Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.05.2010, Az.: L 3 KA 107/07
Rückwirkende Änderung der Festsetzung von Punktzahlobergrenzen bei der Zulassung einer Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis in der vertragsärztlichen Versorgung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 26.05.2010
- Aktenzeichen
- L 3 KA 107/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 21323
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2010:0526.L3KA107.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 17.10.2007 - AZ: S 24 KA 29/03
Rechtsgrundlagen
- § 45 Abs. 2 S. 1 BMV-Ä
- § 82 Abs. 1 SGB V
- § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB V
- § 101 Abs. 3 SGB V
- § 45 Abs. 4 S. 1 SGB X
- Nr. 23c ÄBedarfsplRL
Redaktioneller Leitsatz
Die Festsetzung von Gesamtpunktzahlvolumina bei der Zulassung eines Vertragsarztes innerhalb einer Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis ist Bestandteil der statusrechtlichen Zulassungsentscheidung nach § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 und Abs. 3 SGB V, die nur mit Wirkung für die Zukunft korrigiert werden kann; davon unberührt bleibt die Frage, inwieweit die Kassenärztliche Vereinigung gleichwohl überzahlte Honorare zurückfordern kann. [Amtlich veröffentlichte Entscheidung]
Tenor:
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 17. Oktober 2007 aufgehoben.
Der Beschluss des Beklagten vom 18. Juni 2003 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Klage- und des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 91.441,76 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger wehren sich gegen die rückwirkende Teilrücknahme der Festlegung der quartalsbezogenen Gesamtpunktzahlvolumina als Obergrenze im Rahmen einer Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis für die Zeit vom 1. August 2000 bis zum 31. Januar 2002.
Die Kläger sind als Mitglieder einer chirurgischen Gemeinschaftspraxis in H. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Der Kläger zu 1. war seit 1985 vielfältig berufspolitisch tätig. Im hier fraglichen Zeitraum arbeitete er bei der zu 6. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) ua als Obmann der Chirurgen, als Vorsitzender des Zulassungsausschusses, als Vorsitzender des Ausschusses "ambulantes Operieren" und als alternierender Vorsitzender der Kommission "ambulantes Operieren". Seit 1995 gehörte er der Kammerversammlung der Ärztekammer Bremen und der Vertreterversammlung der Beigeladenen zu 6. an. Seit den Vorstandswahlen für die 12. Wahlperiode war er stellvertretender Vorsitzender der Beigeladenen zu 6.
Wegen dieser berufs- und standespolitischen Aktivitäten wollten die Kläger im Wege einer Sonderbedarfszulassung die Beigeladene zu 8. für ihre Gemeinschaftspraxis gewinnen. Nachdem ein Sonderbedarf sich nicht begründen ließ und die Kläger einen Entlastungsassistenten als nicht ausreichend empfanden, ließ der Zulassungsausschuss Bremen (im Folgenden: Zulassungsausschuss) mit Beschluss vom 14. Juni 2000 (gefasst in der Sitzung vom 5. Juni 2000) die Beigeladene zu 8. ab 1. August 2000 im Rahmen einer Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis mit den Klägern zur vertragsärztlichen Tätigkeit zu. Gleichzeitig wurden für die Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis als Leistungsbegrenzung quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumina als Obergrenze festgelegt. Für die Berechnung wurden die Quartale II/1995 bis I/1996 zugrunde gelegt, und als Obergrenze für das 1. Quartal eines jeden Jahres 2.824.488,6 Punkte, für das 2. Quartal eines jeden Jahres 2.539.482,8 Punkte, für das 3. Quartal eines jeden Jahres 2.473.481,2 Punkte und für das 4. Quartal eines jeden Jahres 3.393.159,4 Punkte festgesetzt.
In der Folgezeit kam es zu Nachfragen des Vorstandsmitglieds der Beigeladenen zu 6. Dr. I., auf welcher Grundlage für die Leistungsbeschränkung die Quartale II/1995 bis I/1996 und nicht - wie es im Gesetz vorgesehen sei - die letzten vier abgerechneten Quartale zugrunde gelegt worden seien. In der Sitzung des Zulassungsausschusses vom 19. Dezember 2001 wurde über den Sachstand und die weitere Vorgehensweise bzgl der Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis diskutiert. Dem Zulassungsausschuss lag ein Schreiben des Senators für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales vom 9. Oktober 2001 an die Beigeladene zu 6. vor, wonach deren gelieferte Daten nicht den Vorgaben der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bedarfsplanung sowie die Maßstäbe zur Feststellung von Überversorgung und Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung (Bedarfsplanungs-Richtlinien - BedarfsplRL -) entsprächen. Zudem seien dem Zulassungsausschuss die korrekt ermittelten Daten zur Verfügung zu stellen und künftig für die Feststellung zur Leistungsbeschränkung nur unter Berücksichtigung dieser Rechtsauffassung zu ermitteln.
Mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 13. Februar 2002 wurde die gemäß § 101 Abs 1 Nr 4, Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) iVm Abschnitt 4 Nr 23a - 23g BedarfsplRL sowie § 15 Abs 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) erteilte Zulassung der Beigeladenen zu 8. zum 31. Januar 2002 beendet. Zu diesem Zeitpunkt endete ebenfalls die Leistungsbeschränkung für die gemeinsame Tätigkeit iSd Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis.
In seinem Abschlussbericht vom 4. März 2002 stellte ein von der Vertreterversammlung der Beigeladenen zu 6. eingesetzter Untersuchungsausschuss fest, dass der Vorstand der Beigeladenen zu 6. im Mai 2000 beschlossen habe, den Klägern die Möglichkeit des Job-Sharing-Verfahrens anzubieten. Der Kläger zu 1. habe in der Sitzung vorgetragen, er habe wegen seiner berufspolitischen Tätigkeit finanzielle Ausfälle in seiner Praxis, so dass seine wirtschaftliche Existenz nicht mehr gesichert sei. In dem Bericht heißt es wörtlich: "Der Geschäftsführer J. wurde - ohne ausdrücklich Weisung im Einzelnen - beauftragt, dass 'Problem Dr. K.' zu lösen, dh eine Lösung zu finden, die Dr. K. für seine berufspolitische Tätigkeit entschädigte. Dabei machten die Beteiligten keinen Unterschied zwischen Tätigkeiten für die KV Bremen und für andere Zusammenschlüsse. Der Geschäftsführer J. ging davon aus, dass den Mitgliedern des Vorstandes klar war, dass eine strikte Umsetzung der Vorgaben der Bedarfsplanungsrichtlinien ausscheide. Es sollte eine individuelle Lösung gefunden werden. Der Geschäftsführer J. und Dr. K. fanden in einem Gespräch, über das es keine schriftlichen Aufzeichnungen gibt, einen Weg, nachdem Dr. K. für den Fall einer Zulassung im Rahmen des Job-Sharings verlangt hatte, er brauche ein bestimmtes Umsatzvolumen und dafür 2,5 Millionen Punkte. Sie einigten sich auf eine Zulassung im Job-Sharing Verfahren auf der Übernahme realer Punktzahlen aus den Quartalen II/1995 bis I/1996, die im Verhältnis zu anderen Punktzahlen aus der Gemeinschaftspraxis Dr. K. und Partner besonders hoch waren. Sie stammten aus der Zeit, in der Dr. K. und L. zusammen arbeiteten". Der Untersuchungsausschuss kam zu dem Ergebnis, dass der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 14. Juni 2000 rechtswidrig sei. Auch das Verhalten des Vorstandes bzw. seines Vorsitzenden, des Geschäftsführers J. und des Klägers zu 1. seien rechtswidrig, wobei nicht die Strafbarkeit der festgestellten Handlungen durch den Untersuchungsausschuss beurteilt werde.
Mit Beschluss vom 16. Dezember 2002 nahm der Zulassungsausschuss die Berechnung der Leistungsbeschränkung und der Punktzahlvolumina im Beschluss vom 14. Juni 2000 gemäß § 45 Abs 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) für die Vergangenheit zurück und ersetzte diese durch die niedrigeren Punktzahlvolumina der Quartale I/1999 bis IV/1999. Begründet wurde dieser Beschluss damit, dass der Kläger zu 1. die restriktive Job-Sharing-Regelung gekannt habe, da er seit Anfang der Amtsperiode 1996 auf ärztlicher Seite den Vorsitz im Zulassungsausschuss geführt habe. Die Kläger hätten ausweislich der von ihnen selbst unterschriebenen Leistungsbeschränkungserklärung vom 7. Juni 2000 die Maßgabe der Ziffern 23b - 23d BedarfsplRL und damit die Fehlerhaftigkeit der Leistungsbegrenzung kennen können. In der Sitzung vom 19. Dezember 2001 habe die Leiterin der Geschäftsstelle Zulassungen berichtet, dass die Aufsichtsbehörde der Beigeladenen zu 6. ihre Rechtsauffassung mitgeteilt habe. Danach sei die Berechnung des Punktzahlvolumens für die Praxis der Kläger rechtswidrig und nicht mit den BedarfsplRL vereinbar. Auf Grund dieser Mitteilung müsse davon ausgegangen werden, dass der Zulassungsausschuss ab dem 19. Dezember 2001 Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Leistungsbegrenzungsberechnung gehabt habe. Auf Grund der erheblichen Differenz zwischen der rechtmäßigen und der rechtswidrigen Berechnung der Leistungsbeschränkung müsse im Rahmen der Ermessensabwägung festgestellt werden, dass das Interesse an einer Richtigstellung der Leistungsbeschränkung überwiege. Für eine Teilrücknahme für die Vergangenheit spreche, dass der Kläger zu 1., der die Gemeinschaftspraxis nach außen vertreten habe, die Job-Sharing-Regelung selbst mit entworfen habe und daher die Rechtswidrigkeit gekannt habe oder zumindest hätte kennen können.
Mit Bescheid vom selben Tag forderte die Beigeladene zu 6. unter Bezugnahme auf den nunmehr ergangenen Beschluss des Zulassungsausschusses von der Gemeinschaftspraxis aufgrund der Überschreitung der Punkte für die Quartale III/2000 bis IV/2001 iHv 2.308.407,6 Punkten einen Betrag iHv 91.441,76 Euro zurück. Über den Widerspruch gegen diesen Bescheid ist bislang nicht entschieden worden.
Gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 16. Dezember 2002 legten die Kläger am 23. Dezember 2002 bzw am 10. Januar 2003 Widerspruch ein. Sie begründen diesen damit, dass Ziffer 23c BedarfsplRL nicht zwingend auf die jeweils vorangegangenen vier Quartale abstelle, sondern lediglich "mindestens" vier Quartale zugrunde gelegt werden müssten und damit auch außergewöhnliche Entwicklungen, wie die Erkrankung eines Arztes, berücksichtigen werden könnten. Der Vorstand der Beigeladenen zu 6. sei ebenso wie der Zulassungsausschuss davon ausgegangen, dass ein außergewöhnlicher Umfang standespolitischer Tätigkeiten des Klägers zu 1. Berücksichtigung finden dürfe. Diese Wertung sei im Beschluss vom 14. Juni 2000 festgelegt worden. Die Empfänger eines begünstigenden Verwaltungsaktes müssten nicht klüger sein als die ausstellende Behörde. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die BedarfsplRL nicht so überschaubar, einfach und gleichzeitig eindeutig formuliert seien, dass die Kläger als Begünstigte des Verwaltungsaktes die Rechtswidrigkeit hätten erkennen müssen und erkennen können. Zudem habe der Beschluss die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 Abs 4 S 2 SGB X missachtet, da dem Zulassungsausschuss bereits bei Erlass des Beschlusses die die Rücknahme des Bescheides rechtfertigenden Tatsachen bekannt gewesen seien.
Mit Beschluss vom 18. Juni 2003 wies der Beklagte die Widersprüche gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 16. Dezember 2002 zurück. Er begründete dies damit, dass der Beschluss des Zulassungsausschusses vom 14. Juni 2000 rechtswidrig gewesen sei, da er die quartalsbezogenen Gesamtzahlvolumina nach Ziffer 23c BedarfsplRL nicht rechtmäßig festgesetzt habe. Die Quartale II/1995 bis I/1996 hätten auch unter Berücksichtigung der berufspolitischen Tätigkeiten nicht als Berechnungsgrundlagen herangezogen werden dürfen. Der Beschluss vom 14. Juni 2000 könne auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden, weil sich die Kläger nicht auf Vertrauensschutz berufen könnten, denn jedenfalls der Kläger zu 1. habe die Rechtswidrigkeit des Beschlusses gekannt und seine Kenntnis sei den damaligen weiteren Mitgliedern der Gemeinschaftspraxis gemäß §§ 166 Abs 1, 709 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zuzurechnen. Zudem ergebe sich zu der Frage der Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Beschlusses, dass der damalige Vorsitzende der Beigeladenen zu 6. Dr. M. und der frühere Geschäftsführer J. nicht davon ausgegangen seien, die "gefundene Lösung" habe in der Ziffer 23c BedarfsplRL eine Rechtsgrundlage. Dass der Kläger zu 1. davon nichts gewusst habe, vermöge nicht zu überzeugen. Es seien von ihm Zahlen für die Punkteberechnung eingebracht worden, die einen Zeitraum aus der früheren Gemeinschaftspraxis mit dem Chirurgen N. umfasse. Diese seien daher nur dem Kläger bekannt gewesen. Für den Beginn des Laufs der Jahresfrist aus§ 45 Abs 4 S 2 SGB X komme es nicht auf die Kenntnis des Zulassungsausschusses an, der den Beschluss vom 14. Juni 2000 erlassen habe, sondern auf die Kenntnis des für die Rücknahme des rechtswidrigen Bescheides zuständigen Zulassungsausschusses. Da dieser Zulassungsausschuss erst in seiner Sitzung vom 19. Dezember 2001 durch die Bekanntgabe des Schreibens der Aufsichtsbehörde Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Leistungsbegrenzungsberechnung gehabt habe, könne erst zu diesem Zeitpunkt die Jahresfrist beginnen. Zudem reiche die Kenntnis der Rechtswidrigkeit eines Beschlusses allein nicht aus. Vielmehr gehe es auch um Kenntnis solcher Tatsachen, die sichere Rückschlüsse auf das Wissen - in diesem Fall des Klägers zu 1. - um die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Beschlusses erlaubten. Das Schreiben der Aufsichtsbehörde lege nur deren Rechtsauffassung über die falsche Anwendung der Ziffer 23c BedarfsplRL dar. Die notwendige Anhörung sei erst durch den später eingesetzten Untersuchungsausschuss erfolgt. Die Teilrücknahme des Bescheides vom 14. Juni 2000 entspreche auch pflichtgemäßem Ermessen. Besondere Umstände, die es rechtfertigen könnten, die Interessen der Kläger voran zu stellen, seien nach Lage des Falles nicht gegeben.
Gegen den am 26. Juni 2004 zugegangenen Beschluss des Beklagten haben die Kläger am 25. Juli 2004 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Bremen erhoben und diese wie den Widerspruch begründet. Zusammenfassend führen sie aus, der Beschluss vom 14. Juni 2000 sei nicht rechtswidrig gewesen, denn Ziffer 23c S 6 BedarfsplRL beinhalte, dass außergewöhnliche Entwicklungen, wie zB Krankheit eines Arztes, bei der Berechnung der abrechenbaren Gesamtpunktzahlvolumina außer Betracht blieben. Es handele sich nicht um eine abschließende Regelung, so dass auch die berufspolitische Tätigkeit eines Arztes darunter falle. Da der Kläger zu 1. auch bereits in den Quartalen vor dem 1. August 2000 berufspolitisch tätig gewesen sei, sei es gerechtfertigt gewesen, aufältere Quartale zurückzugreifen. Die Kläger hätten den Beschluss weder durch arglistige Täuschung noch durch Drohung oder Bestechung erwirkt. Auch beruhe der Beschluss nicht auf Angaben, die die Kläger vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hätten. Vielmehr treffe der Zulassungsausschuss gemäß Ziffer 23c S 7 BedarfsplRL seine Feststellung auf der Grundlage der von der Beigeladenen zu 6. übermittelten Angaben. Die Kläger hätten auch nicht die Rechtswidrigkeit des Beschlusses gekannt bzw sie grob fahrlässig verkannt. Zudem sei die Einjahresfrist des § 45 Abs 4 S 2 SGB X nicht gewahrt. Diese beginne mit der Kenntnis der Rücknahmegründe oder der Tatsachen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit des Bescheides herleiten lasse. Weitere Ermittlungen hätten keinen Einfluss auf das Ergebnis der Entscheidung, dh eine Anhörung des Betroffenen sei nicht erforderlich. Die Einjahresfrist habe spätestens am 20. November 2001 begonnen, so dass der Rücknahmebeschluss, der am 18. Dezember 2002 zugestellt worden sei, erst nach Fristablauf ergangen sei. Auch habe der Beklagte sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da er sein eigenes fehlerhaftes Handeln völlig außer Acht gelassen habe. In der rechtlichen Auseinandersetzung gehe es letztendlich auch nicht um die Rechtmäßigkeit des Beschlusses des Beklagten vom 16. Dezember 2002, sondern im wirtschaftlichen Ergebnis um die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheides der Beigeladenen zu 6. Nur wenn der angegriffene Beschluss des Beklagten rechtmäßig sei, könne der Honorarrückforderungsbescheid vom 16. Dezember 2002 ebenfalls rechtmäßig sein.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 17. Oktober 2007 abgewiesen und dieses damit begründet, aus dem Beschluss des Zulassungsausschusses vom 14. Juni 2000 ergebe sich lediglich, dass die Leistungsbegrenzung auf der Grundlage der gegenüber den Vertragsärzten in den vier Quartalen II/1995 bis I/1996 ergangenen Abrechnungsbescheide ermittelt worden sei. Ein Hinweis auf die Abweichung von den Vorgaben nach Ziffer 23c S 1 BedarfsplRL ergebe sich aus dem Bescheid nicht. Der Zulassungsausschuss habe ohne weitere nähere Prüfung die ihm von der Beigeladenen zu 6. übermittelten Zahlen als zutreffend unterstellt und in den Bescheid aufgenommen. Diese überhöhte Festsetzung sei nicht rechtmäßig gewesen. Das Gericht gehe davon aus, dass insoweit jedenfalls zwischen dem Kläger zu 1. und dem Geschäftsführer J. Absprachen bzw Vereinbarungen getroffen worden seien, auch wenn hierfür schriftliche Unterlagen nicht (mehr) vorlägen. Im Übrigen sei offensichtlich versucht worden, die rechtswidrige Festsetzung zu verschleiern, denn der Zulassungsausschuss sei durch ein Schreiben des Vorstandes der Beigeladenen zu 6. gebeten worden, in einer der nächsten Sitzungen eine Protokollkorrektur zu dem Hinweis vorzunehmen, dass als Basis der quartalsbezogenen Gesamtpunktzahl fehlerhaft die Abrechnungsquartale II/1995 bis I/1996 zugrunde gelegt worden seien. Die Feststellungen im Bericht des Untersuchungsausschusses seien richtig. Dies ergebe sich aus dem Brief an Dr. I. vom 27. Februar 2001. Die teilweise Aufhebung des Bescheides vom 14. Juni 2000 sei auch zu Recht gemäß § 45 SGB X ergangen. Die Kläger könnten sich nicht auf Vertrauen in den Fortbestand des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes berufen, denn sie hätten die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes gekannt. Dies ergebe sich aus den vom Untersuchungsausschuss aufgelisteten Fakten zum Ablauf der Ereignisse bei der Ermittlung der herangezogenen Quartale. In dem oben genannten Schreiben von Dr. M. vom 27. Februar 2001 ergebe sich, dass es für eine Zustimmung der Gemeinschaftspraxis auf die Höhe der festgeschriebenen Punktzahlvolumina ankomme. Die Kenntnis des Klägers zu 1. sei den damaligen weiteren Mitgliedern der Gemeinschaftspraxis gemäß §§ 166 Abs 1, 709 BGB zuzurechnen. Die Einjahresfrist iSd § 45 Abs 4 S 2 SGB X sei eingehalten worden, da diese erst dann zu laufen beginne, wenn die zum Handeln berufene Behörde Kenntnis davon erlangt habe. Es genüge dabei nicht, dass die Aufsichtsbehörde im Schreiben vom 9. Oktober 2001 der Beigeladenen zu 6. mitgeteilt habe, dass nach den geltenden Richtlinien nur die letzten vier Quartale zur Berechnung herangezogen werden dürften. Zu diesem Zeitpunkt sei noch nicht bekannt gewesen, dass der Kläger zu 1. selbst die falschen Quartale mit dem damaligen Geschäftsführer der Beigeladenen zu 6. ausgehandelt habe. Erst als der Zulassungsausschuss Kenntnis von der Bösgläubigkeit der Kläger erlangt habe, habe die Jahresfrist zu laufen begonnen, dh frühestens mit der Veröffentlichung des Berichtes des Untersuchungsausschusses in der Vertreterversammlung am 5. März 2002. In diesem Bericht sei auch erstmals den Mitgliedern des Zulassungsausschusses zur Kenntnis gebracht worden, dass die fehlerhaft zugrunde gelegten Quartale solche gewesen seien, in der nur der Kläger zu 1. als niedergelassener Arzt tätig gewesen sei. Der ehemalige Geschäftsführer der Beigeladenen zu 6. habe dies durch die Bezeichnung "Werte Dr. K. und Partner" verschleiert und keinesfalls dem Zulassungsausschuss mitgeteilt. Zudem sei in Ziffer 23c S 7 BedarfsplRL ein Vertrauenstatbestand für den Zulassungsausschuss dahingehend geschaffen, dass dieser seine Festlegungen auf der Grundlage der ihm durch die KÄV übermittelten Angaben treffe. Der Beklagte habe sein Ermessen zutreffend ausgeübt. Es ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass nach Feststellung aller entscheidungsrelevanter Tatsachen für den Beklagten die Möglichkeit bestanden habe, eine Entscheidung zu Gunsten der Kläger zu treffen.
Die Kläger haben gegen das ihnen am 26. November 2007 zugestellte Urteil am 19. Dezember 2007 vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen Berufung eingelegt und diese ebenso wie den Widerspruch und die Klage begründet. Ergänzend haben sie darauf hingewiesen, dass sie in den Ablauf und das Verwaltungshandeln nicht eingebunden gewesen seien. Sie hätten es nicht initiiert, nicht gestaltet, nicht einmal anderweitig beeinflusst. Wenn das SG in seinem Urteil zugrunde lege, dass der Kläger zu 1. die Verwendung dieser Quartale mit dem ehemaligen Geschäftsführer der Beigeladenen zu 6. ausgehandelt habe, so liege darin eine durch das Instanzgericht vorgenommene Annahme von Tatsachen, die nicht hinnehmbar sei. Die Kläger bestreiten, dass O. und der Kläger zu 1. die Verwendung der früheren Quartalsergebnisse verabredet hätten. Es gebe weder Unterlagen noch Zeugenaussagen, die die Behauptung des Beklagten, es gebe insoweit eine Verabredung, rechtfertigen könnten. Dass das SG davon ausgehe, sei willkürlich. Dem Zulassungsausschuss seien zum damaligen Zeitpunkt die BedarfsplRL bekannt gewesen. Wenn er diese gekannt habe und auch weiterhin die Vorgabe zu berücksichtigen sei, dass außergewöhnliche Entwicklungen außer Betracht blieben und ihm für die Leistungsbeschränkung seitens der Beigeladenen zu 6. die Abrechnungsquartale II/1995 bis I/1996 bekannt gegeben worden seien, so habe der Zulassungsausschuss nach Maßgabe dieser Kriterien entschieden. Es bestehe auch die Möglichkeit, dass der Zulassungsausschuss die BedarfsplRL falsch ausgelegt und damit fehlerhaft angewandt habe. Dieses habe zur Folge, dass dem Zulassungsausschuss zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in der Sitzung vom 5. Juni 2000 nicht bekannt und bewusst gewesen sei, einen rechtsfehlerhaften Beschluss zu erlassen. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Kläger zu 1. alternierender Vorsitzender des Zulassungsausschusses zum damaligen Zeitpunkt gewesen sei, auch wenn er der Sitzung vom 5. Juni 2000 nicht beigewohnt habe. Wenn jedoch unterstellt werde, dass der Kläger zu 1. mit P. eine Verabredung unter Missachtung der BedarfsplRL getroffen habe, dann müsse sich der Zulassungsausschuss dieses Wissen anrechnen lassen. Dieses Wissen müsse dem Zulassungsausschuss auch hinsichtlich der Jahresfrist zugerechnet werden. Falls es die vom SG genannte Verabredung vom 5. Juni 2000 gegeben habe, hätte der Kläger zu 1. sie schließlich gekannt und damit auch der Zulassungsausschuss. Der im Urteil des SG zugrunde gelegte Sachverhalt gehe davon aus, dass Organe der Beigeladenen zu 6. bzw. der Zulassungsausschuss unter Missbrauch seiner Kompetenz sich selbst Vorteile vermittelt hätten. Der in der Tat zu korrigierende Sachverhalt könne nicht durch Teilrücknahme des Zulassungsbescheides, sondern nur über die Geltendmachung von Schadensersatz gegenüber denjenigen Organmitgliedern, die ihre Machtstellung missbraucht hätten, korrigiert werden.
Die Kläger beantragen schriftsätzlich,
das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 17. Oktober 2007 und den Beschluss des Beklagten vom 18. Juni 2003 aufzuheben,
hilfsweise, das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 17. Oktober 2007 und den Beschluss des Beklagten vom 18. Juni 2003 aufzuheben,
den Beklagten zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, der Wortlaut der Ziffer 23c BedarfsplRL sei eindeutig. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch könnten unter dem Begriff "außergewöhnliche Entwicklungen" nur unvorhergesehene oder ungewöhnliche Umstände verstanden werden. Eine berufspolitische Tätigkeit zähle nicht dazu. Die Honorarübersicht der Kläger zeige, dass in den maßgeblichen Vorjahresquartalen kein Einbruch bei den Honorarzahlen vorgelegen, vielmehr die Patientenzahl sich zum Teil sogar erhöht habe. Auch könnten sich die Kläger nicht auf Vertrauen iSd § 45 Abs 2 S 3 SGB X berufen. Aus dem Bericht des Untersuchungsausschusses ergebe sich, dass der Kläger zu 1. gewusst habe, dass die Berechung nicht mit den Richtlinien übereinstimme. Weiterhin ergebe sich aus dem Bericht, dass der ehemalige Geschäftsführer der Beigeladenen zu 6. mit dem Kläger zu 1. die Punktzahlen ausgehandelt habe. Bestätigt werde dieses durch das Schreiben des ehemaligen Vorsitzenden Dr. M. vom 27. Februar 2001 an Dr. I ... Dieses Schreiben habe der Vorstandssitzung vom 20. März 2001 als Anlage vorgelegen, an der der Kläger zu 1. als zweiter Vorsitzender teilgenommen habe. Der Zulassungsausschuss habe weder die Abrede der falschen Quartale noch die Herkunft der Quartale gekannt. Mithin beginne die Jahresfrist erst zu dem Zeitpunkt, in dem mangels vernünftiger, objektiv gerechtfertigter Zweifel eine hinreichend sichere Informationsgrundlage bzgl sämtlicher für die Rücknahmeentscheidung notwendiger Tatsachen bestehe. Diese Kenntnis hätten die Mitglieder des Zulassungsausschusses erst mit Veröffentlichung des Berichtes des Untersuchungsausschusses am 5. März 2002 gehabt. Der Gedanke, dass der Zulassungsausschuss sich das Wissen des Klägers zu 1. habe zurechnen lassen müssen, trage bereits im Ansatz nicht, da dieser gerade in eigener Sache nicht an der Beschlussfassung mitgewirkt habe. Es mache einen Unterschied, ob eine Gemeinschaftspraxis in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) vorliege, oder eine Behörde in Form eines Kollegialgremiums. Rechtlich gesehen sei eine Gemeinschaftspraxis eine Praxis, die berechtigt sei, ihre Leistungen unter einer einzigen Abrechnungsnummer gegenüber der zuständigen KÄV abzurechnen. Davon abzugrenzen sei der Zulassungsausschuss als Behörde, die hier durch die Stimmabgabe des jeweiligen Ausschussmitglieds den Beschluss gefasst habe. Eine derartige Wirkung, dass das Wissen des Vorsitzenden dem einzelnen Mitglied im Zulassungsausschuss zuzurechnen sei, insbesondere vor dem Hintergrund, dass dieser an dem Beschluss gar nicht mitgewirkt habe, gehe an jeglicher juristischer Vorgabe vorbei.
Die Beigeladenen haben weder einen Antrag gestellt noch Stellung genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachstandes wird ergänzend auf die Gerichts- und die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten sowie auf die Akten der Staatsanwaltschaft Bremen (Az: 800 Js 2411/02) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Das angefochtene Urteil des SG Bremen war aufzuheben.
Die am 25. Juli 2003 erhobene Klage der Kläger war nur gegen den Beschluss des Beklagten vom 18. Juni 2003 zu richten, weil Entscheidungen des Berufungsausschusses in Zulassungsstreitigkeiten alleiniger Klagegegenstand sind (BSG SozR 3-2500 § 96 Nr 1). Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Die Klage ist auch begründet. Der angefochtene Beschluss des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.
Der Beklagte hat - im Anschluss an den vorausgegangenen Beschluss des Zulassungsausschusses - unter dem 18. Juni 2003 geregelt, dass die im Zulassungsbeschluss vom 14. Juni 2000 festgesetzten Gesamtpunktzahlvolumina, die von der früheren Job-Sharing-Gemeinschaftpraxis der Kläger und der Beigeladenen zu 8. in der Zeit ihrer Zulassung vom 1. August 2000 bis 31. Januar 2002 einzuhalten waren, rückwirkend reduziert werden. Hierzu hat sie als Rechtsgrundlage § 45 Abs 4 S 1 SGB X herangezogen, wonach ein anfänglich rechtswidriger Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden kann, wenn sich der durch ihn Begünstigte (ua) nicht darauf berufen kann, auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids vertraut zu haben (vgl § 45 Abs 2 S 3 SGB X).
§ 45 Abs 4 SGB X ist vorliegend indes nicht anwendbar. Denn die Festsetzung von Gesamtpunktzahlvolumina ist Bestandteil der statusrechtlichen Zulassungsentscheidung nach § 101 Abs 1 S 1 Nr 4 und Abs 3 SGB V (hierzu nachfolgend 1.), die nur mit Wirkung für die Zukunft korrigiert werden kann (2.); davon unberührt bleibt die Frage, inwieweit die KÄV in Fällen der vorliegenden Art gleichwohl überzahlte Honorare zurückfordern kann (3.).
1. Gemäß § 101 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V (hier anwendbar in der Fassung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 - GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 - vom 22. Dezember 1999) beschließen die Bundesausschüsse in Richtlinien Bestimmungen über Ausnahmeregelungen für die Zulassung eines Arztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, sofern der Arzt die vertragsärztliche Tätigkeit gemeinsam mit einem dort bereits tätigen Vertragsarzt desselben Fachgebiets ausüben will und sich die Partner der Gemeinschaftspraxis gegenüber dem Zulassungsausschuss zu einer Leistungsbegrenzung verpflichten, die den bisherigen Praxisumfang nicht wesentlich überschreitet. Die genaue Ausgestaltung der Leistungsbegrenzung richtet sich nach dem 4a. Abschnitt der BedarfsplRL (in der im Jahr 2000 geltenden Fassung). Nach deren Ziffer 23c BedarfsplRL legt der Zulassungsausschuss in einer verbindlichen Festlegung zur Beschränkung des Praxisumfangs auf der Grundlage der gegenüber dem Vertragsarzt (den Vertragsärzten) in den vorausgegangenen mindestens vier Quartalen ergangenen Abrechnungsbescheiden quartalsbezogene Gesamtvolumina fest.
Ziel und Konzept dieser Regelung belegen, dass die Zulassung eines weiteren Vertragsarztes in Form einer Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis mit bereits zugelassenen Vertragsärzten untrennbar mit der Festlegung der Punktzahl-Obergrenze verbunden ist. Mit der Einführung des § 101 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V wurde die Möglichkeit geschaffen, trotzÜberversorgung eines Planungsbereichs weitere Fachärzte im Rahmen einer Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis zuzulassen. Ziel der Gesetzesänderung war, den Bedürfnissen vieler Ärzte nach individueller Festlegung ihres Arbeitsumfangs nachzukommen und zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten für Ärzte zu schaffen, ohne mit diesen Regelungen die Gefahr einer Leistungsausweitung auszulösen (BT-Drucksache 13/7264 zum 2. GKV-Neuordnungsgesetz - 2. GKV-NOG -, S 65). Die Leistungsbeschränkung war notwendig, um die finanzielle Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung trotz einer höheren Anzahl an Ärzten weiterhin zu gewährleisten; bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Gesundheits-Strukturgesetz (- GSG -, BT-Drucksache 12/3608, S 72, 96 ff.) waren die damals eingeführten Zulassungsbeschränkungen damit begründet worden, dass als wesentlicher Grund für die Erhöhung der Ausgabenentwicklung bei den Krankenkassen ein wachsendes Überangebot an Vertragsärzten und eine darauf zurückzuführende Ausweitung des Volumens an erbrachten und veranlassten Leistungen gesehen werde. Dementsprechend hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KÄBV) zur Einführung der entsprechenden Regelungen in den BedarfsplRL darauf hingewiesen, dass die gemeinschaftliche Leistungsbeschränkungserklärung "wesentliches rechtliches Element für die Rechtfertigung einer Ausnahmezulassung" bei Gemeinschaftspraxen sei (vom Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegte Bemerkungen der KÄBV zum Job-Sharing vom 22. Januar 1998).
Die Ziele, einerseits weiteren Ärzten den Zugang zum vertragsärztlichen System zu ermöglichen und andererseits eine Leistungsausweitung zu verhindern, konnten nur realisiert werden, indem Zulassung und Leistungsbegrenzung so miteinander verknüpft werden, dass ausgeschlossen ist, dass sich Vertragsärzte eine Job-Sharing-Zulassung verschaffen und gleichwohl Wege finden können, um unbegrenzt abzurechnen. Verfahrensrechtlich wurde hierfür zunächst die Entscheidung über die Höhe der Punktzahl-Obergrenze den für die Zulassung zuständigen Zulassungsgremien übertragen. Sodann wurde die Erteilung der Job-Sharing-Zulassung daran gekoppelt, dass die an der neuen Gemeinschaftspraxis beteiligten Ärzte sich vorher verpflichten, den vom Zulassungsausschuss verbindlich festgestellten beschränkten Praxisumfang anzuerkennen und nicht wesentlich zu überschreiten (§ 101 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V; Ziffer 23a Nr 4 BedarfsplRL). Hiermit sollte vermieden werden, dass Gemeinschaftspraxen nur gegen die leistungsbeschränkenden Auflagen mit aufschiebender Wirkung Widerspruch einlegen, die Zulassung dagegen bestandskräftig werden lassen und somit einschränkungslos abrechnen können (Gleichner, MedR 2000, 399, 401). In der Sache führt die Zulassung innerhalb einer Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis schließlich dazu, dass die aus der Zulassung folgende Berechtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung (§ 95 Abs 3 S 1 SGB V) quantitativ begrenzt wird, wobei § 101 Abs 3 S 2 SGB V hierfür zeitliche Grenzen setzt. Diese Begrenzung betrifft nicht nur die Ärzte, die - wie vorliegend die Beigeladene zu 8. - zusätzlich zugelassen werden, sondern auch diejenigen, die - wie die Kläger - bereits vorher über eine (unbegrenzte) Zulassung verfügt haben.
In den Fällen, in denen die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit mit einer anderen Regelung so eng verknüpft ist, dass diese Regelung unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung der Zulassung ist, nimmt diese selbst in ihrer rechtlichen Wirkung an dem Statuscharakter der Zulassung teil. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) überzeugend für das Verhältnis zwischen Zulassung und Vertragsarztsitz (§ 95 Abs 1 S 7 SGB V) ausgeführt (SozR 4-5520 § 24 Nr 2). Für das hier relevante Verhältnis zwischen Zulassung und Leistungsbegrenzung gilt nichts anderes, weil die Zulassung innerhalb einer Job-Sharing-Gemeinschaftspraxis ohne Beschränkung auf einen Teil des ansonsten möglichen Leistungsumfangs nicht denkbar ist.
2. Statusrelevante Regelungen können nach st Rspr des BSG (zB SozR 3-1500 § 97 Nr 3; BSGE 86, 121, 123; SozR 4-5520 § 24 Nr 2) nur mit Wirkung für die Zukunft getroffen werden. Dies gilt zB für die Verlegung des Vertragsarztsitzes (BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2), die Genehmigung zur Führung einer Gemeinschaftspraxis (BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2) oder die Anstellung eines Arztes in der vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis gemäß § 32b Ärzte-ZV, (BSG SozR 3-5525 § 32b Nr 1). Das BSG begründet dies damit, dass der Teilnahmestatus des Vertragsarztes vielfache Auswirkungen hat, zB auf den Behandlungsanspruch der Versicherten, auf die Ansprüche des Arztes auf Teilnahme an der Honorarverteilung und der Verpflichtung der KÄV zur Honorarausschüttung, die alle nicht rückwirkend begründet oder verändert werden können (zuletzt: BSG SozR 4-5520 § 24 Nr 2).
Bereits dieser Gesichtspunkt steht der vom Beklagten im Juni 2003 beschlossenen Änderung der Punktzahl-Obergrenze für die Zeit vom 1. August 2000 bis zum 31. Januar 2002 entgegen. § 45 Abs 4 SGB X wird deshalb im vorliegenden Fall gemäß § 37 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) durch die insoweit spezielleren Regelungen des Vertragsarztrechts verdrängt (zum Vorrang der vertragsärztlichen Vorschriften über die Zulassungsentziehung vor § 45 SGB X vgl BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 20; Beschluss vom 5. November 2003 - B 6 KA 56/03 B - juris). Ob § 45 SGB X in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich unanwendbar ist, kann daneben offen bleiben. Dagegen mag sprechen, dass die BedarfsplRL keine Regelung enthalten, die eine Korrektur von Anfang an rechtswidrig zu hoch festgesetzter Gesamtpunktzahlvolumina ermöglicht. Allerdings ist insoweit auch denkbar, die Korrektur auf § 95 Abs 6 SGB V zu stützen.
3. Daraus, dass die im Zulassungsbeschluss vom 14. Juni 2000 festgesetzte Punktzahl-Obergrenze nicht mehr geändert werden kann, folgt allerdings nicht, dass eine Rückforderung von Honoraren ausgeschlossen ist, die der Gemeinschaftspraxis in Hinblick auf eine evtl fehlerhafte Festsetzung der Obergrenze zu Unrecht gezahlt worden sind. Das BSG hat bereits entschieden, dass es für die Rechtmäßigkeit der Honorargewährung nicht nur auf die formelle Zuerkennung einer vertragsärztlichen Statusentscheidung ankommt; vielmehr muss der Vertragsarzt auch materiell berechtigt gewesen sein, Leistungen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen (BSG SozR 3-2500 § 95 Nr 5). Insbesondere stellen Vorschriften, die den dem Arzt gestatteten Leistungsumfang einschränken, zugleich - iVm den Bestimmungen über sachlich-rechnerische Richtigstellungen - eine Grundlage für die Kürzung des Honorars für seine darüber hinausgehenden Leistungen dar, und zwar unabhängig davon, ob die Verstöße außerdem zum Widerruf oder zur Rücknahme der Statusentscheidung berechtigen (BSG SozR 4-5520 § 32 Nr 2). So hat das BSG in Fällen von durch Täuschung erlangter Zulassung oder Approbation keinen Schutz wegen Fortbestehens des Status Zulassung oder Approbation anerkannt, sondern die unabhängig hiervon geltend gemachten Rückforderungen bereits gezahlten Honorars als rechtmäßig angesehen (BSG SozR 4-5520 § 32 Nr 2; SozR 2200 § 368f Nr 1; SozR 3-2500 § 95 Nr 5).
Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Unabhängig von einer vorherigen Änderung der Punktzahl-Obergrenze durch die Zulassungsgremien ist deshalb zu klären, ob von der Beigeladenen zu 6. mit Bescheid vom 16. Dezember 2002 ein Betrag von 91.441,76 Euro zurückgefordert werden kann, weil die Obergrenze fehlerhaft zu hoch festgesetzt worden ist. Die sich im Zusammenhang hiermit stellenden Fragen sind jedoch nicht im vorliegenden Verfahren zu klären, sondern in dem den Berichtigungs- und Rückforderungsbescheid betreffenden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 154 Abs 1, 162 Abs 3, 154 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision wird gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zugelassen, da der Senat der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Die Streitwertbemessung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).