Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.03.2016, Az.: 3 A 226/15

Betriebsabrechnungsbogen; Gebührenmaßstab; Gebührentatbestand; Neukalkulation; Straßenreinigungsgebühr; Verkehrssicherungspflicht; Winterdienst; Winterdienstgebühr

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
22.03.2016
Aktenzeichen
3 A 226/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43224
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Eine Gebührensatzung, deren Gebührenmaßstab, Gebührentatbestand und Gebührensätze im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Inzidentprüfung für unwirksam erklärt worden sind, ist nicht nur teilunwirksam, sondern insgesamt unwirksam. Beschränkt sich der Ortsgesetzgeber in einem solchen Fall auf eine bloß teilweise Neuregelung, entsteht ein Satzungstorso, der den Anforderungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG nicht genügt.

2. Die Ermittlung des Kostenanteils für das Allgemeininteresse an der Straßenreinigung einschließlich der Winterwartung muss auch für bereits vergangene Kalkulationsperioden im Fall einer erforderlichen Neukalkulation den gesteigerten Anforderungen der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung (Nds. OVG, Urteil vom 16.02.2016 - 9 KN 288/13 -, juris) entsprechen.

3. Die Feststellung einer berücksichtigungsfähigen Kostenüber- oder -unterdeckung nach § 5 Abs. 2 Satz 3 NKAG muss von vornherein ausscheiden, soweit sie in einem Zeitraum entstanden sein soll, für den es an einer rechtmäßigen und vom Ortsgesetzgeber gebilligten Kalkulation (Voraus- bzw. rückwirkende Neukalkulation) fehlt. Eine Betriebsabrechnung kann keine Kalkulation in diesem Sinne sein.

4. In einer größeren Stadt mit einem umfangreichen Straßennetz ist es dem Ortsgesetzgeber im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens nicht verwehrt, bei der Bildung von Winterwartungsklassen zu typisieren, soweit es dafür hinreichend nachvollziehbare Gründe gibt. Die Bildung der verschiedenen Winterwartungsklassen muss allerdings dem Grundsatz der konkreten Vollständigkeit genügen (hier verneint).

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zur Straßenreinigungsgebühr für das Jahr 2015 und das Grundstück "F. 3" im Ortsteil O. der Beklagten. Mit Bescheid der Beklagten vom 22.01.2015 wurden sie für dieses Grundstück zu einer Straßenreinigungsgebühr für das Jahr 2015 in Höhe von 109,62 € - Straßenreinigung 1xwöchentlich - sowie in Höhe von 6,75 € - Winterdienst Priorität D - für eine Frontlänge von jeweils 27,0 m bei einem Gebührensatz von 4,06 bzw. 0,25 €/m herangezogen.

Am 24.02.2015 haben die Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen ausführen:

Die am 12.12.2014 nur teilweise geänderte Straßenreinigungsgebührensatzung der Beklagten sei ein unvollständiger Satzungstorso, weil die vorher gehende Satzung insgesamt nichtig gewesen sei. Der Gebührentatbestand sei weiterhin unzureichend geregelt. Der Gebührenmaßstab für Hinterliegergrundstücke sei nicht sachgerecht. Gegen das Äquivalenzprinzip und den Gleichheitssatz verstoße, dass die Beklagte die Verkehrsbedeutung der Straße neben der Reinigungshäufigkeit im Gebührenmaßstab nicht berücksichtige. Bei den vier gebildeten Winterdienstklassen sei nicht zu erkennen, wie die Straßen einzustufen seien, die einen nicht unbedeutenden Verkehr, jedoch keine besonders gefährliche Lage aufwiesen. Eine Vielzahl von Straßen sei von der Beklagten einer unzutreffenden Winter-/Sommerdienstkategorie zugeordnet worden. Obwohl die Radwege nach der Straßenreinigungsverordnung zur Fahrbahn zählen würden, führe die Beklagte den Winterdienst auf den Radwegen nicht immer im gleichen Umfang wie auf den von Kfz befahrbaren Flächen durch. Die Einsatzhäufigkeit und damit die Leistung der Einrichtung sei zwischen den 4 Winterdienstklassen zu weit gespreizt, um noch einen einheitlichen Satz des öffentlichen Interesses von 25 % festsetzen zu dürfen. Die Kostenträgermenge sei trotz eines Maßstabswechsels nicht neu berechnet worden. In die Kalkulation der Gebührensätze seien zweifelhafte Kostenpositionen sowie Unterdeckungen aus Vorjahren eingestellt worden, die nicht durch eine rechtsfehlerfreie Neukalkulation der vergangenen Kalkulationszeiträume ermittelt worden seien. Unklar sei, wann und wie die Beklagte einen Winterdiensteinsatz statistisch erfasse, um die Winterdienstklassen zu gewichten. Gebührenüberschüsse aus den Vorjahren seien nicht ordnungsgemäß nachkalkuliert worden. Nebenerlöse seien auch zur Entlastung des Aufwandes für den Winterdienst außerhalb der geschlossenen Ortslagen eingesetzt worden, obwohl es sich hierbei um einrichtungsfremde Leistungen handele. Fahrzeuge der Einrichtung würden entgegen dem Vorbringen der Beklagten auch Gehwege reinigen und damit einrichtungsfremde Leistungen erbringen. Der Anteil des öffentlichen Interesses sei entgegen der jüngsten Rechtsprechung des Nds. OVG pauschal auf 25 % und für alle Winterdienstklassen gleich hoch festgelegt worden. Die Eingemeindungsverträge der Beklagten mit den Ortsteilen würden auch derzeit noch verhindern, dass dort Winterdienstgebühren erhoben werden dürften.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid der Beklagten über Grundbesitzabgaben vom 22.01.2015 aufzuheben, soweit darin eine Straßenreinigungsgebühr in Höhe von 116,37 € festgesetzt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid und trägt vor:

Über die vier vorhandenen Winterdienstklassen A bis D hinaus sei keine weitere Klassifizierung erforderlich. Die Zuordnung der Straßen liege im Ermessen des Rates, welches fehlerfrei ausgeübt worden sei. Jede Straße im Gebiet der Beklagten sei nach den satzungsrechtlich festgelegten Kriterien einer der vier Kategorien zugeordnet worden. Nach der Systematik des Ortsgesetzgebers könne es einen Straßentyp mit einem nicht unerheblichen Verkehrsaufkommen, jedoch ohne besondere Gefahrenmomente nicht geben. Straßen mit erheblichem Verkehrsaufkommen würden unabhängig von besonderen Gefahrenmomenten aufgrund ihres Verkehrsaufkommens und der damit zusammenhängenden Verkehrswichtigkeit als Hauptverkehrsstraßen eingestuft. In die Kalkulation der Sommerdienstgebühren seien keine Unterdeckungen aus den Jahren 2011 bis 2013 eingestellt worden. Bei den eingestellten ca. 420.000 € handele es sich lediglich um eine Zwischensumme von Beträgen aus mehreren Jahren, die nicht mit den gemäß NKAG zu ermittelnden Über- bzw. Unterdeckungen zu verwechseln seien. Die Betriebsabrechnungsbögen für 2011 und 2012, die einer Nachkalkulation oder auch Neukalkulation gleichzusetzen seien, hätten Überdeckungen von ca. 98.000 € ausgewiesen; das Betriebsergebnis für 2013 schließe mit einem Defizit von ca. 109.000 €, welches nicht ausgeglichen worden sei. Die Betriebsabrechnungen seien im Betriebsausschuss Umweltdienste zustimmend zur Kenntnis genommen worden. Bei den „Erträgen aus Gebühren“ sei die Beklagte vom Anordnungssoll ausgegangen; abzusetzende und zurückzuzahlende Beträge aufgrund verlorener Gerichtsverfahren oder sonstiger Uneinbringlichkeiten seien in den Jahren 2012 bis 2014 unter „Neutrale Rechnung“ gebucht worden. Insofern habe die Beklagte dauerhaft auf die entstandene Einnahmedifferenz verzichtet. In die Kalkulation der Winterdienstgebühren sei eine Überdeckung aus dem Jahr 2013 in Höhe von 15.640 € eingestellt worden, welche durch die Betriebsabrechnung ermittelt worden sei. Bis einschließlich 2014 seien keine Kosten für den Winterdienst außerhalb der geschlossenen Ortslagen ausgegliedert worden. In der Betriebsabrechnung für 2014 sei dies im Umfang von rund 91.000 € korrigiert worden. Bis einschließlich 2013 seien diese Kosten in den Haushaltsmitteln enthalten gewesen, welche für den Winterdienst in den Ortsteilen bereitgestellt worden seien. Vom Öffentlichkeitsanteil würden alle Einrichtungsbenutzer in gleicher Weise profitieren. Fahrzeuge der Einrichtung hätten auf bestimmten Gehwegen ausschließlich Sommerreinigung durchgeführt.

Wegen der Einzelheiten des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid über Grundbesitzabgaben der Beklagten vom 22.01.2015 ist hinsichtlich der Straßenreinigungsgebühr rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten,  § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Straßenreinigungsgebührensatzung (SRGS) der Beklagten vom 14.12.2012, die zum 01.01.2013 in Kraft gesetzt wurde, in der Fassung des 2. Nachtrags vom 12.12. 2014 bietet keine wirksame Rechtsgrundlage für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren.

Mit rechtskräftigen Urteilen vom 25.07.2014 (- 3 A 68/13 - u.a.) hat die Kammer die ursprüngliche Fassung der SRGS hinsichtlich der darin festgesetzten Gebührensätze, des Gebührenmaßstabs und des Gebührentatbestandes für den Winterdienst wegen Verstößen gegen höherrangige Rechtssätze beanstandet mit der Folge einer Unwirksamkeit und Nichtigkeit dieser Satzungsbestandteile. Die Beklagte hat darauf reagiert, indem sie mit der 2. Nachtragssatzung lediglich an den §§ 3, 4, 6 und 7 SRGS Änderungen vorgenommen hat. Das dürfte sie aber nur tun, wenn die von der Kammer nicht beanstandeten Regelungen der SRGS gleichsam als Satzungstorso fortbestanden hätten, in welchen die neuen §§ 3, 4, 6 und 7 eingefügt werden könnten, um daraus wieder eine vollständige Satzung zu schaffen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zwar ist es möglich, dass sich die Nichtigkeit auf einen Regelungsbestandteil einer Satzung beschränkt, wenn die Satzung auch ohne diesen Teil noch vom Willen des Satzungsgebers getragen wird und geeignet ist, als Rechtsgrundlage der Veranlagung zu dienen (vgl. Rosenzweig/Freese/v.Waldthausen, NKAG, Stand: 02/16, § 2 Rn 29ff; Driehaus-Lichtenfeld, Kommunalabgabenrecht, Stand: 09/15, § 6 Rn 717b). Diese Voraussetzungen der Teilnichtigkeit sind jedoch keinesfalls gegeben, wenn von den sechs notwendigen Bestandteilen einer Abgabensatzung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG die Hälfte nichtig ist und es sich noch dazu, wie im vorliegenden Fall, um die zentralen Elemente der Satzung handelt (vgl. Rosenzweig/Freese/v.Waldthausen, aaO., Rn 30; Driehaus-Lichtenfeld, aaO., jeweils m.w.N.; Nds. OVG, Urteil vom 16.02. 2016 - 9 KN 288/13 -, juris, Rn 34 m.w.N.). In diesem Fall ist es rechtlich unmöglich, die beanstandete Satzung partiell zu reparieren, weil sie aufgrund der gravierenden Fehlerhaftigkeit insgesamt nichtig geworden ist. Infolge dessen hätte die gesamte Satzung neu erlassen werden müssen, was jedoch nicht geschehen ist; die 2. Nachtragssatzung hat lediglich einen Satzungstorso in Kraft gesetzt, der als Rechtsgrundlage für die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren nicht genügt.

Darüber hinaus sind Gebührentatbestand und Gebührenmaßstab auch in der 2. Nachtragssatzung unzureichend geregelt; die Normierung verstößt in mehrfacher Weise gegen das Gebot der konkreten Vollständigkeit. Durch die bereits angesprochenen Urteile vom 25.07.2014 hat die Kammer beanstandet, dass aus den Beschreibungen der vier Prioritätsklassen für den Winterdienst auf Seite 16 der Vorlage EB 75/207/12 nicht zu erkennen ist, wie die Masse der Straßen einzustufen ist, die weder Hauptverkehrsstraßen, noch besonders gefährlich, noch solche mit geringem Verkehrsaufkommen sind, und welche weiteren Kriterien für die Einstufung einer Straße Bedeutung erlangen können. Diese Fehlerhaftigkeit hat die Beklagte nicht beseitigt.

Gebührentatbestand und -maßstab müssen - entsprechend der Forderung des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots (Art. 20 GG) - hinreichend bestimmt festgelegt sein. Die Gebührenpflichtigen müssen dem Wortlaut der Satzung zweifelsfrei entnehmen können, welche Voraussetzungen für die Gebührenerhebung erfüllt sein müssen, auf welche Weise die Gebühr berechnet wird und wie hoch die zu zahlende Gebühr sein wird. Deshalb muss der Verteilungsmaßstab für alle im Geltungsbereich der Gebührensatzung konkret zu erwartenden Anwendungsfälle hinreichend klar und berechenbar geregelt sein (Grundsatz der konkreten Vollständigkeit, vgl. Driehaus-Lichtenfeld, aaO., Rn 720;  Rosenzweig/Freese/v.Waldthausen, aaO., § 2 Rn 22, jeweils m.w.N.).

Dem Rat der Beklagten steht zwar ein weites, im Wesentlichen nur durch den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Abgabenerhebung (vgl. Rosenzweig/Freese/v.Waldthau-sen, aaO., § 2 Rn 10) eingeschränktes Ermessen zu, wie viele Prioritätsklassen er bildet und wie er sie gegeneinander abgrenzt. Wenn er - wie vorliegend - vier Prioritätsklassen einrichtet, so müssen aber sämtliche öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslagen (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1 NStrG) der Beklagten, auf denen diese den Winterdienst durchführt, einer dieser vier Klassen anhand der vom Rat satzungsrechtlich vorgegebenen Abgrenzungskriterien zweifelsfrei zuzuordnen sein. Dies ist jedoch nicht möglich. § 3 Abs. 2 des 2. Nachtrags zur Straßenreinigungsverordnung vom 12.12.2014 (zur Problematik der dynamischen Verweisung in § 3 Abs. 1 der 2. Nachtragssatzung vgl. Nds. OVG, Urteil vom 24.09.2010 - 8 LC 40/0 -, juris, Rn 50), worin die Winterdienstklassen definiert werden, unterscheidet dem Grunde nach zwischen Hauptverkehrsstraßen und solchen, auf denen ÖPNV stattfindet (Winterdienstklasse A), Nebenstraßen in Wohngebieten mit geringem Verkehrsaufkommen mit und ohne Höhenlage (Winterdienstklasse C und D) sowie Straßen mit nicht unbedeutendem Verkehr (Winterdienstklasse B). Eine Dreiteilung der innerörtlichen Gemeindestraßen nach ihrer Verkehrsbedeutung ist besonders im Straßenausbaubeitragsrecht weithin üblich, so dass in Zweifelsfällen die in diesem Rechtsgebiet herausgearbeiteten Abgrenzungskriterien auch bei Straßenreinigungsgebühren herangezogen werden können. Insoweit ist die erfolgte Kategorisierung rechtlich unbedenklich. Allerdings beschränkt der Satzungsgeber die Winterdienstklasse B auf diejenigen Straßen (und -abschnitte) mit nicht unbedeutendem Verkehr, „die aufgrund ihrer Lage als besonders gefährlich zu bezeichnen sind“. Problematisch ist daran bereits, dass unklar ist, auf wessen „Bezeichnung“ es dabei ankommt und ob ggf. eine ausdrückliche Benennung als besonders gefährliche Straßenlage durch Rat oder Verwaltung Voraussetzung der Einstufung sein soll; die Merkmale der Klassen A, C und D sind demgegenüber objektiv gefasst. Ungeachtet dessen sind jedenfalls die Straßen nicht von einer Winterdienstklasse eingeschlossen, deren Verkehrsaufkommen nicht unbedeutend ist, die aber keine auf ihrer Lage beruhenden besonderen winterlichen Gefahrenmomente aufweisen. Der Begriff der „Lage“ kann im Zusammenhang mit den gleichlautenden Begriffen in Klasse C und D ausschließlich geografisch als Höhenlage verstanden werden; sonstige Gefahrenpunkte wie scharfe Kurven, kurze Gefäll- und Steigungsstrecken, unübersichtliche Streckenführung, Fußgängerüberwege, Anliegergrundstücke mit erhöhten Anforderungen an die Leichtigkeit und Sicherheit des Ziel- und Quellverkehrs (z.B. Schul-, Hochschul-, Feuerwehr-, Krankenhaus- und Polizeigebäude) werden dagegen von der „Lage“ nicht erfasst. Nach diesem Begriffsverständnis dürften Straßen der Winterdienstklasse B ausschließlich in den höher gelegenen Ortsteilen sowie in den oberen Hanglagen im Osten des Stadtgebiets zu finden sein.

Die Straßen dagegen, die im Süden, Westen, Zentrum und Norden gelegen sind, weisen keine durch ihre Höhenlage bedingten besonderen Gefahrenmomente auf und können deshalb nicht zur Winterdienstklasse B und C gehören. Nach der Zuordnung der Hauptverkehrsstraßen und der Straßen mit ÖPNV zur Klasse A und den Nebenstraßen in Wohngebieten zur Klasse D verbleibt aus diesen Stadtgebieten eine erhebliche Anzahl von Straßen mit mehr als nur unbedeutendem, aber nicht der Klasse A zugehörigem Verkehrsaufkommen, die damit keiner Winterdienstklasse zugeordnet werden können. Dagegen kann die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, Straßen mit erheblichem Verkehrsaufkommen würden unabhängig von besonderen Gefahrenmomenten aufgrund ihres Verkehrsaufkommens und der damit zusammenhängenden Verkehrswichtigkeit als Hauptverkehrsstraßen eingestuft. Zum einen kommt es für die Frage, ob die satzungsrechtliche Regelung konkret vollständig ist, allein auf die ab-strakte Begriffsbestimmung durch den Rat, nicht aber auf die Anwendung im konkreten Fall durch die Verwaltung und deren Richtigkeit an. Zum anderen wäre die Winterdienstklasse B schlicht überflüssig, wenn es für die Straßen mit nicht unerheblichem Verkehrsaufkommen auf die besonderen Gefahrenmomente gar nicht ankäme, weil sie ohnehin der Klasse A zuzurechnen wären. Wenn der Ortsgesetzgeber der Winterdienstklasse A auch Straßen zuordnen will, die unabhängig von ihrer (Höhen-)Lage bevorzugt geräumt und gestreut werden sollen, weil bei ihnen besonders hohe Anforderungen an die jederzeitige Leichtigkeit und Sicherheit des Ziel- und Quellverkehrs bestehen (z.B. bei Infrastruktureinrichtungen wie Schul-, Hochschul-, Polizei-, Feuerwehr-, Post- und Bahngebäude, Krankenhäuser, Versammlungsstätten), so muss dies normativ festgelegt werden.

Außerdem beschränkt der Satzungsgeber die Zuordnung zu Straßen der Winterdienstklassen C und D ausdrücklich auf „Nebenstraßen in Wohngebieten“. Ein Wohngebiet ist nach §§ 2 bis 4a BauNVO ein Baugebiet, das dem Wohnen dient; Nebenstraßen, die insbesondere in Misch-, Kern-, Gewerbe-, Industrie- und Sondergebieten (vgl. §§ 7 - 11 BauNVO) liegen, werden von diesen beiden Winterdienstklassen nicht erfasst, womit ebenfalls gegen den Grundsatz der konkreten Vollständigkeit verstoßen wird.

Schließlich ist zweifelhaft, ob allein § 3 Abs. 2 Satz 2 der Straßenreinigungsverordnung hinreichend erkennen lässt, wann die Zuordnung einer Straße zu einer höheren Winterdienstklasse wegen des Erfordernisses einer zusammenhängenden Tourenplanung erfolgt. Diese Zweifel könnten beseitigt werden, wenn die Straßen, die wegen des Zusammenhangs im Tourenplan in eine andere Winterdienstklasse hochgestuft wurden, im Straßenbestandsverzeichnis mit einer Fußnote gekennzeichnet würden.

Wie bereits dargelegt, erfasst die Winterdienstklasse B keine Straßen der mittleren Verkehrsbedeutung, die unabhängig von ihrer (Höhen-)Lage besondere Gefahrenmomente anderer Art aufweisen. Dies wäre nur dann im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG  rechtlich unbedenklich, falls die Höhenlagen auch dann priorisiert geräumt und gestreut würden, wenn Schnee oder Glätte gleichmäßig für das gesamte Stadtgebiet, also gleichzeitig auch in den Straßen mit besonderen Gefahrenmomenten außerhalb der Höhenlagen, eintreten. Sollte für diese Fälle ein abweichender Streu- und Räumplan gelten, der die Reihenfolge verschiebt und Straßen mit nicht unerheblicher Verkehrsbedeutung in den niederen Lagen denjenigen in den Höhenlagen vorzieht, so ist kein sachlicher Grund erkennbar, beide Straßentypen zu unterschiedlichen Gebührensätzen zu veranlagen.

Auch der Gebührentatbestand ist unzulänglich geregelt. Die Kammer (Urteil vom 25.07.2014 - 3 A 68/13 -, juris, Rn. 27f) hat hierzu bereits ausgeführt:

Welche Straßen verkehrswichtig sind, was an deren übrigen Stellen zu veranlassen ist, ob die Verkehrswichtigkeit einer Straße hinsichtlich Fahrbahn, Geh- und Radweg auseinander fallen kann, und welche Winterdienstarbeiten an den anderen Straßen auszuführen sind, ist anhand des Ortsrechts der Beklagten nicht zu erkennen. … Die Bewertung, ob die öffentliche Einrichtung den Winterdienst in einer bestimmten Straße ordnungsgemäß durchgeführt hat, ob und welche Streumittel sie einsetzen muss, ob bzw. unter welchen Umständen sie Schnee und Eis von den ihrer Zuständigkeit unterfallenden Verkehrsflächen vollständig beseitigen muss, ist den Gebührenpflichtigen daher nicht möglich. Für welchen Erfolg sie eine Winterdienstgebühr bezahlen müssen, kann anhand des Ortsrechts der Beklagten nicht festgestellt werden.

Die einzige auf den Gebührentatbestand bezogene Regelung in der SRGS fand sich in § 4 Abs.1, wonach für die städtische Straßenreinigung, getrennt nach Sommer- und Winterdienst, Gebühren erhoben werden. Hinsichtlich Art, Umfang und Häufigkeit der durchzuführenden Tätigkeiten verwies § 2 SRGS dynamisch auf die Straßenreinigungsverordnung. Diese enthält in § 1 Abs. 2 Satz 3 die Regelung, dass der Winterdienst „insbesondere das Schneeräumen sowie das Bestreuen an den gefährlichen Stellen der verkehrswichtigen Straßen bei Schnee- und Eisglätte“ umfasst. Die Ermächtigungsgrundlage dafür ist § 52 Abs. 1 Satz 2 und 3 lit. c NStrG zu entnehmen, wonach zur Reinigung auch „bei Glätte das Bestreuen der Gehwege, Fußgängerüberwege und der gefährlichen Fahrbahnstellen mit nicht unbedeutendem Verkehr“ gehört. Die Merkmale der Gefährlichkeit und der Verkehrswichtigkeit sind dabei kumulativ zu verstehen; dies folgt aus der Herleitung der Notwendigkeit der Straßenreinigung aus der Verkehrssicherungspflicht und der entsprechenden höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil vom 05.07.1990 - III ZR 217/89 -, juris, Rn 29 und 32), welche die Normierung in § 52 NStrG motivierte. Die Stellen, an denen der Gesetzgeber die reinigungspflichtigen Gemeinden zum winterlichen Streueinsatz zwecks Verkehrssicherung verpflichtet, müssen also verkehrswichtig sein und gleichzeitig ein erhöhtes Gefahrenpotenzial aufweisen, das sich nicht schon aus den winterlichen Witterungsbedingungen selbst ergibt, die überall gleich herrschen. Gefährlich in diesem Sinne sind deshalb nur solche Stellen, an denen Fahrzeuge erfahrungsgemäß ihre Fahrtrichtung oder Geschwindigkeit erheblich verändern, denn dabei steigt die Gefahr des Rutschens oder Schleuderns (vgl. BGH, aaO., Rn 44; Hamacher/Lenz ua.-Thomas, KAG NRW, Stand: 02/16, § 6 Rn 232). Verkehrswichtig sind vor allem die verkehrsreichen Durchgangsstraßen sowie die vielbefahrenen innerörtlichen Hauptverkehrsstraßen (BGH, aaO., Rn 46 m.w.N.).

Die Beklagte überschreitet den vorgeschriebenen Umfang dieser Ermächtigungsgrundlage, indem sie in § 1 Abs. 4 ihrer Straßenreinigungsverordnung fingiert, dass die Trennstreifen, befestigten Seitenstreifen, Bankette sowie die nicht als Gehbahnen definierten Flächen der Fußgängerzone zur Fahrbahn gehören, und diese Flächen damit demselben Winterdienst- und Reinigungsregime wie die für den fließenden Fahrzeugverkehr vorgesehenen Flächen unterwirft. Denn ein erhöhtes Gefahrenpotenzial in diesen Bereichen ist nicht zu erkennen. Auch an anderer Stelle geht die Beklagte über die Grenzen der Ermächtigungsgrundlage hinaus. In § 2 Abs.1 lit. b ihrer Straßenreinigungsverordnung umschreibt die Beklagte die Straßenreinigungspflicht im Winterdienst als „die Beseitigung von Schnee und Eis durch Räumen und Abstreuen der Fahrbahnen an gefährlichen und verkehrswichtigen Stellen“. In § 1 Abs. 2 Satz 3 der Straßenreinigungsverordnung stellt sie dagegen auf „das Bestreuen an den gefährlichen Stellen der verkehrswichtigen Straßen“ ab. Letzteres steht in Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des BGH und dem daraus folgenden Verständnis der Kammer von § 52 Abs. 1 NStrG, wonach es nicht darauf ankommt, ob eine Fahrbahnstelle für die konkrete Straße verkehrswichtig ist; dies wäre beispielsweise auch für den Wendeplatz einer Stichstraße oder einen Fußgängerwechsel über einen wenig befahrenen Fahrradweg erfüllt. Vielmehr muss die Straße oder der selbständige Fahrradweg insgesamt verkehrsreich sein, um der gesetzlichen Formulierung des „nicht unbedeutenden Verkehrs“ zu erfüllen. § 2 Abs. 1 lit. b der Straßenreinigungsverordnung erweitert mithin die Streupflicht auch auf verkehrswichtige Stellen von Nebenstraßen, wozu § 52 Abs. 1 NStrG nicht ermächtigt.

Hinzu kommt, dass die Ermächtigungsgrundlage den straßenreinigungspflichtigen Kommunen zwar flächendeckendes Räumen von Schnee erlaubt, nicht jedoch ein flächendeckendes Streuen gegen Glätte. Der Einsatz von Streumitteln ist grundsätzlich beschränkt auf Gehwege, Fußgängerüberwege und besondere Gefahrenpunkte der verkehrsbedeutenden Straßen, welche auf den durch Kraftfahr- und Fahrradverkehr befahrbaren Flächen liegen. Kosten, die durch einen satzungsrechtlich vorgeschriebenen Winterdienst über das gesetzlich vorgegebene Maß hinaus entstehen, hat die Beklagte aus allgemeinen Deckungsmitteln zu finanzieren, wobei die Kammer dahin stehen lässt, ob dies in Form der Ausgliederung einrichtungsfremder Leistungen oder als Erhöhung des Öffentlichkeitsanteils für den Winterdienst zu erfolgen hat.

Nicht ein Problem von Gebührentatbestand und -maßstab, wohl aber der ordnungsgemäßen Kalkulation der Gebührensätze stellt es dar, dass sich die Beklagte in der „Anlage Straßenbestandsverzeichnis“ vielfach nicht an die Zuordnungskriterien des § 3 Abs. 2 des 2. Nachtrags zur Straßenreinigungsverordnung gehalten hat. Dies wird besonders deutlich bei den Straßen des Zentrums. Innerhalb des Wallrings sind - soweit ersichtlich - sämtliche Straße und Wege einschließlich der Fußgängerzone einheitlich der Winterdienstklasse B zugeordnet, obwohl - unabhängig von der Verkehrsbedeutung - ein Teil von ihnen vom ÖPNV durchfahren wird und deshalb zwingend zur Klasse A gehört. Es macht auch einen prägenden Unterschied für die Einstufung aus, ob eine Nebenstraße überwiegend vom Verkehr mit den erschlossenen Grundstücken frequentiert wird, ob es sich um eine zentrale Anlage der Fußgängerzone, eine Straße mit dem Ziel- und Quellverkehr einer Schule oder - wie die nördliche P. Straße - eine Anlage mit wechselnder Verkehrsbedeutung handelt. Eine falsche Einstufung hat eine Verschiebung der Kostenträgermenge zu einer unzutreffenden Winterdienstklasse zur Folge. Geschieht dies gehäuft, so wird die gewichtete Ermittlung der Kostenträgermenge (Seite 15 der Kalkulation 2015) falsch, was je nach dem Ergebnis zu einer Quersubventionierung, einer Gebührenüberhöhung oder einem Verzicht auf den angestrebten Kostendeckungsgrad führen kann. Vorliegend muss die Kammer weder die Summe der Kostenträgermenge für den Winterdienst von 2.067.100 Metern gewichteter Frontlängen, noch die satzungswidrigen Verschiebungen zwischen den Winterdienstklassen anhand der zutreffenden Eingruppierungen aller Straßen überprüfen, weil das Satzungsrecht ohnehin nichtig ist.

Rechtswidrig sind außerdem die Gebührensätze in § 4 Abs. 2 und 3 der 2. Nachtragssatzung, weil sie entgegen § 5 Abs. 2 NKAG nicht auf einer ordnungsgemäßen Kalkulation beruhen. In der vorgelegten Kalkulation der Gebührensätze für 2015 (Anlage 2, Seite 8 und 14) sind sowohl für den Sommer- als auch für den Winterdienst erhebliche Über- und Unterdeckungen aus verschiedenen Vorjahren eingestellt worden. Sie sind nicht durch rechtsfehlerfreie, ggf. nachträgliche Kalkulationen für die Jahre, in denen Über- und Unterdeckungen entstanden sein sollen, nachgewiesen werden, was im vorliegenden Fall nur durch eine ordnungsgemäße Neukalkulation möglich gewesen wäre (VG Göttingen, Urteil vom 16.12.2009 - 3 A 70/08 -, juris, Rn 21; Urteile vom 25.07. 2014, aaO.). Denn der Beklagten ist bekannt, dass sowohl Nachveranlagungen zu Straßenreinigungsgebühren für die Jahre 2006 bis 2010 (Urteil vom 17.04.2012 - 3 A 389/10 -) als auch Heranziehungsbescheide für die folgenden Jahre aufgehoben und die Entscheidungen tragend auch auf die Rechtswidrigkeit der festgelegten Gebührensätze für Sommer- und Winterdienst gestützt wurden, so dass die diesen Gebührensätzen zu Grunde liegenden, methodisch falschen Kalkulationen nicht zur Begründung unbeabsichtigter Gebührenunterdeckungen oder der Höhe nach zutreffender Gebührenüberdeckungen dienen können.

Dem kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Betriebsabrechnungsbögen für 2011 und 2012 hätten Überdeckungen von ca. 98.000 € ausgewiesen, und das Betriebsergebnis für 2013 schließe mit einem Defizit von ca. 109.000 €, welches nicht ausgeglichen worden sei; die Betriebsabrechnungsbögen seien einer Nachkalkulation oder auch Neukalkulation gleichzusetzen. Der Betriebsabrechnungsbogen ist ein Werkzeug, das im Rahmen der Kosten- und Leistungsrechnung Verwendung findet. Er ist eine nachträgliche Kostenkontrollrechnung in der Form einer tabellarischen Kostenstellenrechnung und hat den Zweck, bestimmte Kostenarten, in erster Linie die Gemeinkosten, über die Kostenbereiche auf die einzelnen Kostenstellen zu verteilen. Deshalb ist er nicht mit einer Neukalkulation der Gebührensätze nach den Vorgaben des § 5 Abs. 2 NKAG gleichzusetzen, auch wenn darin überholte Prognosezahlen durch die tatsächlich erwirtschafteten Betriebsergebnisse ersetzt werden müssen.

Der Betriebsabrechnungsbogen genügt schon aus formalen Gründen nicht den an eine Kalkulation der Gebührensätze zu stellenden Anforderungen. Erforderlich ist ein Rechenwerk, das als Ergebnis die zu beschließenden Gebührensätze ergibt. Es müssen zumindest die zentralen Positionen des Rechenwerks sowie etwaige Leitentscheidungen des Satzungsgebers ausgewiesen werden. Nähere Aufschlüsselungen der zentralen Positionen müssen entweder im Rechenwerk ausdrücklich enthalten oder aber zumindest auf Nachfrage ohne weiteres verfügbar sein. Die Stufen bzw. Einzelheiten der Berechnung müssen für die Ratsmitglieder in sich schlüssig und aus sich heraus verständlich dargestellt sein, wobei sich Einzelheiten auch erst aus Anlagen ergeben dürfen (Nds. OVG, Urteile vom 22.06.2009 - 9 LC 409/06 -, und vom 24.09.2013 - 9 LB 25/11 -, juris, Rn. 45f). Die hiernach notwendigen Angaben lassen sich nicht aus den Betriebsabrechnungsbögen entnehmen, weil dessen Zahlenwerk aus sich heraus über weite Strecken unverständlich ist. Insbesondere fehlt eine schlüssige Darstellung, aus welchen Einzelpositionen sich die genannten Endbeträge zusammensetzen und wie sich die jeweiligen Einzelpositionen ihrerseits berechnen. Darüber hinaus lagen sie nicht dem Rat der Beklagten vor und wurden von ihm nicht zustimmend zur Kenntnis genommen, was für eine Neukalkulation vergangener Kalkulationsperioden unabdingbar wäre; die Vorlage bei einem Ausschuss kann diese Anforderung wegen der alleinigen Zuständigkeit des Rates nicht ersetzen.

Die Nichtigkeit der in § 4 Abs. 2 und 3 der 2. Nachtragssatzung festgelegten Gebührensätze ergibt sich darüber hinaus auch aus der jüngsten Rechtsprechung des Nds. OVG. Durch Urteil vom 16.02.2016 (- 9 KN 288/13 -, juris, Rn 16f) hat der Senat entschieden, dass der Anteil des öffentlichen Interesses nicht pauschal (auf 25 % der gesamten Einrichtungskosten) festgelegt werden darf, sondern von jedem Einrichtungsträger anhand der örtlichen Gegebenheiten ermittelt werden muss:

Die Notwendigkeit, im Straßenreinigungsgebührenrecht einen Gemeindeanteil zu bestimmen und damit nicht die gesamten Kosten der Straßenreinigung auf die Eigentümer der an gereinigte Straßen angrenzenden Grundstücke (Anlieger) sowie (falls die Satzung dies vorsieht) auf die Eigentümer der weiteren durch die jeweilige Straße erschlossenen Grundstücke (Hinterlieger) abzuwälzen, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Straßenreinigung nicht nur im Interesse dieser Grundstückseigentümer innerhalb der öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung (Anliegerinteresse), sondern auch im Interesse der einrichtungsfremden Straßennutzer und in diesem Umfang im Allgemeininteresse durchgeführt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.5.1984 - 8 C 55.82 und 8 C 58.82 - BVerwGE 69, 242 sowie Rn. 17 in juris, Urteil vom 7.4.1989 - 8 C 90.87 - BVerwGE 81, 371 = KStZ 1989 192; Urteil des erkennenden Senats vom 8.6.1993 - 9 K 4785/91 - sowie dessen Beschluss vom 9.8.1999 - 9 L 2759/99 -; Lichtenfeld in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: September 2015, § 6 Rn. 744). Da die öffentliche Einrichtung “Straßenreinigung“ - in aller Regel und auch hier - nicht nur einzelne Straßen, sondern alle nach dem Satzungsrecht zu reinigenden Straßen, Wege und Plätze innerhalb der geschlossenen Ortslage umfasst (vgl. § 1 der angefochtenen Satzungen), sind Anliegerinteresse und Allgemeininteresse abweichend vom Straßenausbaubeitragsrecht zu definieren, bei dem die jeweilige ausgebaute Straße die öffentliche Einrichtung bildet und sich das Anliegerinteresse allein nach dem Umfang desjenigen Verkehrs, der von den an dieser Straße anliegenden Grundstücken ausgeht bzw. dorthin führt, bestimmt. Das Anliegerinteresse gibt im Straßenreinigungsgebührenrecht das Interesse wieder, das sämtliche Eigentümer von Grundstücken, die an gereinigte Straßen innerhalb der öffentlichen Einrichtung “Straßenreinigung“ angrenzen bzw. durch diese erschlossen werden, an der Reinigung der Straßen und sonstigen Anlagen innerhalb der öffentlichen Einrichtung haben. Das Allgemeininteresse wird dagegen begründet durch das Interesse der einrichtungsfremden Nutzer an gereinigten Straßen; zu diesen Nutzern gehören sowohl die ortsansässigen Eigentümer von Grundstücken an nicht zur öffentlichen Einrichtung Straßenreinigung gehörenden Straßen als auch die Ortsfremden, soweit diese beiden Personengruppen Durchgangsstraßen, Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr, Anliegerstraßen sowie sonstige gereinigte Einrichtungen der Gemeinde in Anspruch nehmen; außerdem kann die Gemeinde selbst zusätzlich ein eigenes Interesse an der Reinigung ihrer Straßen, Wege und sonstigen Anlagen innerhalb der satzungsmäßig definierten öffentlichen Einrichtung haben (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9.9.2015 - 6 A 10447/15 - 2. Leitsatz und Rn. 25 in juris zu entsprechenden Erwägungen bei wieder-kehrenden Straßenausbaubeiträgen). Der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verbietet es, diejenigen Kosten, die der Befriedigung dieses Allgemeininteresses dienen, den Anliegern (und Hinterliegern) aufzubürden (BVerwG, Urteile vom 25.5.1984 - 8 C 55.82 und 8 C 58.82 - Leitsatz und Rn. 17 in juris und vom 7.4.1989 - 8 C 90.87 - 1. Leitsatz und Rn. 16 in juris).

Die Festlegung der Höhe des auf das Allgemeininteresse entfallenden Teils der Straßenreinigungskosten (Gemeindeanteil) liegt im Ermessen des Ortsgesetzgebers (vgl. z. B. Beschluss des erkennenden Senats vom 17.10.2007 - 9 LA 377/05 - Rn. 8 in juris sowie dessen Urteil vom 1.2.2016 - 9 KN 277/14 -). Dabei belässt ihm der Gleichheitssatz für die Bewertung des Allgemeininteresses eine weitgehende Einschätzungsfreiheit (BVerwG, Urteil vom 7.4.1989 - 8 C 90.87 - KStZ 1989, 192 sowie 2. Leitsatz und Rn. 19 in juris). Die Ermessenserwägungen müssen aber alle für die Bemessung der Höhe des Allgemeininteresses wesentlichen Aspekte berücksichtigen (Wiedmann, Straßenreinigung und Winterdienst in der kommunalen Praxis, 7. Aufl. 2013, Rn. 353). Sie müssen sich aus den dem Rat vorgelegten Unterlagen - etwa der Sitzungsvorlage, der Gebührenkalkulation und deren Anlagen oder sonstigen Unterlagen - und/oder dem Protokoll der Ratssitzung ergeben (Wiedmann, a.a.O.). Es muss deutlich werden, dass sich der Ortsgesetzgeber bei seiner Entscheidung an den örtlichen Gegebenheiten orientiert hat, insbesondere an dem Verhältnis zwischen der Anzahl einerseits der Straßen, die überwiegend von dem zur öffentlichen Einrichtung gehörenden Personenkreis genutzt werden, und andererseits derjenigen Straßen, die in erheblichem Umfang auch einem einrichtungsfremden Benutzerkreis dienen (vgl. BVerwG, Urteil vom 7.4.1989, a.a.O.). Es ist zwar rechtlich zulässig, aber nicht notwendig, dass der Gemeindeanteil differenziert nach der Verkehrsbedeutung der jeweils gereinigten Straßen festgelegt wird (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 7.4.1989, a.a.O. sowie Urteil des erkennenden Senats vom 14.10.1997 - 9 L 3432/96 - Rn. 29 in juris). Wird jedoch ein das Allgemeininteresse an der gesamten öffentlichen Einrichtung der Straßenreinigung einheitlich abdeckender Gemeindeanteil festgelegt, muss nachvollziehbar sein, wie dieser ermittelt worden ist. Erforderlich ist, dass der Ortsgesetzgeber zunächst die Höhe des Allgemeininteresses ermittelt, das bei den einzelnen Straßengruppen (beispielsweise Anliegerstraßen, Straßen mit starkem innerörtlichen Verkehr, Durchgangsstraßen) und sonstigen Anlagen (beispielsweise öffentlich zugängliche Park- und Grünanlagen) in seinem Gebiet jeweils an der Straßenreinigung besteht; dabei wird er zu dem Ergebnis kommen müssen, dass das Allgemeininteresse umso höher ist, je intensiver einrichtungsfremde Nutzer die betreffende Straßengruppe oder Anlage in Anspruch nehmen. In einem weiteren Schritt sind sodann die jeweils gebildeten Straßengruppen und sonstigen Anlagen hinsichtlich ihrer jeweiligen Reinigungsfläche zueinander ins Verhältnis zu setzen. Aus diesem Verhältnis der verschiedenen Gruppen zueinander und dem Ausmaß der einrichtungsfremden Nutzung innerhalb der Gruppen errechnet sich der einheitlich festgelegte Gemeindeanteil (vgl. Wiedmann, a.a.O., Rn. 353). Soweit der Senat den Ansatz eines kommunalen Eigenanteils bei Straßenreinigungsgebühren in Höhe von 25 % generell als unbedenklich angesehen hat (Urteil vom 24.8.1994 - 9 K 5140/93 - Rn. 36 in juris; siehe auch Beschluss vom 9.8.1999 - 9 L 2759/99 -), hält er hieran nicht mehr fest, da der Gemeindeanteil nach den oben dargestellten Maßgaben im Hinblick auf die jeweiligen örtlichen Verhältnisse im Einzelfall zu ermitteln ist (vgl. entsprechend zum Fremdenverkehrsbeitragsrecht das Senatsurteil vom 1.2.2016 - 9 KN 277/14 -) und feste Prozentsätze für die Festlegung des Gemeindeanteils daher nicht in Betracht kommen. Außerdem dürfte ein Gemeindeanteil in dieser Höhe vor allem in Gemeinden mit einem hohen Anteil von Durchgangsstraßen, bei denen die Straßenreinigung überwiegend im Interesse einrichtungsfremder Nutzer durchgeführt wird, zu niedrig sein.

Die Kammer schließt sich dieser Rechtsauffassung an. Den vorgenannten Anforderungen genügt die frühere Festlegung des Gemeindeanteils an den Einrichtungskosten in § 4 Abs. 4 SRGS auf 25 % nicht. Die Nr. 2 dieser Vorschrift („für verkehrsreiche Straßen einschließlich Durchgangsstraßen“) verdeutlicht, dass die Beklagte bei der Bildung ihres Anteils nicht den oben dargestellten Maßgaben gerecht geworden sein kann, da sie das Anlieger- und Allgemeininteresse nur unvollständig bewertet hat. Es fehlt völlig die Berücksichtigung des Allgemeininteresses hinsichtlich der Reinigung der übrigen Straßentypen, die in unterschiedlicher Intensität ebenfalls von einrichtungsfremden Personen genutzt werden und bei denen daher ein Teil der Kosten auf das Allgemeininteresse an der Straßenreinigung entfällt (Nds. OVG, Urteil vom 16.02.2016, aaO., S. 11). Aus den vorgelegten Unterlagen ergeben sich auch keine Hinweise darauf, welche Ermessenserwägungen der Rat der Beklagten bei der Festlegung der in der Satzung ausgewiesenen Kriterien für die Bildung des Gemeindeanteils angestellt hat, aus welchen konkreten Gründen der Rat einen Gemeindeanteil gerade von 25 % gewählt hat, und auf welche Weise Gemeindeanteil in dieser Höhe errechnet worden ist. Nicht erkennbar ist außerdem, dass und wie die Straßengruppen zueinander ins Verhältnis gesetzt worden, die unterschiedlichen Maßstäbe für Sommer- und Winterdienst vergleichbar gemacht worden und  mit welchen Anteilen die Kosten des Sommer- und des Winterdienstes eingeflossen sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.