Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.07.1986, Az.: 9 W 86/86
Rat einer Gemeinde als Gesellschafterversammlung; Gründung einer Gesellschaft durch eine Gemeinde; Anfechtbarkeit der Anordnung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung; Anfechtbarkeit der Ablehnung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 28.07.1986
- Aktenzeichen
- 9 W 86/86
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1986, 19874
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1986:0728.9W86.86.0A
Rechtsgrundlagen
- § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO
- § 924 Abs. 3 S. 2 ZPO
- § 936 ZPO
Fundstelle
- NJW-RR 1987, 190 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 22. Juli 1986
gegen den Beschluß der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts S.
vom 18. Juli 1986 am 28. Juli 1986
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Die Beklagte ist eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand die Versorgung der Gemeinde L. ihrer einzigen Gesellschafterin, mit Strom und Gas ist. In § 11 des Gesellschaftsvertrages heißt es: "Die Gesellschafterversammlung ist der Rat der Gemeinde L.." Am 30. Juni 1986 beschloß der Rat in einer solchen "Gesellschafterversammlung", das gesamte Aktivvermögen der Beklagten an die Überlandwerke Nord-H. AG zu veräußern.
Der Antragsteller, der Ratsmitglied ist, hat gegen diesen Beschluß Anfechtungsklage erhoben und zur Begründung u.a. ausgeführt, der entsprechende Tagesordnungspunkt sei im Einladungsschreiben nicht ordnungsgemäß angekündigt und der Beschluß sei nicht mit der nach seiner Ansicht erforderlichen Dreiviertelmehrheit gefaßt worden. Auf seinen gleichzeitig gestellten Antrag hat das Landgericht ohne mündliche Verhandlung eine einstweilige Verfügung erlassen, durch die der Antragsgegnerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage untersagt worden ist, den im Beschluß vom 30. Juni 1986 vorgesehenen Kaufvertrag abzuschließen. Hiergegen hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt. Zu seiner Begründung hat sie insbesondere darauf hingewiesen, daß der Antragsteller nicht Gesellschafter sei. Daraufhin hat das Landgericht entsprechend dem gleichzeitig gestellten Antrag die Vollziehung der einstweiligen Verfügung gegen Sicherheitsleistung mit der Begründung einstweilen eingestellt, die Anfechtungsklage sei unschlüssig.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, mit der er vor allem geltend macht, in einem Fall wie dem vorliegenden sei die Einstellung der Zwangsvollstreckung unzulässig, weil sonst der Zweck der einstweiligen Verfügung, eine Veränderung des bestehenden Rechtszustands einstweilen zu verhindern, nicht erreicht würde.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO, auf den § 936 ZPO in Verbindung mit § 924 Abs. 3 S. 2 ZPO verweist, sind Entscheidungen, durch die die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung angeordnet oder abgelehnt wird, nicht anfechtbar. Hauptzweck dieser gesetzlichen Regelung ist es, zu vermeiden, daß die grundsätzlich in das Ermessen des Gerichts gestellte Entscheidung darüber, ob eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung angemessen ist, Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens und damit möglicherweise die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen wird (vgl. E. Schneider, MDR 1980, 529 ff. m.w.N.). Freilich wird gerade wegen dieses Regelungsgehalts die sofortige Beschwerde entgegen dem Gesetzeswortlaut für zulässig gehalten, wenn das Gericht die gesetzlichen Voraussetzungen seines Ermessens verkannt, insbesondere die Anwendbarkeit der Einstellungsvorschrift zu Unrecht bejaht oder verneint hat (vgl. die Nachweise bei E. Schneider a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen jedoch hier nicht vor.
Nach einer verbreiteten Ansicht soll zwar die Verweisung in § 936 ZPO auf die Vorschrift des § 924 Abs. 3 S. 2 ZPO und damit auf die Einstellungsmöglichkeit nach § 707 ZPO bei einer einstweiligen Verfügung, die auf eine Unterlassung gerichtet ist, nicht gelten, weil anderenfalls der Verfügungsanspruch für die Zeit der Einstellung vernichtet würde (vgl. OLG Hamburg MDR 1955, 48 [OLG Hamburg 13.10.1954 - 6 W 343/54]; OLG Nürnberg GRUR 1983, 469 f.; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 44. Aufl., § 936 Anm. 1 "§ 924, Widerspruch"; Thomas/Putzo, ZPO, 13. Aufl., § 940 Anm. 4 d; Zöller/Vollkommer, ZPO, 14. Aufl., § 924 Anm. 13). Dem kann in dieser Allgemeinheit aber nicht zugestimmt werden. Es ist gewiß richtig, daß bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Interessen dem Umstand, daß die Einstellung jedenfalls zu einem zeitweiligen und unter Umständen sogar zu einem endgültigen Verlust des Verfügungsanspruchs führt, besonderes Gewicht zukommt. Gleichwohl ist das nicht der einzige Gesichtspunkt, der zu berücksichtigen ist. Auch in solchen Fällen bleibt ein Ermessenspielraum; insbesondere ist, wie bei allen Einstellungsentscheidungen, von Bedeutung, welche Erfolgsaussicht das Gericht dem geltend gemachten Anspruch einräumt (gegen die generelle Unzulässigkeit der Einstellung der Zwangsvollstreckung auch Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl., § 924 Anm. 23; vgl. auch BGH JZ 1965, 540 f, m. Anm. Baur). Das hat zur Folge, daß es auch bei der Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Unterlassungsverfügungen grundsätzlich bei der in § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO angeordneten Unanfechtbarkeit bleibt. Das gilt jedenfalls dann, wenn, wie hier, das Gericht den Verfügungsanspruch für unzweifelhaft nicht mehr gegeben hält; es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, diese Beurteilung in der Sache selbst zu überprüfen.
Streitwertbeschluss:
Beschwerdewert: 50.000 DM.