Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 04.03.2019, Az.: 8 U 275/18

Berücksichtigung streitwerterhöhender Nebenforderungen bei der Berechnung des Gerichtsgebührenstreitwerts

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
04.03.2019
Aktenzeichen
8 U 275/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 32916
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 21.11.2018 - AZ: 8 O 41/18

Amtlicher Leitsatz

Bei der Berechnung des Gerichtsgebührenstreitwerts bleibt es auch in Ansehung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 2018 (Az. IV ZB 10/18) dabei, dass Nebenforderungen den Streitwert nur unter den Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 GKG erhöhen.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 21. November 2018 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Dieser Beschluss und das landgerichtliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird sowohl für das Berufungsverfahren als auch für den Rechtsstreit in 1. Instanz einheitlich auf bis zu 13.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines fondsgebundenen Kapitallebensversicherungsvertrags.

Am 23. November 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten im sog. Antragsmodell den Abschluss einer fondsgebundenen Rentenversicherung im Todes- und Erlebensfall. Im Antragsformular wurde der Kläger unter anderem über sein Rücktrittsrecht wie folgt belehrt:

"Sofern mir alle gesetzlichen Verbraucherinformationen und alle für diesen Antrag geltenden Versicherungsbedingungen bei Antragstellung ausgehändigt wurden, steht mir folgendes Rücktrittsrecht vom Vertrag zu: Ich kann innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrags vom Vertrag zurücktreten. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung an den Versicherer. Die Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Versicherer den Versicherungsnehmer über sein Rücktrittsrecht belehrt und der Versicherungsnehmer die Belehrung durch Unterschrift bestätigt hat. Unterbleibt die Belehrung, so erlischt das Rücktrittsrecht einen Monat nach Zahlung des ersten Beitrags. Sofern ich nicht die oben genannten Verbraucherinformationen bei Antragstellung alle erhalten habe, gilt nicht das Rücktrittsrecht, sondern das Widerspruchsrecht, über das ich mit Erhalt des Versicherungsscheins belehrt werde."

Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Antragsformulars wird auf Bl. 74 - 76 d. A. Bezug genommen.

Die Beklagte nahm den Antrag durch Übersendung des Versicherungsscheins an.

Mit Schreiben vom 10. Juli 2017 erklärte der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrags (Bl. 35 d. A.). Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass der Widerspruch nur bei Verträgen erklärt werden könne, die im Policenmodell abgeschlossen worden seien. Sei der Vertrag hingegen - wie im vorliegenden Fall - im Antragsmodell zustande gekommen, komme nur der Rücktritt vom Vertrag in Betracht (Bl. 36 d. A.). Mit anwaltlichem Schreiben vom 10. Oktober 2017 (Bl. 37 - 40 d. A.) erklärte der Kläger daraufhin den Rücktritt vom Vertrag und forderte die Beklagte zur Zahlung von 20.007,54 € auf. Auch eine Rückabwicklung nach Rücktritt vom Vertrag lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 20. Oktober 2017 aber ab. Dies begründete sie mit einer ihrer Ansicht nach ordnungsgemäßen Rücktrittsbelehrung und der infolge dessen eingetretenen Präklusion des Rücktrittsrechts (Bl. 41 d. A.).

Der Kläger hat gemeint, dass er wirksam den Rücktritt vom Vertrag erklärt habe. Das Rücktrittsrecht sei nicht präkludiert, weil die Beklagte den Kläger nicht ordnungsgemäß über sein Rücktrittsrecht belehrt habe. Die Belehrung sei sowohl formal als auch inhaltlich fehlerhaft.

Seinen Anspruch hat er wie folgt berechnet:

Sparbeitrag

5.951,58 €

Abschlusskosten

3.301,50 €

Verwaltungskosten

1.255,96 €

Nutzungen aus Sparbeiträgen

5.933,26 €

Nutzungen aus Verwaltungskosten

673,71 €

Kosten eines vorgerichtlich eingeholten Gutachtens

1.785,00 €

18.901,01 €

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17.115,32 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Juni 2017 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, weitere 1.785,00 € an den Kläger zu zahlen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den Kosten des Privatgutachtens des Prof. Dr. S. vom 14. Dezember 2017 in Höhe von 1.785,00 € freizustellen,

3. die Beklagte zu verurteilen, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.570,80 € an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Rücktrittsbelehrung sei weder formal noch inhaltlich zu beanstanden. Unabhängig hiervon habe der Kläger sein Rücktrittsrecht aber auch verwirkt, weil er den 2003 geschlossenen Vertrag jahrelang beanstandungslos geführt und eine Beitragsreduktion vollzogen habe. Damit habe er gezeigt, an dem Vertrag festhalten zu wollen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. November 2018 (Bl. 196 - 200 d. A.) abgewiesen. Die Rücktrittsbelehrung der Beklagten im Antragsformular sei nicht zu beanstanden. Im Urteil hat das Landgericht zugleich den Streitwert festgesetzt und diesen unter Einbeziehung der geltend gemachten vorgerichtlichen Gutachterkosten mit 13.424,90 € beziffert.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Die Auffassung des Landgerichts zur Unwirksamkeit des Rücktritts sei unzutreffend. Die Rücktrittsbelehrung sei bereits deshalb fehlerhaft, weil sie das Rücktrittsrecht von der Übergabe der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen vor Antragstellung abhängig mache. Tatsächlich stehe dem Versicherungsnehmer ein Rücktrittsrecht ab Antragstellung zu und zwar unabhängig von der Übergabe der vorbenannten Unterlagen. Darüber hinaus sei die Belehrung auch nicht drucktechnisch hervorgehoben.

Der Kläger beantragt,

das Ersturteil aufzuheben und

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 17.115,32 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. Juni 2017 zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, weitere 1.785,00 € an den Kläger zu zahlen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den Kosten des Privatgutachtens des Prof. Dr. S. vom 14. Dezember 2017 in Höhe von 1.785,00 € freizustellen,

3. die Beklagte zu verurteilen, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.570,80 € an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Übrigen und im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das landgerichtliche Urteil verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist offensichtlich unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler im Sinne von § 513 Abs. 1, § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückabwicklung des streitgegenständlichen Vertrags gemäß § 346 Abs. 1 BGB zu.

Der Kläger ist von dem mit der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag nicht wirksam gemäß § 8 Abs. 5 VVG in der vom 29. Juli 1994 bis zum 7. Dezember 2004 geltenden Fassung (nachfolgend VVG aF) zurückgetreten. Das dem Kläger gesetzlich eingeräumte Rücktrittsrecht war zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung präkludiert.

Der Kläger wurde über sein Rücktrittsrecht im Rahmen der Antragstellung ordnungsgemäß belehrt. Gemäß § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG aF beginnt die Rücktrittsfrist von 14 Tagen erst mit einer ordnungsgemäßen Belehrung des Versicherungsnehmers über sein Rücktrittsrecht zu laufen. Zwar finden sich in der Vorschrift des § 8 Abs. 5 VVG aF keine redaktionellen Vorgaben zum Inhalt und zur Ausgestaltung der Rücktrittsbelehrung. Zur Erreichung ihres gesetzlichen Zwecks muss die Belehrung inhaltlich aber möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein. Das erfordert eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trägt und darauf angelegt ist, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und ihm das maßgebliche Wissen zu vermitteln. Hierzu gehört neben einer inhaltlich korrekten Belehrung außerdem eine drucktechnische Hervorhebung der Belehrung (vgl. BGH VersR 2015, 224 [BGH 17.12.2014 - IV ZR 260/11]; BGH VersR 2013, 1513 [BGH 16.10.2013 - IV ZR 52/12]).

Den vorstehenden Anforderungen genügt die Belehrung der Beklagten im Antragsformular.

1. Die Belehrung ist in formaler Hinsicht nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Belehrung drucktechnisch hinreichend deutlich hervorgehoben. Die Belehrung ist nicht nur in Fettdruck gehalten. Sie ist darüber hinaus durch einen horizontalen durchgehenden Strich oberhalb und unterhalb des Belehrungstextes vom weiteren Inhalt des gerade einmal dreiseitigen Antragsformulars abgegrenzt. Darüber hinaus sieht die Belehrung eine rechts neben dem Belehrungstext gesondert zu leistende (und vom Kläger auch geleistete) Unterschrift vor. Jedenfalls in der Zusammenschau dieser Merkmale kann auch ein nur durchschnittlich aufmerksamer Leser des Textes die Belehrung zum Rücktrittsrecht nicht übersehen. Das gilt unabhängig davon, dass sich oberhalb des Belehrungstextes zwei gleichermaßen hervorgehobene Hinweise befinden und dass der Rücktrittsbelehrung ein entsprechender Hinweis auch nachfolgt. Angesichts des Erscheinungsbildes des Antragsformulars im Übrigen machen alle vier Hinweise auf sich besonders aufmerksam und können nicht übersehen werden.

Die abweichende Auffassung des Klägers in seiner Stellungnahme vom 25. Februar 2019 führt nicht zu einer abweichenden Bewertung des Sachverhalts durch den Senat.

2. Die Belehrung ist auch in inhaltlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

a) Der Kläger hat erstinstanzlich gerügt, dass die Rücktrittsbelehrung für den Fall einer unterbliebenen Belehrung das Erlöschen des Rücktrittsrechts einen Monat nach Zahlung des ersten Beitrags vorsieht.

Das ist entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung nicht zu beanstanden. Diese Belehrung entspricht dem Gesetzestext in der zum maßgeblichen Zeitpunkt gültigen Fassung. Zwar hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die entsprechende gesetzliche Bestimmung richtlinienkonform ausgelegt werden muss und dass das Rücktrittsrecht bei einer unterbliebenen oder fehlerhaften Belehrung bei Lebensversicherungsverträgen nicht präkludiert ist (vgl. BGH VersR 2015, 224 [BGH 17.12.2014 - IV ZR 260/11]).

Allerdings führt diese Auslegung durch den Bundesgerichtshof nicht zu einer fehlerhaften Belehrung über das Rücktrittsrecht. Sie setzt eine fehlerhafte Belehrung vielmehr voraus. Daraus folgt, dass eine auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen erfolgte Belehrung keine fehlerhafte Belehrung im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung ist. Anderenfalls wäre jede Belehrung über das Rücktritts- und Widerspruchsrecht in Lebensversicherungsverträgen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen fehlerhaft.

Eine solche Sichtweise kann aber mit der ausdifferenzierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach seiner Grundsatzentscheidung zum Widerspruchsrecht mit Urteil vom 7. Mai 2015 (VersR 2014, 817) und zum Rücktrittsrecht mit Urteil vom 17. Dezember 2014 (VersR 2015, 224 [BGH 17.12.2014 - IV ZR 260/11]) nicht in Einklang gebracht werden. Insbesondere käme es entgegen der vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung nie auf die drucktechnische Gestaltung der Rücktritts- oder Widerspruchsbelehrung an, weil sämtliche Belehrungen der Versicherer mangels Kenntnis von der späteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits inhaltlich fehlerhaft wären.

b) Darüber hinaus beanstandet der Kläger, dass die Belehrung das Rücktrittsrecht an die Übergabe der Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen vor Antragstellung knüpfe. Das sei deshalb unzutreffend, weil ein Rücktrittsrecht bereits ab Antragstellung und unabhängig von einer Übergabe der vorbezeichneten Dokumente bestehe.

Hierbei verkennt der Kläger allerdings, dass nur bei einer Übergabe der Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen bei oder vor Antragstellung ein Rücktrittsrecht in Betracht kommt. Erfolgt die Übergabe dieser Unterlagen zu einem späteren Zeitpunkt, scheidet ein Rücktritt hingegen von vornherein aus. In einer solchen Konstellation kann der Versicherungsnehmer lediglich von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch machen, weil der Vertrag in einer solchen Konstellation nicht im Antrags-, sondern im Policenmodell zustande kommt (vgl. BGH VersR 2018, 1113 [BGH 18.07.2018 - IV ZR 68/17]).

c) Schließlich ist auch die Belehrung für den Fall einer nicht vollständigen Übergabe der Verbraucherinformationen nicht zu beanstanden. Der Kläger hat erstinstanzlich die Meinung vertreten, dass die Belehrung nur auf die Verbraucherinformationen Bezug nehme und damit die Versicherungsbedingungen nicht umfasse. Dadurch werde beim Versicherer der unzutreffende Eindruck erweckt, bei einer unterbliebenen Übergabe der Versicherungsbedingungen könne er sich nicht vom Vertrag lösen.

Diese Auffassung ist allerdings unzutreffend. Dem Oberbegriff der Verbraucherinformationen unterfallen auch die Versicherungsbedingungen. Das ergibt sich hinreichend deutlich aus dem Antragsformular. Unmittelbar oberhalb der Rücktrittsbelehrung werden die Verbraucherinformationen im Einzelnen aufgezählt. Darunter fallen nach dem Antragsformular:

- Schlusserklärung,

- Bedingungen für die Fondsgebundene Lebensversicherung,

- Besondere Bedingungen für die Fondsgebundene Lebensversicherung,

- Steuerinformationen,

- Besondere Bedingungen für die Fondsgebundene Lebensversicherung mit planmäßiger Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung (dynamische Anpassung),

- Besondere Bedingungen für die Nachversicherungsoption,

- Bedingungen für die Fondsgebundene Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung,

- Merkblatt zur Datenverarbeitung.

3. War das Rücktrittsrecht des Klägers zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung somit bereits präkludiert, kommt es auf die Höhe des dem Kläger etwaig zustehenden Anspruchs nicht mehr an.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Der Rechtsstreit besitzt keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Der Senat hat den Streitwert für die Gerichtsgebühren entsprechend seiner Ankündigung im Hinweisbeschluss auf bis zu 13.000,00 € festgesetzt. Dieser Betrag errechnet sich auf der Grundlage der streitgegenständlichen Forderung wie folgt:

Sparbeitrag

5.951,58 €

Abschlusskosten

3.301,50 €

Verwaltungskosten

1.255,96 €

10.509,04 €

Die ebenfalls geltend gemachten Nutzungen aus den Sparbeiträgen (5.933,26 €), die Nutzungen aus den Verwaltungskosten (673,71 €), die Kosten des vorgerichtlichen Gutachtens (1.785,00 €) und die vorgerichtlichen Anwaltskosten (1.570,80 €) erhöhen den Gebührenstreitwert demgegenüber nicht. Denn bei diesen Anspruchspositionen handelt es sich ausnahmslos um nicht streitwerterhöhende Nebenforderungen im Sinne von § 43 Abs. 1 GKG.

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung führt die Entscheidung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 2018 (Az. IV ZB 10/18) nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Jener Entscheidung lag ein Anspruch auf Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrags zugrunde. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hatte das Landgericht mit der Begründung verworfen, der mit der Klage unter anderem geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen sei eine Nebenforderung im Sinne von § 4 ZPO und deshalb bei der Berechnung des Beschwerdewerts nicht zu berücksichtigen.

Diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof mit der Begründung aufgehoben, § 4 ZPO Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO bezwecke eine praktische, einfache und klare Wertermittlung, da von der Wertfestsetzung die sachliche Zuständigkeit der Gerichte und die Zulässigkeit von Rechtsmitteln abhinge. Mit dieser Zielrichtung sei es nicht zu vereinbaren, die Zulässigkeit eines Rechtsmittels erst nach einer komplexen mathematischen Berechnung unter Gegenüberstellung von Hauptanspruch und Nebenforderungen zu ermitteln, deren Ergebnis von den Umständen des Einzelfalles abhängig sei. Auf der Basis des § 4 ZPO zugrundeliegenden Vereinfachungsgedankens sei der Nutzungsherausgabeanspruch deshalb in voller Höhe bei der Berechnung der Beschwer in Ansatz zu bringen.

Diese Entscheidung ist auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar.

Hiergegen spricht zunächst, dass sich der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung nur mit dem (auch für den Beschwerdewert maßgeblichen) Zuständigkeitsstreitwert gemäß § 4 ZPO befasst hat, während für die Berechnung des Gebührenstreitwerts § 43 Abs. 1 GKG maßgeblich ist (vgl. zur Abgrenzung Wendtland in: BeckOK ZPO, Stand: 01.12.2018, § 4, Rn. 1).

Während aber bei der Wertberechnung gemäß § 4 ZPO der auch vom Bundesgerichtshofs hervorgehobene Gedanke der Verfahrensvereinfachung und der Rechtssicherheit anerkannt ist (vgl. Heinrich in: Musielak, ZPO, 15. Aufl, § 4 ZPO, Rn. 1; Wöstmann in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., § 4, Rn. 1; Wendtland a. a. O., Vorbemerkung zu § 4 ZPO), ist das bei § 43 Abs. 1 GKG nicht der Fall.

Hierfür besteht auch keine Notwendigkeit. Denn während § 4 ZPO im Lichte des Verfahrensgrundrechts auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gemäß Artikel 2 Absatz 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip zu sehen ist und nach Maßgabe dieses Rechts nicht zu einer unzumutbaren und damit grundrechtswidrigen Einschränkung des Zugangs zu den Gerichten führen darf (vgl. BGH a. a. O.), besteht bei der Berechnung des Gebührenstreitwerts ein solches Spannungsverhältnis nicht.

Dementsprechend entspricht es ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass bei der Berechnung des Gebührenstreitwerts Nebenforderungen bei gleichzeitig bestehender Hauptforderung grundsätzlich außer Betracht bleiben müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2017, Az. VIII ZR 100/17; BGH, Beschluss vom 9. Januar 2014, Az. II ZR 323/12; BGH VersR 2014, 855 [BGH 27.06.2013 - III ZR 143/12]; BGH NJW 2012, 2446 [BGH 08.05.2012 - XI ZR 261/10]).

Eine differenzierte Auslegung von § 4 ZPO einerseits und § 43 Abs. 1 GKG anderseits widerspricht auch nicht der Gesetzessystematik. Das folgt aus § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, wonach die Bestimmungen im GKG den §§ 3 ff. ZPO vorgehen. Wenn dementsprechend eine verfassungskonforme Auslegung von § 4 ZPO eine nur eingeschränkte Anwendbarkeit dieser Norm erlaubt, dann muss das für § 43 Abs. 1 GKG nicht notwendigerweise ebenfalls gelten.

Doch selbst wenn man die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 2018 auch auf die Berechnung des Gebührenstreitwerts übertragen wollte, würde dies nach Einschätzung des Senats - und entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung - nur für die Berücksichtigung von Nutzungen als Teil einer unspezifischen Gesamtforderung gelten. Demgegenüber ist es nicht zulässig, die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf sämtliche Nebenforderungen auszudehnen. Denn damit verlöre § 43 Abs. 1 GKG vollständig seinen Regelungsgehalt. Darüber hinaus müssten in dem Fall entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beispielsweise auch eingeklagte vorgerichtliche Anwaltskosten oder auch die mit der Hauptforderung begehrten Zinsen als den Gebührenstreitwert erhöhende Ansprüche Berücksichtigung finden. Eine solche Auslegung ginge aber weit über die vom Bundesgerichtshof entschiedene und nur auf eine spezielle Fallgestaltung bezogene Konstellation hinaus.

Darüber hinaus dürfte die Entscheidung des IV. Zivilsenats vom 19. Dezember 2018 nur auf solche Fälle anwendbar sein, in denen teilweise zur Hauptforderung erstarkte Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten betroffen sind. Hingegen dürfte sie nicht solche Fälle betreffen, in denen - wie im vorliegenden Fall - die Hauptforderung in ihrem ursprünglichen Umfang uneingeschränkt geltend gemacht wird. Denn anderenfalls würde die Entscheidung des IV. Zivilsenats unter anderem von derjenigen des III. Zivilsenats vom 27. Juni 2013 (Az. III ZR 143/12) abweichen. In jener Entscheidung heißt es unter anderem:

"Entgangener Gewinn, der als gleichbleibender Hundertsatz einer bestimmten Summe (Zinsen) - im Streitfall als Gesamtsumme des Kapitalzuwachses mit 6.146,20 € berechnet - geltend gemacht wird, ist eine Nebenforderung im Sinne des § 4 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO der ebenfalls eingeklagten Hauptforderung und erhöht den Streitwert nicht. Der Senat schließt sich insofern der neueren Rechtsprechung des XI. Zivilsenats an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Mai 2012 - XI ZR 261/10, NJW 2012, 2446 Rn. 14 und vom 15. Januar 2013 - XI ZR 370/11, BeckRS 2013, 02155; siehe auch Senatsbeschluss vom heutigen Tag - III ZR 257/12)."

Ebenso hat sich der XI. Zivilsenat zur Berücksichtigung von Nutzungen im Rahmen von Bereicherungsansprüchen positioniert (Beschluss vom 15. Februar 2000, Az. XI ZR 273/99). In jener Entscheidung heißt es unter anderem:

"Bei Bereicherungsansprüchen sind Zinsen und Nutzungen nur dann Teil der Hauptforderung, wenn sie Gegenstand eines einheitlichen Gesamtanspruchs sind, wie etwa im Fall des Anspruchs auf Herausgabe des zur Bezahlung einer Nichtschuld nebst Zinsen aufgewandten Betrags oder des Anspruchs auf Zustimmung zur Auszahlung einer aus hinterlegtem Betrag und aufgelaufenen Zinsen bestehenden Hinterlegungsmasse (RG JW 1909, 691; RG HRR 1931 Nr. 252; nur so sind auch die von der Klägerin herangezogenen Ausführungen bei Schneider/Herget, Streitwertkommentar 11. Aufl. Rdn. 806, 3263 f. zu verstehen). Geht es dagegen, wie hier, um Beträge, die als Vergütung für die Nutzung der dem Bereicherungsschuldner zugeflossenen Hauptsumme verlangt werden, so sind diese Beträge bzw. Nutzungen im Verhältnis zur Hauptsumme lediglich Nebenforderungen (RG JW 1909, 691, 692)."

Und an anderer Stelle:

"Der Umstand, dass die Klägerin diese Nutzungsentschädigung zuletzt nicht mehr in Form eines Prozentsatzes der Hauptforderung für bestimmte Zeiträume, sondern als festen Betrag verlangt hat, ändert daran nichts. Nebenforderungen werden selbst dann nicht zur Hauptforderung, wenn sie im Klageantrag mit der Hauptforderung zu einem einheitlichen Betrag zusammengefasst werden (BGH, Urteil vom 11. Mai 1988 - IVa ZR 305/86, NJW-RR 1988, 1196, 1198 f.; Beschluss vom 18. Januar 1995 - XII ZB 204/94, NJW-RR 1995, 706, 707)."

Hätte der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit seiner Entscheidung aber die Notwendigkeit einer generellen Berücksichtigung von Nutzungen auch bei gleichzeitig in vollem Umfang geltend gemachter Hauptforderung bejahen wollen, hätte der Senat unter den weiteren Voraussetzungen des § 132 GVG die Rechtsfrage dem Großen Senat vorlegen müssen. Das hat der IV. Zivilsenat nicht getan, was eine enge Auslegung des Beschlusses vom 19. Dezember 2018 im bereits dargestellten Sinne nahelegt.

Darüber hinaus würde eine Übertragung des vom IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs befürworteten Alles-oder-Nichts Prinzips auf die Berechnung des Gebührenstreitwerts bei der Berücksichtigung von Nebenforderungen zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. Denn wenn bei der Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrags die Hauptforderung auch nur in einem ganz geringen Umfang (und sei es auch nur im Umfang von 1,00 €) erloschen und dadurch ein ganz geringfügiger Teil der Nutzungen zur Hauptforderung erstarkt wäre, müssten gleichwohl auch alle weitergehenden Nutzungen in voller Höhe bei der Berechnung des Gebührenstreitwerts Berücksichtigung finden. Hätte der Versicherer demgegenüber die Forderung nicht teilweise befriedigt, fänden die Nutzungen insgesamt keine Berücksichtigung.

Tatsächlich setzt ein solches Ergebnis nicht einmal eine teilweise Befriedigung des Gläubigers durch den Schuldner voraus. Vielmehr müsste sich der Gläubiger lediglich entschließen, anstelle der vollen Hauptforderung (nebst Nutzungen) lediglich eine ggf. auch nur geringfügig reduzierte Hauptforderung geltend zu machen. Das hätte zur Folge, dass ein entsprechend geringfügiger Teil der Nutzungen zur Hauptforderung würde und damit auch alle anderen, geltend gemachten Nutzungen wie eine Hauptforderung behandelt werden müssten. Im Ergebnis würde damit eine Reduzierung der Klage zu einer Erhöhung des Gebührenstreitwerts führen.

Solchen, der Manipulation zugänglichen Ergebnissen könnte zwar im Ausgangspunkt beispielsweise dadurch begegnet werden, dass eine vollständige Berücksichtigung der Nutzungen nur bei einem mehr als nur geringfügigem Wegfall der Hauptforderung erfolgen dürfte. Wann das der Fall ist, dürfte allerdings nur schwer zu bestimmen sein. Eine einzelfallbezogene Beurteilung würde aber wieder genau zu dem Ergebnis führen, das der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit seinem Beschluss vom 19. Dezember 2018 gerade hat vermeiden wollen. Denn dann wäre die Bestimmung des zuständigen Gerichts und des Beschwerdewerts auf der Grundlage von § 4 ZPO wieder unklar und könnte von der Partei nicht im Vorwege hinreichend zuverlässig beurteilt werden.

Der Senat verkennt nicht, dass sich der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 19. Dezember 2018 bei der Festsetzung des Gebührenstreitwerts an der Höhe des Zuständigkeitsstreitwerts orientiert hat (vgl. hierzu auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 4. Februar 2019, Az. 12 W 1/19). Allerdings hat der Bundesgerichtshof insoweit von einer Begründung abgesehen. Der erkennende Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass dem Bundesgerichtshof hierbei lediglich ein Irrtum unterlaufen ist, zumal die Argumentation des Bundesgerichtshofs zur Bemessung des Zuständigkeitsstreitwerts nach Ansicht des erkennenden Senats auf die Berechnung des Gebührenstreitwerts nicht übertragen werden kann (s. o.).

Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen hat der Senat von seinem Ermessen Gebrauch gemacht und gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG auch den Streitwert für die 1. Instanz neu festgesetzt.

Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen die Streitwertfestsetzung ist dem Senat aufgrund der Bestimmung in § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG verwehrt (vgl. BGH WuM 2012, 114 [BGH 20.12.2011 - VIII ZB 59/11]; BGH Schaden-Praxis 2010, 29; BGH AGS 2010, 195 [BGH 06.10.2009 - VI ZB 19/08]; Ball in: Musielak/Voit, ZPO, 15. Aufl., § 574, Rn. 3; Lipp in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., § 574, Rn. 4; Zimmermann in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 4. Aufl., § 68 GKG, Rn. 29).