Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 21.09.2006, Az.: 4 A 105/04

Abgabe; Altenpflege; Altenpflege-Berufegesetz; Behandlung; Erhebung; Erhebungsverfahren; Gestaltung; Gleichheitssatz; Heim; Hilfe; Mangel; Maßstab; Pflege; Pflicht; Regelung; Sonderabgabe; Umlage; Umlagemaßstab; Umlegung; Vollzug; Änderung

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
21.09.2006
Aktenzeichen
4 A 105/04
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 53327
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. §§ 8 und 9 des Altenpflege-Berufegesetzes und die Regelungen der hierzu ergangenen Umlage-Verordnung verstoßen nicht wegen eines strukturellen Mangels des Erhebungsverfahrens (vgl. BVerfG, Urteil vom 9.3.2004 - 2 BvL 17/02 -, BVerfGE 110, 94) gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes.

2. Die Erhebung einer Umlage nach dem Altenpflege-Berufegesetz setzt die vollständige Ermittlung des Kreises der Umlagepflichtigen und des bei diesen vorhandenen Bestandes an Pflegepersonal voraus.

3. Die materielle Beweislast für die zutreffende Festsetzung des Umlagemaßstabs trägt die Umlagestelle.

Tatbestand:

1

Die Beteiligten streiten über die Erhebung einer Umlage nach dem Altenpflege-Berufegesetz.

2

Die Klägerin betreibt einen Seniorenpflegedienst und bietet Leistungen der ambulanten Pflege an. Durch Bescheid vom 8.5.2001 (Nr. 21 73 78 00 18; Umlagejahr 2000/2001) zog die Beklagte die Klägerin erstmals zu einer Umlage nach dem Altenpflege-Berufegesetz in Höhe von 4.005,76 DM (entspricht 2.048,11 Euro) heran. Hiergegen legte die Klägerin am 28.5.2001 Widerspruch ein. Durch Bescheid vom 24.8.2001 (Nr. 21 73 98 00 24) erhob die Beklagte für das Umlagejahr 2001/2002 eine Umlage in Höhe von 779,18 DM (entspricht 398,39 Euro). Hiergegen legte die Klägerin am 19.9.2001 Widerspruch ein.

3

Mit Schreiben vom 22.2.2002 fragte die Beklagte bei der Klägerin an, seit wann diese ihre Pflegeeinrichtung betreibe, und forderte sie auf, für vorangegangene Umlagejahre Meldeunterlagen vorzulegen. Hierzu teilte die Klägerin mit, die Pflegeeinrichtung bestehe seit dem 1.4.1996.

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Daraufhin setzte die Beklagte eine Umlage durch Bescheide vom 21.5.2002 wie folgt fest:

5

- Umlagejahr 1997/1998, Nr. 21 73 98 00 30: 701,20 DM (entspricht 358,52 €);

6

- Umlagejahr 1998/1999, Nr. 21 73 98 00 46: 2.112,09 DM (entspricht 1.079,89 €);

7

- Umlagejahr 1999/2000, Nr. 21 73 98 00 52: 2.801,81 DM (entspricht 1.432,54 €).

8

Gegen diese Bescheide erhob die Klägerin am 20.6.2002 gleichfalls Widerspruch.

9

Durch weiteren Bescheid vom 20.8.2002 (Nr. 21 73 98 00 65) setzte die Beklagte sodann die Umlage für das Umlagejahr 2002/2003 gegenüber der Klägerin in Höhe von 47,97 € fest. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 19.9.2002 Widerspruch ein.

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Die Beklagte wies die Widersprüche durch Widerspruchsbescheide vom 23.4.2004 (jeweils zugestellt am 28.4.2004) zurück.

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Am 27.5.2005 hat die Klägerin Klage erhoben, zu deren Begründung sie vorträgt:

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1. Die Vorschriften über die Altenpflege-Umlage seien mit Art. 3 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar und daher nichtig. Zwar sei die Abgabe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich zulässig. Das Erhebungsverfahren sei jedoch mit gravierenden und gleichheitssatzwidrigen Vollzugsdefiziten behaftet, was zur Nichtigkeit der einschlägigen Normen führe. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Urteil vom 9.3.2004 - 2 BvL 17/02 -) ergebe sich, dass ein defizitäres Erhebungsverfahren die Gleichheit im Belastungserfolg verletze, was die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Erhebungsgrundlage nach sich ziehen könne. Verfassungsrechtlich verboten sei der Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und der nicht auf Durchsetzung dieses Befehls angelegten Erhebungsregel. Die Vorschriften zur Altenpflege-Umlage seien von strukturellen Erhebungsmängeln geprägt, die eine Ungleichbehandlung der Pflichtigen zwangsläufig nach sich ziehe. Der Verteilerschlüssel zur Erhebung der Umlage sei fehlerhaft, da nicht alle Einrichtungen erfasst worden seien. Eine ausreichende Kontrolle der Angaben der Einrichtungen sei in der Regelung nicht vorgesehen.

13

2. Allein aus dem Umstand, dass die Anzahl der Einrichtungen nicht ordnungsgemäß ermittelt worden sei, ergebe sich die Rechtswidrigkeit der Bescheide.

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3. In welcher Form die gesetzlich vorgesehene Rücklage gebildet und verwandt worden sei, sei unklar. Eine rückwirkende Festsetzung der Umlage sei unzulässig, weil eine Refinanzierung insoweit nicht mehr möglich sei. Es sei unklar, was mit den im Nachhinein erhobenen Umlagebeträgen nach rechnerischem Abschluss der Umlagejahre geschehen solle.

15

Die Klägerin hat angeregt, das Verfahren auszusetzen und das Altenpflege-Berufegesetz dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG zur konkreten Normenkontrolle vorzulegen. Sie beantragt,

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die Bescheide der Beklagten vom 8.5.2001 (Nr. 21 73 98 00 18), vom 24.8.2001 (Nr. 21 73 98 00 24), vom 21.5.2002 (Nr. 21 73 98 00 30), vom 21.5.2002 (Nr. 21 73 98 00 46), vom 21.5.2002 (Nr. 21 73 98 00 52) und vom 20.8.2002 (Nr. 21 73 98 00 65) sowie die zu den jeweiligen Bescheiden ergangenen Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 23.4.2004 aufzuheben.

17

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung trägt sie - auch unter Bezugnahme auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide - vor:

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1. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9.3.2004 habe eine Steuer betroffen, so dass sein Inhalt auf die nicht steuerliche Umlage nicht übertragbar sei. Im Übrigen beständen - anders als in dem vom Bundesverfassungsgericht beurteilten Fall der Spekulationsbesteuerung - im Fall der Altenpflege-Umlage entgegen der Auffassung der Klägerin umfassende Kontrollmöglichkeiten.

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2. Die Liste der berücksichtigten Pflegedienste sei vollständig; insoweit sei mehrfach ein Datenabgleich mit den Pflegekassen durchgeführt worden.

22

3. Die Einstellung von Teilen der Umlagebeträge in eine Rücklage sei rechtmäßig gewesen. Die Verfassungsmäßigkeit des Umlageverfahrens setze nicht die Refinanzierbarkeit der Umlage voraus. Nachträglich erhobene und gezahlte Umlagebeträge würden in die Rücklage aufgenommen und an alle am Umlageverfahren Beteiligten anteilig zurückgezahlt.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die Erhebung der zwischen den Beteiligten streitbefangenen Umlage ist das Gesetz über die Berufe in der Altenpflege (Altenpflege-Berufegesetz; APBG) vom 20.6.1996 (Nds. GVBl. S. 276). § 8 APBG hatte zunächst folgenden Wortlaut:

§ 8

26

Umlage

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(1) Die Summe der Ausbildungsvergütungen einschließlich der Pflichtanteile der Arbeitgeber an den Beiträgen für die Sozialversicherungen und die Arbeitslosenversicherung sowie der Kosten, die durch die Bereitstellung und die Auszahlung der Ausbildungsvergütungen entstehen, und die Kosten der Umlagestelle werden auf die Träger der Einrichtungen umgelegt, die

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1. eine Pflegeeinrichtung nach § 71 in Verbindung mit § 72 des Elften Buches Sozialgesetzbuch oder

29

2. ein Heim für alte Menschen im Sinne des § 1 Abs. 1 des Heimgesetzes, soweit es nicht schon in Nummer 1 erfaßt ist, ausgenommen Altenwohnheime,

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betreiben.

(2) ...

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(3) Den Umlagemaßstab bildet der Bestand an Pflegepersonal.

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(4) Maßgebend dafür, ob ein Träger der praktischen Ausbildung einen Anspruch auf Zahlung aus der Umlage hat oder ob er eine Zahlung in die Umlage zu leisten hat, ist die Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem auf ihn entfallenden Anteil an der Umlage und den eigenen Aufwendungen (Absätze 1 und 2).

33

Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Änderung des Altenpflege-Berufegesetzes vom 15.7.1999 (Nds. GVBl. S. 158) u. a. insoweit geändert, als (mit Wirkung zum 1.1.1998) die Kosten der Umlagestelle sowie (mit Wirkung zum 1.8.1999) die Kosten, die durch die Bereitstellung und die Auszahlung der Ausbildungsvergütungen entstehen, nicht mehr zu den umlagefähigen Kosten zählten. Die näheren die Umlage betreffenden Einzelheiten werden aufgrund der Verordnungsermächtigung gemäß § 11 APBG durch die Umlageverordnung zum Altenpflege-Berufegesetz (UmlVO-APBG) vom 2.10.1996 (Nds. GVBl. S. 427) bzw. durch die Verordnung zur Änderung der Umlageverordnung zum Altenpflege-Berufegesetz vom 5.8.1999 (Nds. GVBl. S. 319) geregelt.

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Das Bundesverfassungsgericht hat die niedersächsische Regelung der Finanzierung von Ausbildungsvergütungen in der Altenpflege durch Beschluss vom 17.7.2003 (2 BvL 1, 4, 6, 16, 18/99, 1/01, BVerfGE 108, 186 ff.) für verfassungsgemäß erachtet und dabei insbesondere ausgeführt, die Erhebung und Ausgestaltung der Altenpflege-Umlage verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 17.7.2003, a.a.O. S. 233). Es kann dahinstehen, ob diese Prüfung in jeder Beziehung umfassend war oder - wie die Klägerin meint - die Frage einer möglichen Verfassungswidrigkeit wegen einer mangelbehafteten und grundgesetzwidrigen Ausgestaltung des Erhebungsverfahrens offen gelassen hat. Die Kammer teilt die Auffassung der Klägerin nicht, das im Nds. Altenpflege-Berufegesetz und der dazu erlassenen Umlageverordnung geregelte Erhebungsverfahren sei bereits aufgrund der gesetzlichen Regelung mit gravierenden und gleichheitssatzwidrigen Vollzugsdefiziten behaftet, was die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Erhebungsgrundlage nach sich ziehe. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9.3.2004 - 2 BvL 17/02 - (BVerfGE 110, 94 [BVerfG 09.03.2004 - 2 BvL 17/02]), in dem es die gesetzliche Regelung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 Lit. b) des Einkommensteuergesetzes zur Besteuerung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften mit Wertpapieren überprüft hat, ausgeführt, der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlange für das Steuerrecht, dass die Steuerpflichtigen durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet würden. Werde die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, könne dies die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage nach sich ziehen. Verfassungsrechtlich verboten sei der Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und der nicht auf Durchsetzung angelegten Erhebungsregel. Der durch das Bundesverfassungsgericht beurteilte Sachverhalt ist jedoch mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Im Fall der Regelung der Besteuerung von Einkünften aus Spekulationsgeschäften mit Wertpapieren fehlte der Steuerverwaltung das technische Instrumentarium zur Feststellung von Spekulations- oder privaten Veräußerungsgeschäften mit Wertpapieren zum Zweck einer Besteuerung. Dies hatte zur Folge, dass der Besteuerungsanspruch nur bei entsprechenden Angaben der Steuerpflichtigen oder zufällig und damit im Ergebnis weitgehend gar nicht durchgesetzt werden konnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9.3.2004, a.a.O. S. 113). Durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens wurde die Gleichheit im Belastungserfolg prinzipiell verfehlt, was die Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Besteuerungsgrundlage nach sich zog. Im Gegensatz hierzu stand der Beklagten bei der Erhebung der Umlage nach dem Altenpflege-Berufegesetz ein ausreichendes Instrumentarium zur Verfügung, um - ergänzend zu einer möglicherweise unzureichenden Mitwirkung der Abgabenpflichtigen - durch eigene Kontrollen Deklarationsmängel aufzudecken bzw. auszugleichen und dadurch eine Gleichheit im Belastungserfolg herbeizuführen. Die gesetzliche Regelung ermächtigt die Beklagte in § 9 Abs. 2 S. 2 APBG, die für das Umlageverfahren maßgeblichen Unterlagen anzufordern oder diese bei den am Umlageverfahren beteiligten Trägern einzusehen. Zwar hat sie diese Möglichkeit offensichtlich nicht genutzt. Der Vertreter der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, es habe in keinem Einzelfall eine Kontrolle der auf der Grundlage des § 9 Abs. 2 S. 1 APBG erfolgten Auskünfte der beteiligten Träger stattgefunden. Dieser Umstand führt jedoch nicht zu einem strukturellen Mangel des Erhebungsverfahrens, sondern stellt einen bloßen Vollzugsmangel (siehe unten) dar. Derartige Vollzugsmängel, wie sie immer wieder vorkommen können und sich tatsächlich ereignen, führen allein noch nicht zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Abgabennorm (BVerfG, Beschl. v. 9.3.2004, a.a.O. S. 113). Eine mangelhafte Durchsetzung der aufgrund der gesetzlichen Regelung für die Beklagte bestehenden Möglichkeiten hat sich der Gesetzgeber daher nicht zurechnen zu lassen. Eine Vorlage des Verfahrens gemäß Art. 100 GG kommt somit nicht in Betracht.

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Unabhängig davon, dass die gesetzliche Regelung des Umlageverfahrens unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden ist, litt die Umsetzung der Regelung durch die Beklagte in den streitbefangenen Abrechnungszeiträumen unter gravierenden Mängeln. Dies führt dazu, dass die streitbefangenen Bescheide gegen den Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen § 8 Abs. 1 APBG verstoßen.

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Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 17.7.2003, a.a.O.) hat zur Rechtsnatur der Altenpflege-Umlage ausgeführt, diese sei weder Gebühr noch Beitrag, denn sie werde nicht für die tatsächliche oder potentielle Inanspruchnahme einer staatlichen Einrichtung oder Leistung erhoben (a.a.O. S. 220). Es handele sich auch nicht um eine Steuer (a.a.O. S. 212), sondern vielmehr um eine nichtsteuerliche Sonderabgabe. Mit einer solchen Sonderabgabe dürfe nur eine homogene Gruppe belegt werden, die in einer spezifischen Beziehung zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck stehe und bei der das Abgabenaufkommen gruppennützig verwendet werden müsse (a.a.O. S. 218 m.w.N.). Mit der Einführung der Altenpflege-Umlage habe der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, eine ausreichende Anzahl von Auszubildenden im Bereich der Altenpflege zu gewinnen, und dabei die Träger dieser Ausbildung entlasten und die Kostenlast innerhalb der im Bereich der Altenpflege tätigen Einrichtungen ausgleichen wollen. Die Heranziehung auch derjenigen Einrichtungen, die nicht in der Ausbildung tätig seien, bezwecke, die Kosten der Ausbildung gleichmäßig zu verteilen und Wettbewerbsvorteile für die nicht ausbildenden Einrichtungen zu beseitigen (a.a.O. S 221 f.).

37

Um dieses Ziel zu verwirklichen und eine gleichmäßige Belastung aller in der Altenpflege tätigen Träger zu erreichen, war es erforderlich, die Angehörigen der homogenen Gruppe „Träger von Altenpflege-Einrichtungen“ vollständig zu ermitteln, denn Defizite bei der Ermittlung aller Umlagepflichtigen und des bei diesen vorhandenen Bestandes an Pflegepersonal mussten zwangsläufig zu einer unrichtigen Feststellung des Umlagemaßstabes (§ 8 Abs. 3 APBG a. F.) und damit zu einer überhöhten Zahlungsverpflichtung der im Umlageverfahren herangezogenen Träger führen. Eine unvollständige Ermittlung des Kreises der Abgabenpflichtigen mit der Folge der übermäßigen Belastung eines Teils der Angehörigen der „homogenen Gruppe“ steht im Widerspruch zum Grundsatz der Abgabengerechtigkeit (vgl. zur Notwendigkeit der gleichen Behandlung von Abgabenschuldnern Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: Juli 2006, § 6 Rn. 204 und 750, § 8 Rn. 604, 666 und 1042), verletzt die zur Zahlung angehaltenen Träger in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG und verstößt gegen § 8 Abs. 1 APBG.

38

Die Beklagte ist ihrer Pflicht, die zur Teilnahme am Umlageverfahren verpflichteten Träger von Altenpflege-Einrichtungen vollständig zu ermitteln und zur Abgabe heranzuziehen, in den streitbefangenen Abrechnungszeiträumen nicht hinreichend nachgekommen. Sie hat durch ihren Vertreter in der mündlichen Verhandlung zugestanden, dass nach Auswertung einer (lediglich) den Bereich Celle/Lüneburg/Hannover betreffenden Regionalliste festgestellt worden sei, dass in diesem Bereich 8 oder 9 Einrichtungen nicht berücksichtigt worden seien. Derzeit werde versucht, eine das gesamte Land Niedersachsen betreffende Liste mit den eigenen Erhebungsdaten abzugleichen. Dieser Vorgang sei noch nicht abgeschlossen. Er beziehe sich jedoch auch nur auf das letzte Umlagejahr (2002/2003). Für die vorangegangenen Jahre habe man insoweit keine Erkenntnisse.

39

Nach dem Vortrag der Beklagten steht somit fest, dass der Umlagemaßstab im letzten Umlagejahr in dem Bereich Celle/Lüneburg/Hannover fehlerhaft gewesen ist. Dies legt nahe, dass derartige Fehler bei der Ermittlung der vollständigen Anzahl der abgabepflichtigen Träger nicht nur im betreffenden Bereich, sondern im gesamten Land Niedersachsen aufgetreten sind. In welchem Umfang dies in den einzelnen Abrechnungszeiträumen seit 1996 der Fall war, welche Träger und Einrichtungen betroffen sind und welche Auswirkungen sich hinsichtlich des Umlagemaßstabs insgesamt ergeben, kann die Kammer nicht feststellen. Die Beklagte, die als Abgaben erhebende Stelle für die vollständige Ermittlung der gemäß § 8 Abs. 1 APBG zur Altenpflege-Umlage heranzuziehenden Träger materiell beweispflichtig ist, war nicht in der Lage, für die vorangegangenen Umlagejahre Listen der herangezogenen Träger vorzulegen. Dies ist ihr insbesondere deshalb anzulasten, weil die (in der mündlichen Verhandlung eingeräumte) bloße Weiterpflege von Daten im Wege der elektronischen Datenverarbeitung, ohne prüffähige Daten für die einzelnen Umlagejahre zu sichern, nicht den üblichen Gepflogenheiten entspricht und als leichtfertig zu bezeichnen ist.

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Die Beklagte ist somit den Nachweis schuldig geblieben, dass sie die zur Abgabe verpflichteten Träger in den einzelnen Abrechnungszeiträumen auch nur annähernd vollständig herangezogen hat. Angesichts dessen kann dahinstehen, ob und inwieweit weitere Vollzugsmängel die Festsetzung des zutreffenden Umlagemaßstabs verhindert haben. Die Kammer merkt insoweit lediglich an, dass es befremdlich erscheint, dass die Beklagte angesichts der großen Anzahl am Umlageverfahren teilnehmender Träger von Altenpflege-Einrichtungen kein System der Kontrolle der durch die Träger gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 APBG erteilten Auskünfte installiert hat. Das Fehlen jeglicher Kontrolle lässt befürchten, dass es in nicht unerheblichem Umfang zu fehlerhaften Angaben und damit zu einer unrichtigen Erhebung der für die Höhe der Umlage maßgeblichen Daten gekommen ist.

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Eine Möglichkeit, den Umfang der Heranziehung der Träger von Altenpflege-Einrichtungen zur Umlage im Rahmen der Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) heute noch annähernd zweifelsfrei aufzuklären, sieht das Gericht nicht. Insbesondere ist insoweit der Abgleich einer das gesamte Land Niedersachsen betreffenden Liste der Pflegekassen mit eigenen Erhebungsdaten der Beklagten nicht Erfolg versprechend. Zum einen liegen der Beklagten nur Daten für das Umlagejahr 2003/2004 vor, aus denen sich keine Rückschlüsse auf die vorangegangenen Umlagejahre ziehen lassen. Zum anderen existieren nach dem durch den Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht bestrittenen Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin keine stichtagsbezogenen Listen der Pflegekassen, die mit etwaigen Daten der Beklagten verglichen werden könnten. Einen anderen Weg, Klarheit über diejenigen Träger stationärer wie ambulanter Altenpflege-Einrichtungen zu gewinnen, die in den einzelnen Umlagejahren zur Umlage hätten herangezogen werden müssen, hat auch die Beklagte selbst nicht aufgezeigt.

42

Die angefochtenen Bescheide sind angesichts der bestehenden Ungewissheit nicht nur teilweise, sondern vollständig aufzuheben. Da nicht zu ermitteln ist, ob bzw. inwieweit die Bescheide teilweise rechtmäßig sind und die Klägerin zur Zahlung der Altenpflege-Umlage verpflichtet ist, sieht die Kammer keine andere Möglichkeit, als der Klage in vollem Umfang stattzugeben. Anhaltspunkte für eine Schätzung der Anzahl der nicht zur Umlage herangezogenen, umlagepflichtigen Träger und des in deren Einrichtungen in den einzelnen Umlagejahren vorhandenen Bestands an Pflegepersonal (vgl. § 8 Abs. 3 APBG a. F.) existieren nicht.

43

Auf die weiteren von der Klägerin vorgetragenen rechtlichen Erwägungen kommt es danach nicht mehr an.

44

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

45

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.