Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.05.2009, Az.: 1 Ws 169-171/09; 1 Ws 184/09
Einziehung eines treuhänderisch eingerichteten Kontos gem. § 74 Abs. 2 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) bei Vorliegen einer Anklage wegen Geldwäsche
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 05.05.2009
- Aktenzeichen
- 1 Ws 169-171/09; 1 Ws 184/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 29241
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2009:0505.1WS169.171.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - AZ: 25 KLs 4131 Js 103698/08
Rechtsgrundlagen
- § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB
- § 74a Nr.1 StGB
Fundstelle
- NStZ-RR 2010, 279-281
Amtlicher Leitsatz
Die Frage, wem Rechte im Sinne des § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB "gehören", beantwortet sich wie bei Sachen nach materiellem Recht. Im Fall eines treuhänderisch eingerichteten Kontos kann sich der Treugeber daher auf eine bloß wirtschaftliche Beeinträchtigung bei Einziehung der Forderung des Treunehmers gegen das Kreditinstitut nicht berufen.
Tenor:
1. Der Beschwerdeführer zu 1) trägt die Kosten seines Beschwerdeverfahrens, nachdem er seine sofortige Beschwerde gegen den Beschluss der Strafkammer 15 - 6. große Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Hildesheim vom 6. März 2009 zurückgenommen hat (§ 473 Abs. 1 StPO).
2. Die sofortigen Beschwerden der Beschwerdeführerinnen zu 3) und 4) gegen den Beschluss der Strafkammer 15 - 6. große Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Hildesheim vom 6. März 2009 werden auf Kosten der Beschwerdeführerinnen zu 3) und 4) als unzulässig verworfen.
3. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) wird der Beschluss der Strafkammer 15 - 6. große Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Hildesheim vom 6. März 2009 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft vom 29. August 2008 an dieselbe Kammer zurückverwiesen. Die Kosten der sofortigen Beschwerde einschließlich der insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerin zu 2) trägt die Landeskasse.
4. Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft erhob am 7. September 2007 gegen den Einziehungsbeteiligten und die Beschwerdeführerin zu 2) Anklage wegen leichtfertiger Geldwäsche in elf Fällen. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, Geld aus illegalen Geschäften des gesondert verfolgten K.H. W. in Höhe von etwa 839.000 ? dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen zu haben, indem der Einziehungsbeteiligte bei der Sparkasse H. ein Wirtschaftsprüfer-Anderkonto mit dem Verwendungszweck "Fremdgeld W." einrichtete und sodann auf Veranlassung der Beschwerdeführerin zu 2) überwiesene Beträge von Auslandskonten der Beschwerdeführerinnen zu 2) bis 4) empfing, obwohl beiden Angeklagten sich hätte aufdrängen müssen, dass die zuvor vom gesondert verfolgten K.H. W. den Beschwerdeführerinnen zu 2) bis 4) übertragenen Vermögenswerte aus gewerbsmäßig begangenen Untreuehandlungen herrührten. Das Verfahren gegen den Einziehungsbeteiligten wurde nach Zahlung einer Geldauflage am 18. April 2008 nach § 153a StPO eingestellt. Das Verfahren gegen die Beschwerdeführerin zu 2) ist noch nicht abgeschlossen. Gegen die Beschwerdeführerinnen zu 3) und 4) sind keine Strafverfahren (mehr) anhängig.
Unter dem 29. August 2008 beantragte die Staatsanwaltschaft im objektiven Verfahren die Einziehung der Forderungen des Einziehungsbeteiligten gegen die Sparkasse H. aus dem oben benannten Anderkonto sowie aus weiteren Konten, die mit Geld von diesem Konto bedient worden sind. Die Kammer hat am 13. November 2008 die Beteiligung des Einziehungsbeteiligten angeordnet. Eine Beteiligung der Beschwerdeführerinnen ist nicht erfolgt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Kammer ohne vorherige mündliche Verhandlung die Ansprüche des Einziehungsbeteiligten bzgl. der Guthaben auf dessen Konten gegen die Sparkasse H. in Höhe von 742.396 ? eingezogen, den Einziehungsantrag im Übrigen zurückgewiesen. Dieser Entscheidung hat sie §§ 261 Abs. 7, 74a Nr. 1, 76a Abs. 1 und 3 StGB zugrunde gelegt und ausgeführt, dass sich auf die Kontoguthaben zumindest die von der Beschwerdeführerin zu 2) nach Aktenlage begangenen Straftaten der leichtfertigen Geldwäsche bezogen haben. Auf die Frage, ob der Einziehungsbeteiligte als Mittäter anzusehen sei, komme es nicht an, da § 74a Nr. 1 StGB die Einziehung auch gegen den nicht vorsätzlich und damit im subjektiven Verfahren nicht verurteilbaren "Quasi-Gehilfen" ermögliche. Dass gegen die Beschwerdeführerin zu 2) noch das subjektive Verfahren durchgeführt werden könne, schließe das objektive Verfahren gegen den Einziehungsbeteiligten nicht aus. Dieser sei auch allein an dem Einziehungsverfahren zu beteiligen gewesen, weil nur er gegenüber der Sparkasse H. als Kontoinhaber berechtigt und verpflichtet sei. Auf die wirtschaftliche Zugehörigkeit der Ansprüche zum Vermögen der Beschwerdeführerinnen zu 2) bis 4) komme es nicht an, weil bei der Einziehung die formale Rechtsposition im Vordergrund stehe. Diese habe sich auch nicht durch die rückwirkende Aufhebung der Treuhandvereinbarung geändert, weil die Ansprüche des Einziehungsbeteiligten zuvor mit einem dinglichen Arrest belegt worden seien und die zu Lasten der Einziehungsgläubigers vorgenommenen Rechtsgeschäfte diesem gegenüber unwirksam seien.
Gegen diesen Beschluss haben die Beschwerdeführer 1) bis 4) sofortige Beschwerde eingelegt. Der Einziehungsbeteiligte hat seine sofortige Beschwerde mittlerweile zurückgenommen. Die Beschwerdeführerinnen zu 2) bis 4) berufen sich darauf, dass die eingezogenen Ansprüche wirtschaftlich ihnen zustehen, weshalb ihnen trotz Nichtbeteiligung am Verfahren ein Beschwerderecht ermöglicht sein müsse.
II.
Nach Rücknahme der sofortigen Beschwerde durch den Einziehungsbeteiligten war in der Hauptsache nur noch über die sofortigen Beschwerden der Beschwerdeführerinnen zu 2) bis 4) zu entscheiden. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) ist zulässig und hat in der Sache (vorläufigen) Erfolg. Die übrigen Rechtsmittel sind unzulässig.
1. Die Beschwerdeführerin zu 2) konnte in zulässiger Form trotz Nichtbeteiligung am Einziehungsverfahren sofortige Beschwerde erheben, weil sie durch den angefochtenen Beschluss "betroffen" im Sinne des § 304 Abs. 2 StPO ist.
a. Diese Betroffenheit folgt allerdings nicht aus dem Umstand, dass die Beschwerdeführerin zu 2) wirtschaftlich Berechtigte über die eingezogenen Forderungen ist. Denn nach der von der Kammer zu Recht angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 19, 123; BGHSt 24, 222; BGHR § 74 Abs. 2 Nr. 1 Eigentümer Nr. 2; BGH NStZ 1997, 204; NStZ-RR 1999, 11; dem folgend auch OLG Oldenburg, NJW 1971, 769; OLG Hamm, VRS 50, 420; MK-Joecks, § 74 StGB, Rn. 27 ff; SK-Horn/Wolters, § 74 Rn. 16; LK-Schmidt, § 74 StGB, Rn. 13 ff; Fischer, § 74 StGB Rn. 12) kommt es für die Frage der Einziehung auf die formale Rechtsposition an und nicht auf die wirtschaftliche Zurechnung zu einem anderen Vermögen (so aber AG Bremen, MDR 1980, 72; Eser, JZ 1972, 146; Sch/Sch-Eser, § 74 StGB Rn. 24 ff; Rutkowsky, NJW 1964, 164). Zwar ist soweit ersichtlich Rechtsprechung zur Einziehung von Treuhandvermögen noch nicht ergangen. Ausgehend von der Entstehungsgeschichte der Einziehungsvorschriften (hierzu MK-Joecks, a.a.O., Rn. 29) und der vergleichbaren BGH-Rechtsprechung zur Einziehung von Sicherungs- oder Vorbehaltseigentum sieht der Senat aber keine Veranlassung, bei der Einziehung von Forderungen abweichend von der zivilrechtlichen Beurteilung der Inhaberschaft auf die wirtschaftliche Zugehörigkeit abzustellen. Auch bei Rechten kommt es vielmehr maßgeblich auf die dingliche Zuordnung an, während schuldrechtliche Ansprüche außer Betracht zu bleiben haben (vgl. MK-Joecks, a.a.O. Rn. 33). Dem entspricht es im Zivilrecht, dass die Pfändung von Treuhandkonten Gläubigern der Treugeber versagt bleiben muss und diese stattdessen die Forderungen der Treugeber gegen den Treuhänder auf Rückübertragung nach Beendigung des Treuhandverhältnisses pfänden können (vgl. Stöber, Forderungspfändung, Rn. 403 m.w.N.). Dass im Fall der Insolvenz des Treuhänders dem Treugeber ein Aussonderungsrecht zusteht (§ 47 InsO) bzw. im Fall der Pfändung von Treuhandforderungen durch Gläubiger des Treuhänders dem Treugeber die Möglichkeit einer Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO eröffnet ist, ändert an dem grundsätzlichen zivilrechtlich bestehenden Auseinanderfallen der Forderungen zwischen Treuhänder und Bank einerseits und Treugeber und Treuhänder andererseits nichts. Dass die insolvenzrechtlichen Besonderheiten auf den Begriff des "Gehörens" im Sinne des § 74 Abs. 1 StGB keinen Einfluss haben, ist bereits höchstrichterlich geklärt (vgl. BGHSt 24, 227). Aber auch die Besonderheiten der Zwangsvollstreckung im Zivilrecht stehen - wie sich aus der oben genannten BGH-Recht-sprechung ergibt - der Anknüpfung an die rein formale Rechtsposition bei der strafrechtlichen Einziehung nicht entgegen (vgl. auch OLG Karlsruhe NJW 1974, 709). Die Auffassung der Kammer, dass die Aufhebung des Treuhandvertrags wegen der vorher erfolgten Beschlagnahme der Forderungen durch die Staatsanwaltschaft keine Auswirkungen auf die formale Rechtsposition jedenfalls gegenüber dem Einziehungsgläubiger hat, trifft des Weiteren zu. Allein durch die Aufhebung der Treuhandabrede sind die Beschwerdeführerinnen zu 2) bis 4) nicht Inhaber der Forderung gegen die Sparkasse geworden. Vielmehr bedurfte es insoweit einer Abtretung der Ansprüche des Einziehungsbeteiligten aus dem Girovertrag an die Beschwerdeführerinnen zu 2) bis 4), die indessen wegen des bestehenden dinglichen Arrestes relativ unwirksam war.
b. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde folgt indessen daraus, dass Grundlage für die Einziehung der Forderungen die sich für die Kammer aus der Akte ergebende leichtfertige Geldwäsche der Beschwerdeführerin zu 2) sein soll. Anders als es Zielrichtung im Antrag der Staatsanwaltschaft war, hat die Kammer nicht eine leichtfertig begangene Geldwäsche des Einziehungsbeteiligten, sondern vielmehr eine solche der Beschwerdeführerin zu 2) angenommen. Dem folgend hat die Kammer die Einziehung auch nicht auf §§ 261 Abs. 7 i.V.m. 74 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 StGB, sondern auf §§ 261 Abs. 7 i.V.m. 74a Nr. 1 StGB gestützt, der eine Einziehung bei Dritten über den Fall der Sicherungseinziehung nach § 74 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 StGB hinaus ermöglicht. Betrifft die Einziehung aber einen an der eigentlichen Tat unbeteiligten Dritten, ist sie im Verfahren gegen den Angeklagten auszusprechen, auf dessen Tat sie gestützt wird (vgl. Sch/Sch-Eser, § 74 Rn. 43; Fischer, § 74 StGB Rn. 21). Insoweit hätte die Kammer, da sich die der Einziehung nach § 74a StGB zugrundeliegende Anklage gegen die Beschwerdeführerin zu 2) richtete, diese am Verfahren beteiligen müssen. Diese Beteiligung wäre dabei wegen § 76a Abs. 1 StGB nicht im objektiven Einziehungsverfahren anzuordnen gewesen. Vielmehr wäre das Hauptverfahren gegen die Beschwerdeführerin zu 2) wegen der gegen sie erhobenen Tatvorwürfe durchzuführen und der Einziehungsbeteiligte nach §§ 431 ff. StPO in das Verfahren mitaufzunehmen gewesen. Im Fall einer Verurteilung der Beschwerdeführerin zu 2) wäre dann eine Einziehung der Forderung des Einziehungsbeteiligten nach § 74a Nr. 1 StGB in Betracht gekommen. Dass § 76a Abs. 3 StGB ein objektives Einziehungsverfahren für den Fall der Einstellung des (subjektiven) Verfahrens ausdrücklich vorsieht, ist dabei unerheblich. Denn dies hätte es der Kammer lediglich ermöglicht, die Einziehung der Forderungen nach §§ 261 Abs. 7, 74 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 StGB, ohne Rückgriff auf § 74a Nr. 1 StGB anzuordnen, wenn eine täterschaftlich begangene leichtfertige Geldwäsche durch den Einziehungsbeteiligten vorgelegen hätte. Ob aber der Einziehungsbeteiligte jedenfalls nach Aktenlage eine leichtfertige Geldwäsche begangen hat, hat die Kammer gerade ausdrücklich dahinstehen lassen.
c. Den soeben aufgezeigten Mangel konnte auch die Beschwerdeführerin zu 2) geltend machen, obwohl die Einziehung der Forderungen des Einziehungsbeteiligten gegen die Sparkasse Hannover sich nach Ansicht der Kammer letztlich gegen einen tatunbeteiligten Dritten richten. Denn wie bereits ausgeführt hat die Anordnung der Einziehung solcher Rechte im Strafverfahren gegen den Angeklagten, auf dessen Tat die Einziehung gestützt wird, zu erfolgen. In diesem Fall folgt die Möglichkeit des Angeklagten, sich mit Rechtsbehelfen (auch) gegen die Einziehung zur Wehr zu setzen, bereits aus § 296 Abs. 1 StPO. Findet eine solche Einziehung außerhalb eines solchen möglichen subjektiven Verfahrens statt und knüpft das Gericht dabei die Einziehung an das Vorliegen einer Straftat des Angeklagten nach Aktenlage, kann deshalb seine Betroffenheit im Sinne des § 304 Abs. 2 StPO ebenfalls nicht verneint werden.
2. Aufgrund dieser Ausführungen ist die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 2) auch begründet. Die Sache war an die Kammer zurückzuverweisen, die zu prüfen haben wird, ob das objektive Einziehungsverfahren gegen den Einziehungsbeteiligten auf der Grundlage einer durch ihn selbst begangenen leichtfertigen Geldwäsche durchzuführen ist.
3. Die oben dargelegte (siehe Punkt 1 a) Erheblichkeit der formalen Rechtsposition im Einziehungsverfahren führt zugleich zur Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerden der Beschwerdeführerinnen zu 3) und 4), da diese nur Inhaberinnen der Forderungen aus dem Treuhandvertrag gegen den Einziehungsbeteiligten sein können, die aber gar nicht Gegenstand des Einziehungsverfahrens gewesen sind.
III.
Die Kostenentscheidungen folgen aus § 465 StPO analog und § 473 Abs. 1 StPO.