Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 19.09.2012, Az.: L 2 KG 4/12

Doppelleistungen; Kindergeld; Unterhalt; Unterstützungsbedarf; Vollwaise

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
19.09.2012
Aktenzeichen
L 2 KG 4/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 44334
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 15.02.2012 - AZ: S 17 BK 5/11

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Anspruch einer in Berufsausbildung stehenden volljährigen Vollwaisen auf Gewährung von Kindergeld für sich selbst war nach der bis 2011 maßgeblichen Fassung des § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG auch dann ausgeschlossen, wenn ihre Einkünfte und Bezüge lediglich unter Einbeziehung ihrer Vollwaisenrentenbezüge den gesetzlichen Jahresgrenzbetrag von 8.004 Euro überschritten haben.

Tenor:

Das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 15. Februar 2012 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die beklagte Familienkasse wendet sich mit ihrer Berufung dagegen, dass das Sozialgericht (SG) Lüneburg sie zur Gewährung von Kindergeld an die am 2. November 1989 geborene Klägerin für den Zeitraum August bis Dezember 2010 verurteilt hat.

Die Klägerin ist Waise, nachdem ihr Vater am 26. September 2008 und ihre Mutter am 30. Juli 2010 verstorben sind. Seit dem Tode ihrer Mutter hat keine andere Person für die Klägerin Kindergeld bezogen.

Die Klägerin befand sich von August 2009 bis Juli 2012 in der Berufsausbildung zur Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten. Im ersten Ausbildungsjahr bezog sie eine Ausbildungsvergütung in Höhe von monatlich 310 € und im zweiten Ausbildungsjahr in Höhe von 325 €; die Beiträge zur Sozialversicherung sind in diesen beiden Jahren allein vom Ausbildungsbetrieb getragen worden.

Des Weiteren bezog die Klägerin 2010 von der Bundesagentur für Arbeit eine Berufsausbildungsbeihilfe in Höhe von monatlich 285 € (zuzüglich 26 € zur Abdeckung von ausbildungsbedingten Fahrtkosten).

In den Monaten Januar bis November 2010 bezog die Klägerin zunächst eine Halbwaisenrente in Höhe von monatlich 116,74 € netto. Unter Berücksichtigung des zwischenzeitlichen Todes der Mutter sprach ihr die Rentenversicherung mit Bescheid vom 5. Oktober 2010 ab Dezember 2010 eine monatliche Vollwaisenrente in Höhe von 284,47 € zu. Zugleich wurde der Klägerin für die Zeit vom 30. Juli 2010 bis 30. November 2010 eine Nachzahlung in Höhe von netto 689,27 € zuerkannt.

Den Antrag der Klägerin vom 20. August 2010 auf Gewährung von Kindergeld an sich selbst als Vollwaise lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Oktober 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2011 mit der Begründung ab, dass die eigenen Einkünfte der Klägerin im Jahr 2010 mit 8.320,88 € den gesetzlichen Grenzwert von 8004 € überschritten hätten.

Mit der am 31. März 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass ihre Einkünfte diesen Grenzbetrag nur unter Einbeziehung der Vollwaisenrente überschritten hätten. Richtigerweise müsse diese Rente jedoch ebenso wie von Eltern erbrachte Unterhaltszahlungen bei der Berechnung ihrer Einkünfte außer Betracht bleiben.

Mit Urteil vom 15. Februar 2012, der Beklagten zugestellt am 21. Februar 2012, hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin für die Monate August bis Dezember 2010 Kindergeld zu gewähren. Entsprechend der vom LSG Sachsen-Anhalt im Urteil vom 9. Oktober 2008 (L 2 KG 1/05) vertretenen Auffassung begründe der Bezug einer Vollwaisenrente keine kindergeldschädlichen Einkünfte oder Bezüge einer Vollwaisen. Wertungsmäßig seien Vollwaisenrentenzahlungen vielmehr wie von den Eltern des Kindes erbrachte Unterhaltszahlungen zu behandeln.

Mit ihrer am 9. März 2012 eingelegten Berufung macht die Beklagte demgegenüber unter Berufung insbesondere auf das Urteil des BFH vom 14. November 2000 (VI R 52/98 - BFHE 193, 453) geltend, dass auch Waisenrentenzahlungen bei der Ermittlung der kindergeldrechtlichen Einkommensgrenzen einzubeziehen seien.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 15. Februar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Vollwaisenrenten seien wie Unterhaltszahlungen noch lebender Eltern bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht zu berücksichtigen. Eine Vollwaise habe die Belastungen, die sonst die Eltern während seiner Ausbildung zu tragen hätten, selbst zu schultern. Sie sei damit durch Mehrbelastungen beschwert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten bedarf bei einem Wert des Beschwerdegegenstandes von 920 € (fünf Monate zu je 184 € gemäß § 6 Abs. 2 BKGG) nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) keiner Zulassung und erweist sich in der Sache als begründet. Richtigerweise hätte das Sozialgericht die Klage abweisen müssen, da die Klägerin im streitbetroffenen Zeitraum von August bis Dezember 2010 nicht die gesetzlich normierten Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld erfüllt hat.

Nach § 1 Abs. 2 BKGG erhält Kindergeld für sich selbst, wer

1. in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,

2. Vollwaise ist oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt und

3. nicht bei einer anderen Person als Kind zu berücksichtigen ist.

§ 2 Absatz 2 und 3 sowie die §§ 4 und 5 sind entsprechend anzuwenden. Im Fall des § 2 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 wird Kindergeld längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gewährt.

1. Die Klägerin erfüllte im streitbetroffenen Zeitraum die vorstehend erläuterten Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 BKGG; sie befand sich auch vor Vollendung des 25. Lebensjahres in einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 2 BKGG.

2. Der Anspruch auf Kindergeld scheitert jedoch daran, dass im Fall der Klägerin zugleich die Voraussetzungen der Ausschlussvorschrift des § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG (in der 2010 maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen [Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung] vom 16. Juli 2009, BGBl. I, 1959) vorlagen. Nach dieser Vorschrift wurde ein volljähriges Kind nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet waren, von nicht mehr als 8 004 Euro im Kalenderjahr hatte.

Die Klägerin hatte 2010 jedoch Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet waren, von mehr als 8004 €.

a. Als Einkünfte und Bezüge der Klägerin in diesem Sinne hat die Beklagte folgende 2010 von der Klägerin bezogene Einnahmen berücksichtigt:

Ausbildungsvergütung in der tatsächlich gezahlten Höhe von netto 3845 € (sieben Monate zu je 310 € und fünf Monate zu je 325 €, zuzüglich 50 € gezahltes Weihnachtsgeld),

Berufsausbildungsbeihilfe in der tatsächlich gezahlten Höhe von 3420 € (entsprechend monatlich 285 €; die darüber hinaus gewährten Fahrtkostenzuschüsse in Höhe von 26 € hat die Beklagte zugunsten der Klägerin nicht berücksichtigt),

Halbwaisenrentenzüge für die Monate Januar bis November 2010 in der tatsächlich gezahlten Höhe von netto 1.284,14 € sowie der Vollwaisenrentenbezug für Dezember 2010 in Höhe von netto 284,47 €.

Die tatsächlich in 2010 erbrachte Rentennachzahlung für die Zeit 30. Juli bis 30. November 2010 in Höhe von netto 689,27 €.

Von diesen Beträgen hat die Beklagte zugunsten der Klägerin, die in der Erklärung zu ihren Einkünften vom 10. Oktober 2010 das Vorliegen von Werbungskosten oder besonderen Ausbildungskosten ausdrücklich verneint hat, folgende Pauschsätze in Abzug gebracht: Arbeitnehmerpauschbetrag von 920 €, eine Kostenpauschale in Höhe von 180 € und einen Werbungskostenpauschbetrag für den Rentenbezug von 102 €. Auf dieser Grundlage verblieben Jahreseinnahmen in Höhe von 8320,88 €, die den erläuterten gesetzlichen Grenzbetrag von 8004 € überschritten haben.

b. Diese Berechnung der Beklagten lässt keine Verletzung von Rechten der Klägerin erkennen.

Namentlich bieten die gesetzlichen Vorgaben keine Grundlage, die bezogenen Einnahmen über die vorstehend aufgeführten von der Beklagten bereits in Ansatz gebrachten Abzugsbeträge hinaus um weitere Beträge zugunsten der Klägerin zu reduzieren.

Alle vorstehend von der Beklagten berücksichtigten tatsächlich von der Klägerin bezogenen Einnahmen waren auch augenscheinlich zur Bestreitung ihres Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet. Namentlich dient gerade die Gewährung sowohl von Halb- als auch von Vollwaisenrenten dem Ziel, einen (maßgeblichen) Beitrag zum Unterhalt der Waisen sicherzustellen (BSG, U.v. 17. April 2008 - B 13/4 R 49/06 R - SozR 4-2600 § 48 Nr 3).

Im Gegensatz zur Auffassung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt sieht der erkennende Senat (in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung des BFH, vgl. U.v. 14. November 2000 - VI R 52/98 - BFHE 193, 453) auch keine Grundlage, um abweichend von den klaren gesetzlichen Vorgaben den Vollwaisenrentenbezug bei der Ermittlung der maßgeblichen Einkünfte und Bezüge außer Betracht zu lassen.

Soweit das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt in seinem o.g. Urteil darauf abgehoben hat, dass Vollwaisen - anders als anderen erwachsenen Kindern in der Ausbildung - der familiäre Rückhalt eines Elternhauses fehle und ihnen damit "familientypische Leistungen", die über bezifferbare Unterhaltsansprüche hinausgingen, versperrt seien, weshalb sie solche Leistungen sich selbst am Markt beschaffen und dazu zusätzliche finanzielle Mittel aufbringen müssten, kann es darauf im Ergebnis nicht ankommen. Ausgehend von der Gesetzesbindung der Gerichte nach Art. 20 Abs. 3 GG kann es von vornherein nicht Aufgabe der Sozialgerichte sein, eigenverantwortlich abzuwägen, welche Sozialleistungen in welcher Höhe unter welchen Voraussetzungen für Vollwaisen als rechtspolitisch angemessen zu bewerten sein könnten. Diese Wertung obliegt vielmehr dem Gesetzgeber und wird von ihm in den gesetzlichen Bestimmungen zum Ausdruck gebracht.

Dabei steht es dem Gesetzgeber auch frei, seine maßgeblichen Wertungen zu korrigieren und diesen Auffassungswandel durch entsprechende Gesetzesänderungen nach Maßgabe ihres jeweiligen zeitlichen Geltungsbereiches zum Ausdruck zu bringen.

Schon in tatsächlicher Hinsicht ließe sich auch nur im Rahmen typisierender Betrachtungen angesichts der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse nur schwer überblicken, welche "familientypische Leistungen", die über bezifferbare Unterhaltsansprüche hinausgehen, von erwachsenen Auszubildenden üblicherweise bezogen werden mögen. Das Kind kann auch verarmte und kranke Eltern haben, welche "familientypische Leistungen" weniger zu seinen Gunsten erbringen, sondern eher von ihm erwarten. Soweit von Eltern erwachsener Kinder erbrachte familiäre Unterstützungsleistungen deren Förderung mit persönlicher Zuwendung und Rat betreffen, lassen sich vergleichbare Leistungen überdies ohnehin regelmäßig nicht "am Markt beschaffen".

Jedenfalls fehlt aber jeder greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber sich den angesprochenen Ansatz in dem Sinne zu eigen gemacht haben könnte, dass nur eine vom Gesetzeswortlaut abweichende Anwendung des § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG in seiner 2010 maßgeblichen Fassung dem im Rechtssinne maßgeblichen Willen des Gesetzgebers Rechnung tragen würde.

Mit der Einführung eines Kindergeldes für ein alleinstehendes Kind selbst (§ 1 Abs 2 BKGG) (seit Januar 1986) wollte der Gesetzgeber aus sozialen Erwägungen für alleinstehende Kinder eine neue eigenständige (Sozial-)Leistung einführen, soweit diese keine kindergeldberechtigten Bezugspersonen haben (vgl BT-Drucks 10/2563 S 3 f; BT-Drucks 10/3369 S 11; BT-Drucks 13/1558 S 16). Es handelt sich demnach um eine allein im BKGG enthaltene Sonderregelung, die abweichend vom dem Grundsatz, dass (sozialrechtliches und steuerrechtliches) Kindergeld nur Eltern oder elternähnlichen Personen gewährt wird, die Kinder in ihren Haushalt aufgenommen haben, einen Anspruch des Kindes selbst vorsieht (BSG, U.v. 19. Februar 2009 - B 10 KG 2/07 R - SozR 4-5870 § 1 Nr 2).

Vermittels der Einführung eines Kindergeldes für ein alleinstehendes Kind selbst wollte der Gesetzgeber in Ergänzung zu den sonstigen für diese Personengruppen vorgesehenen Sozialleistungen namentlich in Form der Vollwaisenrente gerade den besonderen Belastungen Rechnung tragen, denen sich diese Personen aufgrund ihrer Waisenstellung gegenübersehen.

Dabei hat der Gesetzgeber aber zugleich durch den ausdrücklichen Verweis in § 1 Abs. 2 Satz 2 BKGG auf die Regelung insbesondere des § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG (in der im streitbetroffenen Zeitraum maßgeblichen Fassung) klar zum Ausdruck gebracht, dass nicht alle volljährigen in Ausbildung befindlichen (unter 25jährigen) Vollwaisen einen eigenen Anspruch auf Kindergeld erlangen sollten, sondern nur solche mit (zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmten oder geeigneten) Einkünften und Bezügen von nicht mehr als 8004 € im Kalenderjahr. Er hat damit deutlich seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, dass er bei Überschreitung dieser Einkommensgrenze keinen rechtfertigenden Anlass für die Gewährung von Kindergeld an die Waise gesehen hat.

Zugleich hat der Gesetzgeber damit seinen Willen zur Vermeidung von Doppelleistungen zum Ausdruck gebracht. Soweit beispielsweise - wie auch im vorliegenden Fall - Berufsausbildungsbeihilfen zugunsten einer Waisen aufgrund ihrer unzureichenden eigenen Einkünfte gezahlt werden, dienen sie im Ergebnis naturgemäß auch dem Ausgleich des durch den Tod der Eltern entfallenden Unterhaltsanspruchs.

Der Gesetzgeber hat damit seinerzeit durch die bis 2011 maßgebliche Gesetzesfassung insbesondere klargestellt, dass er die mit dem Fehlen der Eltern verbundenen emotionalen Verluste als solche nicht für einen hinreichenden Grund für die Zuerkennung eines Kindergeldanspruchs erachtet hat, soweit das volljährige Kind über ausreichende eigene Einkünfte nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG verfügte.

Diese gesetzgeberische Wertung darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass abweichend vom Gesetzeswortlaut bei der Berechnung der Einkommensgrenze ein Teil der tatsächlich bezogenen (zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmten oder geeigneten) Einkünfte und Bezüge bei der Ermittlung des Grenzbetrages unberücksichtigt gelassen wird.

Auch sonst ist kein rechtfertigender Anlass ersichtlich, die tatsächlich erhaltenen Halb- und Vollwaisenrentenzahlungen außer Betracht zu lassen.

Von Verfassungs wegen war der Gesetzgeber ohnehin nicht verpflichtet, das Kindergeld für Waisen als neue eigenständige Leistung für alleinstehende Kinder einzuführen, zumal dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum, insbesondere was die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises und die Bezugsdauer der einzelnen Sozialleistung anbelangt, zuzubilligen ist (BSG, U.v. 19. Februar 2009 - B 10 KG 2/07 R - SozR 4-5870 § 1 Nr 2 mit weiteren Nachweisen insbesondere auch zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung). Hiervon ausgehend ist erst recht nicht erkennbar, dass die Verfassung seinen Regelungsspielraum in einem für die Klägerin günstigen Sinne einschränken könnte.

Ein Bezug auf eine Gleichbehandlung mit Kindern, deren Eltern noch leben (und deren Aufenthalt dem Kind bekannt ist), führt in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht weiter, weil solchen Kindern ohnehin kein eigener Anspruch auf Kindergeld zusteht.

Alleinstehende Kinder werden zudem erst gar nicht von dem Ausgangspunkt für die Gewährung von Kindergeld an die Eltern erfasst. Die Eltern sollen einen Teilausgleich für die wirtschaftliche Belastung erfahren, die diesen durch die Sorge für ihre Kinder entsteht (BSG, aaO). Eine solche Sorge für ein Kind und damit für eine andere Person fehlt jedoch in den Fallgruppen, in denen das Gesetz einem alleinstehenden Kind Kindergeld für sich selbst zuspricht.

Das alleinstehende Kind, dass für sich selbst Kindergeld begehrt, sieht sich keinem Unterstützungsbedarf eines Kindes, d.h. einer anderen Person, ausgesetzt und kann daher auch nicht aufgrund der Abdeckung eines solchen Bedarfs eine Teilentlastung durch die Gewährung von Kindergeld beanspruchen. Wenn das BKGG unter den dort im Einzelnen geregelten Voraussetzungen gleichwohl in bestimmten Fallgruppen auch einem alleinstehenden Kind einen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld an sich selbst einräumt, dann gebraucht es zwar denselben Begriff, in der Sache begründet es aber einen eigenständige Sozialleistung mit einer abweichenden Zielrichtung: Das dem alleinstehenden Kind für sich selbst gewährte Kindergeld soll nicht die mit der Sorge für ein anderes Kind verbunden Lasten abmildern, sondern einer eigenen (vom Gesetzgeber typisierend unterstellten) Hilfsbedürftigkeit des Kindes als Leistungsempfänger entgegenwirken.

Solange der Gesetzgeber nach der bis 2011 maßgeblichen Rechtslage diese Hilfsbedürftigkeit nur bei Unterschreitung der seinerzeit in § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG normierten Einkommensgrenze angenommen hat, war es sachgerecht und folgerichtig, dieses Einkommen auch unter Einbeziehung von Waisenrentenbezügen zu ermitteln. Dafür spricht auch gerade das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG: Wenn einem alleinstehenden volljährigen Kind ohne weitere Einkünfte mit beispielsweise einer (nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG zu berücksichtigenden) Ausbildungsvergütung von monatlich 700 € der Anspruch auf Kindergeld mangels Bedürftigkeit zu versagen war, dann wäre es jedenfalls äußerst bedenklich gewesen, wenn das Gesetz gleichwohl die Bedürftigkeit für Fallgestaltungen bejaht hätte, in denen das Kind neben einer zu berücksichtigenden Ausbildungsvergütung von beispielsweise 600 € noch eine Waisenrente von 300 € bezogen hätte und damit finanziell deutlich besser gestellt gewesen wäre als im ersten Beispielsfall.

Im Übrigen waren auch für die Zuerkennung von klassischen Kindergeldansprüchen an die Eltern nach der 2010 maßgeblichen Rechtslage Waisenrentenansprüche des Kindes nach Maßgabe der damaligen Fassung des § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG zulasten der Berechtigten zu berücksichtigen, wie dies etwa bei einem Halbwaisenrentenanspruch des Kindes und einem Kindergeldanspruch des anderen Elternteils oder bei einem Vollwaisenrentenanspruch des Kindes und einem Kindergeldanspruch eines Pflegeelternteils in Betracht kam.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben. Mit Art. 12 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1. November 2011 (BGBl. I, 2131) hat der Gesetzgeber die vorstehend herangezogene Einkommensgrenze in § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG a.F. mit Wirkung ab Januar 2012 aufgehoben. Damit betrifft die zu beurteilende Rechtsfrage außer Kraft getretenes Recht, so dass eine Klärungsbedürftigkeit im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu verneinen ist (vgl. dazu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 160, Rn. 8d).