Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 07.08.2012, Az.: 1 B 149/12

Auswahlentscheidung; Bewertungsfehler; kommissarische Schulleiterin; kommissarischer Schulleiter; leistungsbezogene Kriterien; Schulleiterstelle

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
07.08.2012
Aktenzeichen
1 B 149/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 44455
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Auswahlentscheidung für eine Schulleiterstelle ist fehlerhaft, wenn die Behörde bei der Entscheidung nicht dargelegt hat, warum sie den Konkurrenten ausgewählt hat, obwohl die unterlegene Bewerberin über eine viel längere Erfahrung als kommissarische Schulleiterin verfügt.

Gründe

Die Beteiligten streiten um die Besetzung der im Schulverwaltungsblatt für Niedersachsen 09/2011 ausgeschriebenen Stelle einer Oberschulrektorin/eines Oberschulrektors (Besoldungsgruppe A 14 + Zulage) an der Oberschule R. in S. -T. im Landkreis U.. Um diesen Dienstposten bewarben sich unter anderem die Antragstellerin mit Schreiben vom 27.09.2011 und der Beigeladene mit Schreiben vom 25.09.2011. Weitere Bewerber zogen ihre Bewerbung im Laufe des Bewerbungsverfahrens zurück.

Die im Oktober ... geborene Antragstellerin hat das Lehramt für Grundschulen mit den Fächern Mathematik, Deutsch und Katholische Religion studiert. Die erste Staatsprüfung bestand sie mit der Note befriedigend (2,7), die zweite Staatsprüfung mit der Note gut (2,3). Sie war von August 2000 bis Ende Oktober 2001 als Vertretungslehrkraft an einer Grundschule in D., von November 2003 bis Ende Juli 2004 als Lehrerin im Angestelltenverhältnis an einer Grund- und Hauptschule in V. und von August 2004 bis Ende Januar 2006 als Lehrerin im Angestelltenverhältnis an einer Bekenntnisschule - Haupt- und Realschule (W.) - in Q. tätig. Am 01.02.2006 trat sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe in den Schuldienst des Landes Niedersachsen ein und war bis Ende Januar 2009 an der H.-S.-Realschule in D. eingesetzt. Am 01.02.2007 wurde sie zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt. Zum 01.02.2009 wurde sie an die Realschule X. versetzt und zugleich mit der kommissarischen Wahrnehmung der Aufgaben der stellvertretenden Schulleitung beauftragt. Seit 01.08.2010 ist sie kommissarische Schulleiterin der Realschule X.. Diese Stelle war bis 31.07.2011 nach Besoldungsgruppe A 15 und ist seit 01.08.2011 nach Besoldungsgruppe A 14 + Z bewertet. Die Antragstellerin ist in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 eingewiesen. Bei der aus Anlass ihrer Bewerbung um den ausgeschriebenen Dienstposten erstellten dienstlichen Beurteilung vom 28.12.2011 wurde sie mit „Übertrifft erheblich die Anforderungen“ beurteilt. Vorbeurteilungen gibt es nicht.

Der ... geborene Beigeladene hat das Lehramt für Grund-, Haupt- und Realschulen mit dem Schwerpunkt Grundschule in den Fächern Mathematik, Sport und Sachunterricht studiert. Die erste Staatsprüfung bestand er mit der Note befriedigend (2,5), die zweite Staatsprüfung mit der Note sehr gut (1,3). Er trat am 01.02.2008 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe in den Schuldienst des Landes Niedersachsen ein und nahm seinen Dienst an der Haupt- und Realschule S. -T. auf. Ab 01.08.2009 war er mit der kommissarischen Wahrnehmung der Aufgaben der stellvertretenden Schulleitung beauftragt. Ab 09.02.2010 wurde ihm der Dienstposten des Konrektors (bewertet nach A 13) übertragen und er wurde in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 eingewiesen. Seine Besoldung erfolgte weiterhin nach A 12, weil eine Beförderung zum Konrektor frühestens ein Jahr nach erfolgreicher Beendigung der Probezeit (31.01.2011) möglich war. Am 01.02.2011 wurde er zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Zum 01.08.2011 wurde die Haupt- und Realschule S. -T. in eine Oberschule umgewandelt. Ebenfalls zum 01.08.2011 wurde der Beigeladene an die Oberschule S. -T. versetzt und zugleich mit der kommissarischen Wahrnehmung der Aufgaben der stellvertretenden Schulleitung beauftragt. Seit dem 01.02.2012 nimmt er kommissarisch die Aufgaben der Schulleitung an der Oberschule S. -T. wahr. Bei der aus Anlass seiner Bewerbung um den ausgeschriebenen Dienstposten erstellten dienstlichen Beurteilung vom 02.01.2012 wurde er mit „Übertrifft erheblich die Anforderungen“ beurteilt.

Unter dem 15.05.2012 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, die ausgeschriebene Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen, weil dessen Kenntnisse zur pädagogischen Arbeit an der neuen Schulform Oberschule und dessen Erfahrungen im Aufgabenfeld Berufsorientierung ausgeprägter seien. Zu dem Auswahlverfahren finden sich im Verwaltungsvorgang der Antragsgegnerin eine „Synopse“ mit einer tabellarischen Bewerberübersicht und „Aussagen“ zur Antragstellerin und dem Beigeladenen und das Protokoll über die Sitzung der Auswahlkommission vom 19.03.2012.

Die Antragstellerin hat am 24.05.2012 bei Gericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.

Zur Begründung führt sie an, den von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen sei eine den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz Rechnung tragende Auswahlentscheidung des zuständigen Vertreters des Dienstherrn nicht zu entnehmen. Weder der tabellarischen Übersicht der Bewerber in der Synopse noch den schriftlichen Aussagen zu der Antragstellerin und dem Beigeladenen, die lediglich Textauszüge aus den Anlassbeurteilungen wiedergeben würden und beiden Bewerbern eine sehr gute Eignung für den streitbefangenen Dienstposten attestierten, sei ein Leistungs- und/oder Qualifikationsvorsprung des Beigeladenen zu entnehmen. Einzig das Sitzungsprotokoll enthalte ein Votum für den Beigeladenen und eine Begründung hierfür; es sei jedoch nicht ersichtlich, dass das Sitzungsprotokoll Gegenstand und Grundlage der auf Seite 1 der Synopse erfolgten Abzeichnung der Auswahlentscheidung gewesen sei. Unabhängig hiervon sei die getroffene Auswahlentscheidung auch inhaltlich nicht haltbar. Wegen der identischen Gesamturteile rechtfertigten weder die dienstlichen Beurteilungen noch die geführten Vorstellungsgespräche, die nicht protokolliert oder nachvollziehbar ausgewertet worden seien, die getroffene Auswahlentscheidung. Das Gleiche gelte für die im Sitzungsprotokoll angeführten Gründe. Soweit die Antragsgegnerin den Beigeladenen ausgewählt habe, weil dieser einen wesentlichen Anteil an der positiven Entwicklung der R. habe, weshalb Schulvorstand und Schulelternrat ihn für die streitbefangene Stelle vorgeschlagen hätten, handele es sich hierbei um ein unzulässiges Auswahlkriterium. Dieses Kriterium sei nicht Gegenstand des Anforderungsprofils der Stellenausschreibung und stelle auch ansonsten kein geeignetes Entscheidungskriterium dar. Unzutreffend sei die Annahme, die Antragstellerin und der Beigeladene hätten vergleichbare Erfahrungen in der kommissarischen Wahrnehmung von Schulleitungsaufgaben, da sie - die Antragstellerin -bereits viel länger kommissarische Schulleiterin sei als der Beigeladene. Ebenso wenig seien die Kenntnisse des Beigeladenen zur pädagogischen Arbeit in der neuen Schulform Oberschule und seine Erfahrungen im Aufgabenfeld Berufsorientierung stärker ausgeprägt als ihre Kenntnisse und Erfahrungen auf diesen Gebieten. Ihre besonderen Kenntnisse hinsichtlich der neuen Schulform Oberschule seien in ihrer letzten dienstlichen Beurteilung positiv festgestellt worden. Das Aufgabengebiet Berufsorientierung sei einer ihrer schulischen Schwerpunkte im Rahmen ihrer Tätigkeit als kommissarische Schulleiterin der Realschule X., was auch durch den Bericht des Niedersächsischen Landesinstituts für schulische Qualitätsentwicklung über die Inspektion der Realschule X. vom 25.08.2011 (dort insbesondere Seiten 12 erster Absatz, 16 erster und zweiter Absatz und 19 vorletzter Absatz) belegt sei.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Stelle der Oberschulrektorin/des Oberschulrektors an der Oberschule S. -T. im Landkreis U. (Besoldungsgruppe A 14 + Zulage) vor Abschluss eines erneuten Auswahlverfahrens über die zu besetzende Stelle oder vor Bestandskraft der Konkurrentenmitteilung vom 15.05.2012 mit dem Beigeladenen zu besetzen und diesen als Oberschulrektor an der Oberschule R. in S. -T. zu ernennen, zu befördern oder in die entsprechende Planstelle einzuweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Die Auswahlentscheidung sei nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin habe unter Berücksichtigung der gleich guten Anlassbeurteilungen von Antragstellerin und Beigeladenem weitere Auswahlkriterien auf Grundlage der vorhandenen Unterlagen heranziehen dürfen. Aus der tabellarischen Bewerberübersicht ergebe sich ein Qualifikationsunterschied zwischen der Antragstellerin und dem Beigeladenen, da der Beigeladene in beiden Staatsexamen bessere Noten habe. Er sei für die ausgeschriebene Stelle an einer Oberschule, deren Konzept sich in einen Hauptschul- und einen Realschulzweig gliedere, auch deshalb besser qualifiziert, weil er das Lehramt für Grund-, Haupt- und Realschulen, die Antragstellerin hingegen das Lehramt für Grundschulen studiert habe. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin habe zu Gunsten des Beigeladenen dessen Einsatz für die positive Entwicklung der R. berücksichtigt werden dürfen, auch wenn die Stellenausschreibung nicht auf interne Bewerber beschränkt gewesen sei. Soweit die Antragstellerin bereits seit einem längeren Zeitraum als der Beigeladene mit der kommissarischen Schulleitung beauftragt sei, habe sie nicht allein deshalb eine größere Erfahrung in diesem Bereich. Der Beigeladene habe bereits vor seiner kommissarischen Beauftragung mit der Schulleitung zum 01.02.2012 wesentliche Aufgaben der Schulleitung wahrgenommen und insbesondere die Planungen für den Ganztagsbereich übernommen und federführend die Errichtung der Oberschule vorangetrieben. Als Konrektor einer ehemaligen Haupt- und Realschule habe er wesentliche Erfahrungen mit den schulzweigspezifischen Anforderungen einer Oberschule. Dagegen seien die Kenntnisse der Antragstellerin über die neue Schulform rein theoretisch. Die Antragsgegnerin sei bei ihrer Auswahlentscheidung auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Beigeladene über mehr Erfahrungen im Aufgabenfeld Berufsorientierung verfüge. In seiner Beurteilung werde explizit darauf hingewiesen, dass es vor allem seinem Engagement zu verdanken sei, dass an der Schule ein Konzept „Bewerbungstraining“ entwickelt und eingeführt worden sei, welches bei den Betrieben und bei den Berufsbildenden Schulen besondere Anerkennung finde. Vergleichbares finde sich in der Beurteilung der Antragstellerin nicht. Soweit die Antragstellerin am Überprüfungstag eine Dienstbesprechung zum Thema „Erarbeitung eines Konzepts zur Berufsorientierung“ anberaumt und geleitet habe, sei die inhaltliche Arbeit überwiegend von den Lehrkräften in Arbeitsgruppen und von den anwesenden Berufsberatern der Agentur für Arbeit gestaltet worden. Soweit dem Bericht über die Inspektion der Realschule X. vom 25.08.2011 zu entnehmen sei, dass die Realschule X. sich auf dem Gebiet der Berufsorientierung sehr engagiere, sei dies Inhalt des Schulkonzepts und keine Einzelleistung der Antragstellerin als kommissarischer Schulleiterin. Letztlich seien die minimalen Unterschiede in den Kenntnissen zur pädagogischen Arbeit in einer Oberschule und in den Erfahrungen im Aufgabenfeld Berufsorientierung die maßgeblichen Entscheidungskriterien für die Auswahl des Beigeladenen gewesen. Die ca. 10 bis 20 Minuten dauernden Vorstellungsgespräche vor der Auswahlkommission hätten lediglich dazu gedient, dass sich auch die bisher nicht am Auswahlverfahren Beteiligten einen persönlichen Eindruck von den Bewerbern hätten verschaffen können.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Er hält die getroffene Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der Ausführungen der Antragsgegnerin für rechtmäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Verwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwehr wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das Bestehen eines subjektiv-öffentlichen Rechts auf das begehrte Verwaltungshandeln (Anordnungsanspruch) und die Unzumutbarkeit, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund), glaubhaft gemacht hat (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO).

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, da die Ablehnungsentscheidung der Antragsgegnerin im Hinblick auf die mangels Rechtsbehelfsbelehrung in der Auswahlmitteilung noch offene Klagefrist nicht bestandskräftig geworden ist.

Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass über ihre Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle ermessensfehlerhaft entschieden und hierdurch ihr Anspruch auf eine verfahrens- und ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung verletzt worden ist.

Die Auswahlentscheidung trägt dem aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 BeamtStG folgenden Grundsatz der Bestenauslese nicht hinreichend Rechnung.

Auswahlentscheidungen unterliegen als Akt wertender Erkenntnis lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (vgl. BVerwG, Urteile vom 27.02.2003 - BVerwG 2 C 16.02 - und 21.08.2003 - BVerwG 2 C 14.02 -; Nds. OVG, Beschlüsse vom 18.08.2011 - 5 ME 209/11 - und 21.09.2011 - 5 ME 241/11-, jeweils juris). Erweist sich danach die Auswahlentscheidung als fehlerhaft und lässt sich nicht ausschließen, dass die Antragstellerin bei einer erneuten Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin ausgewählt werden wird (siehe dazu BVerfG, Beschluss vom vom 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, juris; Nds. OVG, Beschluss vom 18.08.2011, a.a.O.) hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg.

Der Grundsatz der Bestenauslese gebietet, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Diese sind regelmäßig den aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu entnehmen. Befinden sich wie im vorliegenden Fall die Bewerber im selben statusrechtlichen Amt und enthalten ihre Beurteilungen die gleiche Gesamtnote, ist aufgrund dieser Beurteilungen angesichts der gleichen Gesamtnote von einer im Wesentlichen gleichen Beurteilung auszugehen (Nds. OVG, Beschluss vom 15.11.2010 - 5 ME 244/10 -, Rn. 21, zitiert nach juris). In einem solchen Fall ist für die Auswahlentscheidung auf weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien wie etwa Vorbeurteilungen zurückzugreifen, wobei der zuständigen Behörde bei der Auswahl der unmittelbar leistungsbezogenen Kriterien ein weiter Ermessensspielraum zusteht (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 27.2.2003 und 21.8.2003, jeweils a.a.O.; Nds. OVG, Beschluss vom 13.12.2010 – 5 ME 333/04 -, juris). Die Auswahl beruht auf der Bewertung der durch Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen persönlichen Merkmale, die in Bezug zu dem Anforderungsprofil des jeweiligen Dienstpostens gesetzt werden. Erst dieser Vergleich ermöglicht die Prognose, dass der in Betracht kommende Beamte den nach der Dienstpostenbeschreibung anfallenden Aufgaben besser als andere Interessenten gerecht werden und damit für ein höherwertiges Statusamt geeignet sein kann (OVG Lüneburg, Urteil vom 06.08.2007 – 5 ME 188/07 -, Rn. 30, zitiert nach juris).

Aus Art. 33 Abs. 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt zudem die Verpflichtung des Dienstherrn, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen – deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber gegebenenfalls durch Akteneinsicht verschaffen kann – wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber zu befinden, ob er die Entscheidung des Dienstherrn hinnehmen soll oder ob er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen will. Darüber hinaus stellt die Dokumentation der Auswahlerwägungen sicher, dass die Bewertungsgrundlagen der entscheidenden Stelle vollständig zur Kenntnis gelangt sind. Schließlich eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung zu überprüfen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Auswahlentscheidung ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Denn allein die Erwägungen, die der Dienstherr bei der Auswahlentscheidung angestellt hat, sind für die Beurteilung ihrer Rechtmäßigkeit relevant. Daraus folgt, dass eine Dokumentation der Auswahlerwägungen bis zu diesem Zeitpunkt erfolgen muss und nicht – erstmalig oder in ausgewechselter Form – im gerichtlichen Verfahren nachgeschoben werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.07.2007 – 2 BvR 206/07 - ; BVerwG, Beschlüsse vom 27.01.2010 – 1 WB 52/08 – und 16.12.2008 – 1 WB 19/08 -, jeweils juris). Zu der Frage, welchen (Mindest-) Inhalt die schriftlich fixierten Auswahlerwägungen haben und insbesondere welche Begründungstiefe sie wenigstens aufweisen müssen, hat das Bundesverfassungsgericht keine einschlägigen allgemein gültigen Vorgaben gemacht. Maßstab wird insoweit nur sein können, dass die Erwägungen jeweils ausreichen müssen, um den zuvor dargelegten Zweck der Dokumentationspflicht zu erfüllen, d. h. eine hinreichende und zumutbare Orientierung hinsichtlich etwaiger Inanspruchnahme von Rechtsschutz zu ermöglichen (vgl. OVG für das Land NRW, Beschluss vom 01.08.2011 – 1 B 186/11 - Rn. 24, zitiert nach juris).

Nach diesem Maßstab hat die Antragsgegnerin ihr Auswahlermessen nicht fehlerfrei ausgeübt.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat sie allerdings ihre Auswahlerwägungen im Protokoll über die Sitzung der Auswahlkommission vom 19.03.2012 ausreichend dokumentiert. Die Begründung, bei gleich guter Anlassbeurteilung und vergleichbaren Erfahrungen in der kommissarischen Wahrnehmung von Schulleitungsaufgaben zeichne der Beigeladene sich gegenüber der Antragstellerin dadurch aus, dass er einen wesentlichen Anteil an der positiven Entwicklung der R. habe und seine Kenntnisse zur pädagogischen Arbeit in der neuen Schulform Oberschule und seine Erfahrungen im Aufgabenfeld Berufsorientierung seien bei ihm ausgeprägter als bei seiner Mitbewerberin, bietet der Antragstellerin eine ausreichende Entscheidungsgrundlage bei der Frage, ob sie die getroffene Auswahlentscheidung gerichtlich angreifen möchte.

Das Protokoll über die Sitzung der Auswahlkommission hat den für die Auswahlentscheidung zuständigen Mitarbeitern der Antragsgegnerin, LRSD Y. und dem Dezernenten Z., bei ihrer Entscheidung über die Stellenbesetzung am 26.03.2012 auch vorgelegen, was bereits daraus folgt, dass diese an der Sitzung der Auswahlkommission teilgenommen haben und das Protokoll von LRSD Y. erstellt wurde.

Die Antragstellerin und der Beigeladene sind nach den aktuellen Anlassbeurteilungen im Wesentlichen gleich beurteilt worden, weshalb die Antragsgegnerin bei ihrer Auswahl auf weitere leistungsbezogene Kriterien abstellen durfte. Die von ihr herangezogenen Gesichtspunkte stehen im Einklang mit dem sich aus § 43 NSchG (Stellung der Schulleiterin und des Schulleiters) ergebenden Anforderungsprofil für Schulleiter/innen. Weitere spezifische Anforderungen für den streitbefangenen Dienstposten hat die Antragsgegnerin weder in der Stellenausschreibung noch ansonsten festgelegt; hierzu war sie auch nicht verpflichtet (vgl. hierzu VG Wiesbaden, Beschluss vom 30.12.2008 – 8 L 1178/08. Wi -, Rn. 24, zitiert nach juris).

Ein Leistungsvergleich anhand von Vorbeurteilungen kam nicht in Betracht, da es für die Antragstellerin keine Vorbeurteilungen gibt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin durfte die Antragsgegnerin im Rahmen ihres weiten Ermessensspielraums zu Gunsten des Beigeladenen berücksichtigen, dass dieser einen wesentlichen Anteil an der positiven Entwicklung der R. gehabt habe. Eine Beschränkung der Ausschreibung der streitbefangenen Stelle auf interne Bewerber der Schule war hierfür nicht nötig. Auch bei den Auswahlkriterien „Kenntnisse zur pädagogischen Arbeit in der neuen Schulform Oberschule“ und „Erfahrungen im Aufgabenfeld Berufsorientierung“ handelt es sich um sachgerechte Leistungs- und Eignungskriterien, die den Bewerber/die Bewerberin um die Schulleitungsstelle an einer Oberschule befähigen, seine/ihre Aufgabe der Gesamtverantwortung für die Schule und für deren Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung nach § 43 Abs. 1 NSchG wahrzunehmen. Es unterfällt dem Beurteilungsspielraum der Antragsgegnerin, wenn sie unter Berücksichtigung des Inhalts der Anlassbeurteilungen und unter Auswertung der Personalakten die Kenntnisse und Erfahrungen des Beigeladenen auf diesen Gebieten höher bewertet als diejenigen der Antragstellerin.

Es liegt allerdings insoweit ein Bewertungsfehler vor, als die Antragsgegnerin die Leistungen der Antragstellerin als kommissarische Schulleiterin der Realschule X. nicht ausreichend berücksichtigt hat. Sie hat allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, indem sie bei ihrer Auswahlentscheidung von „vergleichbaren Erfahrungen in der kommissarischen Wahrnehmung von Schulleitungsaufgaben“ für die Antragstellerin und den Beigeladenen ausgegangen ist, obwohl diese Erfahrungen sich deutlich unterscheiden. Die Antragstellerin wurde nach 1 ½ -jähriger Tätigkeit als kommissarische stellvertretende Schulleiterin der Realschule X. mit der kommissarischen Wahrnehmung der Aufgaben der Schulleitung beauftragt und nahm diese Aufgabe im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung am 26.03.2012 knapp 20 Monate wahr. Der Beigeladene dagegen war im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung erst zwei Monate kommissarischer Schulleiter der Oberschule R. und zuvor 2 ½ Jahre stellvertretender Schulleiter, davon zwei Jahre an der Haupt- und Realschule S. -T. und ein halbes Jahr an der Oberschule R.. Die Kammer stimmt zwar dem Einwand der Antragsgegnerin zu, dass die Antragstellerin nicht allein deshalb über eine größere Erfahrung als kommissarische Schulleiterin verfügen muss, weil sie diese Aufgabe länger wahrnimmt als der Beigeladene. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass ihre Tätigkeit als kommissarische Schulrektorin in ihrer Anlassbeurteilung unter Nr. 8. (Beurteilung der Lehrkraft) sehr positiv bewertet wurde und mit der abschließenden Bemerkung des Beurteilers schließt, er halte die Antragstellerin nach dienstlicher Leistung, Befähigung und Eignung für sehr gut geeignet, die Aufgaben einer Oberschulrektorin wahrzunehmen. Im Abwägungsprozess der Antragsgegnerin hätte deshalb deutlicher werden müssen, warum sie unter Berücksichtigung der fast zehnmal so langen Tätigkeit der Antragstellerin als kommissarische Schulleiterin einer Realschule, der ausschließlich positiven Bewertung, die die Antragstellerin für ihre Tätigkeit erhalten hat, und der Tatsache, dass die Realschule einen Schulzweig in der neuen Schulform Oberschule bildet (§ 10 a Abs. 2 NSchG), die Erfahrungen des Beigeladenen bei der Wahrnehmung von Schulleitungsaufgaben als vergleichbar bewertet hat. Es gibt auch keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass ein Beamter, der einen Dienstposten kommissarisch wahrnimmt, allein deshalb weniger qualifiziert ist, als ein Beamter, dem der Dienstposten bereits übertragen wurde. Der Gewinn an Erkenntnissen und Erfahrungen dürfte gleich sein und neben der Dauer eher durch die Schwierigkeit der Tätigkeit gefördert werden, als durch die Art und Weise der Bestellung für diese Tätigkeit (vgl. VG Bayreuth, Beschluss vom 05.11.2007 - B 5 E 07.982, Rn. 47, zitiert nach juris). Insofern ist bei der neuen Auswahlentscheidung auch zu berücksichtigen, dass die von der Antragstellerin kommissarisch wahrgenommene Stelle als Schulleiterin bis zum 31.07.2011 nach Besoldungsgruppe A 15 bewertet war.

Es liegt auch ein Anordnungsgrund vor. Die Besetzung der streitbefangenen Stelle mit dem Beigeladenen vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens wäre im Falle eines Obsiegens der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil er keinen Antrag gestellt und damit kein Kostenrisiko übernommen hat.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG, wobei die Kammer bei Streitigkeiten um die Besetzung einer ausgeschriebenen Beförderungsstelle im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ¼ des dreizehnfachen Betrages des Endgrundgehaltes zuzüglich ruhegehaltsfähiger Zulagen des angestrebten Amtes (Besoldungsgruppe A 14 + Zulage = 4.577,80 Euro) als Bemessungsgrundlage für die wirtschaftliche Bedeutung der Sache zugrunde legt.