Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.03.2017, Az.: 2 W 79/17

Pflicht des Gläubigers zur Tragung der Kosten der Ladung des Schuldners zur Abnahme der Vermögensauskunft

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
28.03.2017
Aktenzeichen
2 W 79/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 14609
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2017:0328.2W79.17.0A

Fundstellen

  • DGVZ 2017, 110-112
  • JurBüro 2017, 436-438

Amtlicher Leitsatz

Eine unrichtige Sachbehandlung des Gerichtsvollziehers bei der Ladung zur Abnahme der Vermögensauskunft liegt nicht bereits dann vor, wenn sich der Gerichtsvollzieher unter Ausübung seines Ermessens für die persönliche Zustellung entscheidet, obgleich der Gläubiger die Weisung erteilt hat, Zustellungen durch die Post durchzuführen.

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Gläubigerin vom 22. Februar 2017 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts B. vom 13. Februar 2017 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin aus einem Vollstreckungsbescheid des Kreisgerichts L.-Stadt vom 8. Dezember 1992 die Zwangsvollstreckung wegen einer Gesamtforderung von 8.557,66 €. Sie beauftragte mit Schriftsatz vom 15. September 2015 bei der Verteilerstelle für Gerichtsvollzieheraufträge bei dem Amtsgericht S. insbesondere die Abnahme der Vermögensauskunft gemäß § 802 c ZPO mit dem Zusatz:

"Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, alle erforderlichen Zustellungen durch die Post zu erledigen."

Der zuständige Obergerichtsvollzieher P. lud die Schuldnerin am 23. Oktober 2015 jedoch durch persönliche Zustellung zu dem auf den 11. November 2015 anberaumten Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft und nahm ihr in diesem Termin die Vermögensauskunft ab.

Am 11. November 2015 erteilte der Obergerichtsvollzieher der Gläubigerin die nachfolgende Kostenrechnung - DR II 1008/15 - nach § 5 Abs. 1 GvKostG:

KV 100 Zustellung

10,00 €

KV 260 Abn. Verm.Auskunft

33,00 €

KV 711 WG-Pauschale,/Z1

3,25 €

KV 716 Pausch.Auslagen

8,60 €

Insgesamt

54,85 €

Die Gläubigerin hat gegen den Ansatz der Gebühr gemäß KV 100 in Höhe von 10,00 € und den hierauf entfallenden Anteil der Auslagenpauschale gemäß KV 716 (2,00 €) Erinnerung mit der Begründung eingelegt, das Ermessen des Gerichtsvollziehers bei der Wahl der Art der Zustellung sei durch das Weisungsrecht der Gläubigerin verdrängt worden, so dass der Gerichtsvollzieher an die Weisung gebunden sei. Der Obergerichtsvollzieher P. hat in seiner Stellungnahme zur Erinnerung ausgeführt, die Art und Weise der Ausführung des Vollstreckungsauftrages unterliege nicht der Disposition des Gläubigers. Für eine effektive Vollstreckung sei nach seiner Erfahrung nach wie vor das Erscheinen des Gerichtsvollziehers vor Ort unabdingbar. Bei der persönlichen Zustellung bestehe zumindest die Möglichkeit, bereits frühzeitig Kontakt zu dem Schuldner aufzubauen, auch um so eine gütliche Erledigung des Auftrags einzuleiten und den Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft vorzubereiten.

Das Amtsgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 21. Januar 2016 zurückgewiesen und angenommen, dass es sich bei den entstandenen Zustellungsgebühren nicht um Kosten handele, die wegen einer unrichtigen Sachbehandlung nicht zu erheben wären.

Die zugelassene Beschwerde der Gläubigerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 13. Februar 2017 zurückgewiesen und gleichzeitig die weitere Beschwerde zugelassen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Ermessensausübung des Gerichtsvollziehers zwar nicht in fehlerfreier Weise erfolgt sei, weil das Ermessen des Gerichtsvollziehers bei einer ihm erteilten Weisung nahezu auf Null reduziert sei. Allerdings stelle die Ermessensausübung des Gerichtsvollziehers keine unrichtige Sachbehandlung dar, weil in dieser seit langem kontrovers diskutierten Frage mit den Beschlüssen der Oberlandesgerichte K. und K. vom 13. April und 20. Oktober 2015 zwei obergerichtliche Entscheidungen vorgelegen hätten, in denen sich die Oberlandesgerichte in dieser Kostenfrage unterschiedlich positioniert hätten. Danach könne von einem offensichtlichen Fehler im Sinne von § 7 Abs. 1 GvKostG nicht ausgegangen werden.

Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Gläubigerin, die weiterhin die Auffassung vertritt, dass durch die Anweisung des Gläubigers das Ermessen des Gerichtsvollziehers erheblich reduziert werde.

Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht B. verweist demgegenüber darauf, dass nach der Rechtsprechung des OLG F. eine ausdrückliche Weisung der Gläubigerin nicht zu einer Einschränkung der Ermessensauübung des Gerichtsvollziehers bei der Wahl der persönlichen Zustellung führe und dass auch das Oberlandesgerichts K. davon ausgehe, dass das Ermessen bei der Wahl der Zustellungsart durch eine Weisung der Gläubigerin nicht ausgeschlossen bzw. auf "Null" reduziert sei.

II.

Die gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG zulässige weitere Beschwerde hat, ist in der Sache nicht begründet.

Ohne Erfolg begehrt die Gläubigerin mit der weiteren Beschwerde die Aufhebung des Kostenansatzes des Gerichtsvollziehers in dessen Kostenrechnung vom 11. November 2015 hinsichtlich der Gebühr für die Zustellung der Ladung zur Vermögensauskunft gemäß Nr. 100 KVGv in Höhe von 10,00 € und die darauf entfallende Auslagenpauschale von 20 % (2,00 € von insgesamt angesetzten 8,60 €) gemäß Nr. 716 KVGv. Die Gläubigerin beanstandet nicht, dass diese Kosten entstanden und zutreffend berechnet worden sind.

Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht angenommen, dass eine teilweise Nichterhebung der entstandenen Kosten des Gerichtsvollziehers gemäß § 7 Abs. 1 GvKostG wegen unrichtiger Sachbehandlung nicht deshalb in Betracht komme, weil der Gerichtsvollzieher trotz der ihm im Vollstreckungsauftrag erteilten Weisung der Gläubigerin, alle erforderlichen Zustellungen durch die Post zu erledigen, die Zustellung der Ladung der Schuldnerin persönlich und nicht im Postwege vorgenommen hat.

Eine unrichtige Sachbehandlung läge nur vor, wenn der Gerichtsvollzieher gegen eine eindeutige gesetzliche Norm verstoßen hätte und soweit der Verstoß offen zutage tritt. Insbesondere kann eine unrichtige Sachbehandlung vorliegen, wenn der Gerichtsvollzieher mit der Entscheidung für die persönliche Zustellung eine völlig unhaltbare Rechtsbeurteilung vorgenommen hätte.

Davon kann indes im vorliegenden Fall nicht ansatzweise die Rede sein.

Die herrschende Meinung (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. Dezember 2016 - 12 W 2/16 - juris, Rn. 8 - 12 mwN; OLG Karlsruhe NJW-RR 2016, 1534 [OLG Karlsruhe 22.07.2016 - 11 W 66/16]; OLG Stuttgart, OGVZ 2016, 133, juris Rn. 12; OLG Köln Rpfleger 2016, 661) vertritt mit beachtlichen Erwägungen die Auffassung, dass der Gerichtsvollzieher die Wahl zwischen der Zustellung durch ihn selbst oder per Post nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen habe und dass aus einer Weisung des Gläubigers, die Zustellung durch die Post durchzuführen, keine Einschränkung des Ermessens des Gerichtsvollziehers dahingehend folge, dass er etwaige Weisungen des Gläubigers hinsichtlich der Art der Zustellung zu befolgen habe. Auch führe eine solche Weisung nach Auffassung des OLG F. (a.a.O.) zu keiner besonderen Bindung bei der Ermessensausübung, insbesondere in Gestalt einer Reduzierung des Ermessens auf Null. Für dieses Verständnis spricht auch die bundeseinheitlich geltende Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA). Die Regelung in § 21 Abs. 2 GVGA, der zufolge der Gerichtsvollzieher nach pflichtgemäßem Ermessen die Wahl zwischen der persönlichen Zustellung und der Zustellung durch die Post hat, sieht eine Einschränkung der Ermessensausübung des Gerichtsvollziehers im Falle eines Antrages des Gläubigers nur für den Fall zu, dass der Gläubiger die persönliche Zustellung beantragt hat, § 21 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 GVGA. Für die Zustellung durch die Post fehlt demgegenüber eine entsprechende Regelung über die Bindung des Gerichtsvollziehers an einen Antrag des Gläubigers auf Bewirkung der Zustellungen durch die Post.

Letztlich kommt es indes, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, nicht entscheidend darauf an, ob der herrschenden Meinung zu folgen ist oder ob die Rechtssauffassung des Landgerichts zutrifft, dass sich das Ermessen des Gerichtsvollziehers hinsichtlich der Art der Zustellung bei einer ihm erteilten Weisung nahezu auf Null reduziere.

Auch wenn die Gläubigerin sich auf zahlreiche landgerichtliche Entscheidungen bezieht, die sich für eine erhebliche Ermessensreduzierung des Gerichtsvollziehers im Falle einer Anweisung des Gläubigers aussprechen, fehlt es jedenfalls schon deshalb an einer unrichtigen Sachbehandlung, weil es um die Beurteilung einer streitigen Rechtsfrage geht (vgl. BGHZ 93, 213 Rn. 56 zur vergleichbaren Regelung in § 8 Abs. 1 GKG a.F.), so dass es dem Obergerichtsvollzieher P. nicht verwehrt war, im Einklang mit der herrschenden Auffassung im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens die persönliche Zustellung trotz der entgegenstehenden Weisung der Gläubigerin vorzunehmen.

Im vorliegenden Fall kann auch nicht etwa unter dem Gesichtspunkt eines Nichtgebrauchs des Ermessens von einer unrichtigen Sachbehandlung ausgegangen werden. Das Amtsgericht hat im Hinblick auf § 5 Abs. 2 GvKostG die Erinnerung der Gläubigerin zu Recht zum Anlass genommen, den Rechtsbehelf dem Gerichtsvollzieher vorzulegen, damit er ggfs. einen unrichtigen Kostenansatz berichtigen kann (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl., § 7 GvKostG, Rn. 6). Der Gerichtsvollzieher hat in seiner Stellungnahme vom 6. Januar 2016, auf die in dem Beschluss des Amtsgerichts vom 21. Januar 2016 Bezug genommen wird und deren wesentlicher Inhalt in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts wiedergegeben wird, seine Entscheidung für die persönliche Zustellung der Ladung in einer den Anforderungen an eine Ermessensausübung genügenden Weise rechtsfehlerfrei begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 66 Abs. 8 GKG, 5 Abs. 2 GvKostG.