Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 14.09.2006, Az.: 1 B 351/06
Rechtmäßigkeit der Erhebung von Kosten für eine Bestattung im Wege der Ersatzvornahme; Verpflichtung der Erben zur Bestattung des Erblassers; Rechtliche Einordnung der Kosten der Bestattung; Kosten im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 14.09.2006
- Aktenzeichen
- 1 B 351/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 30331
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2006:0914.1B351.06.0A
Rechtsgrundlagen
Verfahrensgegenstand
Bestattungskosten
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 1. Kammer -
am 14. September 2006
beschlossen:
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Klage zum Aktenzeichen 1 A 350/06 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 24. August 2006 aufschiebende Wirkung hat.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 241,85 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Im Januar 2006 verstarb der Vater der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin teilte dies der Antragstellerin und ihren drei Halbgeschwistern mit und forderte sie auf, die Bestattung durchzuführen, was jedoch alle Kinder des Verstorbenen ablehnten. Daraufhin beauftragte die Antragsgegnerin ein Bestattungsunternehmen mit der Durchführung der Feuerbestattung nach Sozialtarif. Die Urne wurde am 22. Februar 2006 in einer anonymen Urnenreihengrabstätte auf dem kommunalen Friedhof der Antragsgegnerin beigesetzt. Hierfür entstanden Kosten in Höhe von insgesamt 1.674,31 Euro. Zur Deckung dieser Kosten verwendete die Antragsgegnerin zunächst ein vorhandenes Bankguthaben des Verstorbenen in Höhe von insgesamt 806,91 Euro. Mit Leistungsbescheid vom 24. August 2006 zog die Antragsgegnerin nach entsprechender Anhörung u.a. die Antragstellerin als Gesamtschuldnerin zu den nicht gedeckten Bestattungskosten in Höhe von 867,40 Euro zuzüglich Verwaltungskosten in Höhe von 100,00 Euro heran und forderte sie auf, den Betrag von insgesamt 967,40 Euro bis zum 22. September 2006 zu bezahlen.
Hiergegen erhob die Antragstellerin am 4. September 2006 Klage (Az.: 1 A 350/06) und stellte zugleich einen Antrag auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes.
II.
Der Antrag ist als Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Anfechtungsklage analog § 80 Abs. 5 VwGO zulässig und begründet, denn die erhobene Klage gegen den Leistungsbescheid entfaltet aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO.
Bei den Kosten der Bestattung, die die Antragsgegnerin als Kosten der Ersatzvornahme nach dem Nds. SOG bezeichnet, handelt es sich nicht um öffentliche Kosten im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, auch wenn die Antragsgegnerin als Rechtsgrundlage neben § 66 Nds. SOG auch § 13 Abs. 1, 2 Buchst. f NVwKostG nennt. Kosten sind nämlich grundsätzlich nur die in einem förmlichen Verwaltungsverfahren für die öffentlich-rechtliche Tätigkeit der Behörde entstehenden Gebühren und Auslagen, nicht aber etwa Kosten der Ersatzvornahme oder Kosten, die die Behörde lediglich als Ersatz ihrer finanziellen Aufwendungen verlangt, für die sie in Vorlage getreten ist. Eine solche Kostenersatzforderung erhebt die Antragsgegnerin hier.
Bei der Durchführung der Bestattung hat die Antragsgegnerin für die Antragstellerin und deren Geschwister die ihnen als Kinder nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 BestattG obliegende Verpflichtung zur Bestattung selbst durchgeführt. Dazu war die Antragsgegnerin gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 BestattG verpflichtet. Die Kosten dieser spezialgesetzlich angeordneten Ersatzvornahme werden gemäß § 8 Abs. 4 Satz 3 BestattG durch Leistungsbescheid gegenüber den gemäß § 8 Abs. 3 BestattG vorrangig Verpflichteten festgesetzt. Die allgemeinen Regelungen des Nds. SOG über die Erhebung von Kosten der Ersatzvornahme sind für die hier umstrittenen Bestattungskosten nicht mehr maßgeblich. Gleichwohl ändert die Schaffung der neuen Rechtsgrundlagen nichts daran, dass die Bestattungskosten - wie bisher bei der Ersatzvornahme nach den allgemeinen Regelungen des Nds. SOG (hierzu: Kopp. VwGO, 14. Aufl. § 80 Rdnr. 63) - nicht zu den öffentlichen Abgaben und Kosten gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gehören. Der Rechtscharakter der Forderung als Kostenersatz hat sich nämlich nicht geändert (vgl. für Beerdigungskosten auch VGH Mannheim, Beschluss vom 09.09.1999 - 1 S 1306/99 - NVwZ-RR 2000, 189).
Ebenso ist die mit dem angefochtenen Bescheid verbundene Kostenentscheidung nicht vollziehbar (hierzu: Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl., § 80 Rdnr. 62 m.w.N.), auch wenn dabei eine Verwaltungsgebühr festgesetzt worden ist. Die Kostenfestsetzung ist nämlich durch die von der aufschiebenden Wirkung der Klage erfasste Kostenentscheidung bedingt und hängt von deren Vollziehbarkeit ab.
Da es sich bei den durch den angefochtenen Leistungsbescheid festgesetzten Geldbeträgen nicht um öffentliche Abgaben oder Kosten handelt, findet hier auch § 80 Abs. 6 VwGO mit seinen besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen für den Eilantrag keine Anwendung.
Durch den Hinweis im angefochtenen Bescheid im Anschluss an die erteilte Rechtsbehelfsbelehrung über die Klagemöglichkeit: "Die Einlegung des Widerspruchs hat keine aufschiebende Wirkung für die Zahlung der festgesetzten Gebühr." hat die Antragsgegnerin zum Ausdruck gebracht, dass ein Rechtsbehelf - hier versehentlich als Widerspruch bezeichnet - die Zahlungsverpflichtung nicht aufschiebe. Für die sinngemäß begehrte Feststellung besteht also ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses ist auch nicht dadurch entfallen, dass die Antragsgegnerin auf Nachfrage des Gerichts erklärt hat, sie werde bis zur Entscheidung der Kammer über den Eilantrag von Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Antragstellerin absehen. Eine Anerkennung der aufschiebenden Wirkung der Klage liegt darin nicht, denn die bewirkt, dass Vollstreckungsmaßnahmen bis zur Unanfechtbarkeit oder, wenn die Anfechtungsklage im ersten Rechtszug abgewiesen worden ist, noch drei Monate nach Ablauf des gegen die abweisende Entscheidung gegebenen Rechtsmittels unzulässig ist, weil die aufschiebende Wirkung erst dann endet (§ 80 b Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach alledem war dem Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO zu entsprechen.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 241,85 Euro festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Dabei bemisst das Gericht das Interesse der Antragstellerin an dem Verfahren mit einem Viertel des hier geforderten Geldbetrages (Streitwertkatalog 2004, Abschnitt II Nr. 1.5, NVwZ 2004, 1327).