Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 17.03.2010, Az.: 1 A 412/08
Vereinbarkeit der Erhebung von Erschwernisbeiträgen mit höherrangigem Recht; Erfordernis einer Härtefallregelung für den Einzelfall; Vereinbarkeit der Erhebung eines Mindestbeitrages in Fällen der Nichterreichung des Mindestbeitrages durch den Gesamtbeitrag eines Haushaltsjahres mit der Regelung über Zahlungsbefreiung lediglich Mindesbeitragspflichtiger vom Beitrag für Versiegelungen
Bibliographie
- Gericht
- VG Stade
- Datum
- 17.03.2010
- Aktenzeichen
- 1 A 412/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 13695
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGSTADE:2010:0317.1A412.08.0A
Rechtsgrundlagen
Verfahrensgegenstand
Unterhaltungsverbandsbeiträge
hier: Beitragsbescheid
Amtlicher Leitsatz
Die Erhebung von Erschwernisbeiträgen auf der Grundlage der im Liegenschaftskataster aufgeführten Bezeichnungen nach der Anlage 6 zum NWG ist mit höherrangigem Recht vereinbar.
Eine Härtefallregelung für den Einzelfall ist nicht erforderlich.
Eine Satzungsregelung, nach der ein Mindestbeitrag nur dann erhoben wird, wenn der Gesamtbeitrag für ein Haushaltsjahr d.h. der allgemeine Beitrag zuzüglich möglicher Erschwernisbeiträge den Mindesbeitrag nicht erreicht, steht im Einklang mit der Regelung der Nr. 1.c der Anlage 6 zum NWG.
In der Verwaltungssache
...
hat das Verwaltungsgericht Stade - 1. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2010
durch
die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Lang,
den Richter am Verwaltungsgericht Steffen,
den Richter Dr. Plog sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
fürRecht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.(1)
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Unterhaltungsverbandsbeitrag für stark versiegelte Flächen.
Sie ist Eigentümerin mehrerer im Verbandgebiet gelegener Grundstücke mit einer Gesamtfläche von 4.111 m². Die Grundstücke sind jeweils mit einem Einfamilienhaus bebaut. Im Liegenschaftskataster ist die Nutzungsart der Grundstücke als "Gebäude- und Freifläche, Wohnen" mit der Kennung 21130 gekennzeichnet. Die Klägerin ist gesetzliches Zwangsmitglied des Beklagten, einem Unterhaltungsverband für die Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung.
Der Beklagte zog die Klägerin mit Bescheid vom 25. Februar 2008 zu einem Beitrag für das Haushaltsjahr 2008 in Höhe von insgesamt 64,75 EUR heran. Im Einzelnen setzte der Beklagte ausgehend von einem Hektarsatz von 31,50 EUR einen Beitrag für eine nicht landwirtschaftliche Fläche in Höhe von 12,95 EUR (0,4111 ha x 31,50 EUR) fest. Darüber hinaus brachte der Beklagte einen vierfachen Hektarsatz für stärker versiegelte Flächen in Höhe von 126,00 EUR in Ansatz, was einen Betrag in Höhe von 51,80 EUR (0,4111 ha x 126,00 EUR) ausmacht.
Die Klägerin hat gegen den Bescheid des Beklagten am 25. März 2008 Klage erhoben. Sie trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Der Beklagte habe sie zu Unrecht für die gesamte Fläche ihrer Grundstücke zu einem Erschwernisbeitrag herangezogen. Nach den einschlägigen Rechtsnormen des Nds. Wassergesetzes könne der Unterhaltungsverband allein für die tatsächlich versiegelten Flächen einen erhöhten Beitrag in Ansatz bringen. Die Erhebung von Erschwernisbeiträgen nach der im Liegenschaftsregister ausgewiesenen Kennung ohne Berücksichtigung der tatsächlich versiegelten Fläche verletze das Äquivalenzprinzip. Feststellungen dazu habe der Beklagte in ihrem Fall nicht getroffen. Entsprechende Ermittlungen des Beklagten stellten auch keinen unverhältnismäßigen Mehraufwand dar. Auch bei der Erhebung der Niederschlagsgebühr der Städte Stade, Buxtehude, Lüneburg und Visselhövede nach dem Kommunalabgabengesetz werde allein auf die bebaute und befestigte Fläche abgestellt. Sie verweise auf die vorgelegten Satzungen. Bei ihren Grundstücken handele es sich überwiegend um Rasen- und Gehölzflächen. Lediglich 613 m² seien versiegelt. Der Beklagte könne sie weiter nach Nr. 1.c der Anlage 6 zum Nds. Wassergesetz (NWG) nicht zu Erschwernisbeiträgen heranziehen, weil der von ihr zu zahlende flächenbezogene Beitrag den Mindestbeitrag nicht erreiche. Die Verbandssatzung sei rechtswidrig, weil sie diese gesetzliche Regelung nicht übernommen habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 25. Februar 2008 aufzuheben, soweit der festgesetzte Beitrag einen Betrag von 25,- EURübersteigt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen: Für die Frage, ob eine Versiegelung vorliege und er daher einen Erschwernisbeitrag erheben könne, komme es allein auf die jeweilige Kennzeichnung der Fläche im Liegenschaftskataster an. Dies folge zweifelsfrei aus dem Nds. Wassergesetz. Der Gesetzgeber habe dabei berücksichtigt, dass viele Grundstücke nur teilweise versiegelt seien. Hätte der Gesetzgeber an die tatsächlich vorhandenen Versiegelungen angeknüpft, müssten die Unterhaltungsverbände die zusätzlichen Kosten für die Ermittlungen im Einzelfall auf die Verbandsmitglieder umlegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 25. Februar 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -). Der Beklagte hat sie zu Recht zu einem Erschwernisbeitrag für das Haushaltsjahr 2008 in Höhe von 51,80 EUR herangezogen.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 29 der Satzung des Beklagten vom 27. Februar 1996 (Amtsblatt für den Landkreis Cuxhaven Nr. 204, S. 223) in der Fassung der 4. Änderungssatzung vom 13. Dezember 2007 (Amtsblatt für den Landkreis Cuxhaven Nr. 50, S. 328). Danach haben die Mitglieder dem Verband die Beiträge zu leisten, die zur Erfüllung seiner Aufgaben und Verbindlichkeiten und zu einer ordentlichen Haushaltsführung erforderlich sind. Für die Unterhaltung der Gewässer II. Ordnung und der hierbei dem Wasserabfluss dienenden Anlagen sind alle Mitglieder im Verbandsgebiet im Verhältnis der Flächeninhalte der zum Verband gehörenden Grundstücke beitragspflichtig. Über die Höhe des Hektarsatzes entscheidet der Beklagte im Rahmen seines Haushaltsplanes (§ 30 Abs. 1, 3 Verbandssatzung). Der Verband hebt darüber hinaus Erschwernisbeiträge nach den Veranlagungsregelungen gemäß Anlage III zu der Verbandssatzung (§ 30 Abs. 2 Verbandssatzung). Danach zieht der Beklagte seine Mitglieder für eine versiegelte Fläche, die im Liegenschaftskataster mit einer in Spalte 2 der Anlage III enthaltenen Begriffsbestimmung verzeichnet ist, zu einem zusätzlichen Beitrag mit dem angegebenen mehrfachen Hektarsatz heran, also jeweils nach Einstufung der Fläche als leicht versiegelt, mitteldicht versiegelt oder stärker versiegelt. Der Verband hebt einen Mindestbeitrag nach Maßgabe von § 101 Abs. 3 Satz 2 NWG in Höhe des Hektarsatzes, höchstens jedoch 25,00 EUR (§ 30 Abs. 3 Satz 1 Verbandssatzung). Der Mindestbeitrag (im Falle des Beklagten: 25,00 EUR) wird gehoben, wenn nach dem sonstigen Beitragsverhältnis auf das Mitglied ein Beitrag unterhalb des sich nach Satz 1 ergebenden Betrages entfiele (§ 30 Abs. 3 Satz 2 Verbandssatzung).
Der Beklagte hat danach den für die Grundstücke der Klägerin zu entrichtenden Beitrag zutreffend ermittelt. Der Verbandsausschuss hat in der Haushaltssatzung für das Haushaltsjahr 2008 den Hebesatz für nicht landwirtschaftliche Flächen auf 31,50 EUR festgesetzt. Davon ausgehend hat der Beklagte die Klägerin zu einem allgemeinen Beitrag in Höhe von 12,95 EUR (0,4111 ha x 31,50 EUR) herangezogen. Darüber hinaus hat er für die Flächen mit der Kennung 21130 einen vierfachen Hektarsatz in Höhe von 126,00 EUR in Ansatz gebracht und einen Erschwernisbeitrag in Höhe von 51,80 EUR (0,4111 ha x 126,00 EUR) festgesetzt. Ein Mindestbeitrag war nach der Verbandssatzung nicht zu erheben, weil das sonstige Beitragsverhältnis, also der flächenbezogene allgemeine Beitrag zuzüglich des Erschwernisbeitrags, einen Betrag von 25,00 EUR übersteigt.
Die Erhebung von Erschwernisbeiträgen auf der Grundlage der im Liegenschaftskataster aufgeführten Bezeichnungen entspricht den gesetzlichen Vorgaben des Niedersächsischen Wassergesetzes. Nach § 101 Abs. 3 Satz 4 NWG (in der Fassung vom 27. Juli 2007) kann die Satzung eines Unterhaltungsverbandes nach Maßgabe der Anlage 6 zu dieser Vorschrift zusätzliche Beiträge vorsehen. Nach Nr. 1.a der Anlage 6 zu § 101 NWG können Unterhaltungsverbände für eine versiegelte Fläche nach Maßgabe der in Spalte 2 enthaltenen und im Liegenschaftskataster eingetragenen Begriffsbestimmung einen zusätzlichen Beitrag mit dem angegebenen Mehrfachen des Hektarsatzes erheben. Für Grundstücke mit der Begriffsbestimmung "Gebäude- und Freifläche, die Wohnzwecken dient" mit der Kennung 21130 sieht die Anlage 6 zu § 101 Abs. 3 Satz 4 NWG - wie die Verbandssatzung - einen vierfachen Hektarsatz für stärker versiegelte Flächen vor.
Die Heranziehung der Klägerin zu Erschwernisbeiträgen unter Berücksichtigung der Kennzeichnungen der jeweiligen Flächen im Liegenschaftskataster ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Die Kammer hat bereits in ihrem Urteil vom 24. März 2009 (1 A 1239/08) hierzu Folgendes ausgeführt:
Nach der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfes zurÄnderung des Nds. Wassergesetzes und Nds. Fischereigesetzes (Drucksache 15/3245) soll die Anlage zu § 101 Abs. 3 Satz 4 NWG die verlässliche Grundlage für die mögliche Erhebung von zusätzlichen Beiträgen für die Erschwerung der Gewässerunterhaltung bilden. Der nach der Stärke der Bodenversiegelung dreifach gestufte zusätzliche Beitrag nach Nr. 1 Buchstabe a) der Anlage richtet sich dabei nach der Nutzungsart des mit einer Versiegelung versehenen Grundstücks. Für die Einstufung des konkreten Grundstückes ist die Eintragung im Liegenschaftskataster maßgebend. In Nr. 1 Buchstabe a) sind alle Flächen mit ihrer Bezeichnung und Begriffsbestimmung nach dem Liegenschaftskataster aufgeführt, die für die Erhebung zusätzlicher Beiträge für die Versiegelung in Betracht kommen. Entscheidend ist die tatsächliche entsprechende Nutzung. Die Einstufung der Flächen in Nr. 1 Buchstabe a) in leicht versiegelte, mitteldicht versiegelte und stark versiegelte Flächen berücksichtigt die von der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e.V. ermittelten mittleren Abflussbeiwerte für versiegelte Flächen. Der durchschnittliche Abflussbeiwert für Dächer aller Art liegt bei 0,8, für Straßen bei 0,5 und bei Gärten und Kulturland bei 0,1. Daraus kann die Proportionalität der Faktoren der zusätzlichen Beiträge abgeleitet werden. Für die Einstufung der Fläche kommt es dabei auf die Eintragung im Liegenschaftskataster am Beginn des neuen Beitragsjahres an.
Weiter heißt es in der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfes, dass die Erfassung der Flächen und die dazu gehörenden Faktoren auf einer zurückhaltenden Einschätzung der Erschwernisse beruhen, wenn die bekannten Abflussbeiwerte und die Festlegungen in der vorläufigen Richtlinie vom 2. Dezember 1961 berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber hätte zur Gewässerunterhaltung nur die Anlieger heranziehen können. Er ist diesen Weg aber nicht gegangen, weil auf diese Weise die verschiedenen Beiträge zum Wasserkreislauf und damit zur Belastung der Gewässer nicht vollständig hätten erfasst werden können. Zu berücksichtigen sei, dass auch versickertes Wasser zum größeren Teil wieder dem Oberflächenwasser zufließt und zurück gehaltenes Wasser schrittweise an die Vorfluter abgegeben wird. Dem Einwand, die Festschreibung von Erschwernisbeiträgen ohne vorherige Einzelfallprüfung verstoße gegen die Beitragsgerechtigkeit nach dem Verursacherprinzip, begegnet die amtliche Begründung durch den Hinweis, dass angesichts der vielfältigen Sachverhalte und Gestaltungen eine Einzelfallgerechtigkeit nicht erreichbar sei. Daher sei auf normierte, einheitliche Flächenzuordnungen im Liegenschaftskataster und darauf aufbauend auf pauschale Erschwerniswerte zu setzen, die von der Versiegelung ausgingen.
Dass im Übrigen grundsätzlich eine Pauschalierung der umzulegenden Kosten zulässig ist, hat das Nds. Oberverwaltungsgericht bereits in seinem Urteil vom 26. August 1996 (Nds. VBl. 1997, S. 10 ff.) entschieden. Für die Bemessung von Erschwernisbeiträgen scheide der Flächenmaßstab von vornherein aus, da die Gründe, die ihn für die Verteilung der allgemeinen Unterhaltungskosten als sachgerecht erscheinen ließen, für sie nicht zuträfen. Die Möglichkeit einer Pauschalierung bedeute, dass für Erschwernisse gleicher Art die Beiträge pauschal bestimmt werden könnten. Somit könne sich die Höhe dieses Beitrags etwa an dem auf mehrjähriger Erfahrung beruhenden durchschnittlichen Mehraufwand für bestimmte Fallgruppen orientieren, wobei den Organen des Verbandes ein gewisses Einschätzungsermessen zustehe.
Im Übrigen ist in der Rechtsprechung geklärt, dass wegen des dem Ortsgesetzgeber eingeräumten weiten Ermessens nicht gefordert werden kann, dass der zweckmäßigste, vernünftigste, gerechteste oder wahrscheinlichste Maßstab angewendet wird. Führt ein Maßstab im Allgemeinen zu einer gleichmäßigen Belastung der Beitragspflichtigen, so stellen Mehrbelastungen in Ausnahmefällen seine Rechtmäßigkeit nicht notwendig in Frage. Denn Durchbrechungen des Gleichheitssatzes durch Typisierungen und Pauschalierungen können - insbesondere bei der Regelung von Massenerscheinungen - durch Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität gerechtfertigt sein, solange die durch jede typisierende Regelung entstehende Ungerechtigkeit noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen der Typisierung steht und die Zahl der Ausnahmen gering ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. September 2005 - 10 BN 2/05 -, zitiert nach [...]).
Hiervon ausgehend hält die Kammer die Entscheidung des Gesetzgebers, die Erhebung von Erschwernisbeiträgen nach Maßgabe von drei unterschiedlichen in der Anlage zu § 101 Abs. 3 Satz 4 NWG bestimmten Fallgruppen vorzunehmen, für zulässig und im konkreten Fall für rechtsfehlerfrei durchgeführt. Die hiergegen erhobenen Einwände der Kläger greifen nicht durch. Insbesondere erweist sich die vorgenommene Pauschalierung und Typisierung unter Berücksichtigung der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. September 2005 als rechtsfehlerfrei.
Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, sein Grundstück werde zu Unrecht als stärker versiegelte Fläche eingestuft. Es sei zwar bebaut. Die Bebauung mache im Verhältnis zur Grundstücksgröße aber lediglich ca. 1/10 aus. Bei dieser Sachlage könne nicht von einer stärker versiegelten Fläche des Grundstücks gesprochen werden. Dem gegenüber ist einzuwenden, dass die Anlage zu § 101 Abs. 3 Satz 4 NWG den vierfachen Hektarsatz unter anderem für Gebäude- und Freifläche, die Wohnzwecken dient (Kennung 21230) vorsieht. Dies bedeutet, dass damit pauschalierend ein Grundstück insgesamt als stärker versiegelte Fläche eingestuft wird, obwohl auf der Hand liegt, dass dieses Grundstück nicht zu 100% bebaut oder anderweitig versiegelt ist. Abgesehen davon, dass die im Sinne einer vermeintlichen Einzelfallgerechtigkeit exakte Ermittlung des Versiegelungsanteils eines Grundstücks aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und der Praktikabilität bei derartigen Massenverfahren nicht in Betracht kommen kann, spricht für die erfolgte Einstufung insbesondere die folgende Erwägung: Der Gesetzgeber hat die Verteilung in versiegelte und unversiegelte Bereiche über die Erschwernisfaktoren berücksichtigt und diese bewusst sehr niedrig angesetzt. So weist der Beklagte darauf hin, dass z.B. von stärker versiegelten Flächen, wie Asphalt oder Betonflächen, dichten Steinlegungen, Dächern, Plattenwegen oder ähnlichen Oberflächen, Mengen vom 20-fachen und mehr an Wasser in schnellerer Weise in die Gewässer fließen, als dies von vergleichbaren unversiegelten Flächen geschehen würde. Gleichwohl beträgt der maximale Faktor für Grundstücke mit stärkeren Versiegelungen nach dem NWG nur das Vierfache. Wasserwirtschaftlich ist dieser Ansatz gleichwohl akzeptabel, weil bei jedem Grundstück, das zu Wohnzwecken dient, regelmäßig nur ein gewisser Anteil der Flächen versiegelt ist und damit das Wasser vermehrt schneller in die Gewässer abführt. Hätte man nur an die versiegelten Flächen anknüpfen wollen, hätte man für diese einen erheblich höheren Multiplikator wählen müssen und die unversiegelten Flächen möglicherweise unberücksichtigt lassen können. Im Ergebnis hätte sich im Regelfall jedoch bei dieser Vorgehensweise kein wesentlich anderes Resultat ergeben, lediglich der erforderliche Verwaltungsaufwand wäre um ein Vielfaches bis hin zur mangelnden Praktikabilität angestiegen.
Die Kammer folgt dieser Rechtsauffassung auch im vorliegenden Verfahren. Danach steht der angefochtene Beitragsbescheid des Beklagten sowohl mit dem maßgeblichen Satzungsrecht als auch mit höherrangigem Recht in Einklang. Dies gilt unabhängig von den tatsächlich auf den Grundstücken der Klägerin vorhandenen Verhältnissen, und zwar auch dann, wenn ein außergewöhnlich großes Grundstück nur mit einem sehr kleinen Gebäude versehen ist. Die Kammer hält ihre Einschätzung in dem angeführten Urteil vom 24. März 2009, dass für derartige Ausnahmefälle die Schaffung und Anwendung einer Härtefallregelung angebracht sei, nunmehr nicht mehr aufrecht. Hierfür sind folgende Erwägungen maßgeblich:
Wie bereits das Verwaltungsgericht Oldenburg in seinem Urteil vom 21. April 2009 (1 A 1120/08) dargelegt hat, bietet die Vorschrift der Nr. 1.b der Veranlagungsregeln (Anlage 6 zu § 101 NWG) der beitragspflichtigen Person die Möglichkeit, nachzuweisen, dass die betroffene Fläche vollständig unversiegelt ist. In einem solchen Fall wird der Beitrag nicht oder nur teilweise erhoben, soweit das Niederschlagswasser auf den versiegelten Flächen genutzt wird. Diese Vorschrift belegt, dass für die Bemessung der Erschwernisbeiträge nicht auf die tatsächlichen Versiegelungsgrößen, sondern auf die Eintragung der tatsächlichen Nutzung der im Liegenschaftskataster gekennzeichneten Gesamtfläche abzustellen ist. Dies folgt bereits aus derÜberlegung, dass die Erhebung von Erschwernisbeiträgen bei vollständig unversiegelten Flächen per se ausgeschlossen wäre, wenn es auf die tatsächlichen Versiegelungen des Grundstücks ankäme. Dem gemäß heißt es auch in der Gesetzesbegründung zum NWG über die Erhebung von Erschwernisbeiträgen, dass für die Einstufung des konkreten Grundstückes die Eintragung im Liegenschaftskataster maßgebend sei (Landtagsdrucksache 15/3245, S. 35). Selbst wenn tatsächlich geringere oder andere Versiegelungen vorhanden seien, als im Kataster eingetragen, solle eine Beitragserhebung auf der Grundlage der Eintragungen erfolgen; der Betroffene habe in diesem Fall die Berichtigung des Liegenschaftskatasters zu beantragen.
Eine solche Berichtigung ist im Falle der Klägerin nicht erfolgt. Im Übrigen sind die Grundstücke der Klägerin unstreitig bebaut und damit keinesfalls vollständig unversiegelt. Da dem Beklagten bei der Beitragserhebung satzungsrechtlich keinerlei Ermessensspielraum eingeräumt ist, konnte der Beklagte somit auch eine verhältnismäßig geringe Versiegelung der betroffenen Grundstücke bei der Festsetzung der Beitragshöhe nicht zu Gunsten der Klägerin berücksichtigen, ohne gegen die insofern zwingenden Vorgaben der Satzung zu verstoßen.
Zwar heißt es unter Nr. 1.a der Anlage 6 zu § 101 NWG, dass für eine versiegelte Fläche ein zusätzlicher Beitrag erhoben werden "kann". Diese Vorschrift bedeutet indes nicht, dass dem Beklagten damit die Möglichkeit eingeräumt wäre, satzungsrechtlich im Einzelfall von der Erhebung von Erschwernisbeiträgen abzusehen. Vielmehr ist diese Kannvorschrift in der Anlage 6 so zu interpretieren, dass damit einem Verband die Möglichkeit eröffnet wird, eine entsprechende Regelung betreffend die Erhebung von Erschwernisbeiträgen in seiner Satzung zu verankern. Wenn aber - wie hier - eine Satzungsänderung im Sinne dieser gesetzlichen Vorgabe erfolgt, dann hat sich der beklagte Verband für seine gesamte Beitragserhebung an dieses durch das Gesetz vorgegebene System gebunden. Ein Abweichen von der Erhebungspflicht im Einzelfall im Rahmen eines auch satzungsrechtlich noch gegebenen Ermessens besteht nicht.
Im Übrigen erweist sich auch die differenzierte Einstufung unterschiedlich versiegelter Flächen vom einfachen bis zum vierfachen Hektarsatz in der Anlage 6 zu § 101 NWG als rechtlich nicht zu beanstanden. So sind zwar Straßen nur als mitteldicht versiegelte Flächen und damit mit dem zweieinhalbfachen Hektarsatz eingestuft. Hierzu weist die amtliche Begründung des Gesetzentwurfes auf die unterschiedlichen Abflussbeiwerte z.B. für Dächer (0,8) und für Straßen (0,35) hin. Im Übrigen seien bei den Straßen nicht nur asphaltierte Straßen berücksichtigt, sondern auch geringer versiegelte Flächen, wie Böschungen, Bankette und Gräben. Diese Einschätzung entspricht im Übrigen der Empfehlung der Abwassertechnischen Vereinigung zu mittleren Abflussbeiwerten, die bei Straßen, Wegen und Plätzen je nach Beschaffenheit einen mittleren Abflussbeiwert zwischen 0,15 und 0,9 annimmt. Dabei wird der Abflussbeiwert als vom Einzugsgebiet abhängiger Faktor definiert, mit dem die Regenmenge je Zeiteinheit multipliziert wird, um den zu erwartenden Regenabfluss zu erhalten, der in das Entwässerungssystem eingeleitet werden soll. Dem gegenüber bewegt sich der mittlere Abflussbeiwert bei Dächern zwischen 0,8 und 1,0. Die vorgenommene unterschiedliche Einstufung von Straßen und Wegen sowie Wohnbebauung ist damit jedenfalls nicht willkürlich.
Die Satzung des Beklagten ist auch mit dem Nds. Wassergesetz vereinbar, soweit ein Mindestbeitrag nur dann erhoben wird, wenn der Gesamtbeitrag für ein Haushaltsjahr d.h. der allgemeine Beitrag zuzüglich möglicher Erschwernisbeiträge den Betrag von 25,00 EUR nicht erreicht. Dem steht insbesondere nicht Nr. 1.c der Anlage 6 zu § 101 NWG entgegen, die wie folgt lautet: "Wer nur den Mindestbeitrag zu zahlen hat, wird nicht zu einem Beitrag für Versiegelungen herangezogen." Die Erhebung von Erschwernisbeiträgen ist nach dieser Vorschrift nur dann ausgeschlossen, wenn ein Mitglied nach Maßgabe der jeweils einschlägigen Satzung auch tatsächlich einen den allgemeinen Beitrag übersteigenden Mindestbeitrag zu zahlen hat. Erreicht der flächenbezogene allgemeine Beitrag den Mindestbeitrag rechnerisch nicht, wohl aber der Gesamtbeitrag einschließlich möglicher Erschwernisbeiträge, so kann ein Unterhaltungsverband in seiner Verbandssatzung auf die Festsetzung eines Mindestbeitrages verzichten und die jeweils betroffenen Mitglieder ohne Einschränkungen zu Erschwernisbeiträgen heranziehen.
Der Wortlaut der Regelung der Nr. 1.c der Anlage 6 zu § 101 NWG steht einem solchen Verständnis jedenfalls nicht entgegen. Die Vorschrift bezieht sich ausdrücklich allein auf Konstellationen, in denen ein Mitglied eines Unterhaltungsverbandes einen Mindestbeitrag "zu zahlen hat". Unter welchen Voraussetzungen ein Unterhaltungsverband seine Mitglieder zu einem Mindestbeitrag heranzieht, hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich geregelt.
Die Systematik des § 101 Abs. 3 NWG lässt zwar durchaus den Schluss zu, dass Mindestbeiträge ausschließlich an die Stelle des flächenbezogenen allgemeinen Beitrages treten können. Satz 1 dieser Vorschrift regelt zunächst die Heranziehung der Mitglieder zu einem flächenbezogenen Beitrag. Satz 2 sieht sodann die Möglichkeit, Mindestbeiträge zu erheben, vor. Erst in Satz 4 werden die Unterhaltungsverbände ermächtigt, zusätzliche Beiträge in Gestalt von Erschwernisbeiträgen zu erheben. Auch wenn ein Mindestbeitrag gesetzessystematisch an die Stelle des flächenbezogenen Beitrages tritt, folgt daraus aber nicht, dass bei der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Unterhaltungsverband im Einzelfall Mindestbeiträge erhebt, mögliche Erschwernisbeiträge zwingend außer Betracht zu bleiben hätten. Insbesondere verbleibt für die Regelung der Nr. 1.c der Anlage 6 zu § 101 NWG auch bei dieser Auslegung ein sinnvoller Anwendungsbereich. Sie schließt jedenfalls eine doppelte Belastung der Mitglieder eines Unterhaltungsverbandes aus, und zwar in der Gestalt, dass sie der Unterhaltungsverband zunächst und in Abweichung von der Grundregel des§ 101 Abs. 3 Satz 1 NWG zu einem den flächenbezogen allgemeinen Beitrag übersteigenden Mindestbeitrag und darüber hinaus zu Erschwernisbeiträgen heranzieht.
Für das der Satzung des Beklagten zugrundeliegende Verständnis der Nr. 1.c der Anlage 6 zu § 101 NWG spricht vor allem auch der Sinn und Zweck einer Mindestbeitragsregelung. Der Mindestbeitrag wird von Eigentümern solcher Grundstücke erhoben, auf die wegen ihrer nur geringen Größe bei der Anwendung des Flächenmaßstabes nur ein Beitrag entfiele, der rechnerisch die durch seine Hebung verursachten Kosten, insbesondere auch für die Verwaltungstätigkeit des Verbandes, nicht erreichen würde. Die Erhebung eines Mindestbeitrages entspricht damit den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Haushalts- und Verwaltungsführung, zu der die Unterhaltungsverbände verpflichtet sind (so bereits zu früheren Fassungen des NWG: OVG Lüneburg, Urt. v. 5.11.1970 - III OVG A 33/36 -, RdL 1972, 135; Urt. v. 26.8.1996 - 3 L 5612/93 -, Nds. VBl. 1997, 10). Soweit einzelne Mitglieder dagegen unter Berücksichtigung von Erschwernisbeiträgen einen Gesamtbeitrag zu zahlen haben, der den Mindestbeitrag ohnehin erreicht, werden auch die Kosten für die Verwaltungstätigkeit eines Verbandes zwangsläufig gedeckt. Eine Abweichung vom Flächenmaßstab durch Erhebung eines Mindestbeitrages und die damit einhergehende Ungleichbehandlung der Mitglieder ist in diesen Konstellationen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht gerechtfertigt. Weiter stellt ein Mindestbeitrag seiner Funktion nach eine Belastung der Eigentümer kleinerer Grundstücke dar. Wäre Nr. 1.c der Anlage 6 zu § 101 NWG aber dahingehend auszulegen, dass eine Heranziehung von Grundstückseigentümern zu Erschwernisbeiträgen bereits dann ausgeschlossen wäre, wenn der flächenbezogene Beitrag den im Einzelfall festgesetzten Mindestbeitrag rein rechnerisch nicht erreicht, würde sich der Mindestbeitrag für eine nicht unerhebliche Gruppe von mittelgroßen Grundstücken als Höchstbeitrag darstellen (zu dieser Unterscheidung OVG Lüneburg, Urt. v. 26.8.1996, a.a.O.). Eigentümer dieser Grundstücke müssten regelmäßig allein den Mindestbeitrag entrichten, obwohl sie - rechnerisch - für Versiegelungen an sich einen erheblich höheren Betrag zu zahlen hätten. Es handelt sich bei dieser Gruppe von Grundstücken häufig um klassische Einfamilienhausgrundstücke und mittelgroße Gewerbegrundstücke, die einen vergleichsweise hohen Grad der Versiegelung aufweisen. Ihre Veranlagung zu einem bloßen Mindestbeitrag würde das Ziel des Gesetzgebers, das Verursacherprinzip bei der Berechung von Unterhaltungsverbandsbeiträgen stärker berücksichtigen zu können (Landtagsdrucksache 15/3245, S. 26), geradezu in sein Gegenteil verkehren. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, dass die Unterhaltungsverbände nach § 101 Abs. 3 NWG auch darauf verzichten könnten, entweder Mindestbeiträge oder Erschwernisbeiträge zu erheben. Das Gesetz sieht beide Möglichkeiten der Beitragserhebung nebeneinander vor. Auch in der Sache kann für einen Verband sowohl die Festsetzung eines Mindestbeitrags aus Gründen der Wirtschaftlichkeit wie auch die Erhebung von Erschwernisbeiträgen geboten sein, um den genannten Zielen des Gesetzes Rechnung zu tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist die Berufung zulässig.
...
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf
41,04 Euro
festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Niedersächsische Oberver-waltungsgericht in Lüneburg statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt. Wird der Beschwerdewert nicht erreicht, ist die Beschwerde nur statthaft, wenn sie vom Gericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entschei-dung stehenden Fragen zugelassen wird. Die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
...
Steffen
Dr. Plog