Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 26.06.2019, Az.: L 2/12 R 233/17

Keine Sozialversicherungsbeitragspflicht eines betriebsärztlich tätigen Arztes; Übereinstimmender Wille der Vertragsparteien; Deutlich über dem Arbeitseinkommen eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegendes Honorar

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
26.06.2019
Aktenzeichen
L 2/12 R 233/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 33773
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 24.10.2017 - AZ: S 5 R 227/15

Redaktioneller Leitsatz

1. Betriebsärztliche Tätigkeiten können grundsätzlich sowohl im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse als auch im Rahmen selbständiger ärztlicher Tätigkeiten ausgeübt werden.

2. Bei der Statusbeurteilung kommt einem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen.

3. Ein deutlich über dem Arbeitseinkommen eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegendes und dadurch Eigenvorsorge ermöglichendes Honorar ist ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit.

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der beigeladene Arzt wendet sich mit seiner Berufung gegen die mit dem angefochtenen Urteil vorgenommene Aufhebung einer im Verfahren nach § 7a SGB IV getroffenen Statusfeststellungsentscheidung, mit der die Beklagte das Vorliegen eines abhängigen und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegenden Beschäftigungsverhältnisses zwischen dem Beigeladenen und dem klagenden Krankenhaus festgestellt hat.

Der Beigeladene ist auch betriebsärztlich tätig. Im Juni/Juli 2000 schlossen er und die Klägerin einen "Betreuungsvertrag" (vgl. Bl. 38 ff.) ab, in dem sich der Beigeladene zur Übernahme der sich aus dem Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Arbeitssicherheitsgesetz - ASiG) ergebenden betriebsärztlichen Aufgaben im Betrieb der Klägerin (und zweier Tochtergesellschaften, vgl. § 1 Abs. 5 des Vertrages) verpflichtete. Für die vereinbarten Leistungen hatte die Klägerin nach § 4 des Vertrages "einen monatlichen Pauschalpreis" in Höhe von 2.500 DM zu zahlen.

Im Rahmen der übernommenen betriebsärztlichen Tätigkeit für die Klägerin führte der Beigeladene insbesondere regelmäßige Sprechstunden in den Räumlichkeiten der Klägerin durch. Diese erfolgten anfänglich wöchentlich in einem zeitlichen Umfang von jeweils von etwa 45 Minuten. Ab etwa 2003/2004 verständigten sich die Klägerin und der Beigeladene auf einen 14-tägigen Rhythmus (mit jeweils 90minütigen Sprechzeiten).

Nach Angaben des Beigeladenen hat dieser im Rahmen der angesprochenen 90-minütigen Sprechstunden die Patienten nur (kurz) untersucht, wobei er üblicherweise für die Untersuchung eines Patienten jeweils fünf Minuten vorgesehen hatte, so dass im Rahmen einer 90minütigen Sprechstunde größenordnungsmäßig etwa 18 Patienten untersucht worden sind (vgl. die Angaben des Beigeladenen im Erörterungstermins; im Schriftsatz vom 21. Mai 2019 hat dieser ausgeführt, dass er für jeden Termin im Rahmen der betriebsärztlichen Sprechstunden 2,5 bis 5 Minuten vorgesehen habe). Eine Dokumentation dieser Untersuchungen noch während dieser Untersuchungszeit sei zeitlich nicht in Betracht gekommen. Er habe daher zunächst für alle etwa 18 Patienten nur stichwortartig handschriftlich die Untersuchungsergebnisse erfasst und diese dann nach der Sprechstunde in die dafür vorgesehenen Papierkarteikarten übertragen. Diese Übertragungsarbeiten habe er teils in seiner eigenen Praxis, teils auch (insbesondere bei nur kurzen Befunden) in den Räumlichkeiten der Klägerin durchgeführt. Wenn längere Befunde zu erfassen oder wenn die Ergebnisse der Untersuchungen noch im Rahmen nachfolgender telefonischer Besprechungen mit betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu erörtern gewesen seien, habe er die entsprechenden Karteikarten mit in seine Praxis genommen und dort entsprechend weiterbearbeitet. Dies habe auch dann gegolten, wenn er zur Auswertung seiner Untersuchungsergebnisse auch auf andere Untersuchungsbefunde habe zurückgreifen müssen.

Die angesprochene Nacharbeit im Anschluss an die 90-minütige Sprechstunde in Form der Dokumentation und nachbereitender telefonischer Gespräche hat nach Angaben des Beigeladenen mindestens noch einmal 90 Minuten, gegebenenfalls auch etwas mehr Zeit, in Anspruch genommen.

Der Beigeladene nahm entsprechend den Vorgaben des § 11 ASiG an den etwa alle drei Monaten stattfindenden (jeweils etwa 90 bis 120 Minuten dauernden) Sitzungen des sog. Arbeitsschutzausschusses teil.

Etwa ein- bis zweimal jährlich wurde der Beigeladene zu Besprechungen im Zusammenhang mit Begehungen im Auftrag der Berufsgenossenschaft hinzugezogen, der Zeitaufwand belief sich auf jeweils etwa 60 bis 120 Minuten. An weitere regelmäßige Aktivitäten im Zuge seiner betriebsärztlichen Tätigkeit für die Klägerin konnte sich der Beigeladene bei seiner informatorischen Anhörung durch den Senatsvorsitzenden im Erörterungstermin nicht erinnern.

Neben der betriebsärztlichen Tätigkeit für die Klägerin war der Beigeladene ganz schwerpunktmäßig in eigener Praxis selbständig als Arzt tätig, und zwar jedenfalls in den ersten Jahren seiner Tätigkeit für die Klägerin insbesondere auch im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung. Aufgrund dieser Tätigkeit war der Beigeladene Mitglied in der Ärzteversorgung Niedersachsen. Die Einnahmen aus der betriebsärztlichen Tätigkeit für die Klägerin stellten nur einen wirtschaftlich untergeordneten Teil der Gesamteinkünfte des Beigeladenen aus ärztlicher Tätigkeit dar.

Das von der Klägerin gezahlte monatliche Entgelt in Höhe 2.500 DM (welches nach der Währungsumstellung in Höhe des entsprechenden Eurobetrages gewährt wurde) erfasste der Beigeladene zusammen mit seinen Einkünften aus der Praxis als Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit; bei der buchhalterischen Erfassung ging das von ihm beauftragte Steuerberaterbüro davon aus, dass es sich um umsatzsteuerpflichtige Leistungen des Beigeladenen gehandelt habe.

Mit Schreiben vom 19. September 2014 kündigte die Klägerin das Vertragsverhältnis mit dem Beigeladenen zum 31. Dezember 2015. Letzterer erhob daraufhin eine Kündigungsschutzklage bei dem Arbeitsgericht Wilhelmshaven (2 Ca 338/14). Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen (7 Sa 339/15) verglichen sich der Beigeladene und die Klägerin am 29. Oktober 2015 dahingehend, dass zwischen ihnen kein Arbeitsverhältnis bestanden habe und dass der Beigeladene als selbständiger Betriebsarzt für die Klägerin tätig gewesen sei; die Klägerin verpflichtete sich zur Zahlung eines "restlichen Honorars" in Höhe von 4.500 EUR.

Im Oktober 2014 beantragte der Beigeladene bei der Beklagten die Einleitung eines Statusfeststellungsverfahrens. Mit Bescheid vom 24. März 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2015 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Betriebsarzt seit Juli 2000 im Rahmen einer abhängigen und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegenden Beschäftigung ausgeübt habe.

Mit der am 20. Oktober 2015 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass der Beigeladene als Betriebsarzt weisungsfrei tätig gewesen sei. Mit dem Statusfeststellungsantrag unternehme der Beigeladene den Versuch, in der Sache erneut den erfolglos abgeschlossenen Kündigungsschutzprozess im Sinne eines "Nachkartens" wiederaufzunehmen. Soweit sie dem Beigeladenen für seine betriebsärztliche Tätigkeit Räumlichkeiten und Hilfspersonal zur Verfügung gestellt habe, habe sie lediglich ihren Verpflichtungen nach § 2 Abs. 2 Satz 2 ASiG genüge getan.

Mit Urteil vom 24. Oktober 2017, dem Beigeladenen zugestellt am 12. Dezember 2017, hat das Sozialgericht unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festgestellt, dass der Beigeladene im Rahmen seiner betriebsärztlichen Tätigkeit für die Klägerin nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Versicherungspflichten in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung gestanden habe.

Im Ergebnis würden die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Gesichtspunkte überwiegen. Durch eine geschickte Organisation habe er den erforderlichen Zeitaufwand für die pauschal honorierte betriebsärztliche Tätigkeit reduzieren und damit eine unternehmerische Gewinnchance wahrnehmen können. Er sei nicht weisungsgebunden und sei auch nicht in eine fremde Betriebsstruktur eingebunden gewesen. Letztlich habe sich auch der Beigeladene selbst von der Einschätzung der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit leiten lassen.

Mit der am 12. Dezember 2017 eingelegten Berufung macht der Beigeladene geltend, dass vor Aufnahme der betriebsärztlichen Tätigkeit durch seine Person die entsprechenden Aufgaben von einer festangestellten Ärztin wahrgenommen worden seien. Für die betriebsärztlichen Untersuchungen habe ihm die Klägerin einen Raum zugewiesen; in seiner eigenen ärztlichen Praxis habe er nicht die im Rahmen der betriebsärztlichen Betreuung der Beschäftigten der Klägerin durchzuführenden Sprechstunden anbieten dürfen. Soweit er bei der betriebsärztlichen Tätigkeit Assistenzpersonal benötigt habe, habe er auf eine dafür von der Klägerin ausgewählte Arbeitskraft (im Umfang von vier Wochenstunden) zurückgreifen müssen; welche die Klägerin ansonsten mit anderen Aufgaben betraut habe.

Nach einem schweren Unfall sei sein Honorar noch sechs Wochen lang fortgezahlt worden.

Aus seiner Sicht sei kein Raum für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit, solange ihm nicht das Recht eingeräumt worden sei, Sprechstunden zu den von ihm gewünschten Zeiten mit eigenem Personal anbieten zu können.

Soweit von Seiten der Klägerin geltend gemacht werde, dass sie bewusst im Sinne eines sog. Outsourcing die frühere Position einer abhängig beschäftigten Betriebsärztin durch den Beigeladenen als selbständig tätigen Betriebsarzt ersetzt habe, sei dies als Indiz für eine unerwünschte Scheinselbständigkeit zu werten, welche auch dem Lohndumping diene.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte im Hinblick auf einen von ihrer Seite am 17. Juni 1991 (in Bezug auf ein damaliges Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen bei einem anderweitigen Arbeitgeber) erteilten Bescheid über die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ihren im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheid vom 24. März 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2015 aufgehoben, soweit in diesem Bescheid eine Versicherungspflicht des Beigeladenen in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin festgestellt worden ist.

Der Beigeladene beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 24. Oktober 2017 aufzuheben und die

Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beigeladenen zurückzuweisen.

Die Beklagte stellt keinen Antrag.

Der Senat hat den Beigeladenen und den Geschäftsführer der Klägerin durch seinen Vorsitzenden im Erörterungstermin informatorisch gehört. Ferner wurden als von der Klägerin sistierte Zeugen der frühere Prokurist der Klägerin Y. und der ärztliche Direktor der Klägerin Z. gehört. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll des Erörterungstermins verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Beigeladenen hat keinen Erfolg.

1. Die Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ihren im vorliegenden Verfahren angefochtenen Bescheid vom 24. März 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 2015 aufgehoben, soweit in diesem Bescheid eine Versicherungspflicht des Beigeladenen in der gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund seiner Tätigkeit für die Klägerin festgestellt worden ist. Diese Entscheidung hat die Beklagte im Rahmen der ihr zustehenden Dispositionsbefugnis getroffen, so dass diese Teilaufhebung als solche vom Senat nicht inhaltlich zu überprüfen ist. Über den angefochtenen Bescheid ist damit im vorliegenden Berufungsverfahren nur noch insoweit streitig zu entscheiden, wie er auch unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung von Seiten der Beklagten ausgesprochenen Teilaufhebung Bestand hat, d.h. soweit eine Versicherungspflicht nach dem Recht der Arbeitsförderung festgestellt worden ist.

Das Sozialgericht hat sich allerdings nicht mit einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides begnügt, sondern daneben auch die Feststellung getroffen, dass der Beigeladene in seiner betriebsärztlichen Tätigkeit für die Klägerin nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlegen habe. Diese Feststellung, bezüglich derer der Klägerin jedenfalls angesichts des in der Sache gerade angesichts des - nach Maßgabe des Vortrages des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat fortbestehenden - inhaltlichen Streits zwischen dem Beigeladenen und der Klägerin (und damit auch im Verhältnis zur Beklagten) zumindest inzwischen ein berechtigtes Interesse (nunmehr im Sinne des § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) zuzuerkennen ist, wird durch die Teilaufhebung des angefochtenen Bescheides nicht berührt und ist damit im vorliegenden Berufungsverfahren weiterhin inhaltlich zu überprüfen.

2. Die Einlegung der Berufung durch den Beigeladenen ist rechtsmissbräuchlich. Daraus folgt die Unzulässigkeit der Berufung (vgl. auch Schmidt in Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 12. Aufl., § 101, Rn. 18a mwN). Die Klägerin weist sachlich zutreffend darauf hin, dass es in sich widersprüchlich ist, wenn der Beigeladene sich 2015 in dem vor dem Landesarbeitsgericht abgeschlossenen Vergleich mit der Klägerin dahingehend verständigt hat, dass er die Tätigkeit als "selbständiger Betriebsarzt" ausgeübt habe, wohingegen er im vorliegenden von ihm eingeleiteten Berufungsverfahren die gegenteilige Beurteilung zulasten der Klägerin anstrebt.

Der vor dem Landesarbeitsgericht abgeschlossene Vergleich war aus Sicht beider Beteiligten auf eine umfassende und abschließende Beendigung der wechselseitigen Streitigkeiten ausgerichtet. Dementsprechend ist in Ziffer 3. des Vergleichsvertrages ausdrücklich festgehalten worden, dass mit dem Vergleich sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem beendeten Vertragsverhältnis erledigt waren. Mit dieser umfassenden Zielrichtung haben die Beteiligten seinerzeit ausdrücklich und einvernehmlich festgehalten, dass der Beigeladene bei der Klägerin als "selbständiger" Betriebsarzt tätig war.

3. Auch unter der Annahme einer noch zulässigen Berufung wäre diese jedenfalls in der Sache unbegründet. Im Ergebnis trifft die in dem Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht einvernehmlich vorgenommene Qualifizierung der betriebsärztlichen Tätigkeit des Beigeladenen als rechtlich selbständige Tätigkeit zu. Aufgrund ihrer bestand dementsprechend auch keine Versicherungspflicht für die betriebsärztliche Tätigkeit des Beigeladenen im Haus der Klägerin nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und der Arbeitsförderung für abhängig Beschäftigte. In Ergänzung zu den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts weist der Senat insbesondere auf Folgendes hin:

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen (BSG, Urteil vom 28. September 2011 - B 12 R 17/09 R -, SGb 2011, 633.)

Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG, U.v. 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R -, SozR 4-2400 § 7 Nr 15).

Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, U.v. 29. August 2012 - B 12 R 14/10 R -).

Betriebsärztliche Tätigkeiten können im Ausgangspunkt sowohl im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse als auch im Rahmen selbständiger ärztlicher Tätigkeiten ausgeübt werden. In solchen Fallgestaltungen kommt einem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien indizielle Bedeutung zu, wenn dieser Wille den festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnissen nicht offensichtlich widerspricht und er durch weitere Aspekte gestützt wird bzw. die übrigen Umstände gleichermaßen für Selbstständigkeit wie für eine Beschäftigung sprechen (vgl BSG SozR 2200 § 1227 Nr 17 S 38; BSG Urteil vom 28.5.2008 - B 12 KR 13/07 R - Die Beiträge Beilage 2008, 333 ff, Juris RdNr 16).

Im vorliegenden Fall sind die Beteiligten übereinstimmend von einer selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen bei der Erfüllung seiner betriebsärztlichen Aufgaben im Unternehmen der Klägerin ausgegangen. Der Beigeladene, der seinerseits im Rahmen seiner daneben geführten ärztlichen Praxis auch Arbeitgeber von Assistenzpersonal war und daher mit den sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Grundlagen einer Heranziehung von abhängig Beschäftigten vertraut war, hat bezeichnenderweise die Einnahmen aus seiner betriebsärztlichen Tätigkeit für die Klägerin gemeinsam mit den sonstigen Einkünften aus seiner (insoweit auch nach seinem fortbestehenden Verständnis: selbständigen) ärztlichen Tätigkeit in der Buchhaltung durch seinen Steuerberater erfassen lassen (wobei die Honorarzahlungen der Klägerin sogar als Vergütung von umsatzsteuerpflichtigen Leistungen verbucht worden sind). Auch der Beigeladene hat zu keinem Zeitpunkt von der Klägerin erwartet, dass diese etwa ausgehend von einer abhängigen Beschäftigung von den Honorarzahlungen Lohnsteuer einbehalten müsste. Bezeichnenderweise hat der Beigeladene auch in seinem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 11. April 2014 (Bl. 151 ff. GA) eine geänderte Vergütung vorgeschlagen, die er selbst in diesem Schreiben als umsatzsteuerpflichtig ausgewiesen hat. Damit hat der Beigeladene bereits seinerzeit gegenüber der Klägerin klar zum Ausdruck gebracht, dass er sich als einen selbständig tätigen Betriebsarzt einschätzte.

Da im vorliegenden Fall im Ergebnis ohnehin von einer (bis zum Zerwürfnis Ende 2014) übereinstimmenden Beurteilung der Selbständigkeit der betriebsärztlichen Tätigkeit des Beigeladenen auszugehen ist, ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Fallgestaltungen, in denen die Berücksichtigung des Vertragswillens noch keine hinreichend sichere Entscheidung erlaubt, letztlich auch darauf abzustellen sein kann, von welcher der beiden Arten von Erwerbstätigkeiten das Berufsleben des Betroffenen geprägt wird (BSG, U.v. 24. Oktober 1978 - 12 RK 58/76 - SozR 2200 § 1227 Nr. 19). Im vorliegenden Fall wird die Erwerbstätigkeit des Beigeladenen seit vielen Jahren durch die Führung einer selbständigen ärztlichen Praxis geprägt.

Liegt das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitseinkommen eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, ist dies ebenfalls ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. Allerdings handelt es sich auch bei der Honorarhöhe nur um einen bei der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anhaltspunkt, weshalb weder an die Vergleichbarkeit der betrachteten Tätigkeiten noch an den Vergleich der hieraus jeweils erzielten Entgelte bzw Honorare überspannte Anforderungen gestellt werden dürfen (BSG, Urteil vom 31. März 2017 - B 12 R 7/15 R -,SozR 4-2400 § 7 Nr 30). Zwingende Regelungen des Sozialversicherungsrechts können auch vermittels der Vereinbarung eines relativ hohen Honorars nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden, dass Beschäftigungsverhältnisse als Honorartätigkeit bezeichnet werden (BSG, U.v. 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R - nach Maßgabe des Terminberichts des BSG Nr. 22/19).

Im vorliegenden Fall hat der Beigeladene ein monatliches Pauschalhonorar von 1.278 EUR (entsprechend zuvor 2.500 DM) erhalten (wobei von diesem Betrag ausweislich der von Seiten des Beigeladenen im vorliegenden gerichtlichen Verfahren vertretenen Einschätzung einer abhängigen Beschäftigung keine Umsatzsteuer abzuführen gewesen wäre; eigene - etwa Umsatzsteuer ausweisende - Rechnungen will der Beigeladene ohnehin nicht erstellt haben). Nach Auffassung des Senates ist im Ergebnis gerade auch unter Zugrundelegung der eigenen Angaben des Beigeladenen davon auszugehen, dass sich der monatliche Zeitaufwand für die damit vergütete betriebsärztliche Betreuung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Klägerin im Ergebnis lediglich auf etwa sieben Stunden belief. Dies entspricht einem Stundenhonorar von ca. 180 EUR.

Die eigenen Angaben des Beigeladenen zum zeitlichen Umfang seiner betriebsärztlichen Tätigkeit im Auftrag der Klägerin zeichnen sich allerdings durch erhebliche Schwankungen und deutliche Steigerungen aus. In der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung hat er persönlich berichtet, dass er abgesehen von zwei monatlichen Sprechstunden von jeweils 90 Minuten Dauer nur "sehr selten" anderweitige betriebsärztliche Aufgaben wahrgenommen habe. Diese Angaben würden im Ausgangspunkt dafür sprechen, dass sein zeitlicher Einsatz noch weniger als sieben Stunden im Monatsdurchschnitt ausgemacht hat.

Im Erörterungstermin vor dem Senatsvorsitzenden am 27. Mai 2019 hat der Beigeladene persönlich insbesondere Folgendes erläutert: Er habe (seit 2003/2004, zuvor gab es wöchentliche Sprechstunden von jeweils 45 Minuten Dauer) jeweils 14tägig eine 90minütige Sprechstunden im Haus der Klägerin durchgeführt. Für die Nachbereitung dieser Sprechstunden in Form der Dokumentation und nachbereitender telefonischer Gespräche habe mindestens noch einmal 90 Minuten, gegebenenfalls auch etwas mehr Zeit benötigt.

Ferner habe er noch folgende betriebsärztliche Tätigkeiten entfaltet: Entsprechend den Vorgaben des § 11 des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit an den etwa alle drei Monaten stattfindenden Sitzungen des sog. Arbeitsschutzausschusses teilgenommen habe. Die dreimonatlich erfolgenden Sitzungen hätten jeweils etwa 90 bis 120 Minuten gedauert, soweit ihm dies noch erinnerlich sei. Des Weiteren sei er mitunter zu Besprechungen hinzugezogen worden, die sich im Zuge von Begehungen im Auftrag der Berufsgenossenschaft ergeben hätten. Entsprechende Besprechungen hätten vielleicht ein bis zwei Mal im Jahr stattgefunden mit einem Zeitaufwand von jeweils etwa 60 bis 120 Minuten, auch insoweit könne er sich natürlich nicht mehr an Einzelheiten erinnern.

Auf Frage nach möglichen weiteren betriebsärztlichen Aktivitäten hat der Beigeladene in diesem Erörterungstermin persönlich erklärt, dass er sich an solche weiteren regelmäßigen Aktivitäten im Zuge seiner betriebsärztlichen Tätigkeit für die Klägerin nicht mehr erinnern könne.

Diese eigenen Angaben des Beigeladenen im Erörterungstermin am 27. Mai 2019 summieren sich auf einen Durchschnittswert von monatlich ca. sieben Stunden, die er im Rahmen der betriebsärztlichen Tätigkeit für die Klägerin aufgewandt haben will.

Nur wenige Wochen nach dem angesprochenen Erörterungstermin vom 27. Mai 2019 hat der Beigeladene allerdings mit Schriftsatz vom 19. Juni 2019 versucht, einen sehr deutlich anderen Eindruck zu erzeugen. Danach soll sich der monatliche Gesamtzeitaufwand auf 20,7 Stunden belaufen haben. Der Senat vermag diesem Vortrag jedoch nicht zu folgen. Der Beigeladene selbst hat im vorausgegangenen Erörterungstermin am 27. Mai 2019 wiederholt - insoweit im Ansatz natürlich gut nachvollziehbar - darauf hingewiesen, dass er sich auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs jedenfalls im Detail Erinnerungsschwierigkeiten haben. Gerade vor diesem Hintergrund erschließt sich nicht, weshalb wenige Wochen nach diesem Erörterungstermin das Erinnerungsvermögen des Beigeladenen sich nachhaltig verbessert haben soll, so dass ihm nunmehr Details erinnerlich sein sollen, die ihm selbst bei den vorausgegangenen Befragungen nicht präsent waren. Eine nachvollziehbare Erklärung ist diesbezüglich auch von Seiten des Beigeladenen nicht aufgezeigt worden.

Schon unter Zugrundelegung des (seinerseits bereits - nicht fernliegend auch vor dem Hintergrund des Hinweises des Senates auf eine mögliche Relevanz der Höhe der stundenbezogenen Vergütung nach Maßgabe der BSG-Rechtsprechung, vgl. Verfügung vom 3. Mai 2019 - gesteigerten) Vortrages des Beigeladenen im Erörterungstermin will dieser im Jahr rund 60 Stunden für die Sprechzeiten und deren Dokumentation und Nachbereitung aufgewandt haben (ausgehend von tatsächlich auch unter Berücksichtigung von Feiertagen und Urlaubszeiten im Jahresverlauf durchgeführten geschätzt 20 Sprechstundenterminen). Im zu beurteilenden Zeitraum selbst hat der Beigeladene den dafür erforderlichen Zeitaufwand im Jahr 2014 noch spürbar geringer eingeschätzt, und zwar im Umfang von 47 Stunden im Jahr (wobei auch diese Angabe nach den insoweit klaren Darlegungen des Beigeladenen in seinem o.g. Schreiben vom 11. April 2014 auch bereits den Zeitaufwand insbesondere für die Planung der Sprechstunden, die Dokumentation der Sprechstundenergebnisse, die Auswertung anderweitig Befunderhebungen und andere weiterführende Maßnahmen umfasst hat).

Diese Angabe von 47 Stunden im Jahr für die Untersuchungen erscheint auch vor dem Hintergrund in jeder Hinsicht nachvollziehbar, dass dieser, wie der Beigeladene in diesem Schreiben selbst dargelegt hat, im Jahresverlauf ca. 190 betriebsärztliche Untersuchungen zu erbringen hatte. Viele Untersuchungen ließen sich mit wenigen Minuten absolvieren. Der Beigeladene hat im Schriftsatz vom 21. Mai 2019 selbst ausgeführt, dass er für jeden Termin im Rahmen der betriebsärztlichen Sprechstunden lediglich 2,5 bis 5 Minuten vorgesehen habe. Entsprechend der Kürze der vorgesehenen Untersuchungszeit kann in unproblematischen - in der Praxis häufigen - Fällen auch nicht viel zu dokumentieren gewesen sein. Nach dem eigenen Vortrag des Beigeladenen ist nichts dafür erkennbar, dass er für einfach gelagerte Fälle mehr als (einschließlich Nachbearbeitung) ca. sieben Minuten benötigt hat. Auf dieser Basis ergibt sich bei jährlich 190 Untersuchungen insgesamt ein Ausgangswert von rund 22 Stunden, so dass schon der 2014 geltend gemachte Gesamtzeitaufwand von 47 Stunden einen ganz erheblichen zusätzlichen Zeitrahmen für die Bearbeitung von Fällen mit einem besonderen Schwierigkeitsgrad bot. Erst recht gilt dies, wenn in Anlehnung an die eigenen Angaben des Beigeladenen im Erörterungstermin am 27. Mai 2019 von einem Gesamtzeitaufwand von 60 Stunden auszugehen ist.

Auch von Seiten des Beigeladenen ist nichts substantiiert und nachvollziehbar dafür vorgetragen, dass schwierigere Fallgestaltungen so häufig auftraten und einen so hohen Bearbeitungsaufwand mit sich gebracht haben, dass in der Gesamtbetrachtung mehr als die von ihm selbst 2014 angegebenen 47 Stunden (und erst recht nicht mehr als 60 Stunden) im Jahr für die betriebsärztlichen Untersuchungen im Auftrag der Klägerin benötigt wurden.

Bezeichnenderweise hat der Beigeladene wiederum persönlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch noch einmal ausdrücklich eingeräumt, dass seine Angaben im o.g. Schreiben vom 11. April 2014 bezüglich eines (nach diesem Schreiben auch Zeiten der Vor- und Nachbereitung erfassenden) Zeitaufwandes für die betriebsärztlichen Untersuchungen von 47 Stunden im Jahr durchaus zutreffen könnten. Damit ist er selbst im Ergebnis von den abweichenden Ausführungen im Schriftsatz vom 19. Juni 2019 wieder abgerückt.

In der gebotenen Gesamtwürdigung sieht der Senat gerade angesichts der eigenen vorausgegangenen Angaben des Beigeladenen keinen Anlass, von einem Gesamtzeitaufwand für die betriebsärztliche Tätigkeit für die Klägerin von mehr als sieben Stunden im Monatsdurchschnitt auszugehen.

Zum Vergleich wurde bei der Klägerin ein abhängig beschäftigter Oberarzt (vgl. Anlagen zum Schriftsatz der Klägerin vom 21. Mai 2019) mit einem Monatsgehalt von ca. 7.000 bis 8.000 EUR entlohnt. Dies entspricht einem Stundenlohn von ca. 45 EUR. Auch unter Einberechnung der Lohnfortzahlungsansprüche eines abhängig beschäftigten Arztes im Urlaubs- und Krankheitsfall sowie an Feiertagen und der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung hat der Beigeladene im wirtschaftlichen Ergebnis je Arbeitsstunden jedenfalls deutlich mehr als das Doppelte der Arbeitgeberaufwendungen bei der Heranziehung eines abhängig beschäftigten vergleichbar qualifizierten Arztes erhalten (wobei der genannte Pauschbetrag von monatlich 1.287 EUR ohnehin unabhängig davon gezahlt worden ist, ob einzelne Sprechstunden des Beigeladenen urlaubs- oder feiertagsbedingt ausgefallen sind). Soweit der Beigeladene meint, den Gesichtspunkt eines sog. "Lohndumpings" anführen zu sollen, befasst er sich in der Sache augenscheinlich mit ganz anderen Fallgestaltungen als dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt, in dem er einen außerordentlich guten Stundensatz erzielt hat.

Bezeichnenderweise hat der Beigeladene selbst in seinem Schreiben an die Klägerin vom 11. April 2014 auf einen "marktüblichen Preis" für betriebsärztliche Einsatzstunden in Höhe von 80 bis 120 EUR berufen (wobei sich dieser Betrag nach dem Zusammenhang auf selbständige betriebsärztliche Tätigkeiten beziehen sollte; der Beigeladene hat in diesem Schreiben selbst darauf hingewiesen, dass es sich um umsatzsteuerpflichtige Leistungen handele), auch diesen "marktüblichen Preis" hat die tatsächlich dem Beigeladenen gewährte Vergütung noch sehr nachhaltig überschritten.

Bei reinen Dienstleistungen, die im Wesentlichen nur Know-how sowie Arbeitszeit- und Arbeitsaufwand voraussetzen, ist unternehmerisches Tätigwerden nicht mit größeren Investitionen in Werkzeuge, Arbeitsgeräte oder Arbeitsmaterialien verbunden. Das Fehlen solcher Investitionen ist damit bei reinen Dienstleistungen kein ins Gewicht fallendes Indiz für eine (abhängige) Beschäftigung und gegen unternehmerisches Tätigwerden (BSG, Urteil vom 31. März 2017 - B 12 R 7/15 R -, BSGE 123, 50-62, SozR 4-2400 § 7 Nr 30, Rn. 42).

Auch Selbständige könnten in ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt sein, allerdings nicht durch Einzelanordnungen, sondern durch Regeln oder Normen, die die Grenzen ihrer Handlungsfreiheit mehr in generell-abstrakter Weise umschreiben (BSG SozR 2200 § 165 Nr 45 S 67; vgl. zum Vorstehenden: BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 - B 12 KR 26/02 R -, Rn. 29, juris). Einflussmöglichkeiten des Auftraggebers auf den äußeren Ablauf der Tätigkeit haben als solche nicht zwingend eine abhängige Beschäftigung zur Folge, sondern sind vielmehr auch bei vielen rechtlich selbständigen Tätigkeiten anzutreffen.

Die Vorgabe gewisser "Eckpunkte" des jeweiligen "Einsatzauftrags" wie Beginn und Ende des Einsatzes und "grober" Inhalt der Tätigkeit können weder die Annahme von Weisungsunterworfenheit noch die Eingliederung in eine fremde Betriebsordnung im Sinn "funktionsgerecht dienender Teilhabe am Arbeitsprozess" begründen, vor allem, wenn noch Handlungsspielräume verbleiben, die arbeitnehmeruntypisch sind (BSG, Urteil vom 14. März 2018 - B 12 R 3/17 R -, BSGE 125, 177, SozR 4-2400 § 7 Nr 36, Rn. 21). Im vorliegenden Zusammenhang ist es mithin nicht von richtungweisender Bedeutung gewesen, dass es natürlich Absprachen zwischen dem Beigeladenen und der Klägerin hinsichtlich der Termine für die betriebsärztlichen Sprechstunden gab. Selbstverständlich mussten sich auch die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der Klägerin auf diese Zeiten einrichten können.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 ASiG ist der Arbeitgeber der betriebsärztlich zu betreuenden Arbeitnehmer ohnehin verpflichtet, den Betriebsarzt bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen; insbesondere ist er verpflichtet, ihm, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, Hilfspersonal sowie Räume, Einrichtungen, Geräte und Mittel zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung erstreckt sich gleichermaßen auf abhängig beschäftigte wie auch auf selbständig tätige Betriebsärzte. Ihre Befolgung auf Seiten des Arbeitgebers gibt keine richtungweisenden Aufschlüsse zur statusrechtlichen Einordnung der betriebsärztlichen Tätigkeit. Die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten und Hilfspersonal erfolgt regelmäßig im Rahmen organisatorischer Auswahlentscheidungen des Arbeitgebers der betriebsärztlich zu betreuenden Arbeitnehmer, der auch unter Berücksichtigung der weiteren betrieblichen Erfordernisse darüber zu entscheiden hat, welche konkreten Räumlichkeiten und welche Mitarbeiter/innen als sog. Hilfspersonal dem Betriebsarzt zur Verfügung zu stellen sind.

Allein wegen der Benutzung von Einrichtungen und Betriebsmitteln des Krankenhauses ist auch nach der Rechtsprechung des BSG nicht zwingend eine abhängige Beschäftigung anzunehmen (BSG, U.v. 4. Juni 2019 - B 12 R 11/18 R - nach Maßgabe des Terminberichts des BSG Nr. 22/19). Auch ein selbständiger Handwerksmeister kann mit dem den Auftrag erteilenden Unternehmen vereinbaren, dass dieses ihm aus dem Kreis der Arbeitnehmer des Unternehmens zur Unterstützung beispielsweise sog. Handlanger oder andere Hilfskräfte zur Verfügung stellt, ohne dass bereits damit allein aufgrund dieses Umstandes ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Handwerksmeister und dem Unternehmen begründet würde.

Bei der eigentlichen betriebsärztlichen Tätigkeit war der Beigeladene - auch entsprechend den Vorgaben des § 8 Abs. 1 ASiG - weisungsfrei. Er war insoweit insbesondere nicht in einen arbeitsteiligen Prozess eingegliedert, in dem mehrere Ärzte auf einen gemeinsamen Behandlungserfolg hinwirken. Insbesondere unterlag der Beigeladene auch keinem Weisungsrecht eines Chefarztes oder des leitenden Arztes der Klägerin. Der Beigeladene hatte keine anderen Ärzte zu vertreten, er war in keinen Schichtplan eingegliedert. Er musste lediglich die einvernehmlich getroffenen Absprachen über die betriebsärztlichen Sprechstunden einhalten, wobei deren Vor- und Nachbereitung nach eigenen Angaben vielfach ohnehin in den eigenen Praxisräumen des Beigeladenen nach dessen individuellen Zeitvorstellungen erfolgte. Inhaltlich übte der Beigeladene die betriebsärztliche Tätigkeit aber eigenverantwortlich und weisungsfrei aus.

Der Beigeladene war insbesondere bezüglich der ärztlichen Betreuung und Behandlung nicht in einen arbeitsteiligen Prozess mit anderen Ärzten eingebunden, wie er ansonsten in Krankenhäusern die kurative Behandlung der dort stationär aufgenommenen Patienten prägt. In diesem Ausgangspunkt unterschied sich die Tätigkeit des Beigeladenen grundlegend vom Arbeitsalltag sog. Honorarärzte, über deren statusrechtliche Einordnung das BSG in seiner Verhandlung am 4. Juni 2019 zu befinden hatte. Anders als angestellte Krankenhausärzte und sog. Honorarärzte unterlag der Beigeladene gerade nicht in prägender Weise der Organisations- und Weisungsstruktur des Krankenhauses.

Unternehmerische Chancen hatte der Beigeladene jedenfalls in der Hinsicht, dass er danach streben konnte (was ihm auch zu erheblichen Teilen gelungen sein dürfte), das vereinbarte monatliche Pauschhonorar mit einem möglichst geringen Arbeitszeiteinsatz auf seiner Seite zu verdienen, so dass ihm im Übrigen entsprechend große zeitliche Freiräume für anderweitige gewinnbringende ärztliche Tätigkeiten verblieben. Dieser Gesichtspunkt hatte für ihn ein besonderes wirtschaftliches Gewicht, weil er in dem zu beurteilenden Zeitraum neben der Tätigkeit für die Klägerin als selbständiger Arzt in eigener Praxis tätig war und damit erzielte Zeitersparnisse bei der betriebsärztlichen Betreuung im Auftrag der Klägerin effektiv und gewinnbringend seiner selbständigen Tätigkeit zuführen konnte.

Im Übrigen hatte der Beigeladene durchaus das Recht, seine betriebsärztliche Tätigkeit so auszugestalten, dass die Betriebsangehörigen Vertrauen in sein ärztliches Können finden und vor diesem Hintergrund auch eine Inanspruchnahme des Beigeladenen im Rahmen seiner daneben betriebenen vertragsärztlichen Tätigkeit in Erwägung ziehen konnten.

Soweit das vereinbarte Honorar auch während einer vorübergehenden unfallbedingten längeren Erkrankung des Beigeladenen fortgezahlt worden sein soll (wobei die Angaben des Beigeladenen zu den Erkrankungszeiträumen erheblich differieren und letztlich im Berufungsverfahren nicht mehr nachvollziehbar substantiiert und noch weniger belegt werden konnten), ist nichts dafür erkennbar, dass dafür eine Einstufung der Tätigkeit des Beigeladenen als abhängige Beschäftigung ausschlaggebend war. Vielmehr hat sich die Klägerin letztlich von der Erwägung leiten lassen, dass der Beigeladene zunächst möglicherweise ausgefallene betriebsärztliche Tätigkeiten und insbesondere betriebsärztliche Untersuchungen in der Folgezeit jedenfalls im Wesentlichen nachgeholt hat. Auch der Beigeladene macht nicht geltend, dass er während der Erkrankung anderweitig vertreten worden ist, so dass die betriebsärztliche Arbeit letztlich bis zu seiner Genesung liegen geblieben ist und die Rückstände dann seinerzeit von ihm aufzuarbeiten waren.

Die Kostenentscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Berufungsführer kostenprivilegiert im Sinne von § 183 SGG ist; sie folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.