Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.10.2016, Az.: L 3 KA 72/13

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.10.2016
Aktenzeichen
L 3 KA 72/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43080
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 29.05.2013 - AZ: S 1 KA 49/09

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Es verletzte kein höherrangiges Recht, wenn der Zuschlag nach der EBM Ziffer 03212 in den Jahren 2009 und 2010 nur Hausärzten mit diabetologischen Schwerpunktpraxen, nicht aber fachärztlich tätigen Internisten mit diabetologischen Schwerpunktpraxen gewährt werden konnte.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 29. Mai 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 30.934 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Honorarberichtigung.

Die Klägerin ist als fachärztliche Internistin ohne Schwerpunktbezeichnung in F. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und betreibt dort eine diabetologische Schwerpunktpraxis.

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) berichtigte die Honoraranforderungen der Klägerin in den Quartalen I/2009 bis III/2010 in insgesamt 1.786 Behandlungsfällen hinsichtlich der Gebührenordnungsposition (GOP) 03212 (Zuschlag zu den Versichertenpauschalen nach den Nrn 03110 bis 03112 für die Behandlung einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (<EBM> in der ab dem 1. Januar 2009 gültigen Fassung) iHv insgesamt 30.934,05 Euro. Die GOP sei nur für an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Vertragsärzte abrechenbar. Die gegen die jeweiligen Honorarbescheide eingelegten Widersprüche blieben erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 5. Oktober 2009, 16. Februar 2010, 29. März 2010, 1. November 2010, 15. Dezember 2010 und 9. März 2011).

Die Klägerin hat am 30. Oktober 2009 (Quartal I/2009) und am 6. Dezember 2010 (Quartale IV/2009 und I/2010) jeweils Klage vor dem Sozialgericht (SG) Bremen erhoben und anschließend das ältere der beiden Verfahren um die Berichtigungen in den Quartalen II und III/2009 bzw II und III/2010 erweitert. Das SG hat die Verfahren mit Beschluss vom 29. Mai 2013 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

In der Sache hat die Klägerin geltend gemacht, die Beklagte sei nicht berechtigt, die Abrechnung der GOP 03212 EBM sachlich-rechnerisch zu berichtigen. Zwar sei die GOP nur für an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Vertragsärzte abrechenbar; diese Beschränkung sei aber mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) nicht zu vereinbaren und führe - da die im Bereich der Diabetologie zu erbringenden Leistungen versorgungsbereichsübergreifend identisch seien - für die an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzte zu einem unverhältnismäßigen, willkürlichen und damit sachlich nicht zu rechtfertigenden Berechnungsausschluss. So könnten die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Diabetologen die GOP zusätzlich zur Versichertenpauschale abrechnen. Demgegenüber könnten die an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Diabetologen für ihre diabetologischen Leistungen weder die GOP noch sonstige Einzelleistungspositionen aus dem EBM zusätzlich zur internistischen Grundpauschale geltend machen.

Nach einer vom SG eingeholten Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) erklärt sich die zwischen dem haus- und dem fachärztlichen Versorgungsbereich unterschiedliche Leistungsbewertung durch den hohen Pauschalierungsgrad, der mit der Einführung der Versichertenpauschalen bei den Hausärzten zum 1. Januar 2008 verbunden sei. Zum Ausgleich des in der Versichertenpauschale nicht vollumfänglich abbildbaren Behandlungsbedarfs chronisch erkrankter Patienten sei mit der GOP 03212 EBM zusätzlich eine sogenannte Chronikerpauschale in den EBM eingeführt worden. Außerdem sei den hausärztlichen diabetologischen Schwerpunktpraxen - um in diesem Bereich den mit der Chronikerpauschale gewollten Effekt nicht zu konterkarieren - die Berechtigung eingeräumt worden, die GOP neben der im Überweisungsfall halbierten Versichertenpauschale abzurechnen. Demgegenüber habe keine Notwendigkeit bestanden, für die fachärztlichen diabetologischen Schwerpunktpraxen eine vergleichbare Regelung einzuführen, weil im Bereich der fachärztlichen Versorgung insgesamt kein so hoher Pauschalisierungsgrad bestehe (Schreiben der KBV vom 17. März 2011).

Im Anschluss hat das SG die Klagen mit Urteil vom 29. Mai 2013 abgewiesen. Für die Klägerin als fachärztlich tätige Internistin sei die GOP 03212 EBM nicht abrechenbar. Der Zuschlag zur Versichertenpauschale könne nur von den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzten abgerechnet werden. Diese Abrechnungsbeschränkung sei auch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 GG vereinbar. Nach den gesetzlichen Vorgaben in § 87 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei der hausärztliche von dem fachärztlichen Versorgungsbereich auch bei der Bewertung der abrechenbaren vertragsärztlichen Leistungen zu trennen; zudem würden die beiden Versorgungsbereiche Unterschiede im Leistungsspektrum aufweisen. Das rechtfertigte es, die im Bereich der Diabetologie zu erbringenden Leistungen unterschiedlich zu bewerten.

Gegen dieses Urteil (zugestellt am 19. Juni 2013) wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung vom 15. Juli 2013 und stützt sich dabei im Wesentlichen auf ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 29. Mai 2013 aufzuheben und die Honorarbescheide der Quartale I/2009 bis III/2010 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 5. Oktober 2009, 16. Februar 2010, 29. März 2010, 1. November 2010, 15. Dezember 2010 und 9. März 2011 zu ändern,

2. die Beklagte zu verurteilen, über die Gewährung einer Chronikerpauschale in den Quartalen I/2009 bis III/2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat ihre Klage zu Recht abgewiesen.

1. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Anfechtungs- und Neubescheidungsklage (§ 54 Abs 1 iVm § 131 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz <SGG> analog) kann in der Sache keinen Erfolg haben. Die Beklagte hat die von der Klägerin in den Quartalen I/2009 bis III/2010 in 1.786 Behandlungsfällen abgerechnete GOP 03212 EBM zu Recht sachlich-rechnerisch berichtigt.

Dabei sieht der erkennende Senat allerdings - anders als das SG und die Beklagte - auch den Widerspruch der Klägerin gegen die im Quartal IV/2009 vorgenommene Honorarberichtigung als unbegründet (und nicht bereits als unzulässig) an. Zwar hat die Klägerin gegen den am 26. April 2010 erstellten Honorarbescheid erst am 3. Juni 2010 (Posteingang bei der Beklagten) Widerspruch eingelegt; in den Verwaltungsunterlagen befindet sich jedoch kein Vermerk darüber, wann der Bescheid von der Beklagten postalisch aufgegeben worden ist. Bei einer solchen Konstellation kann sich die Beklagte nicht auf die in § 37 Abs 2 S 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) normierte Zugangsfiktion, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt drei Tage nach dessen Aufgabe als bekannt gegeben gilt, stützen (vgl hierzu Engelmann in: von Wulffen/Schütze, Kommentar zum SGB X, 8. Aufl 2014, § 37 Rn 12a mwN).

2. Die KÄVen sind zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung von Honoraranforderungen befugt, soweit ein Vertragsarzt bei seiner Quartalsabrechnung Gebührenziffern ansetzt, deren Tatbestand durch seine Leistung nicht erfüllt ist oder die er aus anderen Gründen nicht in Ansatz bringen darf. Dasselbe gilt, wenn er Vertragsleistungen unter Verstoß gegen die Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchführt und abgerechnet hat (vgl hierzu BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 6). Rechtsgrundlage für die Richtigstellungsbefugnis ist seit dem 1. Januar 2004 die Regelung in § 106a Abs 2 S 1 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003 (BGBl I S 2190), in der ausdrücklich vorgesehen ist, dass die KÄVen und Krankenkassen Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung zu prüfen haben.

Unter Berücksichtigung dessen ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Klägerin in dem hier streitbefangenen Zeitraum die nach dem Bewertungsmaßstab für die Abrechnung der GOP 03212 EBM erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt hat. Die Chronikerpauschale gehört innerhalb der "arztgruppenspezifischen Gebührenordnungspositionen" zum "Hausärztlichen Versorgungsbereich" und kann nach Teil IIIa. Ziffer 3.1 Nr 2 Sätze 1 und 2 EBM von Internisten, die (wie die Klägerin) an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen, nicht berechnet werden.

3. Die sich hieraus ergebende Beschränkung für die Berechnungsfähigkeit der Chronikerpauschale (nur für Hausärzte) ist in der Sache - anders als die Klägerin meint - auch nicht zu beanstanden. Mit dieser Vorgabe hat der Bewertungsausschuss (BewA) weder den ihm als untergesetzlicher Normgeber zuzubilligenden Gestaltungsspielraum überschritten, noch gegen höherrangiges Recht - insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 GG - verstoßen.

a) Der auf der Grundlage von § 87 SGB V vom BewA vereinbarte Einheitliche Bewertungsmaßstab (bei dem es sich um eine untergesetzliche Rechtsnorm in der Form des Normsetzungsvertrags handelt) ist wegen seiner spezifischen Struktur und der Art seines Zustandekommens nicht in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung zugänglich. Durch die personelle Zusammensetzung der - paritätisch mit Vertretern der Ärzte bzw Zahnärzte und Krankenkassen besetzten - Bewertungsausschüsse und dem vertraglichen Charakter des Bewertungsmaßstabs soll gewährleistet werden, dass die unterschiedlichen Interessen der an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Gruppen zum Ausgleich kommen und auf diese Weise eine sachgerechte inhaltliche Umschreibung und Bewertung der ärztlichen Leistungen erreicht wird. Das vom BewA erarbeitete System autonomer Leistungsbewertung kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn Eingriffe von außen grundsätzlich unterbleiben. Eine gerichtliche Überprüfung der im Bewertungsmaßstab festgelegten Vorgaben ist daher im Wesentlichen darauf beschränkt, ob der BewA dabei den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum überschritten oder seine Bewertungskompetenz missbräuchlich ausgenutzt hat. Zu beachten ist dabei, dass sich der dem Ausschuss nach den gesetzlichen Vorgaben im SGB V übertragene Gestaltungsauftrag nicht in der Aufstellung eines reinen Leistungs- und Bewertungskataloges unter medizinischen, betriebswirtschaftlichen oder sonstigen Gesichtspunkten erschöpft, sondern auch die Befugnis mit einschließt, über die Beschreibung und Bewertung der ärztlichen Verrichtungen das Leistungsverhalten der Vertragsärzte steuernd zu beeinflussen (stRspr, vgl zu alledem ua BSG SozR 4-5531 Nr 06225 Nr 1 mwN).

b) Mit der Beschränkung der Berechnungsfähigkeit der GOP 03212 EBM auf den hausärztlichen Versorgungsbereich hat der BewA seinen Gestaltungsspielraum nicht überschritten.

aa) Nach den gesetzlichen Vorgaben in § 87 SGB V (in der hier maßgeblichen und vom 1. August 2008 bis zum 31. Dezember 2011 weitestgehend unverändert gebliebenen Fassung nach dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007, BGBl I 378) hat es dem BewA oblegen, mit Wirkung zum 1. Januar 2008 die im EBM aufgeführten Leistungen der hausärztlichen Versorgung als Versichertenpauschalen abzubilden; für besonders förderungswürdige Leistungen hat der Ausschuss Einzelleistungen oder Leistungskomplexe vorsehen können. Dabei sollen mit den Pauschalen die gesamten im Abrechnungszeitraum üblicherweise im Rahmen der hausärztlichen Versorgung erbrachten Leistungen einschließlich der anfallenden Betreuungs-, Koordinations- und Dokumentationsleistungen vergütet werden (§ 87 Abs 2b Sätze 1 und 2 SGB V). Demgegenüber sind die im EBM aufgeführten Leistungen der fachärztlichen Versorgung arztgruppenspezifisch und unter Berücksichtigung der Besonderheiten kooperativer Versorgungsformen ebenfalls mit Wirkung zum 1. Januar 2008 als Grund- und Zusatzpauschalen abzubilden; Einzelleistungen können vorgesehen werden, soweit dies medizinisch oder auf Grund von Besonderheiten bei Veranlassung oder Ausführung der Leistungserbringung erforderlich ist. Mit den Grundpauschalen werden dabei die üblicherweise von der Arztgruppe in jedem Behandlungsfall erbrachten Leistungen vergütet. Mit den Zusatzpauschalen wird hingegen der besondere Leistungsaufwand vergütet, der sich aus den Leistungs-, Struktur- und Qualitätsmerkmalen des Leistungserbringers und - soweit dazu Veranlassung besteht - in bestimmten Behandlungsfällen ergibt (§ 87 Abs 2c Sätze 1 bis 3 SGB V).

bb) Den gesetzlichen Vorgaben folgend hat der BewA (bzw der Erweiterte Bewertungsausschuss <EBewA>) die Leistungen im hausärztlichen Versorgungsbereich mit den Beschlüssen vom 11., 12. und 19. Oktober 2007 in erster Linie über die Versichertenpauschale (GOP 03113/03111/03112 EBM) abgebildet, die im Überweisungs- und Vertretungsfall hinsichtlich ihrer Bewertung (von 1000/900/1020 Punkten) um 50 vH reduziert worden ist (GOP 03120, 03121 und 03122 EBM). Im Zusammenhang mit der Pauschalierung sind damit für die Hausärzte eine Reihe vorher möglicher Einzelleistungen entfallen. So sind die in diesem Kontext bis 2007 abrechenbaren Einzelleistungen für die Koordination der hausärztlichen Betreuung (GOP 03001/03002 EBM 2000plus), für die Behandlung und Betreuung eines Patienten mit chronisch-internistischer Grunderkrankung (GOP 03211 EBM 2000plus) und für die Betreuung eines Patienten mit chronisch-degenerativer und/oder entzündlicher Erkrankung des Bewegungsapparats durch den 2008 neu eingeführten (und hier streitbefangenen) Chronikerzuschlag (GOP 03212) ersetzt worden. Allerdings kann der Zuschlag (für die Behandlung eines Versicherten mit einer oder mehreren schwerwiegenden chronischen Erkrankung<en>) nur zu der vollen Versichertenpauschale abgerechnet werden; eine Berechnungsfähigkeit des Chronikerzuschlags zur reduzierten Versichertenpauschale hatte der BewA ursprünglich nicht vorgesehen.

Um die Auswirkungen der Pauschalierung auf den hausärztlichen Versorgungsbereich besser einschätzen zu können, hat der BewA zudem das Institut des Ausschusses (InBA), das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) und das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (ZI) mit der Erstellung einer Begleitstudie beauftragt. Hierbei hat sich herausgestellt, dass in hausärztlichen diabetologischen Schwerpunktpraxen Überweisungsfälle im Mittel einen höheren Anteil an allen Fällen als in allen übrigen hausärztlichen Praxen haben. Außerdem ist der Anteil der Überweisungsfälle im Untersuchungszeitraum (Abrechnungsquartale 2008 im Vergleich zu den entsprechenden Abrechnungsquartalen 2007) überwiegend rückläufig gewesen - anders als bei hausärztlichen diabetologischen Schwerpunktpraxen, in denen das Verhältnis konstant geblieben ist (vgl hierzu die Ausführungen auf Blatt 179/180 der Begleitstudie). Hieraus hat der BewA nachvollziehbar geschlossen, dass die im EBM für den hausärztlichen Versorgungsbereich vorgenommene Pauschalierung gerade für diese Schwerpunktpraxen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu spürbaren Honorareinbußen führen wird, weil dort überdurchschnittlich viele Überweisungsfälle behandelt werden, für die nach der ursprünglichen Konzeption des zum 1. Januar 2008 neubewerteten EBM nur die halbierte Versichertenpauschale nach der GOP 03120/03121/03122 EBM hätte geltend gemacht werden können. Entsprechend hat der Ausschuss die Leistungslegende der GOP 03212 EBM zum 1. Januar 2009 um den Zusatz ergänzt, dass der Chronikerzuschlag von den diabetologischen Schwerpunktpraxen auch dann berechnet werden kann, wenn der behandelte Patient von einem anderen an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsarzt dorthin überwiesen worden ist.

Wie sich aus den Darlegungen der KBV im Schreiben vom 17. März 2011 ergibt, hat der BewA mit dieser Maßgabe einen legitimen Regelungszweck verfolgt, nämlich die Verbesserung der Honorierung für diejenigen Hausärzte, in deren diabetologische Schwerpunktpraxen nachweisbar überdurchschnittlich viele chronisch erkrankte Patienten mit erhöhtem Behandlungsbedarf von anderen Hausärzten überwiesen werden. Damit hat der Ausschuss die wirtschaftliche Attraktivität dieser Schwerpunktpraxen erhöht, um die diabetologische Behandlung der Patienten im hausärztlichen Versorgungsbereich langfristig sicherzustellen. Hierzu hat auch Anlass bestanden, wie die vom BewA eingeholte Begleitstudie zeigt. Danach weicht das Leistungsspektrum hausärztlicher diabetologischer Schwerpunktpraxen deutlich von demjenigen der sonstigen hausärztlichen Praxen ab, in dem in den Schwerpunktpraxen erkennbar häufiger nur die halbierte Versichertenpauschale und zudem erkennbar weniger die volle Versichertenpauschale abgerechnet worden ist (vgl hierzu die Tabellen auf Blatt 399 bis 402 der Begleitstudie). Vor diesem Hintergrund stellt sich die zum 1. Januar 2009 zwar geänderte, im Übrigen aber weiterhin beschränkte Berechnungsfähigkeit des Chronikerzuschlags als eine unter Sicherstellungsaspekten erforderliche (und damit seitens der Sozialgerichte nicht zu beanstandende) Steuerung des vertragsärztlichen Leistungsverhaltens im Bereich der hausärztlichen Versorgung dar.

c) Mit der Beschränkung der Berechnungsfähigkeit der GOP 03212 EBM auf den hausärztlichen Versorgungsbereich hat der BewA auch nicht gegen höherrangiges Recht - insbesondere: den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 GG - verstoßen.

aa) Der Gleichbehandlungsgrundsatz schreibt unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken vor, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend unterschiedlich zu behandeln (vgl hierzu ua Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 2. Mai 2006 - 1 BvR 1275/97 - juris mwN). Damit ist dem BewA als Normgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (stRspr des BVerfG, vgl hierzu ua BVerfGE 107, 133 [BVerfG 28.01.2003 - 1 BvR 487/01] mwN).

bb) Die auf die hausärztliche Versorgung beschränkte Berechnungsfähigkeit des Chronikerzuschlags ist aber durch ausreichende sachliche Gründe gerechtfertigt (vgl im Einzelnen zu diesem Kriterium BVerfGE 105, 73, 110 f [BVerfG 06.03.2002 - 2 BvL 17/99]). So besteht aus Sicht des Senats kein Zweifel daran, dass schon die Teilnahme eines Vertragsarztes an der hausärztlichen bzw an der fachärztlichen Versorgung ein legitimes Differenzierungskriterium für die Bewertung ärztlicher Leistungen im EBM darstellt. Es ist daher grundsätzlich sachlich gerechtfertigt, die unterschiedlichen Strukturen in den nach § 73 Abs 1 SGB V zu trennenden Versorgungsbereichen in die Bewertung der vertragsärztlichen Leistungen mit einfließen zu lassen. Diesen Gesichtspunkt hat auch der Gesetzgeber des GKV-WSG aufgegriffen und in § 87 Abs 2b und 2c SGB V ausdrücklich bestimmt, dass der BewA die im EBM aufgeführten Leistungen nach unterschiedlichen Kriterien (in der hausärztlichen Versorgung als Versichertenpauschalen und in der fachärztlichen Versorgung als Grund- und Zusatzpauschalen) abzubilden hat. Da der BewA als untergesetzlicher Normgeber zudem befugt ist, in diesem Zusammenhang generalisierende, typisierende und schematisierende Regelungen zu treffen (stRspr, vgl hierzu ua BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 23), ist es regelmäßig zulässig, die (hier: von der Klägerin gewählte) Zuordnung der Ärzte zu einem der beiden Versorgungsbereiche pauschal damit zu verbinden, dass die Abrechnung von GOPen aus dem jeweils anderen Versorgungsbereich ausgeschlossen ist. Insbesondere ist der BewA nicht verpflichtet, Ausnahmeregelungen für solche Ärzte in den EBM aufzunehmen, deren Leistungsspektren über die Versorgungsbereiche hinweg mehr oder weniger große Übereinstimmungen aufweist. Um derartigen Besonderheiten zwischen den getrennten Versorgungsbereichen ausreichend Rechnung zu tragen, reicht es vielmehr aus, dass den für eine solche Überschneidung in Betracht kommenden Arztgruppen ein (wenn auch teilweise durch die Regelung in § 101 Abs 5 S 6 SGB V durch die Bedarfsplanung eingeschränktes) Wahlrecht zwischen den getrennten Versorgungsbereichen zusteht (vgl hierzu die Regelungen in § 73 Abs 1a S 1 Nr 3, S 2 und S 6 SGB V).

Im Übrigen ist die auf die hausärztliche Versorgung beschränkte Berechnungsfähigkeit des Chronikerzuschlags auch deshalb sachlich gerechtfertigt, weil der BewA - wie vorangestellt dargelegt - mit der zum 1. Januar 2009 eingeführten und auf die hausärztlichen diabetologischen Schwerpunktpraxen beschränkten Erweiterung der Leistungslegende frühzeitig einem möglichen Versorgungsdefizit in diesem Bereich hat entgegenwirken wollen. Anhaltspunkte dafür, dass vor dem Hintergrund der durch das GKV-WSG erforderlich gewordenen Neubewertungen im EBM auch im Bereich der fachärztlichen diabetologischen Versorgung eine vergleichbare Entwicklung gedroht oder bereits bestanden hat, sind weder ersichtlich noch macht die Klägerin solche geltend. Angesichts dessen, dass die Vergütungsstrukturen in den beiden Versorgungsbereichen - wie vorangestellt dargelegt - unterschiedlich sind, hat der BewA davon auch nicht ohne weiteres ausgehen müssen. So haben die Grundpauschalen im Bereich der fachärztlichen Versorgung eine deutlich geringere Bedeutung als die Versichertenpauschalen im Bereich der hausärztlichen Versorgung, weil die Fachärzte daneben regelmäßig noch Zusatzpauschalen abrechnen können (so auch Engelhard in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB V, Stand: Oktober 2016, § 87 Rn 166). Das zeigen auch die Honoraranforderungen der Klägerin, die in den hier streitbefangenen Quartalen - anders als im Klageverfahren vorgetragen (vgl hierzu den Schriftsatz vom 20. Mai 2011) - für ihre Leistungen neben der Internistischen Grundpauschale (bewertet mit 570 Punkten bzw 610 Punkten für Versicherte ab 6 Jahren) teilweise noch die Zusatzpauschale für fachinternistische Leistungen (bewertet mit 445 Punkten) berechnet und damit in den entsprechenden Behandlungsfällen sogar über dem Punktzahlniveau gelegen hat, das ein hausärztlicher Diabetologe mit der Abrechnung der halben Versichertenpauschale (bewertet mit 450 Punkten bzw 535 Punkten für Versicherte ab 6 Jahren) und dem Chronikerzuschlag (bewertet mit 495 Punkten) hätte erreichen können.

Anders als die Klägerin offenbar meint gibt es im Vertragsarztrecht schließlich auch keinen allgemeingültigen Grundsatz, wonach gleiche Leistungen von Ärzten stets in gleichem Umfang zu vergüten sind. Zwar hat das BSG schon mehrfach entschieden, dass es mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 GG nicht zu vereinbaren ist, wenn Notfallbehandlungen in Krankenhäusern schlechter als die entsprechenden Leistungen im organisierten Notfalldienst der Vertragsärzte vergütet werden. In diesem Zusammenhang ist aber immer betont worden, dass bei Vorliegen eines sachlichen Grundes auch die an sich gleichen Leistungen im Rahmen einer Notfallbehandlung vom BewA - je nach Status des Behandlers - unterschiedlich bewertet werden können (vgl hierzu BSG SozR 4-2500 § 75 Nr 8 Rn 16, 18 und 21). Nichts anderes kann für den hier zu entscheidenden Sachverhalt gelten, in dem die auf den hausärztlichen Versorgungsbereich beschränkte Berechenbarkeit des Chronikerzuschlags aus den dargelegten Gründen (voneinander zu trennende Versorgungsbereiche, unterschiedliche Vergütungsstrukturen in den Versorgungsbereichen, Vermeidung eines Versorgungsdefizits in nur einem der Versorgungsbereiche) sachlich gerechtfertigt ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), sind nicht ersichtlich.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm den §§ 52 Abs 3 S 1, 47 Abs 1 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht in der Höhe dem geltend gemachten Rückforderungsbetrag.