Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 19.08.2020, Az.: L 4 KR 482/19

Anspruch auf Kostenübernahme für Einzelunterricht nach der Feldenkrais-Methode; Begriff des Heilmittels; Pädagogische Bewegungstherapie

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
19.08.2020
Aktenzeichen
L 4 KR 482/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 38279
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 25.10.2019 - AZ: S 10 KR 305/19

Redaktioneller Leitsatz

1. Heilmittel sind alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen.

2. Die Feldenkrais-Therapie ist auf Selbstheilung (Einwirkung auf das Nervensystem) gerichtet und stellt eine pädagogische Bewegungstherapie dar.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 25. Oktober 2019 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger Anspruch auf Kostenübernahme bzw. Kostenerstattung für einen zwei Jahre dauernden Einzelunterricht nach der Feldenkrais-Methode je 2-mal wöchentlich in Höhe eines Gesamtbetrages von 7.920,- Euro hat.

Der 1967 geborene Kläger ist bei der beklagten Krankenkasse (KK) gesetzlich krankenversichert und leidet seit Jahren unter zahlreichen Erkrankungen; zu nennen sind u.a. ein Zustand nach Nierentransplantation, Zustand nach mittelschwerer Abstoßreaktion (Juli 2005), eine chronische Glomerulonephritis, ein infektbedingtes akutes Nierenversagen (2018), pAVK, ein Verdacht auf ein Alport-Syndrom, Hypertonus, Tinnitus, allergisches Asthma, chronisches Erschöpfungssyndrom (Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatique Syndrome (ME/CFS)), Histaminüberempfindlichkeit. Seit dem 16. Januar 2018 besteht ein Pflegegrad I (vgl. Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung - MDK - vom 17. November 2018).

Am 3. Juni 2018 beantragte der Kläger unter Vorlage eines Kostenvoranschlages der vom Feldenkrais-Verband zertifizierten Feldenkrais-Lehrerin I. J. bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Teilnahme an einem Feldenkrais-Unterricht. Hierzu gab der Kläger an, dass die röntgenologische Untersuchung bei dem Privatarzt Dr. K., Hamburg, eine ausgeprägte Fehlstellung der Halswirbelsäule (HWS) ergeben habe. Dadurch werde bei größeren Bewegungen der Blutfluss ins Kleinhirn behindert. Bei seiner genetischen Disposition sei es daraufhin zu den Mitochondriopathien, eventuell sogar zum Alport-Syndrom, sicher aber zu der CFS-Erkrankung gekommen. Eine Abhilfe bis zur Heilung wäre eventuell durch massive physiotherapeutische Maßnahmen möglich; es könne sein, dass ihm deswegen auch das Schwimmen so gut bekommen sei. Der Arzt Dr. K. schlage dazu eine Feldenkrais-Therapie vor.

In dem Kostenvoranschlag der zertifizierten Feldenkrais-Lehrerin J. vom 7. Juni 2018 heißt es, dass der Kläger auf die erste Feldenkrais-Stunde sehr gut angesprochen habe. Die Erschöpfungssymptome seien stark reduziert und er fühle sich energiegeladener. Ebenso habe er eine Verbesserung und Erleichterung im HWS-Bereich empfunden. Die HWS sei nach anfänglicher auffälliger Lateral Flexion gerade ausgerichtet und gelöster, was einen positiven Effekt auf den Tonus des ganzen Körpers gehabt habe. Daher werde eine weitere Anwendung der Feldenkrais-Methode für zwei Jahre bei zwei Stunden pro Woche für empfehlenswert angesehen. Die Kosten für eine Stunde würden sich auf 60,- Euro belaufen. Bei 33 Wochen Unterricht im Jahr wären das insgesamt 132 Stunden á 60,- Euro, Gesamtkosten 7.920,- Euro.

Mit Bescheid vom 22. Juni 2018 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme bzw. Kostenerstattung ab. Ob ein Gesundheitskurs erstattet werde, prüfe die Zentrale Prüfstelle Prävention (ZPP) anhand gesetzlicher Vorgaben im Auftrag der Kooperationsgemeinschaft Gesetzlicher KKen zur Zertifizierung von Präventionsangaben (§ 20 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)). Die Prüfkriterien seien im Leitfaden Prävention des Spitzenverbandes Bund der KKen geregelt und würden für alle gesetzlichen KKen gelten. Die ZPP habe mitgeteilt, dass das Kurskonzept inhaltlich und methodisch nicht den vorgegebenen Qualitätskriterien entsprechen würde.

Dagegen richtete sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 26. Juli 2018. Primärziel des Widerspruchs sei die Kostenübernahme einer Feldenkrais-Anwendung im Rahmen einer CFS-Therapie. Sekundärziel sei alternativ eine andere Behandlungsform zur Minderung bzw. Heilung seiner schweren CFS-Erkrankung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V sehe eine KK in der Satzung Leistungen zur Verhinderung und Verminderung von Krankheitsrisiken sowie zur Förderung des selbstbestimmten gesundheitsorientierten Handelns der Versicherten vor. Die Leistungen sollten dabei insbesondere zur Vermeidung sozialbedingter sowie geschlechtsbezogener Ungleichheit von Gesundheitschancen beitragen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (gKV-Spitzenverband) sei ein Zusammenschluss aller gesetzlicher KKen. Er habe vom Gesetzgeber den Auftrag erhalten, eine Konkretisierung der Leistungsinhalte zum § 20 SGB V zu entwickeln und fortzuschreiben. Am 21. Juli 2000 habe der gKV-Spitzenverband "gemeinsame und einheitliche Handlungsfelder und Kriterien zur Umsetzung des § 20 Abs. 1 und 2 SGB V" (Leitfaden Prävention) gefasst. Er bestimme die Anforderungen an ein einheitliches Verfahren für die Zertifizierung von Leistungsangeboten durch die KKen, um insbesondere die einheitliche Qualität sicherzustellen. Insbesondere umfasse die hier betroffene Primärprävention folgende Handlungs- oder Themenfelder: Bewegungsgewohnheiten, Ernährung, Stressreduktion/Entspannung, Genuss- und Suchtmittelkonsum. Ziel der Primärprävention sei es, dass die Teilnehmer zu entsprechenden Maßnahmen befähigt und motiviert würden, nach Abschluss des jeweiligen Kurses das erworbene Wissen bzw. die erworbenen Fertigkeiten und Übungen selbständig anzuwenden und fortzuführen sowie in ihren Alltag zu integrieren. Eine kontinuierliche Inanspruchnahme der Maßnahme werde von den KKen nicht finanziert. Die Beklagte gewähre gemäß § 18 Abs. 1 der Satzung ausgewählte Leistungen zur primären Prävention. Maßnahmen zur primären Prävention sollten durch Hilfestellung zur gesunden Lebensweise die Entstehung und Verschlimmerung von Krankheiten verhindern oder verzögern. Die Ausgestaltung dieser Leistung orientiere sich an dem vom GKV-Spitzenverband gefassten Leitfaden Prävention in der jeweils gültigen Fassung. Leistungen für individuelle Maßnahmen der primären Prävention würden ebenfalls in den Handlungsfeldern "Bewegungsgewohnheiten, Ernährung, Stressreduktion/Entspannung, Genuss- und Suchtmittelkonsum" gewährt. Der gKV-Spitzenverband habe sich zum Ziel gesetzt, eine hohe Qualität bei den Angeboten der Primärprävention zu gewährleisten. Gemäß § 18 Abs. 4 der Satzung gewähre die Beklagte Leistungen grundsätzlich im Rahmen von Zuschüssen. Für individuelle Maßnahmen zur primären Prävention sei für Versicherte nach Vollendung des 18. Lebensjahres ein Eigenanteil von 20 % vorzusehen. Die ZPP habe der Beklagten mitgeteilt, dass das Kurskonzept "Feldenkrais" nicht die inhaltlich und methodisch vorgegebenen Qualitätskriterien erfülle. Daher könnten die Kosten des vom Kläger wahrgenommenen Kurses nicht getragen werden.

Der Kläger hat am 20. Februar 2019 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und zeitgleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Ziel der Klage sei die Übernahme der Kosten für eine Testanwendung (60,- Euro) und für eine komplette einzeltherapeutische Behandlung über 33 Wochen (7.920,- Euro) einer Feldenkrais-Individualtherapie. Es handele sich nicht um eine Präventionsmaßnahme, sondern vielmehr um eine fachärztlich verordnete physikalische Einzeltherapie zur Linderung/Heilung einer lebensbedrohlichen, chronischen schweren Erkrankung, für die eine kassenärztliche Versorgung nicht möglich sei.

Das SG hat mit Beschluss vom 20. März 2019 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag sei unbegründet. Zutreffend habe die Beklagte darauf abgestellt, dass der Anspruch eines Versicherten auf Behandlung mit Heilmitteln nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 32 SGB V den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen unterliege. Er erfasse nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich seien und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen würden. Der § 138 SGB V bestimme, dass die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte neue Heilmittel nur verordnen dürften, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben habe. Dies sei bei der Feldenkrais-Methode nicht geschehen. Wie in den vorangegangenen Verfahren könne die Kammer weiterhin bei der CFS-Erkrankung keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung erkennen. Dies schon deshalb, weil diese tödliche Erkrankung kaum mit einer Bewegungstherapie geheilt werden könnte. Es würden zudem jegliche objektiven Hinweise darauf fehlen, dass sich ohne den sofortigen Beginn der begehrten Behandlung die Erkrankung des Antragstellers verschlimmern würde. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen mit Beschluss vom 18. April 2019 (L 4 KR 149/19 B ER) zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung hat es zum Zwecke der Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Mit Gerichtsbescheid vom 25. Oktober 2019 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2019 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Zutreffend habe die Beklagte entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Kostenübernahme für die Teilnahme an einem Feldenkrais-Kurs habe. Das Gericht folge der Begründung im Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2019 und sehe gemäß § 136 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die Feldenkrais-Therapie gehöre unter keiner in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage zu den Leistungen der gKV. Ein therapeutischer Nutzen sei vom GBA nicht anerkannt.

Der Kläger hat am 13. November 2019 Berufung bei dem LSG Niedersachsen-Bremen eingelegt.

Er hat seinen Vortrag wiederholt und beantragt, die Gutachten aus den Verfahren S 13 R 9/16 und S 94 P 75/19 und die Akten aus dem Verfahren S 40 SB 171/19 beizuziehen. Seine somatisch bedingten Behinderungen würden dabei in keinem konkreten Zusammenhang mit seiner Nierentransplantation stehen, sondern seien ME/CFS-bedingt. Derzeit sei die Niere, auch 15 Jahre nach der Nieren-TX, in guter Form, durch die Nichtbehandlung der ME/CFS aber jederzeit lebensbedrohlich gefährdet.

Der Kläger beantragt mit seinem am 26. Juni 2020 bei dem LSG eingegangenen Schriftsatz gemäß § 109 Abs. 1 SGG Prof. Dr. L. M., N., O. P. (bei Kostenübernahme durch ihn) schriftlich zu seiner ME-Erkrankung und deren Behandlungsmöglichkeiten zu befragen. Er beantragt zudem, auf eigene Kosten den Facharzt Dr. Q. K. schriftlich zu der Feldenkrais-Therapie zu befragen. Den § 109 SGG- Antrag hat er in der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2020 zurückgenommen.

Beigefügt waren dem Schriftsatz vom 26. Juni 2020 ein Bericht der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) vom 9. April 2019, in dem als aktuelle Diagnosen ein sekundäres chronisches Fatique Syndrom, eine sekundäre Lymphopenie bei dauerhafter Immunsuppression ohne erhöhte Infektionsfrequenz, ein arterieller Hypertonus, Asthma bronchiale, Alport-Syndrom, Mutation Gen COL4A5, funktionelle Darmbeschwerden und ein Zustand nach Nierentransplantation angegeben werden. In einem Bericht des Labors Dr. R. u.a. vom 27. März 2019 wird ebenfalls die Diagnose Chronisches Erschöpfungssyndrom (ICD-10 G93.3) bestätigt. Zusammenfassend heißt es in dem Bericht, dass ein auffälliger Fettstoffwechsel vorliege, der ärztlich kontrolliert und therapiert werden müsse. Es bestehe der Verdacht einer erblichen familiären Hypercholesterinämie. Gleichzeit seien Gene verändert, die einen erhöhten oxidativen Stress und einen reduzierten Stoffwechsel sowie die verzögerte Ausscheidung von Fremdstoffen erwarten lassen. Weil eine Mutation den Verdacht des Alport-Syndroms bestätigt habe, solle neben der bestehenden Therapie auch eine antioxidative Behandlung vorgenommen werden. Idealerweise sollte zusätzlich eine therapeutische Apherese zum Einsatz kommen. In einem ebenfalls vom Kläger vorgelegten ärztlichen Bericht des Arztes Prof. Dr. M. vom 28. März 2019 wird ebenfalls die Diagnose Chronisches Erschöpfungssyndrom (CFS, ICD-10 G93.3) bestätigt. Als aktuelle Beschwerden werden u.a. eine chronische Müdigkeit, rasche Ermüdbarkeit, Konzentrationsminderung, Kurzzeitgedächtnisprobleme, Empfindlichkeit gegenüber Duftstoffen etc. angegeben. Zusammenfassend erklärt der behandelnde Arzt, dass ein chronisches Erschöpfungssyndrom bestehe, wahrscheinlich postviral nach latenten Virusinfektionen. Es bestünden chronische Entzündungsreaktionen, die durch die Erhöhung des CRP hochsensitiv seien und durch die Erhöhung der NSE (Neuronenspezifischen Enolase) objektiviert würden. Es bestehe durch das postvirale Erschöpfungssyndrom (Herpes I und II Virusinfektion) die Wahrscheinlichkeit des Übergreifens des Entzündungsgeschehens auf die Funktion des Nierentransplants. Der "medizinische Zustand sei als lebensbedrohlich zu bewerten, gleichwertig mit schwer verzehrender Krankheit". In einem beigefügten arzneimitteltherapeutischen Therapieplan spricht der behandelnde Arzt folgende Empfehlungen aus: Intrazell-Komplex, Keltican forte, Medyn forte, Methylcobalamin, Neurobion N forte, Sanomit Q10, Vigantoletten, Vivivit Q10.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 25. Oktober 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2019 aufzuheben und die Beklagte zur verurteilen, ihm die beantragte Teilnahme am Feldenkrais-Kurs entsprechend des Kostenvoranschlages von Frau I. J. vom 7. Juli 2018 für zwei Jahre zu genehmigen,

hilfsweise einen kürzeren Zeitraum zur Teilnahme an der Feldenkrais-Therapie mit ärztlicher Evaluierung zu genehmigen.

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

die Klage abzuweisen.

Sie erachtet die bisherige Rechtsaufassung weiterhin für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den gesamten Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis und in der Begründung zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung bzw. auf künftige Übernahme der Kosten von Behandlungen mit der Feldenkrais-Methode nicht zu. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung von Kosten von Behandlungen nach §§ 12 und 13 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB V und auf künftige Übernahme der Kosten setzt voraus, dass ihm ein Sachleistungsanspruch auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V) zusteht. Wie bereits das SG festgestellt hat, umfasst eine Krankenbehandlung auch die Versorgung mit Heilmitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 32 SGB V). Das SGB V gibt in § 32 keine Definition dessen vor, was unter einem Heilmittel im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung (gKV) zu verstehen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind Heilmittel alle ärztlich verordneten Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern und nur von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden dürfen (BSG, Urteil vom 31. August 2000, B 3 KR 21/99 R = SozR 3-2500 § 128 Nr. 1). Die Feldenkrais-Therapie beinhaltet eine Lernmethode (www.feldenkrais.de/index). Die Anwender betrachten sich selbst eher als Lehrer. Die Feldenkrais-Lehren befassen sich mit dem gesamten Menschen, seinem Nervensystem, seinen Gewohnheiten und mit seinem vorhandenen Potential und die Feldenkrais-Arbeit ist auf Selbstheilung (Einwirkung auf das Nervensystem) gerichtet. Die Feldenkrais-Therapie stellt eine pädagogische Bewegungstherapie dar. Aus dieser Zielsetzung der Therapie ergibt sich zwar ein unmittelbarer Krankheitsbezug, so dass die Feldenkrais-Therapie nicht von vornherein als nichtmedizinische Behandlungsmethode vom Versicherungsgegenstand der gKV ausgeschlossen ist.

Die Vorschrift des § 32 SGB V begründet für sich gesehen keine unmittelbaren durchsetzbaren Ansprüche auf Versorgung schlechthin mit Heilmitteln. Der Versicherte kann ein bestimmtes Heilmittel erst beanspruchen, wenn es ihm in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts vom Vertragsarzt als ärztliche Behandlungsmaßnahme verschrieben wird. Ein Anspruch auf Versorgung mit einem Heilmittel ohne ärztliche Verordnung ist nach dem Gesetz ausgeschlossen (§§ 15 Abs. 1, 32, 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V, BSG, Urteil vom 19. November 1996, 1 RK 15/96 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 13). Zudem muss gewährleistet sein, dass vom Vertragsarzt auch die weitere Kontrolle der Behandlungen und des Behandlungserfolges übernommen wird. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass diese formellen Voraussetzungen erfüllt sind. Bei dem Arzt Dr. Schrader, der nach klägerischen Vortrag die Empfehlung zur Teilnahme an dem Feldenkrais-Kurs ausgesprochen hat, handelt es sich um einen nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt. Es fehlt dementsprechend bereits an einer vertragsärztlichen Verordnung.

Ein Anspruch auf Kostenübernahme bzw. Kostenerstattung scheitert aber auch an den weiteren Voraussetzungen. In Bezug auf Behandlungsformen in Gestalt von Heilmitteln bestimmt § 138 SGB V, dass die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte neue Heilmittel nur verordnen dürfen, wenn der GBA zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat. Die Vorschrift regelt in Konkretisierung von § 12 SGB V (Wirtschaftlichkeitsgebot) die Verordnungsfähigkeit neuer Heilmittel zu Lasten der gKV. Dabei sind unter Heilmitteln medizinische Dienstleistung zu verstehen, die von den Vertragsärzten verordnet und nur von entsprechend ausgebildeten berufspraktisch erfahrenen und nach § 124 SGB V zugelassenen Personen persönlich und eigenverantwortlich zu erbringen sind, wobei diese medizinischen Dienstleistungen einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern wollen. Der Begriff "neu" der weder in § 138 SGB V noch in der Parallelregelung des § 135 Abs. 1 SGB V definiert ist, zielt auf Heilmittel, die bisher nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind. Eine entsprechende Empfehlung des GBA liegt nicht vor. Der therapeutische Nutzen der Therapie als Voraussetzung für einen Behandlungsanspruch im Rahmen der gKV ist durch den GBA nicht anerkannt.

Ein Leistungsanspruch des Klägers ergibt sich im Einzelfall auch nicht aus Gründen des" Systemversagens". Dieser Anspruch scheidet bereits deshalb aus, weil der GBA das Verfahren zur Anerkennung der Behandlung nicht aus sachfremden Gründen verzögert hat. Es fehlt bereits an einem Antrag.

Ein Leistungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1a SGB V. Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. "Lebensbedrohlich oder regelmäßig tödlich" beschreibt eine extreme Situation. Gemeint ist eine notstandsähnliche Lage mit einer sehr begrenzten Lebensdauer. Wertungsmäßig damit vergleichbar ist der wahrscheinlich drohende Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen körperlichen Funktion innerhalb eines kürzeren Zeitraums (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KN 3/07 KR R, zitiert nach juris; vgl. auch Plagemann, in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 2 SGB V, Stand: 15. Juni 2020, Anm. 55ff.).

Kumulativ dazu erfordert die weitere Voraussetzung der "nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Heilung" eine Wirksamkeitsprüfung am Maßstab der vernünftigen ärztlichen Praxis. Erforderlich ist, dass bereits wissenschaftliche, nicht auf Einzelfälle beschränkte Erkenntnisse vorliegen, die attestieren, dass die Behandlungsmethode zur Heilung der Krankheit oder zur Linderung der Heilungsfolgen geeignet ist und wirksam eingesetzt werden kann. Der Kläger leidet neben weiteren Erkrankung insbesondere unter einem Zustand nach Nierentransplantation, Zustand nach mittelschwerer Abstoßungsreaktion (Juli 2005), einem Verdacht auf ein Alport Syndrom sowie einer ME/CFS-Erkrankung. Die hier begehrte Feldenkrais-Therapie soll nach dem klägerischen Vorbringen der Behandlung der ME/CFS-Erkrankung dienen sowie einer HWS-Fehlstellung entgegenwirken. Unabhängig davon, ob diese Erkrankung als lebensbedrohlich im Sinne des § 2 Abs. 1a SGB V zu bewerten sind, fehlt es bereits an der zwingenden Voraussetzung der Geeignetheit der begehrten Bewegungstherapie, die ME/CFS-Erkrankung oder auch das Alport-Syndrom und den Zustand nach Nierentransplantation zu heilen. Entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse in Form von Einzelfallberichten, Assoziationsbeobachtung, Berichten von Expertenkommission, Studien (vgl. dazu BSG, Urteil vom 2. September 2009, B 1 KR 4/13 R, zitiert nach juris) liegen dazu definitiv nicht vor. Bezüglich der geltend gemachten Fehlstellung der HWS kommen "Standardmethoden" wie etwa die Physiotherapie in Betracht. Standardmethoden verdrängen den Anspruch auf weniger erprobte Innovationen.

Im Übrigen kann hinsichtlich der Begründung auch auf den Gerichtsbescheid des SG vom 25. Oktober 2019 verwiesen werden.

Die Berufung kann insgesamt keinen Erfolg haben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.