Sozialgericht Braunschweig
Urt. v. 08.10.2015, Az.: S 32 SO 146/11
Anspruch eines Schwerbehinderten auf Übernahme von Therapie-Begleitkosten in Form von Übernachtungskosten
Bibliographie
- Gericht
- SG Braunschweig
- Datum
- 08.10.2015
- Aktenzeichen
- S 32 SO 146/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 37976
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGBRAUN:2015:1008.S32SO146.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 11 Abs. 2 S. 1 SGB V
- § 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX
Tenor:
- 1.
Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 3. März 2011, versandt am 6. Mai 2011, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011 wird aufgehoben.
- 2.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Übernachtungskosten für sich und seine Begleitperson in Höhe von 2.600,00 EUR für die Zeit vom 10. April 2011 bis 30. April 2011 und 16. Oktober 2011 bis 5. November 2011 zu erstatten. 3. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Der Kläger macht mit der Klage die Übernahme von Therapie-Begleitkosten in Form von Übernachtungskosten in Höhe von 2 x 1.300,00 EUR geltend, die im Zuge einer im Jahr 2011 durchgeführten TheraSuit-Therapie angefallen sind. Der im Jahr 2002 geborene Kläger leidet unter einer spastisch beinbetonten bilateralen Cerebralparese, einer kombinierten Entwicklungsstörung, einer periventrikulären Leukomalazie, fixierten Knick-Senkfüßen und Asthma Bronchiale. Er ist schwerbehindert, es besteht ein Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen "B", "G", "aG" und "H" (Bl. 94 der Verwaltungsakte). Der Kläger hat seit dem Jahr 2005 zwei bis dreimal jährlich für drei bis vier Wochen an einer Therapie zur Förderung seiner Mobilität und Bewegungsfähigkeit in Ratingen teilgenommen. Die Kosten der Therapie wurden von der gesetzlichen Krankenversicherung, die mit Beschluss vom 23. Juli 2013 beigeladen worden ist, getragen. Es handelt sich hierbei um eine Therapie mit dem Hilfsmittel "TheraSuit", einer weichen, dynamischen, propriozeptiven Orthese, die eine Intensivtherapie für Kinder und Erwachsene mit neurologischen Störungen darstellt. Im Jahr 2011 hat der Kläger diese Intensivtherapie zweimal in Ratingen in der Zeit vom 11. April 2011 bis 30. April 2011 und in der Zeit vom 17. Oktober 011 bis 05. November 2011 durchgeführt. Dabei wurde er von seiner Mutter begleitet. Es fielen Übernachtungskosten in Höhe von jeweils 1.300,00 EUR an (Bl. 48, 49 der Gerichtsakte). Der Kläger steht gemeinsam mit seiner Mutter im Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) (Bl. 80 der Verwaltungsakte). Am 07. September 2010 beantragte er gegenüber dem Beklagten die Übernahme von Therapiebegleitkosten. Durch die Therapie sei es ihm ermöglicht worden, sich ohne Rollstuhl mit anderen Hilfsmitteln fortzubewegen (Bl. 79 der Verwaltungsakte). Eine Operation habe abgewendet werden können. Diesen Antrag leitete der Beklagte mit Schreiben vom 17. September 2010 gemäß § 14 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) an die Beigeladene als gesetzliche Krankenversicherung des Klägers weiter. Diese lehnte mit Schreiben vom 26. Oktober 2010 die Übernahme von Verpflegungs- und Übernachtungskosten als nicht erstattungsfähige Fahrtkosten ab. Mit anwaltlichem Schreiben vom 7. Februar 2011 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten erneut die Übernahme von Therapie-Begleitkosten geltend. Es handele sich hierbei um Eingliederungshilfeleistungen. Durch die Therapie-Begleitkosten würde die Durchführung der von der Krankenversicherung finanzierten Hauptleistung ermöglicht werden. Da die Krankenversicherung eine Übernahme der Therapie-Begleitkosten verweigere, habe der Kläger einen Anspruch gegenüber dem Beklagten (Bundesverwaltungsgericht, 22.02.2007, Aktenzeichen: 5 C 32/05). Gemäß telefonischer Auskunft der Beigeladenen gegenüber dem Beklagten vom 17. Februar 2011 (Bl. 149 der Verwaltungsakte) würden von diesem die Kosten für die Therapie einschließlich der Fahrtkosten getragen. Mit Bescheid vom 03. März 2011, versandt am 06. Mai 2011, lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Übernahme der Therapie-Begleitkosten vom 7. Februar 2011 ab. Die TheraSuit-Therapie sei nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehen, lediglich die Techniken nach Bobath und Vojta, die wohnortnah in Anspruch genommen werden könnten, würden Leistungen der Krankenversicherung darstellen. Daher könnten Kosten, die mit einer solchen Therapie in Zusammenhang stehen, nicht als Eingliederungshilfeleistung übernommen werden. Ferner gehe aus den Unterlagen hervor, dass der behandelnde Arzt laut der Heilmittelverordnung lediglich die Inanspruchnahme von Krankengymnastik verschreibe. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 6. Juni 2011 Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Kosten für die TheraSuit-Therapie von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen würden. Daher seien diese als Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehen, sodass die Nichtübernahme der Begleitkosten rechtswidrig sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Juli 2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Begleitkosten seien nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe übernahmefähig. Die TheraSuit-Therapie stelle als besondere Form der Krankengymnastik eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach § 26 SGB IX dar. Somit gelte § 54 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Die Kosten für die TheraSuit-Therapie bzw. die Kosten, die damit in Zusammenhang stehen, könnten als Heilmittel im Sinne des § 32 SGB V nur verordnet werden, wenn der gemeinsame Bundesausschuss zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt habe, was nicht erfolgt sei. Da die Eingliederungshilfe nicht über Leistungen der medizinischen Rehabilitation hinausgehen könnte, sei eine über den Umfang der Krankenversicherung hinausgehende Kostenübernahme nicht möglich. Der Kläger hat daraufhin am 28. Juli 2011 Klage unter Bezugnahme auf die Widerspruchsbegründung erhoben. Die Heilmittelrichtlinie sehe lediglich die Technik nach Bobath und Vojta vor. Die TheraSuit-Therapie gehöre dem nicht an, da sie auf neurophysiologischer Basis angeboten werde. Die Kosten für die Therapie würden von der Krankenversicherung übernommen und seien als Leistung der Krankenversicherung vorgesehen. Der Arzt verordne die Krankengymnastik auf neurophysiologischer Basis, es handele sich dabei um die streitgegenständliche TheraSuit-Therapie. Diese stelle eine besondere Form der Therapie nach Vojta/Bobath dar, die nur in Ratingen angeboten würde. Daneben nehme der Kläger zweimal wöchentlich Physiotherapie bzw. Lymphdrainage über jeweils 20 Minuten in Anspruch, die vom Arzt ebenfalls als Krankengymnastik verordnet werden. Beide Therapieformen würden von der Krankenversicherung übernommen. Der mit der Therapieform erreichbare Erfolg sei durch die Krankengymnastik nicht erreichbar. Die Nichtübernahme der Begleitkosten sei daher nicht nachvollziehbar. Die Übernachtungskosten werden auf zweimal 1.300,00 EUR beziffert. Das Hotel sei jeweils in Verbindung mit der TheraSuit-Therapie gebucht worden, anderenfalls wären die Übernachtungskosten höher ausgefallen. Der Kläger habe zusammen mit seiner Mutter ein Zimmer mit behindertengerechtem Bad belegt. Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 3. März 2011, versandt am 6. Mai 2011, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011 zu verurteilen, die mit der Thera-Suit-Therapie in Zusammenhang stehenden Übernachtungskosten für die Zeit vom 10. April 2011 bis 30. April 2011 und 16. Oktober 2011 bis 5. November 2011 in Höhe von 2 x 1.300,00 EUR zu gewähren. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er wendet im Rahmen der Klagerwiderung ein, gegen die Übernahme der Übernachtungskosten als Annexkosten würden die im Widerspruchsbescheid angeführten Gründe sprechen. Die Therapie sei im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aufgeführt, sodass eine Übernahme der Begleitkosten nicht in Betracht komme. Sofern die Mutter für ihren Sohn eine besondere Therapieform durchführen wolle, sei dies ihre Entscheidung. Es könne aber nicht Aufgabe des Sozialhilfeträgers sein, die Begleitkosten für eine Therapie zu tragen, die noch nicht vom gemeinsamen Bundesausschuss anerkannt und deren Wirksamkeit somit nicht nachgewiesen sei. Nach Ermittlungen der Beigeladenen gab der Beklagte seine ursprüngliche Auffassung, die Therapieform könne auch im Bereich Peine durchgeführt werden, auf. Er verwies sodann darauf, dass sich aus § 60 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ein möglicher Anspruch auf Verpflegungs- und Übernachtungskosten gegen die Beigeladene herleiten könne, da dem Kläger eine tägliche Rückkehr aus Ratingen nicht zumutbar sei. Es werde von Seiten der Beigeladenen nicht nachvollziehbar dargelegt, dass Kosten für eine eventuelle stationäre Rehabilitation wirtschaftlicher wären als Kosten für die TheraSuit-Therapie und die damit verbundenen Annexkosten. Die Beigeladene räumt ein, die von der Krankengymnastikpraxis in Ratingen erbrachten Leistungen seit 2010 übernommen zu haben. Es handele sich dabei um Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage mit der Diagnose Tetraplegie (§ 32 SGB V). Die Krankengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage könne in jeder geeigneten Praxis durchgeführt werden. Eine heimatnahe Behandlung sei möglich, die TheraSuit-Therapie sei nicht zwingend notwendig. Da Begleitkosten wie Übernachtungs- und Verpflegungskosten bei ortsnaher Versorgung nicht anfallen würden, könnten diese daher keine Berücksichtigung finden. Ein entsprechender Antrag sei auch nicht bekannt. Nach Ermittlungen der Beigeladenen nach der am 15. Oktober 2014 durchgeführten mündlichen Verhandlung, die vertagt wurde, teilte diese sodann mit, dass eine vergleichbare Intensivtherapie in der Umgebung des Klägers nicht möglich sei. Es scheitere in erster Linie an sechs Tagen pro Woche. Wenn die Stunden auf fünf Tage verteilt werden könnten, wäre dies eine weitere Belastung für den Kläger, wobei die Belastung von drei Stunden täglich schon grenzwertig für ein kleines Kind sei. Alle Physiotherapeuten, mit denen die Beigeladene gesprochen habe, würden in einem solchen Fall eine Behandlung in einer Rehabilitationseinrichtung empfehlen. Grundsätzlich sei die Übernahme von Verpflegungs-, Übernachtungs- und Gepäcktransportkosten nicht möglich. Lediglich in Einzelfällen (BSG, Urteil vom 25.06.2002, Aktenzeichen: B 1 KR 22/01) komme eine Kostenbeteiligung in Frage, wenn sie an Stelle einer an sich geschuldeten Leistung treten und wirtschaftlicher als die geschuldete Leistung sei. Ratingen sei die nächste Behandlungsmöglichkeit. Die Fahrtkosten seien bereits erstattet worden. Eine tägliche Rückkehr des Klägers nach Peine sei nicht zumutbar. Unterstellt, es komme eine stationäre Rehabilitation in Betracht, seien Kosten der Krankengymnastik, die Fahrt- und Übernachtungskosten unwirtschaftlich. Es ergäben sich Kosten für die stationäre Rehabilitation in Höhe von 3.188,20 EUR zu 3.572,14 EUR für die TheraSuit-Therapie. Die Übernachtungskosten aus dem Jahr 2010 seien mit Bescheid vom 20. Oktober 2010 abgelehnt worden, der bestandskräftig geworden sei. Hinsichtlich der Übernachtungskosten aus dem Jahr 2011 seien keine Anträge bei der Beigeladenen gestellt worden. Die Ausgestaltung einer möglichen stationären Rehabilitation stelle sich im Nachhinein nicht mehr, zumal einer dreimaligen stationären Reha innerhalb von zwei Jahren (wegen der Therapien in den Jahren 2010 und 2011) die gesetzliche Grundlage fehle. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte des Beklagten und der Beigeladenen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 8. Oktober 2015 Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 3. März 2011, versandt am 6. Mai 2011, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Juli 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. I. Die Klage ist zulässig erhoben worden. Sie wurde mit Klageschrift vom 22. Juli 2011 von der Mutter des Klägers eingereicht, die von Seiten des Kindesvaters in allen Belangen der Gesundheitsfürsorge bevollmächtigt ist. II. Der Kläger hat Anspruch auf Übernahme der in der Zeit vom 10. April 2011 bis 30. April 2011 und 16. Oktober 2011 bis 5. November 2011 angefallenen Übernachtungskosten in Höhe von insgesamt 2.600,00 EUR. Der Anspruch ergibt sich aus den §§ 11 Abs. 2 Satz 1, 60 Abs. 5, 40 SGB V in Verbindung mit den §§ 26, 53 Abs. 1 SGB IX. Zwar handelt es sich hierbei um einen Leistungsanspruch gegenüber der Beigeladenen. In Anbetracht dessen, dass der maßgebliche Antrag vom 7. Februar 2011 jedoch an den Beklagten gerichtet war, ist dieser erstangegangener Träger im Sinne des § 14 SGB IX und hat als solcher über alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen, das heißt auch über solche nach dem SGB V und SGB IX zu entscheiden. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die notwendig sind, um eine Behinderung zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Diese Leistungen werden unter Beachtung des SGB IX erbracht, soweit im SGB V nichts anderes bestimmt ist (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Die Leistungen der medizinischen Rehabilitation sind in § 26 SGB IX geregelt. Danach ist das Ziel der medizinischen Rehabilitation, Behinderungen abzuwenden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten (§ 26 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX). Durch die in Ratingen durchgeführte TheraSuit-Therapie konnte die Behinderung des Klägers deutlich verbessert werden (vgl. Angaben der Kindesmutter gemäß Sitzungsprotokoll vom 8. Oktober 2015). Ihm ist es hierdurch etwa ermöglicht worden, stehen zu können. Die Leistungen der medizinischen Rehabilitation enthalten einen ganzheitlichen Ansatz (jurisPK, SGB IX, § 26 Rn. 50). Zu ihnen gehören nach § 26 Abs. 2 SGB IX die Behandlungen durch Physiotherapeuten, nämlich gemäß § 26 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX physikalische Therapien. Die medizinischen Rehabilitationsleistungen umfassen sowohl ambulante als auch stationäre Rehabilitationen. Bei der in Streit stehenden TheraSuit-Therapie handelt es sich um eine ambulante Rehabilitationsleistung im Sinne des § 40 SGB V. Bei einer ambulanten Rehabilitationsleistung werden in einer Komplexleistung unterschiedliche Einzelmaßnahmen als funktionale Einheit zusammen geführt (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16.04.2015, Aktenzeichen: L 6 KR 56/12). Diese Anforderungen werden durch die in Ratingen durchgeführte TheraSuit-Therapie, die unstreitig eine Form der Intensivtherapie in der hierauf spezialisierten Physiotherapiepraxis in Ratingen darstellt, erfüllt. Die Praxis in Ratingen hat diese besondere Therapieform - jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum - in Deutschland einzig durchgeführt. Durch das Zusammenwirken mit dem Klinikum Duisburg (vgl. Bl. 50, 51 der Gerichtsakte - Termine vom 21. April 2011 und 19. Oktober 2011) erfolgte dies auch unter ärztlicher Beteiligung. Die TheraSuit-Therapie stellt eine Komplexmaßnahme dar, wie sich aus der Beschreibung der TheraSuit-Methode ergibt. Sie basiert auf den Prinzipien der Intensivtherapie und des Krafttrainings. Die Konzeption erscheint vergleichbar mit der erweiterten ambulanten Physiotherapie, die gleichfalls eine intensive komplexe physiotherapeutische Betreuung und medizinische Trainingstherapie darstellt, die als medizinisch ambulante Rehabilitation einzustufen ist (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2010, Aktenzeichen: B 1 KR 23/09 R; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.01.2011, Aktenzeichen: L 8 KR 201/09). Sie ist mit der (klassischen) Krankengymnastik auf neurophysiologischer Basis, wie sie auch wohnortnah durchgeführt werden kann und ein Heilmittel im Sinne des § 32 SGB V darstellt, nicht vergleichbar. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Schriftsatz der Beigeladenen vom 29. Januar 2015 (Bl. 89 der Gerichtsakte). Ein Heilmittel stellt nach seiner Definition eine standardisierte Kombination von Maßnahmen der physikalischen Therapie dar (jurisPK, SGB V, § 32 Rn. 16). Die TheraSuit-Therapie als Intensivtherapie geht über das standardisierte Verfahren jedoch deutlich hinaus. Wie die Beigeladene mit Schriftsatz vom 29. Januar 2005 selbst ausgeführt hat, ist eine entsprechende wohnortnahe Therapie (z.B. im Annastift in Hannover) gerade nicht möglich gewesen, sodass eine ambulante Krankenbehandlung im Falle des Klägers nicht ausreichend war, um die in § 11 Abs. 2 SGB V beschriebenen Ziele zu erreichen. Die Argumentation der Beigeladenen, die von einem Heilmittel ausgeht, ist auch deshalb nicht überzeugend, da - soweit Heilmittel im Gesamtkomplex einer medizinischen Rehabilitation erforderlich sind - sie nach § 26 Abs. 2 Nr. 4 SGB IX zum Leistungsumfang der medizinischen Rehabilitation gehören (jurisPK, SGB IX, § 26 Rn. 65). Die Kammer verkennt nicht, dass bei der Gewährung von medizinischen Rehabilitationsleistungen die Richtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 SGB V zu beachten sind. So können nur solche Heilmittel Bestandteile der Rehabilitationsleistung sein, die gemäß § 138 SGB V verordnungsfähig sind. Eine entsprechende Verordnung ist im Falle des Klägers von seinem ihn behandelnden Arzt jedoch vorgenommen worden. Auch die weiteren Leistungsvoraussetzungen für die ambulante Rehabilitation im Sinne des § 40 SGB X sind erfüllt. Der minderjährige Kläger ist bei der Beigeladenen familienversichert. Es besteht eine Behinderung in Form der spastisch beinbetonten bilateralen Cerebralparese, der kombinierten Entwicklungsstörung und einer periventrikulären Leukomalazie. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen "B", "G", "aG" und "H". Die ambulante Rehabilitationsmaßnahme war im Falle des Klägers auch notwendig. Es bestand keine Alternative, etwa durch eine wohnortnahe Therapie, wie die weiteren Ermittlungen des Beigeladenen (vgl. Schriftsatz vom 29. Januar 2015) ergeben haben. Eine ambulante Krankenbehandlung des Klägers war nicht ausreichend. Zwischen den Beteiligten war auch unstreitig, dass die Intensivtherapie erforderlich war. Im vorliegenden Falle war die gesetzliche Krankenversicherung für die medizinische Rehabilitation zuständig, da eine anderweitige Zuständigkeit - etwa eines Unfallversicherungs- oder Rentenversicherungsträgers - nicht bestand. Dem Beigeladenen ist zuzugeben, dass zu den ambulanten Rehabilitationsleistungen im Sinne des § 40 SGB V - im Gegensatz zu den stationären - keine Leistungen der Unterkunft und Verpflegung zählen (jurisPK, SGB V, § 40 Rn. 46). Der Anspruch auf Erstattung der verauslagten Übernachtungskosten ergibt sich jedoch aus § 60 Abs. 5 SGB V in Verbindung mit § 53 SGB IX. Zwar ist seit der Einführung des § 60 SGB V die Geltendmachung von über die reinen Fahrtkosten hinausgehenden Reisekosten wie Verpflegungs- und Übernachtungskosten grundsätzlich ausgeschlossen. Allerdings enthält § 60 Abs. 5 SGB V eine Sonderregelung für Reisekosten, die aufgrund der Durchführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation anfallen. Bei diesen handelt es sich um akzessorische Nebenleistungen (jurisPK, SGB V, § 60 Rn. 31). Soweit der Beigeladene einwendet, es fehle an einer Antragstellung ihm gegenüber, greift dieses Argument nicht durch. Im Hinblick auf die Regelung des § 14 SGB IX ist die Antragstellung gegenüber dem Beklagten als erstangegangenem Träger am 7. Februar 2011 ausreichend und im Sinne des Meistbegünstigungsgrundsatzes auszulegen (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2010, AZ.: B 14 AS 3/09 R). Danach ist, sofern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine bestimmte Leistung nicht vorliegt, davon auszugehen, dass der Antragsteller die nach der Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommenden Leistungen begehrt, unabhängig davon welchen Antragsvordruck er hierfür benutzt oder welchen Ausdruck er gewählt hat (BSG, Urtiel vom 11.09.2001, AZ.: B 2 U 41/00 R; BSG, 01.04.1981, AZ.: 9 RV 49/80; BSG, 15.11.1979, AZ.: 7 RAr 75/78). Der geltend gemachte Anspruch ist nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung daher unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu prüfen (BSG, Urteil vom 18.11.2014, AZ.: B 14 AS 9/14 R). Die Antragstellung erfolgte auch vor Beginn der Rehabilitationsmaßnahmen am 10. April 2011 bzw. 16. Oktober 2011. Dabei geht die Geltendmachung von Übernachtungskosten aus dem schriftlichen Antrag hinreichend deutlich hervor. Im Übrigen wäre ein Antrag aufgrund der Akzessorietät zur Hauptleistung, die hier in Form der Kosten für die Therapie und Fahrtkosten von Seiten der Beigeladenen übernommen worden sind, auch gar nicht erforderlich gewesen (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.01.2011, Aktenzeichen: L 8 KR 201/09). Da die Beigeladene die Kosten der Hauptleistung übernommen hat, sind auch die Nebenleistungen, die akzessorisch hierzu sind, von ihr zu erbringen. Lediglich im Hinblick auf § 14 SGB IX war zunächst die Verpflichtung gegenüber dem Beklagten auszusprechen. Diesem obliegt es, den im SGB V begründeten Anspruch ggf. über ein Kostenerstattungsverfahren gegenüber der Beigeladenen geltend zu machen. Auch im Hinblick darauf, dass die TheraSuit-Therapie als Intensivtherapie mit der erweiterten ambulanten Physiotherapie vergleichbar ist, die gleichfalls eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme darstellt, bei der die Regelung des § 60 Abs. 5 SGB V in Verbindung mit § 53 SGB IX einschlägig ist (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.01.2011, Aktenzeichen: L 8 KR 201/09), ist auf § 60 Abs. 5 SGB V und nicht auf § 60 Abs. 1 SGB V zurückzugreifen. Gemäß § 53 SGB IX gehören zu den Reisekosten die vom Kläger geltend gemachten Übernachtungskosten. Diese waren erforderlich, da die Übernachtungskosten von täglich 65,00 EUR für zwei Personen niedriger als die täglichen Fahrtkosten von ca. 120,00 EUR sind. Im Übrigen dürfte dem minderjährigen, behinderten Kläger die tägliche Rückfahrt nach Peine und zurück nach Ratingen nicht zumutbar gewesen sein. Grundsätzlich sind die tatsächlich angefallenen Kosten zu übernehmen (jurisPK, SGB IX, § 53 Rn. 26). Im Übrigen ist auch nichts für die Unangemessenheit der Kosten von 65,00 EUR täglich für zwei Personen ersichtlich, zumal es sich um günstige Buchungskonditionen im Zuge der Therapie-Begleitkosten gehandelt hat. Neben der für den Kläger angefallenen Übernachtungskosten waren auch die Übernachtungskosten seiner Mutter als Begleitperson zu erstatten. Gemäß § 53 Abs. 1 SGB IX sind von dieser Regelung auch Kosten für die Begleitperson erfasst, wenn eine solche aufgrund der Behinderung erforderlich ist. Der Kläger war im streitgegenständlichen Jahr 2011 neun Jahre alt und aufgrund seiner Behinderung, insbesondere im Hinblick auf die Merkzeichen "aG" und "H", auf eine Begleitperson angewiesen. Mithin sind die geltend gemachten Übernachtungskosten in Höhe von insgesamt 2.600,00 EUR zu erstatten. Soweit die Beigeladene auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zur sogenannten Stellvertreterleistung mit Urteil vom 25. Juni 2002, Aktenzeichen: B 1 KR 22/01 R, verwiesen hat, vermag sie hiermit nicht durchzudringen. Nach dieser Entscheidung des Bundessozialgerichtes ist unter Umständen dann eine im Gesetz nicht vorgesehene Leistung zu erbringen, wenn diese an die Stelle einer anderen, dem Versicherten zustehenden Leistung trat und die Stellvertreterleistung geeigneter oder billiger als die originär geschuldete Leistung war. So liegt der Fall hier jedoch nicht, da die Übernachtungskosten, die für den Kläger und seine Begleitperson angefallen sind, als Teil der medizinischen Rehabilitationsleistung in § 60 Abs. 5 SGB V in Verbindung mit § 53 SGB IX normiert sind. In Anbetracht dessen, dass es sich bei dem geltend gemachten Anspruch letztlich um einen Leistungsanspruch der medizinischen Rehabilitation und damit um einen Anspruch gegenüber der Beigeladenen als gesetzliche Krankenversicherung handelt, scheidet ein Eingliederungshilfeanspruch im Sinne des § 54 Abs. 1 SGB XII gegenüber dem Beklagten aus, da damit eine Zuständigkeit des vorrangigen Trägers, nämlich der Krankenversicherung, gegeben ist (jurisPK, SGB IX, § 26 Rn. 47). Der Beklagte war lediglich als erstangegangener Träger zu verpflichten. III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Beklagte ist als unterlegener erstangegangener Träger verpflichtet, die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
IV. Gegen das Urteil ist für den Beklagten gemäß § 144 Abs.1 S.1 Nr.1 SGG die Berufung zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes mit 2.600 EUR den Wert von mehr als 750 EUR übersteigt. Da die Beigeladene, die aufgrund des Prinzips der erstangegangenen Behörde nicht verpflichtet worden ist, hierdurch nicht beschwert wird, ist für sie die Berufung nicht statthaft.