Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 02.12.2008, Az.: 3 A 3810/08

Missbräuchliche Inanspruchnahme von Wohngeldleistungen; Erhöhung; Missbrauch; Rente; Verzicht

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
02.12.2008
Aktenzeichen
3 A 3810/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 45432
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2008:1202.3A3810.08.0A

Amtlicher Leitsatz

Durch den Verzicht auf eine Rentenerhöhung kann keine höhere Wohngeldleistung erwirkt werden.

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

  3. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Gewährung höherer Wohngeldleistungen für den Zeitraum von September 2008 bis August 2009.

2

Die Klägerin ist Rentnerin und steht bereits seit längerer Zeit im Bezug von Wohngeldleistungen. Für den Zeitraum von September 2005 bis August 2006 waren ihr mit Bescheid Nr. 37 Wohngeldleistungen in Höhe von 25,00 € monatlich bewilligt worden. Da sich ihr Bruttoeinkommen aus den Renten erhöht hatte, waren ihr für die Zeiträume von September 2006 bis August 2007 und für September 2007 bis August 2008 mit den Bescheiden Nr. 38 und Nr. 39 nur Wohngeldleistungen in Höhe von 21,00 € bewilligt worden (der Bescheid Nr. 38 ist Gegenstand des Klageverfahrens 3 A 6121/06).

3

Am 15.07.2008 stellte die Klägerin einen Wiederholungsantrag. Ihre Betriebsrente war von zuvor 437,18 € auf 441,55 € angepasst worden. Die Altersrente hatte sich von 290,67 € auf 293,88 € erhöht. Gleichzeitig bat sie die Beklagte um Mitteilung, ob sich die Wohngeldleistungen durch die Rentenerhöhungen abermals verringern würden, damit sie gegebenenfalls fristgerecht Widerspruch gegen die Rentenbescheide einlegen könne.

4

Mit Bescheid Nr. 40 vom 16.07.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01.09.2008 bis zum 31.08.2009 Wohngeldleistungen in Höhe von 18,00 € monatlich.

5

Daraufhin wandte sich die Klägerin an ihre Rentenversicherungsträger und erklärte den Verzicht auf ihre diesjährige Rentenerhöhung. Zur Begründung führte sie an, dass die geringfügige Erhöhung des Auszahlungsbetrages eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge sowie die Verminderung des Wohngeldes nach sich zöge, so dass sie real einen Verlust hinzunehmen habe.

6

Am 08.08.2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beanstandet, dass die Beklagte die weitere Verminderung des Wohngeldes nicht begründet und auch ihre Anfrage trotz der bekundeten Dringlichkeit unbeantwortet gelassen habe. Sie rechnet vor, dass sich ihre Renten zwar um 4,71 € erhöht hätten, die Sozialversicherungsbeiträge aber ebenfalls um 1,54 € gestiegen seien. Durch die Minderung der Wohngeldleistungen um 7,00 € entstünde trotz der Rentenerhöhung ein Minus von monatlich 6,83 € und jährlich 81,96 €. Dieses Ergebnis sei grotesk und stehe in offenem Widerspruch zu dem Willen des Gesetzgebers, der mit der Rentenerhöhung die Rentner besser und nicht schlechter habe stellen wollen. Da sie auf die Erhöhung ihrer Rente verzichtet habe, könne die Wohngeldleistung nicht gemindert werden. Ihr Verhalten sei nicht rechtsmissbräuchlich, denn sie habe nur von ihrem Recht zur Gestaltung ihrer Lebensumstände Gebrauch gemacht. Jedermann könne ohne Begründung auf staatliche Leistungen verzichten. Angesichts der durch die Rentenerhöhung entstandenen absurden Rechtslage, die Zehntausende von Rentnern betreffe, sei ihr Verhalten rechtsförderlich und rechtsfortbildend.

7

Die Klägerin beantragt,

  1. die Beklagte zu verpflichten, ihr für den Zeitraum vom 01.09.2008 bis zum 31.08.2009 Wohngeldleistungen in Höhe von 25,00 € monatlich zu gewähren und den Wohngeldbescheid Nr. 40 vom 16.07.2008 aufzuheben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.

8

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

9

Sie ist der Auffassung, dass sich durch die Verzichtserklärungen gegenüber den Rentenversicherungsträgern kein höherer Wohngeldanspruch ergebe, weil die Inanspruchnahme insoweit missbräuchlich wäre. Die Klägerin habe allein mit dem Ziel, höhere Wohngeldleistungen zu erhalten, auf ihre Rentenerhöhung verzichtet. Damit habe sie auf Leistungen verzichtet, die sie durch Beiträge selbst erworben habe, um höhere steuerfinanzierte Sozialleistungen zu erwirken. Der bewusste Verzicht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt soweit wie möglich aus eigenen Mitteln zu bestreiten, widerspreche dem Grundgedanken von Sozialleistungen.

10

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

12

Die Klägerin hat für den Zeitraum vom 01.09.2008 bis zum 31.08.2009 keinen Anspruch auf Gewährung höherer Wohngeldleistungen als der bereits bewilligten 18,00 € monatlich.

13

Die Höhe des Wohngeldanspruches ergibt sich gem. § 2 Abs. 1 WoGG aus der Wohngeldtabelle in Anlage 3 zum Wohngeldgesetz. Rechnerisch ist die Höhe des ermittelten Wohngeldanspruches weder zu beanstanden noch von der Klägerin kritisiert worden.

14

Die Beklagte hat ihrer Berechnung auch zutreffend die im Wiederholungsantrag angegebenen erhöhten Rentenbeträge zugrunde gelegt. Der bei Antragstellung bereits angekündigte und später von der Klägerin erklärte Verzicht auf die Erhöhung ihrer Renten war von der Beklagten nicht zu berücksichtigen, da diese Einkommensverminderung den Wohngeldanspruch der Klägerin nicht erhöhen kann. Nach § 18 Nr. 6 WoGG besteht ein Anspruch auf Wohngeld nicht, soweit die Inanspruchnahme missbräuchlich wäre. Die Inanspruchnahme von Wohngeld ist missbräuchlich, wenn sie auf einen Sachverhalt gestützt wird, der in seiner ungewöhnlichen Beschaffenheit nur aus dem Ziel des Wohngeldbezuges zu erklären, das heißt um dieses Zieles willen gleichsam konstruiert ist (vgl. BVerwG, Urt.v. 25.09.1992, Az. 8 C 69/90, 8 C 71/90, FEVS 44, 94 ff.; Urt.v. 04.11.1994, Az. 8 C 28/93, NJW 1995, 1569 ff., sowie zur Konstellation des Verzichts auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente VG Augsburg, Urt.v. 02.03.2004, Az. Au 9 K 03.2204, veröffentlicht in juris).

15

Nach diesem Maßstab wäre die beabsichtigte Inanspruchnahme höherer Wohngeldleistungen als der bewilligten 18 € monatlich missbräuchlich. Denn die Klägerin hat auf ihr zustehende Einnahmen ausdrücklich zu dem Zweck verzichtet, höhere Wohngeldleistungen zu erhalten. Insoweit hat die Klägerin keine Gestaltungsfreiheit, durch den Verzicht auf Einkommen die Höhe der Sozialleistung zu bestimmen.

16

Dass die Erhöhung ihrer Renten wegen der dadurch verursachten Verminderung der Wohngeldleistung nicht den vollen beabsichtigten Effekt haben kann, gebietet keine abweichende Bewertung, sondern entspricht dem Wesen des Bezugs einkommensabhängiger Sozialleistungen. Dies gälte auch, wenn die Verringerung der Wohngeldleistung nicht vollständig von der Steigerung des Einkommens kompensiert würde. Tatsächlich hat die Klägerin aber keine derartige Einbuße erlitten. Vergleicht man den Bewilligungszeitraum des streitgegenständlichen Bescheides Nr. 40 mit dem vorangegangenen Bewilligungszeitraum des Bescheides Nr. 39, so haben sich ihre Renten (vor der Verzichtserklärung) um insgesamt 7,58 € erhöht. Der Nettozuwachs (nach Abzug der ebenfalls gestiegenen Sozialversicherungsbeiträge) betrug 4,71 €, während der Wohngeldanspruch sich lediglich um 3 € vermindert hat. Der Klägerin verblieb von den Rentenerhöhungen also auch unter Berücksichtigung des geringeren Wohngeldanspruches noch ein Betrag von 1,71 € monatlich. Auch bei einem Vergleich des Zeitraumes des Bewilligungsbescheides Nr. 37 mit dem Zeitraum des Bewilligungsbescheides Nr. 40 kann kein Realverlust der Klägerin festgestellt werden. Innerhalb dieser Zeitspanne sind die Bruttobeträge ihrer Renten um insgesamt 17,85 € gestiegen. Der Nettozuwachs hat 9,13 € betragen und liegt damit um 2,13 € über der Verringerung des Wohngeldanspruches um 7 €.

17

Schließlich kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg einwenden, dass der Bescheid Nr. 40 nicht ausreichend begründet sei. Selbst wenn der Bescheid den Anforderungen an eine Begründung aus § 35 Abs. 1 SGB X nicht genügt haben sollte, wäre dieser Mangel gemäß § 41 Abs. 2 SGB X durch die Erläuterungen der Beklagten während des Klageverfahrens geheilt worden.

18

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.