Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 16.07.1986, Az.: 3 U 285/85
Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter bei Einbeziehung Dritter in Steuererklärung; Fehlerhafte Steuererklärung durch Nichtberücksichtigung von Werbungskosten; Wirkung des Feststellungsbescheides bei Zustellung an Empfangsbevollmächtigten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 16.07.1986
- Aktenzeichen
- 3 U 285/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 20495
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:1986:0716.3U285.85.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 20.08.1985 - AZ: 17 O 242/85
Rechtsgrundlage
- § 328 BGB
Fundstelle
- NJW-RR 1986, 1315 (Volltext mit red. LS)
Verfahrensgegenstand
Schadensersatz aus positiver Vertragsverletzung eines Steuerberatungsvertrages
In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juli 1986
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. A. und
die Richter am Oberlandesgericht Dr. Sch. und Dr. M.
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 20. August 1985 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Urteilsbetrag 5.904,54 DM beträgt und die weitergehende Klage abgewiesen wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wert der Beschwer:
für den Beklagten 5.904,54 DM,
für den Kläger 0,50 DM.
Entscheidungsgründe
Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die Berufung ist bis auf die geringfügige Korrektur des Urteilsbetrages um 0,50 DM unbegründet.
Das Landgericht hat den Beklagten zu Recht zum Ersatz des dem Kläger entstandenen Schadens verurteilt.
I.
Zutreffend hat das Landgericht entschieden, daß der Kläger in den Schutzbereich des zwischen dem Vater des Klägers und dem Beklagten abgeschlossenen Steuerberatervertrages einbezogen ist. Das gilt jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem der Vater des Klägers den Beklagten mit dem Entwurf der Steuererklärung zur gesonderten - und einheitlichen - Feststellung der Einkünfte der Grundstücksgemeinschaft T. beauftragte, zu dem neben dem Vater des Klägers und dessen Ehefrau eben auch der Kläger und dessen Ehefrau gehörten, und den Vater des Klägers in dieser Erklärung als Empfangsbevollmächtigten aufführte. Denn in einem solchen Fall ergeht der Feststellungsbescheid an den Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten, d.h. alle Miteigentümer des Grundstücks. Hierauf wird in den Feststellungsbescheiden ausdrücklich hingewiesen (vgl. die "wichtigen Hinweise" Bl. 14 d.A.), dies mußte dem Beklagten bekannt sein. Dies führt aber gerade dazu, daß die übrigen Miteigentümer eines Grundstücks den Gefahren einer schlechten Leistung des Steuerberaters des zustellungsbevollmächtigten Gemeinschafters ebenso stark ausgesetzt sind wie dieser selbst. Werden negative Einkünfte eines derartigen Miteigentümers in der Steuererklärung des Steuerberaters nicht berücksichtigt und damit im Feststellungsbescheid nicht festgestellt, so ist der Miteigentümer durch die Bestandskraft des Feststellungsbescheides gehindert, sie noch in seiner persönlichen Steuererklärung geltend zu machen. Soweit der Beklagte insoweit bestreitet, daß der Vater des Klägers für die Grundstücksgemeinschaft tatsächlich zustellungsbevollmächtigt gewesen sei, ist dieses Bestreiten angesichts seiner eigenen Angabe in der von ihm vorbereiteten Erklärung unsubstantiiert, zumal der Vater des Klägers auch in der vom Steuerbevollmächtigten E. für den Kläger am 11.12.1984 - d.h. vor Einleitung dieses Verfahrens - abgegebenen Erklärung zur gesonderten und einheitlichen - Feststellung der Einkünfte (Bl. 26 bis 28 d.A.) ebenfalls als Empfangsbevollmächtigter angegeben ist.
Dagegen ist es nicht mehr unbedingt erforderlich, daß der Auftraggeber für das "Wohl und Wehe" des in den Vertrag einzubeziehenden Dritten mitverantwortlich ist. Es ist vielmehr darauf abzustellen, ob die Parteien nach den besonderen Umstände des Falles den Willen gehabt hätten, zugunsten Dritter eine Schutzpflicht zu begründen, oder ob eine Beschränkung der Schadensersatzpflicht auf die Schäden, die dem Vertragspartner in eigener Person entstehen, ihrem rechtsgeschäftlichen Willen entsprochen hat (vgl. BGH NJW 1984, 355 [BGH 02.11.1983 - IVa ZR 20/82]). Hier ist davon auszugehen, daß es dem Vater des Klägers bei der Beauftragung des Beklagten gerade nicht darum ging, eine etwaige Schadensersatzpflicht auf seine persönlichen Schäden zu beschränken, weil er nicht nur sein persönliches Interesse, sondern auch das seines Sohnes und der jeweiligen Ehefrauen gewahrt wissen wollte. Auch dem Beklagten war die Risikohäufung erkennbar, jedenfalls hatte er sie erkennen müssen.
II.
Zu Recht hat das Landgericht ferner eine Pflicht des Beklagten aus seinem Vertrag mit dem Vater des Klägers entnommen, sich vor Erstellung der vorgenannten Steuererklärung durch Rückfrage bei dem Vater des Klägers, oder, da er mit diesem ohnehin telefonierte, bei dem Kläger selbst darüber zu vergewissern, ob dieser absetzbare Werbungskosten für das genannte Kalenderjahr hatte. Dies folgt schon daraus, daß der Beklagte bei der Erstellung der vorgenannten Steuerklärung u.a. nicht nur in der Anlage EST 1, 2, 3 B Name und Anschrift der Beteiligten der Grundstücksgemeinschaft angeben mußte, wobei er bereits entgegen dem Inhalt des ihm unstreitig übergebenen Grundstückskaufvertrages nur zwei der vier Miteigentümer aufführte (Bl. 12 d.A.), sondern darüberhinaus die einzelnen Anteile der Mitglieder an den - positiven oder negativen - Einkünften der Gemeinschaft aus Vermietung und Verpachtung einzutragen hatte. Dafür, daß solche Ausgaben angefallen waren, sprach im konkreten Fall der dem Beklagten unstreitig übergebene Kaufvertrag vom 22.12.1981. In dessen § 2 Abs. 4 hatte sich der Verkäufer ausdrücklich verpflichtet, bei der Bestellung von Grundpfandrechten an dem Kaufgegenstand zur Kaufpreisfinanzierung mitzuwirken (Bl. 18 d.A.). Letztlich folgt diese Pflicht aber schon unabhängig davon daraus, daß jedem der Beteiligten durch die Rechtskraft des Feststellungsbescheides bei unrichtiger Ausfüllung der Steuererklärung die Möglichkeit abgeschnitten wird, derartige Werbungkosten noch steuermindernd in seiner Einkommensteuererklärung geltend zu machen. Demgegenüber vermag der Beklagte auch nicht mit Erfolg einzuwenden, daß es der Vater des Klägers entgegen seiner Mitwirkungspflicht unterlassen habe, ihn auf solche Ausgaben hinzuweisen und ihm die dafür erforderlichen Unterlagen zu übergeben. Der Steuerberater ist gerade dazu verpflichtet, seinen Mandanten ungefragtüber die bei der Erledigung auftretenden steuerrechtlichen Fragen, insbesondere die Möglichkeit einer Steuerersparnis zu belehren und ihm die dafür erforderlichen Unterlagen zu bezeichnen (BGH StBR 80, 87), erst deren Vorlage ist dann Sache des Mandanten.
III.
Der Schaden ist der Höhe nach ebenfalls belegt. Aus den im Termin überreichten Unterlagen ergibt sich, daß der Kläger die Bl. 30 d.A. aufgeführten Kosten gehabt hat. Zwar ist der unter 3. aufgeführte Betrag von 480,25 DM nicht belegt, dafür ergibt sich jedoch, daß die Zinsaufwendungen des Klägers für die Hypothek 430.716 sogar 5.696,25 DM und für den hier entscheidenden Zeitraum vor der tatsächlichen Nutzung nicht nur 883,77, sondern 1.200 DM betragen haben. Der Kläger hat durch Vorlage seines Einkommensteuerbescheides weiter belegt, daß er 1982 ein Einkommen von 35.545 DM zu versteuern hatte und hierfür Einkommensteuer von 6.890 DM und Kirchensteuer von 479,70 DM zahlen mußte. Aus dem vorgelegten Gewerbesteuerbescheid für 1982 ergibt sich ferner, daß für den Kläger ein Gewerbesteuermeßbetrag von 290 DM und eine Gewerbesteuer von 1.203 DM festgesetzt worden sind, wobei von einem Gewerbeertrag von 41.800 DM ausgegangen worden ist. Werden 13,97 % der Bl. 32 d.A. zusammengestellten Kosten (Geldbeschaffungskosten und Zinsen, Grundsteuer, Straßenreinigung, Müllabfuhr, Hausversicherung und AfA auf den Büroraum umgelegt, so ergibt sich ein Kostenanteil von 3.978 DM. Das zu versteuernde Einkommen vermindert sich auf 18.621 DM (Bl. 33 d.A.) und der Gewerbeertrag auf 37.800 DM (Bl. 32 d.A.). Daraus ergibt sich, daß der Kläger an Einkommensteuer lediglich 2.234 DM und an Kirchensteuer lediglich 60,66 DM und an Gewerbesteuer lediglich 373,50 DM hätte entrichten müssen (Bl. 32, 33 d.A.). Daraus errechnet sich ein Schaden von 4.656 DM an zu viel gezahlter Einkommensteuer, 419,04 DM an zu viel gezahlter Kirchensteuer und 829,50 DM an zu viel gezahlter Gewerbesteuer, mithin zusammen 5.904,54 DM.
IV.
Die Zinsforderung ist gemäß § 284, 288 Abs. 1 BGB begründet. Unstreitig hat der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 20.3.1985 unter Fristsetzung zum 30.3.1985 gemahnt.
V.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 546 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Eine Zulassung der Revision kann nicht erfolgen, weil deren gesetzliche Voraussetzungen nicht vorliegen.
Streitwertbeschluss:
Wert der Beschwer:
für den Beklagten 5.904,54 DM,
für den Kläger 0,50 DM.