Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 03.12.2008, Az.: 5 A 873/08

Altersrente; Altersversorgung; Beitrag; beitragsfreier Rentenanspruch; Beitragsfreiheit; berufsständische Versorgung; Diskriminierung; Eigentum; Eigentumsrecht; geschlechtsspezifische Diskriminierung; Hinterbliebenenrentenanwartschaft; Rente; Rentenanspruch; Rentenbemessung; Rentenberechnung; Rentenfestsetzung; Umrechnung; Versorgung; Zahnarzt; Zahnärzteversorgung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
03.12.2008
Aktenzeichen
5 A 873/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 55112
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

§ 15 Abs. 2 ABH ist mit materiellem Recht, insbes. mit Art. 14 GG, vereinbar.

Mit Inkrafttreten der ABH zum 01.01.2007 ist die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Versorgungswerk der Zahnärztekammer Niedersachsen beseitigt.

Tatbestand:

1

Der am C. geborene Kläger ist Zahnarzt. Seit dem 01.10.1976 ist er beitragspflichtig im beklagten Altersversorgungswerk der Niedersächsischen Zahnärztekammer. Ab Mai 1977 war er verheiratet. Sein Beitrag erhöhte sich aus diesem Grund um 271,00 DM auf 479,00 DM monatlich. Nach rechtskräftiger Scheidung am 23.11.1999 erhöhte sich bei gleich bleibendem Versorgungsbeitrag seine Anwartschaft auf die monatliche Altersrente von zuvor 4.431,00 DM im Bescheid vom 01.04.1999 auf 6.510,00 DM im Bescheid vom 14.12.1999. Das vom Kläger gewählte Pensionierungsalter lag bei 64 Jahren und 6 Monaten. Mit Bescheid vom 29.06.2005 wurde festgestellt, dass der Stand seiner Altersversorgung ab 01.01.2005 bei dem vorgenannten Pensionierungsalter bei 3.479,17 EUR (Grundleistung) sowie 19,43 EUR (Zuzahlungen), d. h. insgesamt bei 3.498,60 EUR liege. Der aus den Beitragseinstufungen bis zum 31.12.2004 bestehende Rentenanspruch betrage 2.590,27 EUR.

2

Im Urteil vom 20.07.2006 - 8 LC 11/05 - führte das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - Nds. OVG - aus, dass das Versorgungswerk nicht über ein bewährtes Finanzierungssystem verfüge. Das gelte ungeachtet zwischenzeitlich in Kraft getretener Satzungsänderungen auch für die Jahre 2005 und 2006. Es sei immer noch mit Systemmängeln behaftet, zum Einen, weil aus der Satzung - der Alterssicherungsordnung (ASO) - nicht erkennbar sei, wie die Höhe der Altersrente zu ermitteln sei , zum Anderen und vor allem deshalb, weil das Versorgungswerk seine Aufgabe, seinen Mitgliedern eine grundsichernde Vollrente zu gewähren, nicht erfülle. Das inflationsbedingte Absinken des Realwerts der Altersrente um 1/3 sei mit der Zielvorgabe der Lebensunterhaltssicherung nicht in Einklang zu bringen, da die durchschnittliche Grundrente mit nur 1.091,03 EUR im Jahr 2003 nicht mehr deutlich über dem Grundsicherungsniveau liege. Ferner beanstandete das Gericht das Festhalten an dem hohen Rechnungszins von 4 %. Durch die Absenkung des Rechnungszinses ab dem 01.01.2005, von der nur ein geringfügiger Beitragsanteil betroffen sei, werde dieses Manko nicht kompensiert. Die jährliche Rentenanpassung sei nicht durch eine Deckungsrückstellung abgesichert und daher nicht garantiert. Daher habe es bei den Rentenempfängern im Jahr 2004 zu einer Verringerung des durchschnittlichen Gesamtrentenbetrages um nahezu die Hälfte kommen können.

3

Die Kammerversammlung der niedersächsischen Zahnärztekammer beschloss daraufhin am 04.11.2006 eine Übergangsregelung für die Rentenzahlungen ab dem 01.01.2007. In zwei Kammerversammlungen in der ersten Jahreshälfte 2007 scheiterte die vom Leitenden Ausschuss geplante Satzungsänderung, mit der die Vorgaben des Nds. OVG umgesetzt werden sollten, an der gemäß § 32 Abs. 2  ASO erforderlichen 3/4-Mehrheit. Der aufsichtsrechtlichen Anordnung des Nds. Ministeriums für Soziales, Familie, Frauen und Gesundheit, den Satzungsentwurf zu beschließen, wurde in der Kammerversammlung vom 29.06.2007 nicht entsprochen. Daraufhin setzte das Ministerium am 24.07.2007 die Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenensicherung der Zahnärztekammer Niedersachsen - ABH - im Wege der Ersatzvornahme in Kraft, und zwar rückwirkend zum 01.01.2007. Die genehmigte und veröffentlichte Satzung sieht nunmehr nicht mehr eine jährlich zu beschließende Rentenanpassung für die Grundrente vor. Stattdessen wird sowohl bei den Rentnern als auch bei den im Berufsleben stehenden Zahnärzten eine jährliche Überschussbeteiligung, soweit sie über dem Rechnungszins anfällt, dem individuellen Beitragskonto jedes Mitglieds des Altersversorgungswerks nach Maßgabe des Beschlusses der Kammerversammlung zugeschrieben. Der Rechnungszins wurde für die ab dem 01.01.2007 eingehenden Beitragszahlungen auf 2,75 % festgesetzt. Des Weiteren wurden die neuen modifizierten Sterbetafeln DAV 2004 R zugrunde gelegt und weitere Änderungen in Kraft gesetzt, u. a. das einheitliche Renteneintrittsalter von 65 Jahren sowie, bezogen auf die zukünftige Rentenhöhe, die Gleichstellung der männlichen und weiblichen Mitglieder, unabhängig vom Familienstand.

4

In dem Bescheid des Beklagten vom 14.12.2007, der dem Kläger mit einfachem Brief übersandt wurde, ist ausgeführt:

5

"Für Ihre Beitragszahlungen bis einschließlich dem 31.12.2006 bei einem Renteneintrittsalter von 65 Jahren erhalten Sie einen beitragsfreien Rentenanspruch in Höhe von:

6

 2.181,00 EUR

7

Dieser beitragsfreie Rentenanspruch setzt sich wie folgt zusammen:

8

Die Altersrente aus der Grundleistung auf Basis des Rechnungszinses von 4% verändert sich durch die Beitragsfreistellung zum 31.12.2006 und die Vereinheitlichung des Familienstandes bei Ihrem bisherigen Renteneintrittsalter von 64 Jahren und 6 Monate(n) auf:

9

 2.099,59 EUR

10

Durch die Umrechnung auf das Renteneintrittsalter von 65 Jahren verändert sich der vorstehend genannte beitragsfreie Rentenanspruch auf:

11

 2.164,52 EUR

12

Die Altersrente aus der Grundleistung auf der Basis des Rechnungszinses von 2,75% verändert sich durch die Beitragsfreistellung zum 31.12.2006, die Umrechnung dieser Ansprüche auf den Rechnungszins von 4% und die Vereinheitlichung des Familienstandes bei Ihrem bisherigen Renteneintrittsalter von 64 Jahren und 6 Monate(n) auf:

13

       1,39 EUR

14

Durch die Umrechnung auf das Renteneintrittsalter von 65 Jahren verändert sich der vorstehend genannte beitragsfreie Rentenanspruch auf:

15

       1,43 EUR

16

Die Altersrente aus den freiwilligen Zuzahlungen auf Basis des Rechnungszinses von 4% verändert sich durch die Beitragsfreistellung zum 31.12.2006 und die Vereinheitlichung des Familienstandes bei Ihrem bisherigen Renteneintrittsalter von 64 Jahren und 6 Monate(n) auf:

17

      14,60 EUR

18

Durch die Umrechnung auf das Renteneintrittsalter von 65 Jahren verändert sich der vorstehend genannte beitragsfreie Rentenanspruch auf:

19

      15,05 EUR.“

20

Über den Stand der Altersversorgung ab 2007 erhielten alle aktiven Mitglieder des Beklagten mit Datum vom 17.12.2007 ein Auskunftsschreiben. Hiernach beträgt die voraussichtliche Höhe der Rentenzahlung des Klägers im Alter von 65 Jahren aus Beitragsleistungen und freiwilliger Zuzahlung 2.582,50 EUR.

21

Der Kläger hat am 17.01.2008 Klage gegen den Bescheid vom 14.12.2007 erhoben. Zur Begründung trägt er vor, die auf § 15 Abs. 2 ABH beruhende Festsetzung des beitragsfreien Rentenanspruchs sei rechtswidrig aus folgenden Gründen: Der Bescheid vom 29.06.2005, in dem seine monatliche Altersrente bei einem Pensionsalter von 64,6 Jahren auf 3.498,60 EUR bestandskräftig festgesetzt worden sei, sei weder aufgehoben noch widerrufen worden. § 15 Abs. 2 ABH verstoße gegen Art. 14 GG. Sein Vertrauen in den Bestand der Rentenzusage sei durch die Regelung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ABH ex tunc verletzt worden, ohne dass es hierfür eine Rechtfertigung gebe. Die Regelung sei wegen Verletzung des Rechtsstaatsprinzips rechtswidrig. Sein Vertrauen in die Bestandskraft des bisherigen Bescheides werde durch den neuen Bescheid vom 14.12.2007 auch dadurch verletzt, dass das Rentenalter auf das 65. Lebensjahr umgerechnet worden sei, was seine bisherige Lebensplanung, die einen Beginn der Rente mit 64 Jahren und 6 Monaten beinhalte, zunichte mache. Das stelle für ihn einen finanziellen Nachteil in Höhe von 25.000,00 EUR dar.

22

Seine erdiente Versorgungsanwartschaft beruhe ausschließlich auf Eigenleistung. In diesen Rechtsanspruch werde in unverhältnismäßiger Weise eingegriffen. Ihm werde ein doppeltes Sonderopfer abverlangt, da er nicht nur dadurch betroffen sei, dass sich seine Grundrentenanwartschaft - im Gegensatz zu den Renten der derzeitigen Versorgungsempfänger - nach den neuen Rechnungsgrundlagen verringere, sondern auch dadurch, dass er als Lediger die Witwen-/Witwerrentenanwartschaft der verheirateten Mitglieder zu finanzieren habe. § 15 Abs. 2 Satz 2 ABH stelle eine unzulässige Rückbewirkung dar. Dessen Anwendungsbereich liege vor dem Zeitpunkt, zu dem die Norm gültig geworden sei. Hierfür gebe es keine Rechtfertigung. Die von ihm erworbene Rentenanwartschaft werde um nahezu 50 % gekürzt. Die gemäß § 15 Abs. 7 ABH vorgesehene Erhöhung der Altersrente um 10 % für Mitglieder, bei denen bei Beginn der Altersrente keine Witwen- /Witwerrentenanwartschaft bestehe, vermöge den erlittenen Verlust nicht auszugleichen.

23

Art. 4 der Richtlinie (RL) 79/7/EWG beinhalte den Grundsatz der Gleichbehandlung, insbesondere für den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen. Er besage jedoch nicht, dass Ledige und Verheiratete tariflich grundsätzlich völlig gleich zu behandeln seien. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Richtlinie überhaupt anzuwenden sei, da sie in das nationale Recht nicht umgesetzt worden sei. Die Gleichstellung mit Verheirateten stelle eine Diskriminierung der Ledigen dar, die ein Risiko absichern müssten, welches sich bei ihnen nicht realisieren könne.

24

Der ABH fehle es an der Rentenberechnungsformel. Auch insoweit fehle es an der Rechtswirksamkeit der Norm. Aus der neuen Satzung sei nicht ersichtlich, nach welcher nachvollziehbaren Berechnung der beitragsfreie Rentenanspruch zum 31.12.2006 ermittelt worden sei. Die Aussage, sie bestimme sich nach den Rechnungsgrundlagen des Altersversorgungswerkes, die bis zum 31.12.2006 gegolten hätten, reiche nicht aus, weil die bisherigen Rechnungsgrundlagen nach der Rechtsprechung des Nds. OVG nicht nachvollziehbar gewesen seien.

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Er - der Kläger - könne die Verminderung der Grundrentenanwartschaft bis zum Rentenbeginn durch Überschussbeteiligungen voraussichtlich nicht ausgleichen. Auch führe die Aussicht auf die Teilhabe an der verursachungsgerechten Verteilung von Überschüssen nicht zu einer vermögensrechtlich kalkulierbaren Rechtsposition. Schließlich werde in seine Rentenanwartschaft auch dadurch eingegriffen, dass § 18 Abs. 1 ABH über die Leistung einer Witwen- /Witwerrente für eingetragene Lebenspartnerschaften entsprechend gelte. Dies führe zur Belastung der Solidargemeinschaft des Versorgungswerkes.

26

Der Kläger beantragt,

27

den Bescheid der Beklagten vom 14.12.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

28

Der Beklagte beantragt,

29

die Klage abzuweisen.

30

Er erwidert, der Bescheid vom 14.12.2007 sei rechtmäßig. Es handele sich um einen feststellenden Bescheid, mit dem das „Altsystem“ des Versorgungswerks abgeschlossen worden sei, nachdem wesentliche Teile der bis dahin geltenden Satzung (ASO) vom Nds. OVG als rechtswidrig beurteilt worden seien. Da eine Rechtsgrundlage für die Zahlung einer Rentenanpassung nicht existiert habe, habe die neue Satzung am 24.07.2007 rückwirkend zum 01.01.2007 in Kraft gesetzt werden müssen. Die Einführung des sog. Unisex-Tarifes gemäß der Richtlinie 79/7/EWG vom 19.12.1978 sei Vorbedingung für die aufsichtsrechtliche Inkraftsetzung der Satzung gewesen, da die Frist für die Umsetzung bereits am 23.12.1984 abgelaufen gewesen sei. Der Rechnungszins für Beitragszahlungen ab dem 01.01.2007 sei auf 2,75 % abgesenkt und aufgrund der Längerlebigkeit der aktiven Mitglieder des Versorgungswerks seien die neuen modifizierten Sterbetafeln DAV 2004 R eingeführt worden. Diese Veränderungen in den Rechnungsgrundlagen des Versorgungswerks seien Gegenstand des Technischen Geschäftsplans. Sie seien vom Niedersächsischen Wirtschaftsministerium genehmigt worden.

31

Das einheitliche Renteneintrittsalter der Vollendung des 65. Lebensjahres sei gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 ABH eingeführt worden, weil das bis dahin geltende individuelle Pensionierungsalter zum Einen zu erheblichen Ungerechtigkeiten, z. B. im Falle des Bezugs einer Berufsunfähigkeitsrente, geführt habe, und zum Anderen weil die zu erwartende Rentenhöhe nicht aus der Satzung habe entnommen werden können, was unbedingte Forderung der obergerichtlichen Rechtsprechung gewesen sei. Nunmehr könne die voraussichtliche, nunmehr durch eine Deckungsrücklage im vollen Umfang garantierte Rentenhöhe von jedem Mitglied selbst aus der ABH i. V. m. den Anlagen 1 - 3 ermittelt werden. Wie zuvor könne jedes Mitglied den Beginn der Altersrente zwischen der Vollendung des 60. und des 68. Lebensjahres frei wählen. Aus der satzungsmäßigen Umrechnung des Renteneintrittszeitpunkts auf das 65. Lebensjahr ergebe sich kein Eingriff in Rentenanwartschaften.

32

Der Kläger habe keinen Rechtsanspruch auf die inhaltliche Fortgeltung des Bescheids vom 29.06.2005. Hierbei handele es sich lediglich um eine Prognoseberechnung auf der Basis der aktuellen Beitragseinstufung und der aktuellen Rechnungsgrundlagen des Versorgungswerkes. Letztere hätten auch in früheren Jahren an variable Faktoren angepasst werden müssen wie an den sich ändernden Versorgungsbeitrag und die sich ändernde Lebenserwartung der Mitglieder, ferner die Entwicklung auf dem Kapitalmarkt und die Geldentwertung/Inflation. Der Kammerversammlung stehe es frei, im Rahmen ihrer Satzungsautonomie die Satzung einer sich ändernden gesellschaftlichen Ordnung anzupassen. Die Gleichbehandlung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit Verheirateten in § 18 ABH führe nicht zur wirtschaftlichen Belastung des Altersversorgungswerkes.

33

Das Gericht hat zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung mehrere Aufklärungsverfügungen erlassen. Auf deren Inhalt sowie den Inhalt der Stellungnahmen des Beklagten vom 24.11.2008 und vom 28.11.2008 wird verwiesen.

34

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, insbesondere am 17.01.2008 fristgerecht erhoben worden, da der angefochtene Bescheid als einfacher Brief abgesandt wurde und gemäß § 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG erst am dritten Tag als bekannt gegeben gilt.

36

Sie ist aber unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 14.12.2007 hat Bestand. Dem Kläger steht ein Rechtsanspruch auf Neubescheidung über seinen beitragsfreien Rentenanspruch zum 31.12.2006 nicht zur Seite.

37

Rechtsgrundlage für die Festsetzung des beitragsfreien Rentenanspruchs mit Bescheid des Beklagten vom 14.12.2007 ist § 15 Abs. 2 Sätze 1 und 2 ABH. Die Regelungen sind formell rechtswirksam. Unschädlich ist es, dass die neue Satzung nicht von dem zuständigen Organ, der Kammerversammlung (§ 3 Nr. 6 ASO), beschlossen worden ist. Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit hat mit Verfügung vom 31.05.2007 gemäß § 87 Abs. 3 Satz 1 Heilkammergesetz - HKG - gegenüber dem Beklagten mit Fristsetzung angeordnet, den - lediglich redaktionell geänderten - Satzungsentwurf als Satzung des Beklagten zu beschließen und die beschlossene Satzung unverzüglich bekanntzumachen. Im Falle des Nichtbefolgens der Anordnung wurde angedroht, die Beschlussfassung im Wege der Ersatzvornahme gemäß § 87 Abs. 3 Satz 2 HKG durchzusetzen. Nachdem die Kammerversammlung in ihrer außerordentlichen Sitzung vom 29.06.2007 - wie zuvor auch schon in den vorangegangenen außerordentlichen Kammerversammlungen - die gemäß § 32 Abs. 2 ASO erforderliche 3/4 Mehrheit verfehlt hatte, ordnete das Ministerium mit Bescheid vom 23.07.2007 die sofortige Vollziehung der aufsichtsrechtlichen Maßnahme vom 31.05.2007 an und nahm am 24.07.2007 den Beschluss der "Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenensicherung der Zahnärztekammer Niedersachsen" ersatzweise auf Kosten des Beklagten vor. Damit ist die Satzung formell ordnungsgemäß im Wege der Ersatzvornahme zustande gekommen. Die Satzung ist nach Genehmigung durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 23.07.2007 auch ordnungsgemäß bekannt gemacht worden (ZKN-Mitteilungen 2007, 483 ff.) und gemäß § 37 ABH rückwirkend zum 01.01.2007 in Kraft getreten.

38

Die rückwirkende Inkraftsetzung der ABH zum 01.01.2007 ist auch materiellrechtlich unbedenklich. Denn im Urteil des Nds. OVG vom 20.07.2006 - 8 LC 11/05 - (GewArch 2007, 33-38, NdsVBl 2007, 124-129, - juris -) ist ausgeführt, dass der Beklagte auch unter Berücksichtigung der später in Kraft gesetzten Änderungen seit 2003 nicht mehr über ein bewährtes Finanzierungssystem verfügt hatte. In der Entscheidung hat das Nds. OVG nicht nur die Regelung in § 12 c ASO für rechtswidrig erklärt, sondern dargelegt, dass das Finanzierungssystem umgehend geändert werden müsse. Hierzu zählen neben der Einnahmenseite und der Art der Leistungsberechnung auch die - zukünftige - Ausgabenseite. Mithin haben die berufstätigen Zahnärzte mit einer umfassenden Neuregelung ihrer Alterssicherungsordnung spätestens zum Beginn des auf die Entscheidung  vom 20.07.2006 folgenden Beitragsjahres rechnen müssen. Insoweit können sie sich nicht auf enttäuschtes Vertrauen berufen.

39

Der Bescheid vom 14.12.2007 beruht auf § 15 Abs. 2 ABH, welcher lautet:

40

"Für die bis zum 31.12.2006 gezahlten Beiträge wird eine beitragsfreie Altersrente nach den Rechnungsgrundlagen des Altersversorgungswerks, die bis zum 31.12.2006 galten, berechnet und vom bisherigen individuell festgelegten Renteneintrittsalter auf das Rentenalter 65 umgerechnet. Bei Mitgliedern, die am 31.12.2006 im Altersversorgungswerk ohne Witwen- bzw. Witwerrentenanspruch geführt werden, erfolgt zusätzlich die Umrechnung auf ein verheiratetes Mitglied."

41

Der Beklagte hat nach Maßgabe dieser Regelung den beitragsfreien Rentenanspruch des Klägers festgesetzt. Fehler im Hinblick auf die Anwendung dieser Satzungsregelung sind nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich.

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Der Rechtmäßigkeit des Bescheides steht nicht entgegen, dass der vorangegangene Bescheid des Beklagten vom 29.06.2005 nicht aufgehoben und auch nicht widerrufen worden ist. In dem letztgenannten Bescheid war die Rentenanwartschaft des Klägers, d. h. die Rentenprognose für den von ihm gewählten Rentenbeginn (64,6 Jahre) und für den Fall der regelmäßigen Beitragszahlung in der zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses gezahlten Höhe geregelt worden. Eine derartige Rentenprognose hat Bestand - unter der Voraussetzung, dass die Kammerversammlung der Niedersächsischen Zahnärztekammer nicht zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Versorgungswerkes zu Änderungen in den Rechnungsgrundlagen des Werkes gezwungen ist, wie die Berücksichtigung aktueller Sterbetafeln und ggf. die aufgrund geänderter Renditeerwartung notwendigen Anpassungen des Rechnungszinses. Außerdem ändert sich die jährliche Rentenprognose z. T. aufgrund von geringfügigen jährlichen Beitragsänderungen (Beitragserhöhungen), die durch die Bezugnahme auf Beitragsregelungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 23 Abs. 2 ABH) entstehen.

43

Der hier streitige Bescheid vom 14.12.2007 regelt hingegen einen anderen Sachverhalt; er stellt ein aliud dar. Er setzt die Regelung in § 15 Abs. 2 ABH um, wonach das Altsystem (ASO) zum 31.12.2006 geschlossen wurde und die Mitglieder von weiteren Beiträgen nach diesem Altsystem freigestellt wurden. Des Weiteren wurden alle bis dahin geleisteten Beitragszahlungen - auch die 2005 und 2006 gezahlten Beitragserhöhungsanteile, soweit sie bereits zu dem neuen Rechnungszins von 2,75 % verzinst worden waren (§ 12 a Abs. 1 Satz 2 ASO 2005) -, zu dem einheitlichen Rechnungszins von 4 % auf das Renteneintrittsjahr 65 umgerechnet. In der Sache handelt es sich um die Umsetzung der Trennung zwischen Altsystem und Neusystem zum 31.12.2006 und damit um eine gänzliche Neuregelung.

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Die Umrechnung des Rentenanspruchs vom bisherigen individuellen Renteneintrittsalter auf das Renteneintrittsalter 65 Jahre in § 15 Abs. 2 Satz 1 ABH - beim Kläger führt dies zu einer Umrechnung von 64,6 Jahren auf 65 Jahre - ist nicht deshalb rechtswidrig, weil sie in seine bisherige Lebensplanung eingreift. Der Beklagte hat in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass das nunmehr einheitliche Renteneintrittsalter lediglich eine versicherungsmathematische Größe darstellt, um transparent und für jedes Mitglied nachvollziehbar anhand von Tabellen im Anhang zu der neuen Satzung den erworbenen Rentenanspruch aus den Beitragszahlungen berechnen zu können. Die Rechnung mit unterschiedlichen individuellen Renteneintrittsaltern in § 12 Abs. 2 ASO war intransparent und in der Durchführung sehr kompliziert. Aus diesem Grunde war von der Möglichkeit der Berechnung der voraussichtlichen Rentenhöhe anhand der Tabellen in Anl. 1 - 2b zu § 12a ASO mit Wirkung vom 01.01.2000 abgegangen und die Tabellen in der Satzung mit dem Zusatz: "gültig bis 31.12.1999" versehen worden. Das Nds. OVG hatte im Urteil vom 20.07.2006 - 8 LC 11/05 - aber ein transparentes Verfahren und die Berechenbarkeit der Rentenanwartschaft anhand einer Rentenformel ausdrücklich gefordert. Durch die Umrechnung werden Rechtswirkungen lediglich insoweit erzeugt, als Ungerechtigkeiten bei zukünftigen Berufsunfähigkeitsrentenbeziehern beseitigt worden sind . Weder dem einzelnen Mitglied noch dem Altersversorgungswerk entstehen Verluste. Vor allen Dingen steht es aber jedem Mitglied auch zukünftig frei, seine Ansprüche vorzuziehen oder später geltend zu machen, wie aus § 15  Abs. 3 und 4 ABH ersichtlich. Aus diesem Grunde zu besorgende rechtliche bzw. finanzielle Nachteile sind nicht dargetan worden. Gleiches gilt für die Einführung der Lebenspartnerrentenanwartschaft durch die entsprechende Anwendung des § 18 Abs. 1 ABH auf eingetragene Lebenspartnerschaften, § 18 Abs. 2 ABH. Der Beklagte hat mitgeteilt, dass zum Stichtag des 31.12.2006 zwei eingetragene Lebenspartnerschaften angezeigt worden waren. Die Finanzierung der dadurch entstandenen Hinterbliebenenrentenanwartschaft ist im Risikobereich - gemessen am Gesamtdeckungsstock -  marginal und mithin für den einzelnen Leistungsanwärter eine zu vernachlässigende Größe.

45

Der Beklagtenseite ist darin zuzustimmen, dass sie bei Inkrafttreten der ABH gehalten war, die bisherige Regelung in § 12a Abs. 1 ASO über die Berechnung der Grundrente zu ändern. Denn die Regelung, wonach die Höhe der Altersrente abhängig war u. a. vom Geschlecht des Mitgliedes, beinhaltete einen Verstoß gegen geltendes EU-Recht. Dabei setzt sich Gemeinschaftsrecht uneingeschränkt gegen entgegenstehendes nationales Recht, sogar gegen Verfassungsrecht, durch (EuGH, - Rs. C-6/64 - (Costa), Slg. 1964, 1251, 1269 ff, - juris -; Herdegen, Europarecht, 8. A., § 11 Rdnr. 1; Haltern, Europarecht, Rdnr. 368 f). Das hat das nationale Gericht von Amts wegen zu beachten, denn zur Beachtung des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts sind die mitgliedstaatlichen Organe der Exekutive und der Judikative verpflichtet (Jarrass, NVwZ 2004, 1 ff, 12,13; Nettelheim in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Kommentar, Bd III, Art. 141, Rdnr. 140 u. Art. 249, Rdnr. 183). Unmittelbar wirksame Richtlinienbestimmungen sind in der deutschen Rechtsordnung als Normen zu behandeln (Nettelheim, a.a.O., Art. 249, Rdnr. 185).

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Die Richtlinie (RL) 79/7/EWG des Rates vom 19.12.1978 lautet wie folgt:

47

"Artikel 1

48

Diese Richtlinie hat zum Ziel, dass auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit und der sonstigen Bestandteile der sozialen Sicherung im Sinne von Artikel 3 der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit - im folgenden "Grundsatz der Gleichbehandlung" genannt - schrittweise verwirklicht wird.

49

Artikel 2

50

Diese Richtlinie findet Anwendung auf die Erwerbsbevölkerung - einschließlich der selbständigen, deren Erwerbstätigkeit durch Krankheit, Unfall oder unverschuldete Arbeitslosigkeit unterbrochen ist, und der Arbeitsuchenden - sowie auf die im Ruhestand befindlichen oder arbeitsunfähigen Arbeitnehmer und Selbständigen.

51

Artikel 3

52

(1) Diese Richtlinie findet Anwendung

53

a) auf die gesetzlichen Systeme, die Schutz gegen folgende Risiken bieten: - Krankheit,

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- Invalidität,

55

- Alter,

56

- Arbeitsunfall und Berufskrankheit,

57

- Arbeitslosigkeit;

58

b) auf Sozialhilferegelungen, soweit sie die unter Buchstabe a) genannten Systeme ergänzen oder ersetzen sollen.

59

(2) Diese Richtlinie gilt nicht für Regelungen betreffend Leistungen für Hinterbliebene sowie für Regelungen betreffend Familienleistungen, es sei denn, daß es sich um Familienleistungen handelt, die als Zuschläge zu den Leistungen aufgrund der in Absatz 1 Buchstabe a) genannten Risiken gewährt werden.

60

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Artikel 4

62

(1) Der Grundsatz der Gleichbehandlung beinhaltet den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im besonderen betreffend: - den Anwendungsbereich der Systeme und die Bedingungen für den Zugang zu den Systemen,

63

- die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge,

64

- die Berechnung der Leistungen, einschließlich der Zuschläge für den Ehegatten und für unterhaltsberechtigte Personen, sowie die Bedingungen betreffend die Geltungsdauer und die Aufrechterhaltung des Anspruchs auf die Leistungen.

65

(2) Der Grundsatz der Gleichbehandlung steht den Bestimmungen zum Schutz der Frau wegen Mutterschaft nicht entgegen.

66

…"

67

Der personelle Anwendungsbereich der Richtlinie ist eröffnet. Sie findet gemäß Art. 2 Anwendung auf die Erwerbsbevölkerung einschließlich der selbständigen, mithin auf die angestellten und selbständigen Zahnärzte im Versorgungswerk des Beklagten. Auch ist der sachliche Anwendungsbereich gegeben, da die gesetzlichen Systeme, die Schutz gegen die Risiken Krankheit, Invalidität, Alter, Arbeitsunfall und Berufskrankheit bieten, von der Anwendung der Richtlinie gemäß Art. 3 Abs. 1, 1. bis 4. Spiegelstrich erfasst sind. Gesetzliche Systeme sind auch solche, die auf einem Gesetz beruhen (EuGH vom 16.12.1999, - C-382/98 - (Taylor), Rdnr. 15, - juris -; Bieback in: Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. A., Nomos-Kommentar, RL 79/7/EWG, Art. 3 Rdnr. 4). Dazu gehört das Versorgungswerk; es findet seine gesetzliche Grundlage in § 12 HKG. Zwar gilt die Richtlinie nach Art. 3 Abs. 2 nicht für die Leistungen für Hinterbliebene. Die Erwirtschaftung der Mittel für die Witwen-/Witwer- sowie Waisenrentenanwartschaft sowie die Voraussetzungen für Leistungen aus diesen Rentenarten sind aber sowohl nach der früheren ASO (§ 11 Nr. 3, 4, §§ 14, 15, 17) als auch nach der ABH (§ 13 Nr. 3, §§ 18, 19) in das Beitrags- und Leistungssystem satzungsmäßig so integriert, dass die Hinterbliebenenversorgung nicht isoliert betrachtet werden kann.

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Art. 4 Abs. 1 der RL beinhaltet den Fortfall jeglicher unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand, und zwar im Besonderen betreffend die Beitragspflicht und die Berechnung der Beiträge sowie die Berechnung der Leistungen. Da die Berechnung der Leistungen in § 12a ASO an das Geschlecht anknüpfte, lag bis zum 31.12.2006 eine unmittelbare Diskriminierung der weiblichen Mitglieder des Beklagten vor.

69

Zwar ist die Richtlinie in Deutschland nie in innerstaatliches Recht umgesetzt worden. Das ist aber unerheblich, wenn eine Bestimmung keinen Umsetzungsspielraum bietet. Das ist bei Art. 4 Abs. 1 der Fall; die Regelung erfüllt die Voraussetzung, "gleichsam schon aus sich heraus ein perfektes Normprogramm zu enthalten" (Bieback, a.a.O., Art. 141 EGV, Rdnr. 6; ständige Rspr. d. EuGH, statt vieler - C-30/85 - (Teuling), Slg. 1987, 2497, - juris). Art. 4 Abs. 1 RL 79/7/EWG ist für sich betrachtet unter Berücksichtigung der Zielsetzung der Richtlinie und ihres Inhalts hinreichend genau und unbedingt (EuGH, C-102/88 - (Ruzius-Wilbrink), Slg 1989, 04311, - juris -). Art. 4 Abs. 1 ist nach Ablauf der in Art. 8 enthaltenen Umsetzungsfrist von sechs Jahren ab Bekanntgabe der Richtlinie in allen Staaten der Europäischen Gemeinschaft geltendes Recht. Die Frist ist am 23.12.1984 abgelaufen (Langenfeld in: Grabitz/Hilf, a.a.O., Art. 141 EGV, Rdnr. 137). Spätestens seit diesem Zeitpunkt hätte die Berechnung der Grundrente u. a. nach dem Faktor Geschlecht, die aufgrund der biometrischen Besonderheit der Längerlebigkeit der Frauen gegenüber Männern um mehr als vier Jahre zu deren Benachteiligung bei der Rentenhöhe führt, aus der Satzung des Versorgungswerks entfernt sein müssen (vgl. EuGH, U. v. 01.07.1993 - C-154/92 - (van Cant), Slg. 1993, I-3811, 3843 Rdnr. 14,  - juris -). Dabei handelt es sich um das bundesweit einzige von 84 Versorgungswerken, bei dem die Berücksichtigung des Faktors Geschlecht bei der Berechnung der Leistungen noch bis zum 31.12.2006 Satzungsrecht war. Die zur sog. ersten Säule der Alterssicherung gehörenden Berufsständischen Versorgungseinrichtungen unterliegen insoweit strengeren Bestimmungen als private Versicherungen. Das entspricht ihrer Funktion, möglichst umfassenden Schutz vor den in Art. 4 Abs. 1 der RL 79/7/EWG aufgeführten Risiken zu bieten. Gleiches gilt für die Systeme der betrieblichen Altersversorgung (sog. zweite Säule der Alterssicherung), welche die Einrichtungen der ersten Säule ergänzen oder ersetzen (Haverkate/Huster, Europäisches Sozialrecht, Rdnr. 736 f). Lediglich für die freiwillige ergänzende Alterssicherung durch private Versicherungen (sog. dritte Säule der Alterssicherung) sind weniger strikte Regularien vorgesehen. Gemäß Art. 5 Abs. 1 der RL 2004/113/EG ist zwar auch dort die Berücksichtigung des versicherungsmathematischen Faktors Geschlecht bei der Berechnung von Prämien und Leistungen unzulässig. Wenn die Mitgliedstaaten aber vor dem 21.12.2007 die Berücksichtigung des Geschlechts als bestimmenden mathematischen Faktor in einem Gesetz beschlossen haben, verstößt dies - unter Berücksichtigung weiterer Voraussetzungen - gemäß Art. 5 Abs. 2 RL 2004/113/EG nicht gegen geltendes EU-Recht. Von dieser Ausnahmeregelung hat Deutschland durch Umsetzung der letztgenannten Richtlinie in § 20 Abs. 2 Satz 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) rechtzeitig Gebrauch gemacht. Diese Ausnahmeregelung, die - wie ausgeführt -, nur die durch privatrechtlichen Vertrag freiwillig eingegangenen (Renten)-Versicherungen betrifft, ist auf die auf Gesetz beruhenden Systeme der sozialen Sicherung, d. h. die Alterssicherungssysteme der ersten Säule - zu der die gesetzliche Rentenversicherung sowie die berufsständischen Versorgungswerke gehören und welche u. a. durch Pflichtmitgliedschaft charakterisiert sind - nicht anwendbar.

70

Verstößt das nationale Recht gegen eine unmittelbar (vertikal) geltende Regelung in einer EU-Richtlinie, ist es dem nationalen Gesetzgeber unbenommen, für die Zukunft eine Beseitigung des Gleichheitsverstoßes durch eine „Anpassung nach unten“ vorzunehmen (Haverkate/Huster, a.a.O., Rdnr. 734). Für die Vergangenheit bleibt aber die günstigere Regelung das einzige Bezugssystem. Dabei wirkt der Gleichstellungsanspruch der betroffenen Gruppe grundsätzlich bis zum Ende der Umsetzungsfrist zurück (ständige Rspr. d. EuGH, statt vieler: U. v. 04.12.1986, - C-71/85 - (Vakbeweging), - juris -; U. v. 24.03.1987, -- C-286/85 - (McDermott u. Cotter), - juris - ; U. v. 24.06.1987, - C 384/85 - (Clarke), - juris -; U. v. 13.12.1989, - C-102/1989 - (Ruzius-Wilbrink), a.a.O.). Frauen, die von einer Diskriminierung betroffen sind, haben den Anspruch auf gleiche Behandlung und auf die Anwendung der gleichen Regelung wie Männer, die sich in der gleichen Lage befinden (EuGH, U. v. 01.07.1993 - C-154/92 - (van Cant), a.a.O.; U. v. 24.02.1994 - C-343/92 - (Roks), - juris -).

71

In der mündlichen Verhandlung wurde von der Beklagtenseite verdeutlicht, dass dem Versorgungswerk eine Beseitigung der Diskriminierung durch die Anwendung der für die männlichen Mitglieder geltenden günstigeren Regelung auf die diskriminierten weiblichen Mitglieder nicht möglich war. Es stehen nicht die finanziellen Mittel zur Verfügung, um die nach der Rechtsprechung des EuGH an sich gebotene gleiche Behandlung aller Frauen und Männer- unabhängig vom Familienstand - entsprechend der für die ledigen Männer geltenden günstigsten Regelung zu erreichen. Das Versorgungswerk kann auch die Benachteiligung nur der ledigen Frauen gegenüber den ledigen Männern nicht auf diesem Wege beseitigen. Das ist für das Gericht nachvollziehbar. Ein Berufsständisches Versorgungswerk kann die Deckungsrückstellungen für die Rentenanwartschaften innerhalb der betroffenen Gruppen, wenn dies rechtlich zwingend erforderlich ist, lediglich umverteilen und - anders als eine Gebietskörperschaft oder eine Organisationseinheit des Bundes oder eines Bundeslandes - nicht auf Steuermittel oder auf das Mittel der Kreditaufnahme zum Ausgleich des ggf. notwendigen Erhöhungsbetrages für die Deckungsrückstellung der jeweiligen Gruppe zurückgreifen. Aufgrund der Notwendigkeit, das finanzielle Gleichgewicht eines Systems zu erhalten und aufgrund der Erfordernisse an eine ordnungsgemäße Verwaltung hat der EuGH eine nationale Vorschrift, die die Rückwirkung von Anträgen auf Gewährung einer Leistung begrenzt, als gemeinschaftsrechtskonform gewürdigt (U. v. 27.10.1993, - C-338/91 - (Steenhorst-Neerings), - juris -; vgl. auch U. v. 06.12.1994, - C-410/92 - (Johnson), - juris -). Das Gericht erkennt das Äquivalenzprinzip, nach dem das Versorgungswerk arbeitet, als Rechtfertigung an, von dem Grundsatz, dass die benachteiligte Gruppe Anspruch auf Anwendung der gleichen Regelung hat, welche auf die begünstigte Gruppe angewendet wurde, ausnahmsweise abzuweichen. Anderenfalls könnte das finanzielle Gleichgewicht des Systems nicht erhalten bleiben.

72

Das Gericht hat auch erwogen, ob die Diskriminierung der weiblichen ledigen Mitglieder weniger belastend für die männlichen ledigen Mitglieder hätte beseitigt werden können bzw. müssen. Selbst wenn der Beklagte statt der Umrechnung des beitragsfreien Rentenanspruchs auf den eines verheirateten Mitglieds zum Stichtag 31.12.2006 die Höhe der Altersrente zwischen diesen beiden Gruppen derart nivelliert hätte, dass die Altersrente der ledigen Männer und diejenige der ledigen Frauen einander angeglichen worden wäre, so hätte auch dies zu einer Herabsetzung des beitragsfreien Rentenanspruchs der ledigen Männer geführt. Auch wenn dies im Ergebnis tatsächlich zu einer geringeren Belastung der ledigen Männer geführt hätte, wäre dies aber nicht zielführend gewesen. Verheiratete Frauen und Männer wurden im System der ASO gleichbehandelt. Eine Unterscheidung in der Rentenhöhe war lediglich bei der Gruppe der Ledigen vorgesehen. Hätte man bei der Umstellung des Systems an dem Familienstand "ledig" festgehalten, wäre die bisherige Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei Verheiratung ins Ungleichgewicht gekommen und hätte ebenfalls weiterer Anpassung bedurft. Die Ermäßigung der Altersrente bei Heirat fiel bei den weiblichen Mitgliedern prozentual niedriger aus als bei den männlichen, weil aufgrund der längeren Lebenserwartung von Frauen das Risiko einer Witwerrentenanwartschaft niedriger zu bewerten war als das Risiko einer Witwenentenanwartschaft. Letztlich aber ergab sich bei der Berechnung des Rentenanspruchs für verheiratete Männer und Frauen nach den Anlagen 1 und 2 a der ASO immer ein einheitlicher Wert. Dies wäre nach Nivellierung der Unterschiede zwischen den Rentenansprüchen lediger Frauen und Männer aber nicht mehr ohne weiteres der Fall, so dass weitere Veränderungen im alten System erforderlich geworden wären. Dies spricht dafür - wie geschehen - den Leistungsfall des Witwen- bzw. Witwerrentenrisikos bereits bei der Anpassung der Unterschiede im Hinblick auf das Geschlecht zu berücksichtigen und im Wege der Umrechnung des beitragsfreien Rentenanspruchs die in der alten ASO vorhandene Diskriminierung zu beseitigen.

73

Das Gericht muss diesen Fragen letztlich nicht weiter nachgehen. Die Umrechnung des beitragsfreien Anspruchs zum Stichtag 31.12.2006 war nämlich aus gewichtigen Gründen des Allgemeinwohls geboten, so dass § 15 Abs. 2 Satz 2 ABH, gemessen am materiellen Recht, insbesondere an Art. 14 Abs. 1 GG, nicht zu bestanden ist.

74

Unstreitig genießen im Geltungsbereich des Grundgesetzes durch Eigenleistungen erworbene Rentenansprüche und -anwartschaften Eigentumsschutz (BVerfG, B. v. 13.06.2006 - 1 BvL 9/00 -, Nds.MBl. 2006, 706; - juris -). Die Rechtsstellungsgarantie, die Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG grundrechtlich vermittelt, steht aber nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG unter dem Vorbehalt einer gesetzlichen Regelung über Inhalt und Schranken der als Eigentum anzusehenden Rechtsposition. Bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen kommt dem Normgeber grundsätzlich eine weite Gestaltungsfreiheit zu. Das gilt im Besonderen für Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherungen im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Insoweit umfasst Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG auch die Befugnis, Rentenansprüche und Rentenanwartschaften zu beschränken. Die Befugnis ist durch die Voraussetzung begrenzt, dass dies einem Zweck des Gemeinwohls dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Erst wenn der Versorgungsfall eingetreten ist, dient die Rente mit ihrem Realwert der Existenzsicherung des Mitglieds des Versorgungswerks. Von diesem Zeitpunkt an ist das Vertrauen auf den Bestand des Versorgungsrechts unter Beibehaltung des darin angelegten Realwerterhalts geschützt. Der Versorgungsempfänger darf dann auf den Fortbestand der ihm satzungsrechtlich zustehenden Versorgung vertrauen (BVerwG, U.v. 21.09.2005 - NJW 2006, 711; - juris -).Vorliegend ist durch den angefochtenen Bescheid zwar bereits ein beitragsfreier Rentenanspruch festgesetzt worden. Der Eingriff durch die Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 2 ABH im Bescheid vom 14.12.2007 ist gleichwohl noch in die Rentenanwartschaft erfolgt, denn der Renteneintritt steht beim Kläger nicht an.

75

Der Beklagte hat mit der Neuregelung in § 15 Abs. 2 ABH neben der Beseitigung der Diskriminierung auch das Ziel verfolgt, die Berechnung der Rentenanwartschaften transparent zu machen. Im Urteil des Nds. OVG vom 20.07.2006 - 8 LC 11/05 - war ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Satzungsregelung in § 12a ASO bereits deshalb rechtswidrig sein kann, weil der Umfang der Versorgungsleistung sich für das einzelne Mitglied wegen der Unbestimmtheit der Satzungsregelung und der fehlenden Rentenberechnungsformel nicht ermitteln ließ. Die Umrechnung der Rentenansprüche der ledigen - männlichen wie weiblichen - Mitglieder zum Stichtag 31.12.2006 auf den eines verheirateten Mitglieds dient auch dem eingeforderten Ziel größtmöglicher Transparenz und Berechenbarkeit der Rentenanwartschaft.

76

Hätte die ABH für den zurückliegenden Zeitraum je eine Rentenanwartschaft für ledige und eine für verheiratete Mitglieder vorgesehen, wäre nach der Überzeugung des Gerichts die konsequente Schließung des Altsystems unter Festsetzung eines beitragsfreien Rentenanspruchs, einem Neuanfang mit neuen Rechnungsgrundlagen mit wesentlich vereinfachter und damit endlich transparenter Rentenberechnungsformel unter Bezugnahme auf aktuelle Tabellen im Anhang so nicht möglich gewesen. Auch hätten die „Ledigenrentenanwartschaften“ im Falle der Änderung des Familienstandes voraussichtlich wieder umgerechnet werden müssen, da aus den erst geringen Beitragszahlungen im Neusystem eine Hinterbliebenenrentenanwartschaft in Höhe von 2/3 des Rentenanspruchs wohl nicht hätte finanziert werden können, zumal bei einem nun wesentlich niedrigeren Rechnungszins. Die im Verlaufe eines Berufslebens durchaus mehrmals vorkommenden "Umrechnungsanlässe" wegen Heirat und Scheidung sind aber anfällig für EDV-Eingabefehler und führen zur mangelnden Nachvollziehbarkeit des Rentenanspruchs.

77

Die nunmehr erfolgte Umrechnung verfolgt die gleiche Linie wie die ab dem 01.01.2007 geltende Satzungsregelung in § 15 Abs. 1 ABH: keinerlei Leistungsunterschiede zwischen weiblichen und männlichen Mitgliedern, unabhängig von etwaigen Änderungen des Familienstandes. Die Regelung ist daher geeignet für die Erreichung des Zieles größtmöglicher Transparenz und ist hierfür auch erforderlich. Ein milderes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks ist nicht ersichtlich. Die einheitliche Rentenleistung für alle Gruppen gewährleistet zudem - ohne dass der Beklagte darauf ausdrücklich abgestellt hätte - die Einhaltung der Befreiungsmöglichkeit von der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung für Angestellte und selbständig Tätige nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 c SGB VI. Denn diese Befreiungsmöglichkeit setzt voraus, dass das Sicherungsniveau der berufsständischen Altersversorgung gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung annähernd gleichwertig ist (Klattenhoff in: Hauck/Haines, SGB VI, Kommentar, § 6 Rdnr. 3). Die in § 15 Abs. 1 und 2 ABH enthaltene Regelung beendet die Erhebung risikobezogener Beiträge nach dem Familienstand, wie sie für die bis zum 01.04.1980 in das Versorgungswerk eingetretenen Zahnärzte gemäß  § 20b Abs. 2 ASO vorgesehen war (unzulässig im Hinblick auf die Befreiungsmöglichkeit: Klattenhoff, a.a.O., § 6 Rdnr. 48; str.).

78

Die Umrechnung auf ein verheiratetes Mitglied in § 15 Abs. 2 Satz 2 ABH ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Dabei ist zunächst einmal zu berücksichtigen, dass nicht der gesamte erdiente Rentenanspruch umgerechnet worden ist, sondern es wurde, wie es der Geschäftsführer des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausgedrückt hat, eine "künstliche Verheiratung" zum Stichtag 31.12.2006 unter Einbeziehung der bis zum 01.01.2000 geltenden Tabellen simuliert. Damit hat der Beklagte dargelegt, dass die Umrechnung nach nachvollziehbaren Kriterien durchgeführt wurde. Dass diese Tabellen ungeachtet ihrer abgelaufenen Geltungsdauer Verwendung fanden, ist - darauf weist der Kläger zu Recht hin -, rechtlich unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit der Norm problematisch, aber letztlich hinzunehmen, weil eine rechtsstaatlich weniger bedenkliche Möglichkeit zur Schließung des Altsystems zum Stichtag 31.12.2006 nicht erkennbar ist. Die Umrechnung zu diesem Stichtag hatte einen deutlich geringeren Anwartschaftseingriff zur Folge als es die Umrechnung des gesamten bereits erdienten Rentenanspruchs zur Folge gehabt hätte. Das hat das vom Gericht angeforderte und in der mündlichen Verhandlung erläuterte Berechnungsbeispiel ergeben. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Zeitraum, in dem das Versorgungswerk kein Hinterbliebenenrentenrisiko getragen hatte, „quasi herausgerechnet“ wurde.

79

Die mit der Neuregelung verfolgten Interessen stehen in einem angemessenen Verhältnis zu dem Eingriff in die Rentenanwartschaft, gerade auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bei den auf eigener Leistung beruhenden Eigentumspositionen ein Eingriff grundsätzlich nur zur Erreichung wichtiger gesetzgeberischer Ziele angemessen ist. Ein derartiger Eingriff ist dann eher gerechtfertigt, wenn er durch eigentumsrechtlich relevante Vorteile weitgehend ausgeglichen wird. Das ist hier der Fall. Wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung führt die Begründung einer Hinterbliebenenrentenanwartschaft bei Änderung des Familienstandes zukünftig bei den aktiven Zahnärzten und Zahnärztinnen nicht mehr zu gravierenden Einschnitten in die Altersrentenanwartschaft bzw. - bei den bis zum 31.03.1980 ins Versorgungswerk eingetretenen Mitgliedern - zu einer drastischen Beitragserhöhung. Die beitragsneutrale Begründung einer Hinterbliebenenrentenanwartschaft kommt nach der neuen Satzungsregelung auch den Leistungsanwärtern nach Vollendung des 54. Lebensjahres zugute, zu denen der Kläger gehört. Die Vorschrift in § 18 Abs. 1 Satz 1 ABH enthält lediglich noch die Vorgabe, dass die Ehe mindestens 36 Monate vor dem Tode des Mitglieds und 36 Monate vor Beginn des Leistungsfalles geschlossen worden sein muss.

80

Der Eingriff in die Rentenanwartschaft ist mithin für ledige männliche Mitglieder des Versorgungswerks der Höhe nach im Wesentlichen aufgrund der erforderlichen Beseitigung der Diskriminierung gemeinschaftsrechtlich geboten. Darüber hinaus ist er aus den vorgenannten Gründen verfassungsrechtlich unbedenklich, weil er mit substantiellen Vorteilen verbunden ist. Letzteres gilt auch für die ledigen aktiven Zahnärztinnen. Da ihre Rentenanwartschaft - für sie diskriminierend - niedriger lag als die der männlichen Mitglieder, fällt bei ihnen die Reduzierung entsprechend geringer aus. Sie ist gerechtfertigt, weil das Versorgungswerk mit der Satzungsneuregelung weitere Anforderungen erfüllen musste, vor allem aber aufgrund des dafür erlangten Vorteils der „kostenneutralen“ Begründung einer Hinterbliebenenrentenanwartschaft bei Änderung des Familienstandes. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine "Option ohne Wert." Denn auch bei den ledigen Mitgliedern, die eine Änderung des Familienstandes für sich derzeit ausschließen, kann sich die persönliche Lebensplanung ändern, zumal bei einem noch lange voraus liegenden Berufsleben. Die Statistik belegt dies. So sind laut Auskunft des Beklagten mehr als 90 % der Mitglieder bei Renteneintritt verheiratet.

81

Für diejenigen Mitglieder, bei denen sich diese Option nicht realisiert haben wird bzw. die bis zum Renteneintritt wieder ledig sind, ist aber ein Ausgleich vorgesehen. Ihnen wird gemäß § 15 Abs. 7 ABH eine 10%-ige Rentenerhöhung gewährt, auch auf den nunmehr festgesetzten beitragsfreien Rentenanspruch. Beide Vergünstigungen - die Option der Begründung einer Witwen-/Witwer-/Lebenspartnerrentenanwartschaft ohne gravierende Einbuße in die Grundrentenanwartschaft/drastische Beitragserhöhung sowie die Aussicht auf den Rentenaufschlag, falls sich diese Option bei Renteneintritt nicht (mehr) realisiert haben wird -,  sind in die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Umstellung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 ABH einzustellen und machen die Regelung insgesamt ausgewogen. Deshalb stehen Vertrauensschutzgesichtspunkte auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass im Einzelfall gemäß § 20b Abs. 1 Satz 2 ASO erhebliche Mehrbeiträge geleistet worden sind, um eine Herabsetzung der Rentenanwartschaft nach Heirat auszugleichen, der Neuregelung nicht entgegen.

82

Für rentennahe Jahrgänge wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch eine Besitzstandswahrung in der Sonderregelung des § 34 Abs. 5 ABH Rechnung getragen, in dem für diese ledigen Mitglieder abweichend von dem in § 15 Abs. 7 ABH vorgesehenen Ledigenzuschlag eine Staffelung je nach Beginn der Altersrente von einem 20 %-igen Rentenzuschlag beim Rentenbeginn im Jahr 2007 und abflachend um je 2 % bis zum Eintrittsjahr 2011 vorgesehen ist. Diese Regelung vermag den Eingriff für demnächst in den Ruhestand eintretende Mitglieder des Versorgungswerks abzufedern, wenngleich sie im Falle des Klägers nicht greift. Sollte sich das Hinterbliebenenrentenrisiko in seinem Fall nicht realisieren, bleibt es bei ihm aber bei dem 10%-igen Rentenzuschlag.

83

Die erfolgte Umrechnung verstößt auch nicht gegen den in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG enthaltenen rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Obgleich der beitragsfreie Rentenanspruch dauerhaft festgesetzt wird - es kann gemäß § 15 Abs. 7 bzw. § 34 Abs. 5 ABH lediglich zu einem Zuschlag kommen -, ist rechtlich lediglich eine unechte Rückwirkung gegeben, die nur ausnahmsweise unzulässig ist (Jarrass/Pieroth, GG, Kommentar, 7. A., § 20, Rdnr. 73a m. w. N.). Es handelt sich bei der Regelung um eine Bestimmung, die mit Wirkung für die Zukunft in bestehende Rechtspositionen eingreift, da der Rentenbeginn noch nicht ansteht und der berechnete beitragsfreie Altersrentenanspruch lediglich einen Teil der später zu gewährenden Altersrente des Klägers ausmacht (vgl. Nds. OVG, U. vom 07.02.2006 - 8 LA 118/05 -, betr. Heraufsetzung des Rentenbeginnalters, das für den Kläger noch keine Wirkung zeitigte). Dabei verkennt das Gericht nicht, dass der Eingriff in die Rentenanwartschaft für die Betroffenen eine Härte bedeutet - wenn auch abhängig von dem bisherigen Rentenanwartschaftsverlauf von unterschiedlichem Gewicht. Obgleich der Eingriff für die Betroffenen ein berechtigtes Vertrauen zu enttäuschen geeignet ist, ist er aus den vorgenannten Gründen und vor allem aufgrund der dadurch erlangten Vorteile aber abgemildert. Die mit der Satzungsänderung verfolgten Gemeinwohlinteressen überwiegen das Bestandsinteresse der Betroffenen (BVerfG, B. v. 07.10.2008 - 1 BvR 2995/06 - juris -). Dadurch ist der Eingriff insgesamt verfassungsmäßig.

84

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

85

Das Gericht lässt die Berufung gemäß § 124a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu, weil die Rechtssache für eine Vielzahl weiterer an niedersächsischen Verwaltungsgerichten anhängiger Verfahren grundsätzliche Bedeutung hat.