Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.10.2016, Az.: L 3 KA 76/13

Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung i.R. der vertragsärztlichen Versorgung; Nachträgliche Richtigstellung im Hinblick auf bereits erlassene Honorarbescheide; Leistungsobergrenze einer Jobsharing-Praxis; Vertragsärztliches Honorar; Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung; Jobsharing-Praxis; Festlegung von Abrechnungsobergrenzen keine Statusrelevanz; Vergütung vertragsärztlicher Leistungen; Rechtmäßigkeit des Abweichens der Kassenärztlichen Vereinigung von der vom Zulassungsausschuss rechts- und sittenwidrig zu hoch festgesetzten Leistungsobergrenze

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.10.2016
Aktenzeichen
L 3 KA 76/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 31262
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2016:1026.L3KA76.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 19.06.2013 - AZ: S 30 KA 48/10

Redaktioneller Leitsatz

1. Eine Richtigstellung durch die KÄV muss insbesondere auch erfolgen, wenn eine Jobsharing-Praxis bei ihrer Quartalsabrechnung die Leistungsobergrenzen nicht eingehalten hat, deren Einhaltung Voraussetzung für die Zulassung des hinzugetretenen Vertragsarztes gewesen ist.

2. Wie das BSG mittlerweile entschieden hat, müssen die KÄVen bei der Prüfung, ob die Leistungsobergrenze eingehalten worden ist, von dem Gesamtpunktzahlvolumen ausgehen, das die Zulassungsgremien in ihrem Zulassungsbescheid für das jeweilige Quartal vorgesehen haben.

3. Das BSG hat zudem entschieden, dass die Festlegung von Abrechnungsobergrenzen durch die Zulassungsgremien keine Statusrelevanz hat und die für die statusbegründenden Verwaltungsakte geltenden Grundsätze auf die Festsetzung dieser Obergrenzen deshalb nicht zu übertragen sind.

4. Das BSG hat außerdem betont, dass die KÄV an die bestandskräftige Beschränkung des Leistungsumfangs in den Beschlüssen der Zulassungsgremien gebunden ist.

5. Damit dürfte der vom erkennenden Senat vertretenen Auffassung, die KÄV könne sich bei der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Honorarabrechnungen einer Jobsharing-Praxis von der Festsetzung der Leistungsobergrenze im Beschluss des Zulassungsausschusses lösen, der Boden entzogen sein.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 19. Juni 2013 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 91.442 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung.

Der Kläger ist als Chirurg in F. niedergelassen und nimmt dort an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Er war in den Quartalen III/1994 bis I/1996 mit dem Chirurgen G. und seit dem Quartal III/1996 mit dem Chirurgen Dr. H. in Gemeinschaftspraxis (jetzt: Berufsausübungsgemeinschaft (BAG)) tätig. Die Fallzahlen und die Honorareinnahmen der Praxis entwickelten sich seit III/1994 wie folgt:

Quartal

Fälle Honorar

III/1994

 948 95.494,98 DM

IV/1994

965 163.267,39 DM

I/1995

1125 197.487,82 DM

II/1995

1331 206.154,92 DM

III/1995

1403 201.741,82 DM

IV/1995

1864 270.492,92 DM

I/1996

1229 208.732,99 DM

II/1996

942 102.661,16 DM

III/1996

953 122.112,26 DM

IV/1996

933 116.466,81 DM

I/1997

964 139.254,45 DM

II/1997

1123 134.334,74 DM

III/1997

981 110.296,92 DM

IV/1997

959 113.206,48 DM

I/1998

994 124.262,47 DM

II/1998

1156 125.277,63 DM

III/1998

1052 110.096,03 DM

IV/1998

1005 119.359,34 DM

I/1999

1055 121.393,70 DM

II/1999

1223 133.363,99 DM

III/1999

1230 115.251,63 DM

IV/1994

1095 128.156,63 DM

I/2000

1060 114.732,36 DM

Seit 1995 war der Kläger für den Berufsverband der Deutschen Chirurgen, den Berufsverband für Ambulantes Operieren, die I. Gesellschaft für Ambulantes Operieren und die Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände ehrenamtlich tätig. Bei der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) war der Kläger als Obmann der Chirurgen, als Vorsitzender des Ausschusses "Ambulantes Operieren" und als alternierender Vorsitzender der Kommission "Ambulantes Operieren" tätig; außerdem war er auf ärztlicher Seite Vorsitzender des Zulassungsausschusses Ärzte/Krankenkassen (ZA) in F ... Er war weiterhin seit 1995 Mitglied der Kammerversammlung der Ärztekammer F. und der Vertreterversammlung der Beklagten. Seit Anfang 2001 war er schließlich stellvertretender Vorsitzender der Beklagten.

Seit 1999 suchte der Kläger nach Möglichkeiten, auf sein berufspolitisches Engagement zurückgeführte Honorarausfälle durch Aufnahme der Chirurgin J. (späterer Name: K.) in die Gemeinschaftspraxis auszugleichen. Da im Planungsbereich F. für die Gruppe der Chirurgen Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung bestanden, wurden zwischen ihm und dem Vorstand der Beklagten die Möglichkeiten einer Sonderbedarfszulassung (Sonderbedarf Gefäßchirurgie), der Genehmigung einer Entlastungsassistentin und der Zulassung im Rahmen einer Jobsharing-Praxis diskutiert. Für eine Sonderbedarfszulassung fehlte es nach Einschätzung des Vorstands und des ZA aber an einer Versorgungslücke für Gefäßchirurgen; die Anstellung der Chirurgin als Entlastungsassistentin wurde vom Kläger abgelehnt. Der damalige (inzwischen verstorbene) Geschäftsführer der Beklagten L. führte daraufhin 2000 mit dem Kläger ein Gespräch, in dessen Verlauf man sich einigte, dass die Chirurgin die Zulassung für eine Jobsharing-Praxis beantragen und die dabei zugrunde zu legende Obergrenze auf den Punktzahlen der Gemeinschaftspraxis in den Quartalen II/1995 bis I/1996 basieren sollte.

Mit Beschluss vom 14. Juni 2000 (Sitzung vom 5. Juni 2000) stellte der ZA auf Grundlage der in den vier Quartalen II/1995 bis I/1996 ergangenen Abrechnungsbescheide für die Gemeinschaftspraxis Dr. M. /Dr. N. folgende quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen als Obergrenze fest: - 2.824.488,6 Punkte für das 1. Quartal eines jeden Jahres, - 2.539.482,8 Punkte für das 2. Quartal eines jeden Jahres, - 2.473.481,2 Punkte für das 3. Quartal eines jeden Jahres und - 3.393.159,4 Punkte für das 4. Quartal eines jeden Jahres. Die Chirurgin J. wurde mit Wirkung vom 1. August 2000 zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen und die neu formierte Gemeinschaftspraxis wurde genehmigt.

In der Folgezeit kam es bei der Beklagten zu Auseinandersetzungen über diese Vorgänge, die zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch die Vertreterversammlung führten. Der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales der Freien Hansestadt F. stellte mit Schreiben vom 9. Oktober 2001 fest, dass der Beschluss des ZA im Hinblick auf die Quartale, die der Leistungsobergrenze zugrunde gelegt worden sind, wegen Verstoßes gegen die Bedarfsplanungs-Richtlinien-Ärzte (BedarfplRL-Ärzte) rechtswidrig sei. Die Chirurgin K. gab im Januar 2002 ihre Zulassung zurück und arbeitete in der Folgezeit als Entlastungsassistentin in der Gemeinschaftspraxis des Klägers und Dr. O ... In seinem Bericht vom 4. März 2002 kam der Untersuchungsausschuss zu dem Ergebnis, dass das Verhalten des Vorstandes und des Geschäftsführers der Beklagten sowie das des Klägers rechtswidrig gewesen sei.

Der ZA nahm mit Beschluss vom 16. Dezember 2002 die Berechnung der Leistungsbeschränkung und der Punktzahlvolumen gemäß § 45 Abs 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) für die Vergangenheit zurück und ersetzte diese durch die niedrigeren Punktzahlvolumen der Quartale I/1999 bis IV/1999. Die ursprüngliche Leistungsbegrenzungsberechnung sei rechtswidrig gewesen und der Kläger habe diese Rechtswidrigkeit gekannt oder hätte sie zumindest kennen können. Die Beklagte forderte mit Bescheid vom selben Tag von der Gemeinschaftspraxis - mit dementsprechender Begründung - Honorare für die Quartale III/2000 bis IV/2001 iHv 91.441,76 Euro zurück. Die auf der Basis der Quartale I/1999 bis IV/1999 festzulegende Leistungsbeschränkungsgrenze sei von der Gemeinschaftspraxis des Klägers um 2.308.407,6 Punkte überschritten worden.

Am 23. Dezember 2002 wurde gegen beide Entscheidungen Widerspruch eingelegt. Nachdem der Berufungsausschuss Ärzte/Krankenkassen im Lande F. (BA) die Entscheidung des ZA bestätigt hatte (Beschluss vom 18. Juni 2003), erhoben der Kläger und Dr. P., die im Berufungsverfahren Erfolg hatte: Mit Urteil vom 26. Mai 2010 (L 3 KA 107/07 - veröffentlicht in ) hob der erkennende Senat den Beschluss des BA auf und führte zur Begründung aus, die Festlegung der Punktzahl-Obergrenze bei Jobsharing-Praxen sei untrennbar mit der Zulassung verbunden und deshalb statusrelevant. Derartige Regelungen könnten nur mit Wirkung für die Zukunft getroffen und nicht rückwirkend aufgehoben werden. Daraus folge jedoch nicht, dass eine Rückforderung von Honoraren ausgeschlossen sei, die der Gemeinschaftspraxis in Hinblick auf eine evtl fehlerhafte Festsetzung der Obergrenze zu Unrecht gezahlt worden seien. Die vom Senat zugelassene Revision wurde nicht eingelegt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2010 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Honorarrückforderungsbescheid vom 16. Dezember 2002 zurück. Unabhängig von einer vorherigen Änderung der Punktzahl-Obergrenze durch die Zulassungsgremien sei es der KÄV möglich, das zu Unrecht gezahlte Honorar zurückzufordern, wenn die Obergrenze fehlerhaft zu hoch festgesetzt worden sei. Das sei hier anzunehmen, weil das Gesamtpunktzahlvolumen nach den Vorgaben der BedarfsplRL auf der Grundlage der Quartale I bis IV/1999 hätte festgestellt werden müssen. Der Kläger habe nicht nur die Unrichtigkeit der von ihm unterschriebenen Leistungsbeschränkungserklärung gekannt, sondern er selbst habe durch sein rechtswidriges Verhalten dazu beigetragen, dass die unrichtigen Zahlen dem Bescheid des ZA zugrunde gelegt worden seien.

Hiergegen hat der Kläger am 12. August 2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Bremen erhoben. Nach dem Senatsurteil vom 26. Mai 2010 habe die ursprünglich festgesetzte Leistungsbeschränkungsgrenze Bestand, und die innerhalb dieser Grenze berechneten Honorare des Klägers seien zu Recht gezahlt worden. Ein Fall, in dem dennoch ein Honorarrückforderungsanspruch der Beklagten vorliege, sei nicht gegeben. Der Kläger habe keinen Einfluss darauf gehabt, dass zur Leistungsbegrenzung im Rahmen der Jobsharing-Gemeinschaftspraxis die Quartale II/1995 bis I/1996 herangezogen werden. Er habe überdies keine Täuschungshandlung vorgenommen, die eine Gleichstellung mit den Fällen rechtfertige, in denen nach der Rspr des Bundessozialgerichts (BSG) trotz Bestandskraft einer Statusentscheidung Honorar zurückgefordert werden könne. Dies gelte umso mehr, als auch die Beklagte und der ZA seinerzeit keine Zweifel daran gehabt hätten, dass die Leistungsobergrenze so festgelegt werden dürfe. Im Übrigen hat sich der Kläger auf Verjährung berufen, weil die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16. Dezember 2002 erst mit Bescheid vom 3. August 2010 beschieden habe.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19. Juni 2013 abgewiesen. Der Kläger habe die von der Beklagten zurückgeforderten Honorare entgegen den Vorgaben der BedarfsplRL abgerechnet. Auf ein Verschulden des Klägers komme es insoweit nicht an, weil dieses nicht Voraussetzung für eine sachlich-rechnerische Berichtigung sei. Die Berichtigung habe auch unabhängig davon erfolgen können, ob die Beklagte außerdem zum Widerruf oder zur Rücknahme eines Status berechtigt sei; deshalb stehe die fehlende Möglichkeit einer rückwirkenden Festsetzung neuer Punktzahlobergrenzen als Bestandteil einer statusrechtlichen Zulassungsentscheidung der Honorarrückforderung nicht entgegen. Es könne auch kein Vertrauensschutz des Klägers auf die fehlerhaft berechnete Punktzahlobergrenze anerkannt werden. Eine Verjährung der Honorarrückforderung scheitere schließlich daran, dass die grundsätzlich vierjährige Verjährungsfrist hier nach § 52 Abs 1 SGB X durch Erlass des Bescheids vom 16. Dezember 2002 gehemmt worden sei.

Gegen dieses ihm am 1. Juli 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Juli 2013 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Entgegen der Auffassung des SG sei eine Aufhebung unrichtiger Honorarbescheide im vorliegenden Fall nicht nach den Vorschriften der Bundesmantelverträge möglich, da die Berechnung und Festlegung der Obergrenzen eine individuelle Rechtsanwendung darstelle, die hier fehlerhaft durchgeführt worden sei. Maßgeblich für eine Honorarberichtigung sei vielmehr § 45 SGB X. Dessen Voraussetzungen seien aber nicht gegeben; insbesondere habe er nicht vorsätzlich gehandelt oder eine Täuschung begangen. Auch grobe Fahrlässigkeit könne ihm nicht vorgeworfen werden, weil er der Auffassung gewesen sei, seine berufspolitische Tätigkeit habe eine "außergewöhnliche Entwicklung im Vorjahr" dargestellt, die nach den Regelungen der BedarfsplRL für die Festsetzung der Leistungsobergrenze außer Betracht zu bleiben habe. Der Bericht des Untersuchungsausschusses, der im Vorverfahren herangezogen worden sei, sei völlig unbrauchbar, weil nicht geklärt werden könne, woher dieser seine Erkenntnisse über den Inhalt der seinerzeit geführten Gespräche genommen habe. Im Übrigen sei die KÄV nach der aktuellen BSG-Rspr an die einmal festgelegten Abrechnungsobergrenzen gebunden und die betroffenen Ärzte könnten darauf vertrauen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 19. Juni 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 16. Dezember 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung des ZA entbinde die KÄV nicht davon, eigenverantwortlich zu prüfen, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Honorierungen vorlagen oder nicht. Deswegen habe sie die Honorare auf der Grundlage der richtigen Leistungsobergrenze festsetzen müssen. Der Kläger könne sich im Verhältnis zur Beklagten auch auf keinerlei Vertrauensschutz berufen. Er habe die fehlerhafte Festlegung zumindest positiv gekannt, wenn nicht sogar bewusst herbeigeführt. Die Beteiligten seien sich seinerzeit auch im Klaren darüber gewesen, dass es sich bei der berufspolitischen Tätigkeit des Klägers nicht um eine mit einer Erkrankung vergleichbare außergewöhnliche Entwicklung iSd Nr 23c S 6 BedarfplRL gehandelt haben könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat seine Klage zu Recht abgewiesen.

I. Die am 12. August 2010 erhobene Klage ist als Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Kläger als Gesellschafter der in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) geführten Gemeinschaftspraxis befugt, allein Klage gegen den Bescheid vom 16. Dezember 2002 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2010) zu erheben, der an die Gemeinschaftspraxis adressiert ist. Denn er ist persönlich haftender Schuldner für Forderungen, die gegen die Gemeinschaftspraxis erhoben werden (zur Klagebefugnis der Gesellschafter vgl BSG, Urteil vom 8. Dezember 2010 - B 6 KA 38/09 R - ; SozR 4-5540 § 25 Nr 1).

II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide, mit denen die Beklagte die gegenüber der Gemeinschaftspraxis ergangenen Honorarbescheide für die Quartale III/2000 bis IV/2001 berichtigt und den insoweit überzahlten Betrag iHv 91.441,76 Euro zurückgefordert hat, sind nicht zu beanstanden.

1. Rechtsgrundlage für derartige sachlich-rechnerische Richtigstellungen sind - in den hier streitigen Quartalen - § 45 Abs 2 S 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Abs 4 S 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä (in den seit 1. April 1997 geltenden Fassungen)). Nach diesen im Wesentlichen gleichlautenden Vorschriften hat die KÄV von Amts wegen oder auf Antrag einer Krankenkasse die Befugnis, die von den Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und nötigenfalls richtigzustellen (vgl BSG SozR 3-2500 § 82 Nr 3). Erfolgt die Richtigstellung nachträglich in Hinblick auf bereits erlassene Honorarbescheide, bedeutet sie im Umfang der vorgenommenen Korrekturen eine teilweise Rücknahme der Honorarbescheide, die i.V.m. § 50 Abs 1 S 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Honorarempfängers auslöst (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 12).

Eine Richtigstellung durch die KÄV muss insbesondere auch erfolgen, wenn eine Jobsharing-Praxis bei ihrer Quartalsabrechnung die Leistungsobergrenzen nicht eingehalten hat, deren Einhaltung Voraussetzung für die Zulassung des hinzugetretenen Vertragsarztes gewesen ist (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 11). Maßgeblich sind insofern für den vorliegenden Fall die BedarfsplRL des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (heute: Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)) vom 9. März 1993 idF des Beschlusses vom 7. September 1999, die die angeführte Zulassungsvoraussetzung in Nr 23a Ziff 4 vorsieht und das Verfahren der verbindlichen Feststellung dieser quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumina in Nr 23c regeln. Wie das BSG in mittlerweile stRspr (SozR 4-2500 § 106a Nr 11 und Nr 12) entschieden hat, müssen die KÄVen bei der Prüfung, ob die Leistungsobergrenze eingehalten worden ist, von dem Gesamtpunktzahlvolumen ausgehen, das die Zulassungsgremien in ihrem Zulassungsbescheid für das jeweilige Quartal vorgesehen haben.

Nachdem der Korrekturbeschluss des ZA vom 16. Dezember 2002 bzw der diesen ersetzende Beschluss des BA vom 18. Juni 2003 mit rechtskräftigem Urteil des erkennenden Senats vom 26. Mai 2010 im Verfahren L 3 KA 107/07 wieder aufgehoben worden ist, kommt es deshalb grundsätzlich auf den bestandskräftigen Beschluss des ZA vom 14. Juni 2000 an, der auf der Grundlage der Quartale II/1995 bis I/1996 eine jährliche Leistungsobergrenze iHv insgesamt 11.230.612 Punkte festgesetzt hat. Die von der Beklagten zugrunde gelegte geringere Leistungsobergrenze (iHv 5.779.814,9 im ersten Jahr, angepasst für die beiden ersten Quartale des zweiten Jahrs nach Maßgabe von Nr 23f BedarfsplRL) ist demgegenüber nur maßgeblich, wenn die im Beschluss vom 14. Juni 2000 festgesetzte Leistungsobergrenze rechtswidrig festgesetzt war (hierzu im Folgenden unter 2.a) und dies unter Überwindung der Bestandskraft des Beschlusses des Zulassungsausschusses zu berücksichtigen war (2.b).

2. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

a) Die im Beschluss des Zulassungsausschusses vom 14. Juni 2000 festgesetzten quartalsmäßigen Gesamtpunktzahlvolumen stehen mit den Vorgaben der BedarfsplRL nicht in Übereinstimmung. Nach Nr 23c S 1 BedarfsplRL sind die als Leistungsbeschränkung maßgeblichen quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumen auf der Grundlage der gegenüber dem Vertragsarzt in den vorausgegangenen mindestens vier Quartalen ergangenen Abrechnungsbescheide festzulegen. Dies waren im Festlegungszeitpunkt Juni 2000 die vier letzten ergangenen Quartalsabrechnungen, mithin die Honorarbescheide für die Quartale I bis IV/1999.

Einer der in Nr 23c und Nr 23d BedarfsplRL genannten Fälle, in denen hiervon ausnahmsweise abgewichen werden kann, hat nicht vorgelegen. Insbesondere ist Nr 23c S 6 BedarfsplRL nicht einschlägig. Dort ist geregelt, dass "außergewöhnliche Entwicklungen im Vorjahr", wie zB die Krankheit eines Arztes, "außer Betracht" bleiben. Als "außergewöhnliche Entwicklungen" werden bisher - neben Erkrankungen - zB Naturereignisse (Hochwasser, Brand) oder ein Leistungsverhalten innerhalb einer Gemeinschaftspraxis angesehen, das sich im Verhältnis zwischen den Aufsatzquartalen und dem Beginn des Jobsharings deutlich verändert hat (Pawlita in: Schlegel/Voelzke (Hrsg), jurisPK-SGB V, 3. Aufl, § 101 Rn 147 mwN). Hierzu mag grundsätzlich zwar auch eine zeitweise Verhinderung eines der beteiligten Vertragsärzte wegen berufspolitischer Verpflichtungen gehören. Diese muss aber - wie schon der Wortlaut der Regelung nahelegt - im Vergleich der Quartale eine "außergewöhnliche" Entwicklung darstellen, darf also die Tätigkeit des Vertragsarztes nicht über einen längeren Zeitraum regelhaft prägen. Gerade ein solcher Fall hat hier aber vorgelegen, weil der Kläger seine zahlreichen berufspolitischen Ämter durchgehend seit 1995 bis in die Zeit der Jobsharing-Praxis wahrgenommen hat. So hat der Kläger bereits mit seiner Klageschrift vom 20. Juli 1998, die gegen die Quartalsabrechnungen III und IV/1997 gerichtet war und die die Beklagte im Berufungsverfahren vorgelegt hat, darauf hingewiesen, dass er nebenamtlich als Vertreter seines Berufsverbandes in starkem Maße durch externe Termine belastet sei, die öfter Abwesenheiten von der Praxis nach sich zögen, sodass sich die Quartale I und II/1996 nicht als Bezugsquartale für die Berechnung der Praxisbudgets eigneten. Warum demgegenüber und in Hinblick auf die Zeit ab August 2000 das berufspolitische Engagement eine "außergewöhnliche Entwicklung" sein sollte, ist nicht nachvollziehbar.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das (namentlich ehrenamtliche) berufspolitische Engagement von (Vertrags)Ärzten erwünscht und für eine funktionierende Selbstverwaltung der Ärzteschaft unerlässlich ist. Damit verbundenen Einnahmenverlusten kann durch die Einstellung eines Entlastungsassistenten gem § 32 Abs 2 S 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) begegnet werden (vgl hierzu Senatsurteil vom 26. Mai 2010 - L 3 KA 69/09 - ), die die Beklagte im Hinblick auf die Chirurgin K. nach dem hier streitbefangenen Zeitraum auch genehmigt hat.

Erst recht ist Nr 23c S 6 BedarfsplRL keine Grundlage dafür, als Aufsatzquartale für die Leistungsobergrenze einer Jobsharing-Praxis beliebige frühere Zeiträume zu wählen. Wenn dort normiert ist, dass außergewöhnliche Entwicklungen im Vorjahr "außer Betracht" bleiben, ist dies grundsätzlich so zu verstehen, dass weiterhin an die Vorjahresquartale anzuknüpfen ist. Dort ersichtliche ungewöhnliche Honorareinbußen sind aber zu eliminieren, indem ermittelt wird, wie hoch die Einnahmen bei normalem Lauf der Dinge gewesen wären. Um diesen "Normalfall" beurteilen zu können, mag es im Einzelfall sachgerecht sein, zusätzlich noch frühere entsprechende Quartale mit in den Blick zu nehmen; diese Möglichkeit eröffnet Nr 23c S 1 BedarfsplRL, wonach die vorausgegangenen "mindestens" vier Quartale entscheidend sind. Dabei muss aber gewährleistet sein, dass diese noch vom selben "Berechnungssystem für die vertragsärztlichen Leistungen" - vgl hierzu Nr 23e S 1 BedarfsplRL - geprägt sind, weil nur dann überhaupt eine geeignete Vergleichsgrundlage bestehen kann. Dies war für die hier herangezogenen Quartale II/1995 bis I/1996 schon deswegen nicht der Fall, weil in diesem Zeitraum vertragsärztliche Leistungen noch ohne Begrenzung durch die zum 1. Juli 1997 eingeführten Praxisbudgets abgerechnet werden konnten. Besonderes Kennzeichen der Quartale II/1995 bis I/1996 ist demgemäß auch, dass die Gemeinschaftspraxis des Klägers in dieser Zeitspanne eindeutig die höchsten Honorare im Zeitraum von 1992 bis 1999 erzielt hat. Dies legt die Annahme nahe, dass mit dem Rückgriff auf diese Zeitspanne (auch) beabsichtigt war, die Honorareinnahmen der Gemeinschaftspraxis zu optimieren.

b) Die Beklagte konnte ihrer Prüfung auch ein auf der Grundlage der Quartale I bis IV/1999 berechnetes Gesamtpunktzahlvolumen zugrunde legen, obwohl die vom Zulassungsausschuss im Beschluss vom 14. Juni 2000 festgelegte Leistungsobergrenze bestandskräftig geworden ist.

aa) In seinem Urteil vom 26. Mai 2010 (im Verfahren L 3 KA 107/07) hat der Senat ausgeführt, dass die vom Zulassungsausschuss vorgenommene Festsetzung einer Leistungsobergrenze zwar statusrechtlichen Charakter habe und deshalb nicht mit Rückwirkung korrigiert werden könne. Für die Rechtmäßigkeit der Honorargewährung komme es aber nicht nur auf die formelle Zuerkennung der vertragsärztlichen Statusentscheidung an, vielmehr müsse der Vertragsarzt auch materiell berechtigt gewesen sein, Leistungen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen. Deshalb sei unabhängig von einer vorherigen Änderung der Punktzahl-Obergrenze durch die Zulassungsgremien zu klären, ob von der KÄV Honorarbeträge zurückgefordert werden könnten, weil die Obergrenze fehlerhaft zu hoch festgesetzt worden sei.

Ob angesichts der aktuellen BSG-Rspr hieran festgehalten werden kann, ist allerdings fraglich. Mit Urteil vom 28. August 2013 hat das BSG entschieden, dass die Festlegung von Abrechnungsobergrenzen durch die Zulassungsgremien keine Statusrelevanz hat und die für die statusbegründenden Verwaltungsakte geltenden Grundsätze auf die Festsetzung dieser Obergrenzen deshalb nicht zu übertragen sind (SozR 4-2500 § 101 Nr 15). Mit Urteilen vom selben Tag (SozR 4-2500 § 106a Nr 11 und Nr 12) hat das BSG außerdem betont, dass die KÄV an die bestandskräftige Beschränkung des Leistungsumfangs in den Beschlüssen der Zulassungsgremien gebunden ist. Damit dürfte der vom erkennenden Senat aaO vertretenen Auffassung, die KÄV könne sich bei der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Honorarabrechnungen einer Jobsharing-Praxis von der Festsetzung der Leistungsobergrenze im Beschluss des Zulassungsausschusses lösen, der Boden entzogen sein. Hierfür besteht auch kein praktisches Bedürfnis mehr, weil die Berichtigung einer rechtswidrig überhöhten Obergrenze vom ZA selbst mit Rückwirkung vorgenommen werden kann.

bb) Dies bedarf hier aber keiner Entscheidung. Denn im vorliegenden Einzelfall kommt es auf die Bestandskraft des Beschlusses des ZA vom 14. Juni 2000 schon deshalb nicht an, weil es rechtsmissbräuchlich wäre, sich hierauf zu berufen.

Auch zum öffentlichen Recht ist - gestützt auf die Rechtsgedanken der §§ 242, 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - von der Rechtsprechung anerkannt, dass in besonderen Einzelfällen Rechtsmissbrauch vorliegt, wenn sich ein Kläger unter Verstoß gegen die guten Sitten auf einen bestandskräftigen Bescheid beruft (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Urteil vom 19. April 2007 - 23 B 06.3179; VGH Baden Württemberg, Urteil vom 24. Februar 1992 - 5 S 2520/91 - beide ). Zutreffend wird dabei zugrunde gelegt, dass die von der Zivilrechtsprechung geprägten Grundsätze zur Möglichkeit, ausnahmsweise die Rechtskraft von Urteilen zu durchbrechen, erst recht für die Überwindung der - schwächeren - Bestandskraft von Verwaltungsakten gelten (VGH Baden Württemberg aaO).

Entsprechend der zu Urteilen ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH; BGHZ 101, 380 (384 f); vgl zusammenfassend Schaub in: Prütting/Weinreich, BGB, 11. Aufl, § 826 Rn 48) kann die Bestandskraft eines Bescheids durchbrochen werden, wenn dieser (1) materiell-rechtlich unrichtig ist, der Adressat diese Unrichtigkeit kennt (2) und zusätzlich Umstände vorliegen, die die Art und Weise, in der der Bescheid erlassen worden ist, in sittenwidriger Weise prägen (3). Diese Voraussetzungen sind hier zu bejahen.

(1) Der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 14. Juni 2000 ist - wie bereits dargelegt - in Hinblick auf die Festsetzung der Leistungsobergrenze rechtswidrig.

(2) Der Senat ist auch davon überzeugt, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit des Beschlusses gekannt hat. Er war im Jahr 2000 bereits seit einiger Zeit (auch) im vertragsärztlichen Bereich berufspolitisch tätig, etwa seit 1995 als Mitglied der Vertreterversammlung der Beklagten. Vor allem saß er selbst als ärztliches Mitglied dem ZA vor und musste deshalb mit den Einzelheiten des Zulassungsrechts vertraut sein. Schließlich ergibt sich sowohl aus seinem eigenen Vorbringen als auch aus den von der Beklagten vorgelegten Schriftstücken (zB aus den Protokollen der Vorstandssitzungen vom 23. Mai 2000 und vom 20. März 2001 und aus dem Protokoll des ZA vom 5. Juni 2000), dass seinerzeit zwischen dem Kläger und dem Vorstand der Beklagten eingehend erörtert worden ist, welche rechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, damit der Kläger trotz der bestehenden Überversorgung in F. die Chirurgin J. in seine Praxis aufnehmen kann. Es wäre lebensfremd, wollte man angesichts dessen davon ausgehen, dass dem Kläger die näheren Voraussetzungen einer Jobsharing-Zulassung - insbesondere in Hinblick auf die Berechnung der Leistungsobergrenze - nicht bekannt gewesen sind. Wenn der Kläger demgegenüber vorträgt, er sei insoweit "Laie" gewesen, kann dies nur als nicht glaubhafte Schutzbehauptung angesehen werden.

(3) Die hier umstrittene Festlegung der Leistungsobergrenze auf der Grundlage der Quartale II/1995 bis I/1996 ist auch in sittenwidriger Weise zustande gekommen. Denn der Kläger hat die unrichtige Festlegung in kollusivem Zusammenwirken mit dem damaligen Geschäftsführer L. erwirkt.

Dies ergibt sich aus dem abschließenden Bericht des Untersuchungsausschusses (vom 4. März 2002), den die Vertreterversammlung der Beklagten zur Aufklärung der damaligen Vorgänge eingesetzt hat. Danach ist der Geschäftsführer L. vom Vorstand seinerzeit beauftragt worden, das "Problem Dr. M." zu lösen, dh eine Lösung zu finden, die den Kläger für seine berufspolitische Tätigkeit entschädigt. Der Geschäftsführer ging dabei davon aus, dass den Vorstandsmitgliedern klar war, dass eine strikte Umsetzung der Vorgaben der BedarfsplRL ausscheide; es habe eine "individuelle Lösung" gesucht werden sollen. Der Kläger hat im Gespräch mit dem Geschäftsführer angegeben, für den Fall einer Zulassung im Rahmen des Jobsharings benötige er ein bestimmtes Umsatzvolumen und dafür 2,5 Millionen Punkte. In einem Gespräch haben sich der Kläger und der Geschäftsführer auf eine Zulassung im Jobsharing-Verfahren und auf die Übernahme realer Punktzahlen aus den Quartalen II/1995 bis I/1996 geeinigt, die im Verhältnis zu den Punktzahlen der Gemeinschaftspraxis aus anderen Quartalen besonders hoch waren. Damit haben der Geschäftsführer und der Kläger bewusst und gewollt eine unrichtige Berechnungsgrundlage für die zukünftige Leistungsobergrenze vereinbart, um der Praxis des Klägers Vermögensvorteile zukommen zu lassen. Der Geschäftsführer ließ sodann die Punktzahlen ermitteln und legte das Ergebnis - entsprechend Nr 23c S 7 BedarfsplRL - dem Zulassungsausschuss vor.

Entgegen dem Vorbringen des Klägers sieht der Senat keinen Anlass zu bezweifeln, dass diese Angaben der Wahrheit entsprechen. Denn sie werden insbesondere durch die Aussage gestützt, die der frühere Geschäftsführer L. in dem gegen ihn angestrengten Ermittlungsverfahren vor der Staatsanwaltschaft F. gemacht hat (Protokoll vom 13. November 2002) und das die Beklagte zur Akte gereicht hat. Danach hat sich der Kläger im Jahr 2000 ausdrücklich gegen den vom Geschäftsführer vorgeschlagenen Zeitraum der letzten vier Quartale ausgesprochen, weil diese nicht die Einnahmen wiedergaben, die er ohne politische Aktivität in seiner Praxis verdient hätte. Der Kläger hat ihn im Rahmen eines gemeinsamen Gesprächs selbst auf die Quartale II/1995 bis I/1996 hingewiesen und ihm diesen Zeitraum als denjenigen genannt, in dem er in der Praxis noch voll gearbeitet und keine politischen Aktivitäten entfaltet habe. Auch der frühere Vorstandsvorsitzende der Beklagten Dr. Q. hat im Rahmen seiner Stellungnahme zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen ihn wegen Untreue ausgeführt, die Quartale II/1995 bis I/1996 seien auf ausdrückliche Forderung des Klägers als Bezugsquartale eingesetzt worden.

Diese Angaben stehen schließlich auch in Übereinstimmung mit sonstigen schriftlichen Verlautbarungen, die die Beklagte vorgelegt hat. So hatte der Kläger schon in einem im Januar 2000 an den Vorstandsvorsitzenden der Beklagten Dr. R. gerichteten Schreiben darauf hingewiesen, dass die potentielle Lösung eines "Jobsharing-Assistenten aus finanziellen Gründen nicht möglich" sei. In seinem an die Praxis des Klägers gerichteten Schreiben vom 25. Mai 2000 hat Dr. Q. angegeben, falls die Chirurgin J. eine Zulassung im Rahmen des Jobsharing beantrage, müsse über die Leistungsbeschränkung "eine einvernehmliche Regelung gefunden werden". Später teilte er unter dem 27. Februar 2001 einem weiteren Vorstandsmitglied mit, für den Kläger könne eine Festschreibung der Punktzahlen der letzten vier Quartale nicht infrage kommen, weil er schon im letzten Jahr sehr stark berufspolitisch tätig und seine Praxistätigkeit dadurch erheblich eingeschränkt gewesen sei. Auch dies alles deutet darauf hin, dass sich der Geschäftsführer der Beklagten und der Kläger kurz vor der Beschlussfassung des ZA am 5. Juni 2000 tatsächlich auf die für den Kläger besonders günstige Lösung verständigt haben, die Leistungsobergrenze nach den Quartalen II/1995 bis I/1996 zu bestimmen.

Dem Vorwurf des sittenwidrig-kollusiven Verhaltens könnte der Kläger auch nicht entgegenhalten, dass damalige Vertreter der Beklagten an der rechtswidrigen Vereinbarung über die Leistungsobergrenze beteiligt gewesen sind. Denn es geht vorliegend nicht um Ansprüche, die der Kläger diesen früheren Funktionsträgern der Beklagten gegenüber geltend macht. Gegenstand des Verfahrens ist vielmehr die Korrektur einer Vermögensverschiebung, die rechtswidrig zu Lasten der S. Vertragsärzte eingetreten ist. Diese müssen sich im Hinblick auf ihre Honoraransprüche ein Fehlverhalten früherer Organträger aber nicht zurechnen lassen.

c) Nach alledem konnte die Beklagte die Honorarabrechnungen des Klägers für die Quartale III/2000 bis IV/2001 gem § 45 Abs 2 S 1 BMV-Ä und § 34 Abs 4 S 2 EKV-Ä richtigstellen und das überzahlte Honorar zurückfordern. Eine Begrenzung der Richtigstellungsbefugnis der Beklagten aus Vertrauensschutzgründen besteht nicht. Das BSG hat einen solchen Fall zwar auch angenommen, wenn eine sachlich-rechnerische Richtigstellung nicht durch die Besonderheiten der Honorierung vertragsärztlicher Leistungen veranlasst ist, sondern wenn es im Einzelfall zB zu einer fehlerhaften Abrechnung infolge eines Rechenfehlers oder der versehentlichen Verwendung eines falschen Berechnungsfaktors gekommen ist (BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 22; SozR 4-2500 § 106a Nr 1). Ein vergleichbarer Fall liegt hier aber nicht vor, weil die Umsetzung der Bescheide der Zulassungsgremien über die Punktzahlobergrenzen einer Jobsharing-Praxis spezifische Umstände der Honorierung der vertragsärztlichen Leistungen betrifft (BSG SozR 4-2500 § 106a Nr 12).

Unabhängig hiervon wären die Voraussetzungen eines schutzwürdigen Vertrauens des Klägers auf die Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 14. Juni 2000 auch nicht gegeben. Aus den Darlegungen unter (b) folgt, dass der Kläger die Rechtswidrigkeit kannte (§ 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB X). Auch die nach § 45 Abs 4 S 2 SGB X einzuhaltende Frist für die rückwirkende Aufhebung der Honorarbescheide seit Kenntnis der Tatsachen, welche diese Rücknahme rechtfertigen, ist gewahrt. Eine verlässliche Kenntnis über die Hintergründe der rechtswidrig überhöhten Festsetzung des Gesamtpunktzahlvolumens verfügte die Beklagte erst mit Vorliegen des Abschlussberichts des Untersuchungsausschusses vom 4. März 2002. Der Erlass des Berichtigungsbescheids vom 16. Dezember 2002 erfolgte deshalb fristgemäß.

d) Der Kläger kann sich auch nicht auf "Verjährung" berufen. Nach st BSG-Rspr (vgl zB SozR 3-2500 § 82 Nr 3; SozR 4-5520 § 32 Nr 4) müssen sachlich-rechnerische Berichtigungen allerdings innerhalb einer Ausschlussfrist von vier Jahren ab Zugang des berichtigten Honorarbescheids erfolgen. Diese Frist hat der Berichtigungsbescheid vom 16. Dezember 2002 in Hinblick auf die berichtigten Quartale III/2000 bis IV/2001 eindeutig gewahrt. Darauf, dass das anschließende Vorverfahren bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2010 fast acht Jahre gedauert hat (weil die Beklagte die Entscheidung über die rückwirkende Korrektur der Leistungsobergrenze abgewartet hat), kommt es nicht an. Ausreichend für die Fristwahrung ist vielmehr, wenn dem betroffenen Vertragsarzt vor Ablauf von vier Jahren ein erster Bescheid über das Ergebnis der Honorarprüfung erteilt wird (BSG SozR 3-5535 Nr 119 Nr 1).

e) Schließlich ist auch die Höhe der vorgenommenen Honorarkürzungen nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die Punkte, die in den Quartalen III/2000 bis II/2001 von der Jobsharing-Praxis des Klägers abgerechnet worden sind, den in Punkten bemessenen Leistungsobergrenzen gegenüber gestellt, die auf der Grundlage der Quartale I bis IV/1999 berechnet worden sind. Dabei hat sie für die Quartale des zweiten Abrechnungsjahrs (III und IV/2001) den Anpassungsfaktor gem Nr 23f BedarfsplRL berücksichtigt und beim Vergleich der quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumen mit den tatsächlichen Abrechnungen eine Saldierung der Über- und Unterschreitungen vorgenommen. Dass diese Berechnung fehlerhaft erfolgt sein könnte, ist vom Kläger nicht vorgebracht worden und auch von Amts wegen nicht zu erkennen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG i.V.m. § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.

Die Bemessung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus der Anwendung von § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG i.V.m. §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 3 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG).