellenwert für den Bereich der Kniegelenks-TEP bereits vor der Vorlage des Schlussberichtes des IQWiG festgelegt und sich vorbehalten, diesen Wert ggf. zu korrigieren (dazu BSG, Terminvorschau Nr. 48/12). Eine Übergangsregelung sah vor, dass Krankenhäuser, die 2005 knapp unter dieser Menge lagen (40 bis 49 Eingriffe pro Jahr) und die die Verfahren zur stationären Qualitätssicherung 2004 erfüllt hatten, die Leistung 2006 jedenfalls noch erbringen durften.

Es ist bereits fraglich, ob die Entscheidung des GBA, die Mindestmenge auf 50 Operationen pro Jahr pro Krankenhaus festzulegen, in Anbetracht der zur Verfügung stehenden Studienlage vertretbar war (vgl. BSG, Terminsbericht vom 12. September 2012). Diese Frage  kann hier jedoch dahinstehen, denn  die Klägerin musste Anfang 2006  nicht davon ausgehen, dass sie diese Mindestmenge voraussichtlich nicht erreichen wird.

Nach dem Wortlaut des § 137 Abs 1 Satz 4 SGB V a.F. darf ein Krankenhaus, das festgelegte Mindestmengen voraussichtlich nicht erreichen wird,  die Leistung nicht erbringen. Damit wird das Leistungsverbot auf eine Vermutung begründet. Die Vorhersage ist von den Pflegesatzpartnern bei der prospektiven Verhandlung des Budgets zu treffen und wird maßgeblich durch die Fallzahlen des Vorjahres bestimmt  (vgl. Roters, aaO.).

Im vorliegenden Fall konnte die Klägerin Anfang 2006 nicht  davon ausgehen, dass  sie voraussichtlich im Jahre 2006 die Mindestmenge nicht erreichen wird. In den Jahren 2003 und 2004 hatte die Klägerin 66 sowie 64 -und damit deutlich über 50- Knie-TEPs -durchgeführt. Dass im Jahre 2005 lediglich 35 Fälle behandelt wurden, lag, wie die Klägerin nachvollziehbar dargelegt hat, an einer Konfrontation mit den niedergelassenen Orthopäden als Krankenhauseinweiser aufgrund eines integrierten Versorgungsvertrages für Hüft-TEPs. Diese Konfrontation schlug nach ihrem Vorbringen auf das Einweisungsverhalten der niedergelassenen Orthopäden für Knie-TEPs durch und wurde erst im September 2005 beigelegt. Diesen Sachverhalt hat die Klägerin der Beklagten auch im Schreiben vom 31. Januar 2006 mitgeteilt und damit begründet, dass sie im Jahr 2005 aus diesem Grunde nur 35 Knie-TEPs einsetzen konnte. Sie hat in diesem Schreiben darauf hingewiesen, dass sie aufgrund der Gespräche mit den niedergelassenen Orthopäden und dem prognostizierten Versorgungsbedarf wieder davon ausgehe, 2006 die Mindestmenge von 50 Knie-TEPs deutlich zu übertreffen.

Es kommt hier nicht darauf an, ob dass Einweisungsverhalten der niedergelassenen Orthopäden tatsächlich der Grund für den Rückgang war, sondern lediglich darauf, dass die Klägerin dies aus nachvollziehbaren Gründen annahm und aus ihrer Sicht davon ausgehen durfte, dass nach Beilegung dieses Konfliktes die Fallzahlen für Knie-TEP im Jahr 2006 wieder ansteigen würden. Die Klägerin hat der Beklagten mit Schreiben vom 31. Januar 2006, also zum Zeitpunkt der Durchführung der hier streitigen Leistung vom 19. Januar 2006 bis 3. Februar 2006, auch  ausdrücklich mitgeteilt, dass sie die vorgegebene Mindestmenge in den darin aufgeführten Leistungen (ausdrücklich auch Knie-Totalendoprothesen) erreichen oder überschreiten werde.

Entgegen der Ansicht der Beklagten und des SG lässt sich aus dem Schreiben vom 31. Januar 2006 nicht entnehmen, dass die Klägerin eine Sonderregelung beantrage, weil sie selbst nicht mit dem Erreichen der Mindestmenge für 2006 gerechnet habe. Aus diesem Schreiben ergibt sich bei verständiger Würdigung vielmehr, dass die Klägerin um eine Sonderregelung bat, weil sie im Jahr 2005 aufgrund des Konfliktes mit den niedergelassenen Orthopäden  nicht 40, sondern nur 35 Knie TEP durchgeführt hat. Sie schreibt darin ausdrücklich "aufgrund der Gespräche mit den niedergelassenen Orthopäden und dem prognostizierten Versorgungsbedarf gehen wir fest davon aus, in 2006 die Mindestmenge von 50 Knie TEPs deutlich zu übertreffen".

Aus dem Qualitätsbericht der Klägerin für 2007 lässt sich ebenfalls nicht schließen, dass die Klägerin bereits Anfang 2006 davon ausgehen musste,  dass sie die Mindestmenge nicht erreichen werde, denn dieser beschreibt im Jahre 2007 die Situation des gesamten Jahres 2006.

Auch aus dem Umstand, dass bereits eine Schwerpunktbildung durchgeführt worden war, ergibt sich nichts Anderes. Das Franziskus-Hospital M. hatte auch in den Jahren 2003, 2004, 2005 bereits deutlich mehr, nämlich 395, 493, 415 Knie TEP durchgeführt,  gleichwohl hatte die Klägerin in den Jahren 2003 und 2004 66 und 64 Knie TEP vorgenommen.  Aus der Verringerung der Zahlen des Franziskus-Hospitals für 2004 und 2005 von 493 TEP auf 415 TEP lässt sich eher eine Bestätigung des Vortrages der Klägerin zum Einweisungsverhalten der niedergelassenen Orthopäden im Jahre 2005 ableiten.

Die Entscheidung zur gesamten Einstellung der Leistung bei der Klägerin und zur Konzentrierung dieser Leistung auf das Franziskus-Hospital M. fiel ausweislich der vorgelegten Unterlagen erst Mitte 2006 und wurde erst in der Aufsichtsratsitzung am 20. Oktober 2006 bestätigt. Die Klägerin hat bis 12. Juli 2006 noch KnieTEP durchgeführt (vgl. Schreiben vom 19. April 2011).

Auch aus § 5 b der zwischen der Klägerin und der Beklagten abgeschlossenen Entgeltvereinbarung ergibt sich, dass die Leistung Knie TEP erst im Laufe des Jahres 2006 eingestellt worden ist.

Nach allem durfte die Klägerin zu Jahresanfang 2006 davon ausgehen, dass die erforderliche Mindestmenge voraussichtlich noch erreicht wird, so dass die Anfang des Jahres 2006 durchgeführte Behandlung der Versicherten I. von der Beklagten zu vergüten ist.

Soweit die Beklagte jetzt meint, dass die streitige Leistung sowieso außerhalb des Versorgungsauftrages der Klägerin gelegen hat,  ist dies nicht nachvollziehbar. Die Klägerin hatte in den Jahren 2003 bis 2005 insgesamt 167 Knie TEP zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt, ohne dass nach den vorliegenden Unterlagen der fehlende Versorgungsauftrag von der Beklagten gerügt worden ist.

Dem Einwand der Beklagten steht jedenfalls der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Das BSG hat mehrfach ausgeführt, dass der Rechtsgedanke des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)  auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkasse einwirkt und zu berücksichtigen ist, dass die Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiten  und ihnen  die gegenseitigen Interessenstrukturen geläufig sind (vgl. BSG, Urteile vom 8. September 2009 - B 1 KR 11/09 R; 17. Dezember 2009 - B 3 KR 12/08 R ).

Es stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Frage, weshalb die Beteiligten  die Knie TEP in der Entgeltvereinbarung vom 23. November aufgeführt haben, wenn diese ohnehin nicht zum Versorgungsauftrag der Klägerin gehört haben sollen.

Im Übrigen geht der Senat auch davon aus, dass die beanstandete Operation zum Versorgungsauftrag der Klägerin gehört hat.

Der  Versorgungsauftrag eines Plankrankenhauses ergibt sich aus § 8 Abs 1 S. 4 Nr. 1 des Krankenhausentgeltgesetzes aus den Festlegungen des Krankenhausplanes  in Verbindung mit den Durchführungsbescheiden nach § 6 Abs 1 iVm § 8 Abs 1 Satz 3 KHG sowie einer ergänzenden Vereinbarungen nach § 109 Abs 1 Satz 4 SGB V.   Ausweislich des Vorbringens der Klägerin ist sie in dem entsprechenden Feststellungsbescheid in Verbindung mit dem Krankenhausplan Niedersachsen zur stationären Versorgung chirurgischer Krankheitsbilder zugelassen. Eine Differenzierung zwischen allgemeiner Chirurgie und Unfallchirurgie wird nicht vorgenommen. Die Beklagte hat mit  Schriftsatz vom 19. September 2012 bestätigt, dass die Klägerin im Krankenhausbedarfsplan des Landes Niedersachsen mit einer unfallchirurgischen Fachabteilung aufgenommen ist.

Maßgebend für die Zuordnung zur Unfallchirurgie ist die Weiterbildungsordnung (WBO) der Ärztekammer Niedersachsen vom 27. November 2004, in Kraft seit 1. Mai 2005. Danach werden  Unfallchirurgie und Orthopädie zusammengefasst. Die Behandlung von Funktionsstörungen und Erkrankungen der Stütz- und Bewegungsorgane und damit auch Knie TEP fallen unter die WBO für Unfallchirurgen/Orthopäden.  Eine trennscharfe Differenzierung  kann danach nicht vorgenommen werden (vgl so auch SG Hannover, Gerichtsbescheid vom 28. Juni 2010 - S 19 KR 641/09). Mit Schriftsatz vom 27. April 2011 hat die Beklagte auch  selbst darauf hingewiesen, dass  die Erkrankung von Stütz- und Bewegungsorganen zur Unfallchirurgie gehört.

Der Zinsanspruch folgt dem Grunde nach aus § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 291 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).  Er ist der Höhe nach gemäß § 13 Abs 7 des Niedersächsischen Landesvertrages auf 2 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz begrenzt (BSG, Urteil vom 8. September 2009 - B 1 KR 8/09 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.

Der Streitwert war gemäß §§ 47, 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz - GKG - festzusetzen.

Es hat kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).