Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.03.2019, Az.: 13 Verg 1/19

Zulässigkeit eines auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung des Vergabeverfahrens gerichteten Nachprüfungsantrags; Höhe der Anwaltsgebühren bei einem gegen die Verfahrensaufhebung gerichteten Nachprüfungsantrag

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.03.2019
Aktenzeichen
13 Verg 1/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 22245
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VK Lüneburg - 18.12.2018 - AZ: VgK-45/2018

Amtlicher Leitsatz

1. Ein isoliert auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Verfahrensaufhebung gerichteter Nachprüfungsantrag, mit dem nicht zugleich um Primärrechtsschutz nach-gesucht wird, ist unzulässig.

2. Das gegenüber einem üblichen Nachprüfungsantrag geringere wirtschaftliche Inte-resse bei einem auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Verfahrensaufhebung gerichteten Antrag kann dadurch zu berücksichtigen sein, dass eine Gebührenermäßigung nach § 182 Abs. 2 Satz 1 GWB erfolgt. Maßstab für diese Gebührenermäßigung kann dabei § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB sein, wonach nur die Hälfte der Gebühr zu entrichten ist, wenn sich der Antrag vor Entscheidung der Vergabekammer durch Rücknahme oder anderweitig erledigt.

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde vom 8. Januar 2019 gegen den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung vom 18. Dezember 2018 - Az. VgK-45/2018 - wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten wird für den Antragsgegner für notwendig erklärt.

4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 8.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsgegner schrieb mit Bekanntmachung vom 21. April 2018 Postdienstleistungen für die unmittelbaren Landesbehörden des Landes Niedersachsen europaweit im offenen Verfahren aus. Die Antragstellerin gab Angebote für die Lose 1 - 5 ab. Betreffend die Lose 2 - 5 rügte sie u.a. einzelne Zuschlagskriterien und beantragte diesbezüglich die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens, das vor dem Senat zum Az. 13 Verg 7/18 anhängig ist.

In einem weiteren Nachprüfungsverfahren eines anderen Bieters wies das Oberlandesgericht Celle mit Beschluss vom 11. September 2018 (Aktenzeichen 13 Verg 4/18) darauf hin, dass einige Zuschlagskriterien vergaberechtswidrig seien. Der Antragsgegner teilte unter anderem der Antragstellerin daraufhin mit Schreiben vom 18. September 2018 mit, das Vergabeverfahren unter anderem in den Losen, zu denen die Antragstellerin Angebote abgegeben hatte, aufzuheben, weil insbesondere Zuschlagskriterien durch den Senat als vergaberechtswidrig eingestuft worden seien.

Die Antragstellerin rügte daraufhin mit Schreiben vom 20. September 2018, dass eine sanktionsfreie Aufhebung nicht in Betracht komme, und forderte, zu erklären, dass kein in § 63 VgV vorgesehener Aufhebungsgrund vorliege, sowie Ersatzansprüche dem Grunde nach anzuerkennen. In dem Nachprüfungsverfahren 13 Verg 7/18 stellte die Antragstellerin ihre Anträge um und begehrt nunmehr die Feststellung, dass sie u.a. durch die Verwendung vergaberechtswidriger Zuschlagskriterien in ihren Rechten verletzt sei.

Nach Zurückweisung der vorgenannten Rüge beantragte sie mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2018 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer mit dem Antrag, festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtswidrig sei und die Antragstellerin in ihren Rechten verletze.

Nachdem sie von der Vergabekammer unter anderem darauf hingewiesen wurde, dass eine isolierte Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Aufhebungsentscheidung nicht in Betracht komme, hat sie mit Schriftsatz vom 8. November 2018 darüber hinaus hilfsweise die Aufhebung der Aufhebung des Vergabeverfahrens und äußerst hilfsweise wiederholend die bereits erstrangig begehrte Feststellung beantragt.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückgewiesen, weil eine isolierte Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Verfahrenssaufhebung nicht zulässig sei. Auch der hilfsweise gestellte Antrag, die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben, sei unzulässig. Hinsichtlich des Loses 1, betreffend das die Antragstellerin die Vergaberechtswidrigkeit der Zuschlagskriterien nicht zuvor gerügt hatte, habe sie sich durch diesen Verzicht auf einen diesbezüglichen Nachprüfungsantrag den Vergabebedingungen gebeugt und könne sich jetzt nicht mehr auf deren Vergaberechtswidrigkeit berufen. Im Übrigen sei der Hilfsantrag unzulässig, weil dieser nicht den Gegenstand der zuvor gegenüber dem Antragsgegner erhobenen Rüge weiterverfolge.

Hiergegen richtet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde, mit der sie im Wesentlichen die Auffassung wiederholt und vertieft, der in erster Linie gestellte isolierte Feststellungsantrag sei zulässig, jedenfalls nachdem sie hilfsweise auch die Aufhebung der Aufhebung beantragt hat. Darüber hinaus greift sie unter anderem die Festsetzung der Vergabekammergebühren und die Feststellung an, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer für den Antragsgegner notwendig war.

Die Antragstellerin beantragt,

I. den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen bei dem Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung vom 18. Dezember 2018 - Az.: VgK-45/2018 - aufzuheben,

II. festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens "Rahmenvertrag über Postdienstleistungen für das L. N.", Referenznummer der Bekanntmachung: 0001-PDL/2018-03.61, TED: 2018/S 078-174407; Lose 1-5" rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt,

a. Hilfsweise: die Aufhebung des Vergabeverfahrens "Rahmenvertrag über Postdienstleistungen für das L. N.", Referenznummer der Bekanntmachung: 0001-PDL/2018-03.61, TED: 2018/S 078-174407; Lose 1-5" aufzuheben,

b. Äußerst hilfsweise: festzustellen, dass die Aufhebung des Vergabeverfahrens "Rahmenvertrag über Postdienstleistungen für das L. N.", Referenznummer der Bekanntmachung: 0001-PDL/2018-03.61, TED: 2018/S 078-174407; Lose 1-5" rechtswidrig ist und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt.

Der Antragsgegner beantragt,

Die sofortige Beschwerde zurückzuweisen

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die angefochtene Entscheidung der Vergabekammer Bezug genommen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist überwiegend unbegründet. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zutreffend als unzulässig zurückgewiesen. Nur betreffend die Festsetzung der Gebühren der Vergabekammer hat die sofortige Beschwerde teilweise Erfolg

I.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig.

1. Dabei dürfte der Antrag allerdings nicht bereits deshalb unzulässig sein, weil die in dem Verfahren 13 Verg 7/18 gestellten Fortsetzungsfeststellungsanträge denselben Streitgegenstand beträfen. Die Anträge knüpfen an unterschiedliche Tatbestände an, aufgrund derer die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt sei, nämlich in dem Verfahren 13 Verg 7/18 u.a. an die Bestimmung u.U. vergaberechtswidriger Zuschlagskriterien und im vorliegenden Verfahren an die Aufhebung des Vergabeverfahrens. Auch wenn ein sachlicher Zusammenhang insoweit besteht, als die Verfahrensaufhebung kausal auf die Bestimmung einzelner Zuschlagskriterien zurückzuführen ist, und auch die Begründetheit des Antrags davon abhängen mag, ob die Bestimmung dieser Zuschlagskriterien vergaberechtswidrig war, liegt doch nicht ein einheitlicher Streitgegenstand vor.

2. Der in erster Linie gestellte Antrag, die Rechtswidrigkeit der Verfahrensaufhebung festzustellen und auch der "äußerst hilfsweise" gestellte inhaltsgleiche Antrag sind unzulässig, weil § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB bereits weder unmittelbar noch in entsprechender Anwendung eingreift (a) und darüber hinaus ein Feststellungsinteresse nicht dargelegt ist (b).

a) aa) Nach § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB ist eine Fortsetzungsfeststellung in Fällen zulässig, in denen sich das Nachprüfungsverfahren erledigt hat. Die Erledigung muss danach grundsätzlich nach Beginn des Nachprüfungsverfahrens eingetreten sein (Thiele, in: Kularz/Kus/Portz/Prieß, GWB, 4. Aufl., § 168 Rn. 83; Reidt in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl., § 168 GWB Rn. 54; Fett in: Müko Vergaberecht, 2. Aufl., § 168 GWB Rn. 54 f.), was hier nicht der Fall ist.

Entsprechend § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB ist darüber hinaus nach überwiegender Auffassung in Fällen, in denen der Antragsteller mit dem Ziel der Erlangung primären Vergaberechtschutzes die Aufhebung des ausgeschriebenen Vergabeverfahrens zum Gegenstand einer Nachprüfung macht, die Vergabekammer oder das Beschwerdegericht bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses des Antragstellers auf dessen Antrag auch zur Entscheidung der durch die Aufhebung eingetretenen Rechtsverletzung befugt, wenn sich nach der Entscheidung der Vergabekammer herausstellt, dass trotz eines Vergabeverstoßes aufgrund des dem Auftraggeber zustehenden Entscheidungsspielraums eine auf die Fortsetzung des aufgehobenen Vergabeverfahrens gerichtete Anordnung nicht ergehen kann (Senat, Beschluss vom 10. März 2016 - 13 Verg 5/15, juris Rn. 9 m.w.N.). Denn die Vergabekammer ist in diesen Fällen bereits im Rahmen der Gewährung primären Rechtsschutzes mit der Kernfrage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufhebung befasst. Aus Gründen der Prozessökonomie muss ein Bieter die Möglichkeit haben, im Falle einer rechtswidrigen aber wirksamen Aufhebung einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zu stellen (Prell, in: BeckOK Vergaberecht (Stand: 31.1.2017) § 168 GWB Rn. 50).

Der isoliert auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Verfahrensaufhebung gerichtete Nachprüfungsantrag, mit dem nicht zugleich um Primärrechtsschutz nachgesucht wird, ist demgegenüber unzulässig (Senat a. a. O. für den Fall der erfolgten Auftragsvergabe; Reidt a. a. O. Rn. 54 f.; Fett a. a. O. Rn. 54 f.).

(1) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin stehen dem nicht die Erwägungen des Bundesgerichtshofs aus dem Beschluss vom 20. März 2014 (X ZB 18/13, juris; ebenso: Beschluss vom 18. Februar 2003 - X ZB 43/02, juris) entgegen. Der Nachprüfungsantrag war dort in erster Linie auf die Aufhebung der Aufhebung des Vergabeverfahrens und nur hilfsweise auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung gerichtet. Zu der - hier maßgeblichen - Frage der Zulässigkeit eines isolierten Feststellungsantrags verhalten sich diese Entscheidungen nicht. Gegenteiliges kann insbesondere nicht daraus gefolgert werden, dass der Bundesgerichtshof die Vorschrift des § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB a. F. nur entsprechend angewandt hat. Diese entsprechende Anwendung ist auch bei Kombination eines hilfsweise gestellten Feststellungsantrags mit einem in erster Linie gestellten Antrag im Primärrechtsschutz - wie ausgeführt - erforderlich, weil auch in diesen Fällen § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB/§ 114 Abs. 2 Satz 2 GWB a. F. dem Wortlaut nach nicht einschlägig wäre, weil das Vergabeverfahren erst nach dem - möglicherweise - erledigenden Ereignis eingeleitet wurde. Dass die Analogie auch auf Fälle zu erstrecken wäre, in denen Primärrechtsschutz gar nicht begehrt wird - und es damit schon an der dargestellten Vergleichbarkeit der Interessenlagen fehlte - kann dieser Entscheidung auch angesichts des dort hervorgehobenen Ausnahmecharakters der Aufhebung der Aufhebung nicht entnommen werden.

Gleiches gilt für die in Bezug genommene Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. März 2005 (Verg 40/04). Auch diese betraf keinen isolierten Feststellungsantrag.

Soweit die Vergabekammer Sachsen demgegenüber einen isolierten Feststellungsantrag für zulässig gehalten hat (Beschluss vom 19. Juni 2015 - 1/SVK/009-15, juris Rn. 72 f.), folgt der Senat dem aus den genannten Gründen nicht. Es besteht keine Rechtfertigung, § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB n. F. auch auf diese Fallkonstellation entsprechend anzuwenden.

(2) Eine abweichende Auslegung der Zulässigkeitsregelung für Fortsetzungsfeststellungsanträge nach § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB ist auch nicht deshalb geboten, weil Nachprüfungsverfahren nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2007/66/EG (Rechtsmittelrichtlinie) jeder Person zur Verfügung stehen müssen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat, "oder hatte". Aus dieser Formulierung ist nicht zu folgern, dass der Zugang zu Nachprüfungsinstanzen auch dann in Fällen möglich sein soll, in denen sich das Vergabeverfahren vor Einleitung eines Nachprüfungsverfahren erledigt hat, wenn das Nachprüfungsverfahren nicht auf primären Rechtsschutz ausgerichtet ist. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Richtliniengeber auch die Entscheidung über allein geltend gemachte Schadensersatzansprüche zwingend den Nachprüfungsinstanzen zuweisen wollte. Eine solche Auslegung ist auch der von der Antragstellerin in Bezug genommenen Entscheidungen des europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 18. Juni 2002 - C-92/00, juris Rn. 53 ff.) nicht zu entnehmen, zumal das dortige Ausgangsverfahren nach dem dargestellten Sachverhalt (a.a.O. Rn. 15, 17 f.) die Nichtigerklärung des Widerrufs eines Vergabeverfahrens zum Gegenstand hatte.

Dass nach dem Unionsrecht nicht zwingend eine Zuständigkeit der Nachprüfungsinstanzen für isolierte Feststellungsanträge vorzusehen ist, begegnet keinen vernünftigen Zweifeln, sodass keine Vorlagepflicht an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 Abs. 3 AEUV besteht (allg.: EuGH, Urteil vom 11. September 2008 - C-428/06 bis C-434/06 -, juris).

Aus diesen Gründen ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch § 160 Abs. 2 GWB nicht richtlinienkonform dahin auszulegen, dass bereits hiernach die isoliert auf die Feststellung einer Ersatzpflicht gerichtete Klage vor den Nachprüfungsinstanzen zulässig wäre.

bb) Nach diesen Grundsätzen ist insbesondere der ursprünglich allein geltend gemachte isolierte Feststellungsantrag im Vergabenachprüfungsverfahren unzulässig. Der Antragsgegner hat das Vergabeverfahren vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens aufgehoben. Die Antragstellerin hat sich gegen die Wirksamkeit dieser Aufhebung nicht gewandt.

Dieser Feststellungsantrag und auch der "äußerst hilfsweise" wiederholte inhaltsgleiche Feststellungsantrag sind auch nicht deshalb in entsprechender Anwendung von § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB zulässig, weil die Antragstellerin auf den Hinweis der Vergabekammer hin, der isolierte Feststellungsantrag sei unzulässig, hilfsweise beantragt hat, die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben.

(1) Grundsätzlich ist ein Fortsetzungsfeststellungsantrag unzulässig, wenn schon der verfahrenseinleitende Nachprüfungsantrag unzulässig war (Senat, Beschluss vom 10. März 2016, a. a. O., juris Rn. 11 m.w.N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. Mai 2014 - 15 Verg 4/13, juris Rn. 48; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. April 2014 - Verg 35/13, juris Rn. 14; Reidt a. a. O. Rn. 40; Fett a. a. O. Rn. 67; Thiele in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB, 4. Aufl., § 168 Rn. 83; Prell a. a. O. § 168 GWB Rn. 55).

Hier ist der auf die Aufhebung der Aufhebung gerichtete Antrag bereits mangels Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB unzulässig. Die Antragsbefugnis setzt hiernach die Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten voraus. Diesem Erfordernis ist genügt, wenn mit dem Nachprüfungsantrag eine Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften schlüssig vorgetragen wird (BGH, Beschluss vom 18. Mai 2004 - X ZB 7/04, juris Rn. 21). Eine solche Rechtsverletzung hat die Antragstellerin zwar im Ausgangspunkt schlüssig dargelegt, aber nur im Hinblick darauf, dass die Verfahrensaufhebung nicht von § 63 VgV gedeckt und damit rechtswidrig war. Dass die Aufhebung des Verfahrens vorliegend ausnahmsweise unwirksam wäre (vgl. zu den Ausnahmefällen etwa Portz in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 63, Rn. 23), hat die Antragstellerin demgegenüber nicht geltend gemacht. Im Gegenteil hat sie bereits in der Antragsschrift klargestellt, dass die Aufhebung zwar rechtswidrig, aber wirksam sei (Seite 4 der Antragsschrift vom 9. Oktober 2018). Auch die zuvor erhobene Rüge vom 20. September 2018 hatte nur das Ziel, einen Schadensersatzanspruch vorzubereiten, nicht jedoch den Antragsgegner zur Fortführung des Vergabeverfahrens zu zwingen. Bei dieser Fallgestaltung, bei der der Antragsteller tatsächlich nicht die Fortsetzung des Vergabeverfahrens in der Form der Aufhebung der Aufhebung herbeiführen will, sondern vielmehr "nur" die Zulässigkeit des an sich unzulässigen isolierten Fortsetzungsfeststellungsantrags begründen möchte, fehlt es an der Antragsbefugnis für den nur pro forma auf Primärrechtsschutz gerichteten Antrag.

(2) Letztlich kann aber offenbleiben, ob die Zulässigkeit eines verfahrenseinleitenden Nachprüfungsantrags Voraussetzung eines Fortsetzungsfeststellungsantrags ist (kritisch hierzu etwa Antweiler in: Beckscher Vergaberechtkommentar, 3. Aufl., § 168 GWB Rn. 63 m.w.N.). Jedenfalls besteht vorliegend keine Rechtfertigung, § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB analog anzuwenden. Die analoge Anwendbarkeit dieser Vorschrift rechtfertigt sich nach den vorstehenden Erwägungen daraus, dass in den Fällen, in denen die Vergabekammer zuständigkeitshalber bereits im Rahmen der Gewährung primären Rechtsschutzes mit der Kernfrage der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufhebung befasst ist, aus Gründen der Prozessökonomie ein Fortsetzungsfeststellungsantrag möglich sein soll. Hieran fehlt es jedoch dann, wenn ein auf Primärrechtsschutz gerichteter Antrag auf "Aufhebung der Aufhebung" - wie vorliegend - nur pro forma gestellt wird, und insbesondere jede nähere Begründung dieses Antrags fehlt, der Antragsteller vielmehr sogar ausdrücklich klarstellt, der Auffassung zu sein, dass die Verfahrensaufhebung wirksam war. In einem solchen Fall müssen sich die Nachprüfungsinstanzen ohnehin nicht in der Sache mit der Wirksamkeit der Aufhebung auseinandersetzen, sodass kein Bedürfnis besteht, die mögliche Rechtswidrigkeit der Aufhebung im Nachprüfungsverfahren festzustellen.

b) Darüber hinaus ist auch ein Feststellungsinteresse nicht schlüssig dargelegt. Die Antragstellerin begründet ihr Interesse mit der Vorbereitung möglicher Schadensersatzansprüche aufgrund der Verfahrensaufhebung. Dass der Antragstellerin aber gerade durch die Aufhebung des Vergabeverfahrens Schäden entstanden sein könnten, ist nicht hinreichend dargelegt.

Insoweit ist zu differenzieren zwischen möglichen Schäden, die durch mögliche Fehler des Antragsgegners entstanden sind, die nach dessen Ausführungen die Verfahrensaufhebung erforderlich gemacht haben, und darüber hinausgehenden Schäden, die allein auf die Aufhebung selbst zurückzuführen sind. Für erstere hat die hier begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Aufhebung des Vergabeverfahrens keine eigenständige Bedeutung; diesbezüglich werden Ersatzansprüche bereits durch den in dem Verfahren 13 Verg 7/18 gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag vorbereitet. Dass darüber hinaus Schäden gerade aufgrund der Verfahrensaufhebung entstanden sein könnten, die nicht bereits auf die in dem Verfahren 13 Verg 7/18 beanstandeten Vergabefehler zurückzuführen wären, ist auch auf Hinweis des Senats nicht dargelegt. Wie sich schon aus den ergänzenden Ausführungen der Antragstellerin zum Streitwert ergibt, richtete sich ihr Feststellungsinteresse allein auf den Ersatz der Anwaltskosten für die dem Feststellungsverfahren vorausgegangene Rüge.

Dass der Antragstellerin für diese das vorliegende Verfahren vorbereitende Rüge Kosten entstanden sind, deren Ersatz sie begehrt, begründet kein hinreichendes Feststellungsinteresse. Ein darauf zurückzuführender Vermögensschaden ist erst durch die - allein auf die Feststellung bzw. Anerkenntnis einer Ersatzpflicht gerichtete - Rüge entstanden und wäre im Verhältnis zum Antragsgegner jedenfalls nach § 254 Abs. 1 BGB allein von der Antragstellerin zu tragen.

(3) Der hilfsweise gestellte Antrag, die Aufhebung des Vergabeverfahrens aufzuheben, ist aus den vorstehend genannten Gründen unzulässig.

III.

Die sofortige Beschwerde ist demgegenüber teilweise begründet, soweit sie sich gegen die Festsetzung der Gebühren der Vergabekammer richtet.

1. Im Ausgangspunkt hat die Vergabekammer allerdings zutreffend die Gebühr unter Anwendung der Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zurzeit gültigen Fassung von Dezember 2009 unter Berücksichtigung der Ausschreibungssumme mit 21.237,92 € bestimmt. Dem steht nicht entgegen, dass das Interesse der Antragstellerin, das sie mit dem vorliegenden Nachprüfungsantrag verfolgt, nicht auf die Zuschlagsverteilung, sondern nur auf die Vorbereitung von Ersatzansprüchen gerichtet war.

Im Unterschied zu Gerichtsgebühren und anwaltlichen Gebühren im gerichtlichen Verfahren bestimmt sich die Höhe der Gebühren der Vergabekammer nicht allein nach dem nach § 50 Abs. 2 GKG zu bestimmenden bzw. nach § 3 ZPO zu schätzenden Streitwert. Vielmehr bestimmt sich die Höhe der Gebühren der Vergabekammer gemäß § 182 Abs. 1 GWB i.V.m. § 3 Satz 1 VwKostG auch nach dem Verwaltungsaufwand. Dabei ist nicht auf den im Einzelfall entstandenen personellen und sachlichen Aufwand abzustellen. Vielmehr soll die Gesamtheit der in einem bestimmten Zeitabschnitt für die Art der Behördenleistung erhobenen Gebühren den in diesem Zeitabschnitt anfallenden personellen und sachlichen Verwaltungsaufwendungen entsprechen. Der Anknüpfung an wertabhängige Gebühren liegt insoweit die Erfahrung zugrunde, dass der Aufwand der Behörde tendenziell steigt, je gewichtiger die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit ist (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 - X ZB 5/10, juris Rn. 14). Dieser Zusammenhang besteht dabei aber nicht nur zu dem Wert des mit dem jeweiligen Antrag verfolgten Interesses, sondern vielmehr überwiegend mit der wirtschaftlichen Bedeutung des Vergabeverfahrens selbst, sodass es im Ausgangspunkt sachgerecht erscheint, an den jeweiligen Auftragswert anzuknüpfen. Ausgehend von dem - auf die Laufzeit einschließlich anteiliger Verlängerungsoptionen hochgerechneten - Bruttoauftragswert von 27.635.770,66 € knüpft die Gebührenermittlung daher an die von der Vergabekammer insoweit zutreffend ermittelte Gebührenhöhe von 21.237,92 € an.

2. Nach § 3 Satz 1 VwKostG ist jedoch auch das Äquivalenzprinzip zu wahren, sodass die Verwaltungsgebühr auch im Einzelfall in einem angemessenen Verhältnis zum Wert der damit bezahlten Behördenleistung, also der wirtschaftlichen Bedeutung des Verfahrensgegenstandes, stehen muss (BGH, a. a. O.). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin, das sie mit dem vorliegenden Verfahren verfolgt, nicht auf die Zuschlagserteilung, sondern nur auf die Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen gerichtet ist. Dieses (geringere) wirtschaftliche Interesse ist sachgerecht dadurch zu berücksichtigen, dass eine Gebührenermäßigung nach § 182 Abs. 2 Satz 1 GWB erfolgt. Maßstab für diese Gebührenermäßigung kann dabei § 182 Abs. 3 Satz 3 GWB sein, wonach nur die Hälfte der Gebühr zu entrichten ist, wenn sich der Antrag vor Entscheidung der Vergabekammer durch Rücknahme oder anderweitig erledigt. Auch in diesem Fall, in dem eine Entscheidung der Vergabekammer entbehrlich wird und teilweise auch eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich sein wird, ist die Basisgebühr so zu bestimmen, als habe das Nachprüfungsverfahren seinen normalen Verlauf genommen, und diese lediglich auf die Hälfte zu reduzieren; nur im Einzelfall kommt aus Billigkeitsgründen eine weitere Reduktion in Betracht (Summa in: juris PK Vergaberecht, 5. Aufl., § 182 GWB Rn. 65 f.). Im vorliegenden Fall hat zwar eine mündliche Verhandlung vor der Vergabekammer nicht stattgefunden. Dafür ist aber eine (umfassend begründete) Entscheidung ergangen. Unter Berücksichtigung der dargestellten gesetzlichen Wertung erscheint es deshalb insbesondere auch zur Berücksichtigung des geringeren Interesses der Antragstellerin sachgerecht, die ermittelte Basisgebühr nur hälftig anzusetzen.

Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass der Umstand der Entbehrlichkeit einer mündlichen Verhandlung für sich genommen - mithin ohne Berücksichtigung des grundlegenden Umstandes, dass kein primärer Rechtsschutz nachgesucht wird - regelmäßig keine Ermäßigung der Basisgebühr auf die Hälfte rechtfertigen dürfte.

Die zu erstattende Gebühr der Vergabekammer ist daher auf 10.618 € zu reduzieren.

IV.

1. Der Antragstellerin sind die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und die dort entstandenen notwendigen Aufwendungen der Beteiligten nach § 182 Abs. 3 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 GWB sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach § 175 Abs. 2 i.V.m. § 78 GWB aufzuerlegen.

2. Zutreffend hat die Vergabekammer die Notwendigkeit nach § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG für den Antragsgegner bejaht, einen Rechtsanwalt im Nachprüfungsverfahren hinzuzuziehen. Allgemein kann die Notwendigkeit einer solchen Hinzuziehung für die Vergabestelle nach ständiger Rechtsprechung nur auf der Grundlage einer differenzierten Betrachtung im Einzelfall beurteilt werden. Hat das Nachprüfungsverfahren schwerpunktmäßig auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen zum Gegenstand, besteht für den Auftraggeber im Regelfall keine Notwendigkeit, anwaltlichen Beistand hinzuzuziehen. Denn in seinem originären Aufgabenbereich muss der Auftraggeber sich die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse grundsätzlich ohnehin selbst verschaffen. Kommen weitere Rechtsfragen nicht lediglich einfacher Natur - also insbesondere solche des Nachprüfungsverfahrens - hinzu, wird die Notwendigkeit der Hinzuziehung des anwaltlichen Vertreters hingegen regelmäßig angenommen (Thiele, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, § 182 GWB Rn. 32 m.w.N.). Im vorliegenden Fall waren im Wesentlichen Verfahrensregelungen für das Nachprüfungsverfahren entscheidungserheblich, deren Kenntnis von einer Vergabestelle nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden kann. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren war daher sachgerecht.

V.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens richtet sich vorliegend nicht nach § 50 Abs. 2 GKG, sondern ist in entsprechender Anwendung von § 3 ZPO unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses der Antragstellerin festzusetzen, weil es dieser nicht um die Wahrung der Zuschlagschance und eine damit zusammenhängende mögliche Gewinnerzielung geht, sondern um die Vorbereitung von Schadensersatzansprüchen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. September 2018 - Verg 51/17, juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin mit dem vorliegenden Verfahren nur solche Schadensersatzansprüche vorbereiten will, die gerade durch die Aufhebung des Vergabeverfahrens selbst entstanden sind, während mögliche Ersatzansprüche, die schon durch die Bestimmung - vermeintlich - vergaberechtswidriger Zuschlagskriterien etc. entstanden sind, durch den Fortsetzungsfeststellungsantrag vorbereitet werden sollen, der Gegenstand des Verfahrens 13 Verg 7/18 ist. Nach den Angaben der Antragstellerin soll der Feststellungsantrag nur einen Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten für die vergaberechtliche Prüfung und anschließende Rüge betreffend die Verfahrensaufhebung vorbereiten, die sich nach ihrem Vortrag auf 9.480,80 € belaufen. Hiervon ist - entsprechend den Grundsätzen zur allgemeinen zivilprozessualen Feststellungsklage - ein Abschlag von 20 % vorzunehmen, so dass der Streitwert auf bis zu 8.000 € festzusetzen ist.