Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.09.2009, Az.: 1 Ws 449/09; 1 Ws 450/09

Einziehung von Forderungen; Maßgeblichkeit der formalen Rechtsposition des Treuhänders als Kontoinhaber

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.09.2009
Aktenzeichen
1 Ws 449/09; 1 Ws 450/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 36795
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2009:0917.1WS449.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 02.07.2009 - AZ: 25 KLs 4131 Js 103693/08

Fundstellen

  • NStZ 2011, 282-283
  • wistra 2010, 110-111

Redaktioneller Leitsatz

1. Auch bei der Einziehung von Forderungen ist nicht abweichend von der zivilrechtlichen Beurteilung der Inhaberschaft auf die wirtschaftliche Zugehörigkeit abzustellen, da es auch bei Rechten vielmehr maßgeblich auf die dingliche Zuordnung ankommt, während schuldrechtliche Ansprüche außer Betracht zu bleiben haben.

2. Dem entspricht es im Zivilrecht, dass die Pfändung von Treuhandkonten Gläubigern der Treugeber versagt bleiben muss und diese stattdessen die Forderungen der Treugeber gegen den Treuhänder auf Rückübertragung nach Beendigung des Treuhandverhältnisses pfänden können.

3. Dass im Fall der Insolvenz des Treuhänders dem Treugeber ein Aussonderungsrecht zusteht (§ 47 InsO) bzw. im Fall der Pfändung von Treuhandforderungen durch Gläubiger des Treuhänders dem Treugeber die Möglichkeit einer Drittwiderspruchsklage nach§ 771 ZPO eröffnet ist, ändert an dem grundsätzlichen zivilrechtlich bestehenden Auseinanderfallen der Forderungen zwischen Treuhänder und Bank einerseits und Treugeber und Treuhänder andererseits nichts.

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Einziehungsbeteiligten gegen den Beschluss der Strafkammer 15 - 6. große Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Hildesheim vom 2. Juli 2009 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

2. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) gegen den Beschluss der Strafkammer 15 - 6. große Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Hildesheim vom 2. Juli 2009 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

3. Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).

Gründe

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I. Die Staatsanwaltschaft erhob am 7. September 2007 gegen den Einziehungsbeteiligten und die Beschwerdeführerin zu 2) Anklage wegen leichtfertiger Geldwäsche in elf Fällen. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, Geld aus illegalen Geschäften des gesondert verfolgten K.H. W. in Höhe von etwa 839.000 € dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen zu haben, indem der Einziehungsbeteiligte bei der Sparkasse H. ein Wirtschaftsprüfer-Anderkonto mit dem Verwendungszweck "Fremdgeld W." einrichtete und sodann auf Veranlassung der Beschwerdeführerin zu 2)überwiesene Beträge von Auslandskonten der Beschwerdeführerin zu 2) und ihrer Töchter empfing, obwohl beiden Angeklagten sich hätte aufdrängen müssen, dass die zuvor vom gesondert verfolgten K.H. W. der Beschwerdeführerin zu 2) und ihren Töchtern übertragenen Vermögenswerte aus gewerbsmäßig begangenen Untreuehandlungen herrührten. Das Verfahren gegen den Einziehungsbeteiligten wurde nach Zahlung einer Geldauflage am 18. April 2008 nach § 153a StPO eingestellt. Das Verfahren gegen die Beschwerdeführerin zu 2) ist aufgrund bestehender Verhandlungsunfähigkeit ausgesetzt worden.

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Unter dem 29. August 2008 beantragte die Staatsanwaltschaft im objektiven Verfahren die Einziehung der Forderungen des Einziehungsbeteiligten gegen die Sparkasse H. aus dem oben benannten Anderkonto sowie aus weiteren Konten, die mit Geld von diesem Konto bedient worden sind. Die Kammer hat am 13. November 2008 die Beteiligung des Einziehungsbeteiligten angeordnet. Eine Beteiligung der Beschwerdeführerin ist nicht erfolgt.

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Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Kammer ohne vorherige mündliche Verhandlung die Ansprüche des Einziehungsbeteiligten bzgl. der Guthaben auf dessen Konten gegen die Sparkasse H. in Höhe von 742.396€ eingezogen, den Einziehungsantrag im Übrigen zurückgewiesen. Dieser Entscheidung hat sie §§ 261 Abs. 7, 74 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4, 76a Abs. 1 und 3 StGB zugrunde gelegt und ausgeführt, dass sich auf die Kontoguthaben die von dem Einziehungsbeteiligten nach Aktenlage begangenen Straftaten der leichtfertigen Geldwäsche bezogen haben. Dass gegen die Beschwerdeführerin zu 2) noch das subjektive Verfahren durchgeführt werden könne, schließe das objektive Verfahren gegen den Einziehungsbeteiligten nicht aus. Dieser sei auch allein an dem Einziehungsverfahren zu beteiligen gewesen, weil nur er gegenüber der Sparkasse H. als Kontoinhaber berechtigt und verpflichtet sei. Auf die wirtschaftliche Zugehörigkeit der Ansprüche zum Vermögen der Beschwerdeführerin zu 2) komme es nicht an, weil bei der Einziehung die formale Rechtsposition im Vordergrund stehe. Diese habe sich auch nicht durch die rückwirkende Aufhebung der Treuhandvereinbarung geändert, weil die Ansprüche des Einziehungsbeteiligten zuvor mit einem dinglichen Arrest belegt worden seien und die zu Lasten der Einziehungsgläubigers vorgenommenen Rechtsgeschäfte diesem gegenüber unwirksam seien.

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Gegen diesen Beschluss haben der Einziehungsbeteiligte und die Beschwerdeführerin 2) sofortige Beschwerde eingelegt.

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II. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

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1. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) ist bereits unzulässig, da sie durch den angefochtenen Beschluss rechtlich nicht betroffen ist. Dass ihr die eingezogenen Forderungen aufgrund der mit dem Einziehungsbeteiligten getroffenen Treuhandabrede wirtschaftlich zustehen, begründet für das Einziehungsverfahren keine Beschwer. Denn nach der von der Kammer zu Recht angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 19, 123; BGHSt 24, 222; BGHR § 74 Abs. 2 Nr. 1 Eigentümer Nr. 2; BGH NStZ 1997, 204; NStZ-RR 1999, 11; dem folgend auch OLG Oldenburg, NJW 1971, 769; OLG Hamm, VRS 50, 420; MK-Joecks,§ 74 StGB, Rn. 27 ff; SK-Horn/Wolters, § 74 Rn. 16; LK-Schmidt, § 74 StGB, Rn. 13 ff; Fischer,§ 74 StGB Rn. 12) kommt es für die Frage der Einziehung auf die formale Rechtsposition an und nicht auf die wirtschaftliche Zurechnung zu einem anderen Vermögen (so aber AG Bremen, MDR 1980, 72 [AG Bremen 24.05.1979 - 65 Js 1212/78]; Eser, JZ 1972, 146; Sch/Sch-Eser, § 74 StGB Rn. 24 ff; Rutkowsky, NJW 1964, 164). Zwar ist soweit ersichtlich Rechtsprechung zur Einziehung von Treuhandvermögen noch nicht ergangen. Ausgehend von der Entstehungsgeschichte der Einziehungsvorschriften (hierzu MK-Joecks, aaO., Rn. 29) und der vergleichbaren BGH-Rechtsprechung zur Einziehung von Sicherungs- oder Vorbehaltseigentum sieht der Senat aber keine Veranlassung, bei der Einziehung von Forderungen abweichend von der zivilrechtlichen Beurteilung der Inhaberschaft auf die wirtschaftliche Zugehörigkeit abzustellen. Auch bei Rechten kommt es vielmehr maßgeblich auf die dingliche Zuordnung an, während schuldrechtliche Ansprüche außer Betracht zu bleiben haben (vgl. MK-Joecks, aaO. Rn. 33). Dem entspricht es im Zivilrecht, dass die Pfändung von Treuhandkonten Gläubigern der Treugeber versagt bleiben muss und diese stattdessen die Forderungen der Treugeber gegen den Treuhänder auf Rückübertragung nach Beendigung des Treuhandverhältnisses pfänden können (vgl. Stöber, Forderungspfändung, Rn. 403 m.w.N.). Dass im Fall der Insolvenz des Treuhänders dem Treugeber ein Aussonderungsrecht zusteht (§ 47 InsO) bzw. im Fall der Pfändung von Treuhandforderungen durch Gläubiger des Treuhänders dem Treugeber die Möglichkeit einer Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO eröffnet ist,ändert an dem grundsätzlichen zivilrechtlich bestehenden Auseinanderfallen der Forderungen zwischen Treuhänder und Bank einerseits und Treugeber und Treuhänder andererseits nichts. Dass die insolvenzrechtlichen Besonderheiten auf den Begriff des "Gehörens" im Sinne des § 74 Abs. 1 StGB keinen Einfluss haben, ist bereits höchstrichterlich geklärt (vgl. BGHSt 24, 227). Aber auch die Besonderheiten der Zwangsvollstreckung im Zivilrecht stehen - wie sich aus der oben genannten BGH-Rechtsprechung ergibt - der Anknüpfung an die rein formale Rechtsposition bei der strafrechtlichen Einziehung nicht entgegen (vgl. auch OLG Karlsruhe NJW 1974, 709 [OLG Karlsruhe 19.10.1973 - 1 Ws 177/73]). Die Auffassung der Kammer, dass die Aufhebung des Treuhandvertrags wegen der vorher erfolgten Beschlagnahme der Forderungen durch die Staatsanwaltschaft keine Auswirkungen auf die formale Rechtsposition jedenfalls gegenüber dem Einziehungsgläubiger hat, trifft des Weiteren zu. Allein durch die Aufhebung der Treuhandabrede ist die Beschwerdeführerin zu 2) nicht Inhaberin der Forderung gegen die Sparkasse geworden. Vielmehr bedurfte es insoweit einer Abtretung der Ansprüche des Einziehungsbeteiligten aus dem Girovertrag an die Beschwerdeführerin zu 2), die indessen wegen des bestehenden dinglichen Arrestes relativ unwirksam war. Insgesamt stellt sich die Rechtslage für die Beschwerdeführerin zu 2) vorliegend genauso dar, wie sie vom Senat im Beschluss vom 5. Mai 2009 (1 Ws 169/09) bereits hinsichtlich ihrer Töchter gewürdigt worden ist. Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner abweichenden Ansicht.

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2. Die sofortige Beschwerde des Einziehungsbeteiligten ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Ausführungen der Kammer im angefochtenen Beschluss treffen zu. Dem gegenüber greift das Beschwerdevorbringen nicht durch. Im Einzelnen:

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a. Ein Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einziehung der streitbefangenen Ansprüche im objektiven Verfahren liegt vor. Die Staatsanwaltschaft hat am 20. Mai 2009 unter Bezugnahme auf ihren Antrag vom 29. August 2008 die Einziehung beantragt. Soweit die Kammer unter Angabe eines fehlerhaften Aktenzeichens die Einziehung beschlossen hat, hat sie dieses durch Beschluss vom 31. Juli 2009 korrigiert. Dies ist nicht zu beanstanden.

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b. Welches Ziel der Beschwerdeführer mit der Rüge verfolgt, trotz Verzichts auf die Beteiligung und entgegen § 431 Abs. 6 StPO am Einziehungsverfahren beteiligt worden zu sein, erschließt sich dem Senat nicht. Denn unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer zu 1) förmlich an dem Verfahren zu beteiligen war, konnte die Einziehung seiner Ansprüche aus dem Girovertrag unter den Voraussetzungen des § 76a StGB erfolgen. Eine Beschwer des Einziehungsbeteiligten nur durch seine bloße Verfahrensbeteiligung ist in der Hauptsache nicht zu erkennen. Hierfür spricht im Übrigen auch§ 431 Abs. 5 StPO, wonach die Anordnung einer Verfahrensbeteiligung unanfechtbar ist. Eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses auf dieser Grundlage kam daher von vornherein nicht in Betracht.

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c. Der Einziehung der Ansprüche im objektiven Einziehungsverfahren stand nicht entgegen, dass das subjektive Verfahren gegen die Beschwerdeführerin zu 2) noch nicht abgeschlossen ist. Die Ausführungen der Kammer im angefochtenen Beschluss treffen zu und entsprechen auch der im Senatsbeschluss vom 5. Mai 2009 zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung. Der Einziehungsbeteiligte ist die einzige Person, gegen die die Einziehung der Ansprüche gegen die Sparkasse ausgesprochen werden kann. Der Beschwerdeführerin zu 2) standen hingegen keine Inhaber- oder sonstigen Rechte im Sinne des § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu (vgl. oben 1). Dass die Kammer den Weg über die Einziehung im objektiven Verfahren gewählt hat, obwohl auch eine Einziehung über § 74a StGB im subjektiven Verfahren gegen die Beschwerdeführerin zu 2) in Frage gekommen wäre, ist unschädlich. Ein Vorrang eines der beiden Verfahren ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.

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d. Die Einziehung der Ansprüche hatte entgegen den Ausführungen der sofortigen Beschwerde auch im Verfahren gegen den Einziehungsbeteiligten zu erfolgen. Auf die wirtschaftliche Position der Beschwerdeführerin zu 2) war nicht abzustellen (vgl. oben 1). Die erfolgte Kündigung des Treuhandvertrages, verbunden mit der Bitte um Auskehrung des Guthabens an die Beschwerdeführerin zu 2), führt nicht zur Unzulässigkeit der Einziehung. Denn aufgrund der zuvor erfolgten Pfändung der Ansprüche zur Vollziehung des am 8. August 2008 durch das Amtsgericht Hannover angeordneten Arrestes unterlagen die Ansprüche einem relativen Veräußerungsverbot zugunsten der Landeskasse (§ 136 BGB, § 111c Abs. 5 StPO).

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e. Einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung erkennt der Senat in der Regelung des § 76a Abs. 3 StGB nicht. Hat die Maßnahme strafähnlichen Charakter, ist sie nur zulässig, wenn eine rechtswidrige und schuldhafte Tatbestandsverwirklichung festgestellt wird (vgl. Fischer, § 76a StGB Rn. 6). Auf Antrag eines Beteiligten ist über den Einziehungsantrag auf Grund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden (§ 441 Abs. 3 StPO). Dieser Regelungsmechanismus gewährleistet, dass die Einziehung im objektiven Verfahren den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt. Dass nicht zwingend eine Hauptverhandlung stattfinden muss, ist dem Strafprozessrecht nicht unbekannt (vgl. §§ 407 ff StPO).

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f. Soweit sich der Einziehungsbeteiligte darauf beruft, aufgrund der erfolgten Einstellung nach § 153a StPO Vertrauensschutz dahingehend erworben zu haben, dass keine weiteren strafprozessualen Maßnahmen mehr erfolgen, ist dem entgegen zu halten, dass bereits zum Zeitpunkt der Einstellung eine Beschlagnahme seiner Ansprüche gegen die Sparkasse erfolgt war und der Einziehungsbeteiligte nicht damit rechnen konnte, dass ihm der Zugriff auf die den Straftaten zugrundeliegenden Vermögenswerte wieder ermöglicht wird.

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g. Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme sind fernliegend, zumal der Einziehungsbeteiligte selbst erklärt hat, an den auf den Treuhandkonten befindlichen Geldern keine persönlichen Ansprüche geltend zu machen.

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h. Die getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Annahme, dass der Einziehungsbeteiligte durch sein Verhalten den Tatbestand einer leichtfertigen Geldwäsche erfüllt hat. Er hat eingeräumt,über die Vorwürfe gegen K.-H. W. in groben Zügen informiert gewesen zu sein. Bei der Durchsuchung seiner Kanzleiräume gab er ferner an, nicht ausschließen zu wollen, dass die Treuhandkonten für Zwecke der Geldwäsche durch die Beschwerdeführerin zu 2) genutzt worden sind. Angesichts der Geldüberweisungen, die im Verhältnis zu dem eigentlichen Zweck der Konteneinrichtung überdimensioniert ausfielen, sowie der ihm als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nicht verborgen gebliebenen Rechtsbeziehungen zwischen der Beschwerdeführerin zu 2) und der N. musste sich dem Einziehungsbeteiligten aufdrängen, dass die von ihm verwalteten Gelder aus illegalen Geschäften stammen und lediglich zu dem Zweck der Verschleierung dieser auf das Treuhandkonto eingezahlt wurden. Die Würdigung der Kammer, auf die ergänzend Bezug genommen wird, ist nach alledem nicht zu beanstanden.

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i. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB stand letztlich der durch § 261 Abs. 7 StGB ermöglichten Einziehung nicht entgegen, weil danach nur die Möglichkeit eines Verfalls ausgeschlossen wird. Die Vorschriften über die Einziehung kennen keinen Verletztenvorbehalt.

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III. Die Kostenentscheidungen folgen aus § 473 Abs. 1 StPO.