Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 03.06.2005, Az.: 6 A 6524/04
Anrechnung; freiwilliges soziales Jahr; Kriegsdienstverweigerer; Kriegsdienstverweigerung; Zivildienst
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 03.06.2005
- Aktenzeichen
- 6 A 6524/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50978
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 14c ErsDiG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein freiwilliges soziales Jahr kann nur dann auf den Zivildienst angerechnet werden, wenn es in der Zeit nach der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abgeleistet worden ist.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anrechnung des in der Zeit von August 1999 bis Juli 2000 geleisteten freiwilligen sozialen Jahres auf den abzuleistenden Zivildienst.
Der am 17.03.1983 geborene Kläger leistete in der Zeit vom 01.08.1999 bis 31.07.2000 ein freiwilliges soziales Jahr auf der chirurgischen Station der D. -Klinik in E. ab. Anschließend wurde er auf Grund eines mit dem Landkreis F. abgeschlossenen Ausbildungsvertrages vom 01.08.2000 bis 31.07.2003 zum Krankenpfleger ausgebildet. Nach Abschluss der Ausbildung wurde er vom Kreiswehrersatzamt G. gemustert. Während des Musterungstermins am 24.11.2003 stellte er einen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer. Nach Durchführung einer fachärztlichen Zusatzuntersuchung wurde er mit Bescheid des Kreiswehrersatzamtes G. vom 18.12.2003 als wehrdienstfähig mit der Maßgabe gemustert, dass er verwendungsfähig mit Einschränkung für bestimmte Tätigkeiten ist (Signierziffer 2). Der Kläger erhob dagegen Widerspruch und wies auf eine mögliche Allergie gegen Hornissen- oder Hummelstiche hin. Das Kreiswehrersatzamt veranlasste daraufhin eine dermatologische Zusatzuntersuchung im Bundeswehrkrankenhaus H.. Nach Auffassung des ärztlichen Dienstes rechtfertigten die Untersuchungsergebnisse keine Änderung des Tauglichkeitsgrades. Die Wehrbereichsverwaltung Nord wies daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2004 den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der Kläger erhob dagegen keine weiteren Rechtsbehelfe.
Das Bundesamt für den Zivildienst, dem nach Bestandskraft des Widerspruchsbescheides die Akte übersandt worden war, stellte nach Vervollständigung der Unterlagen durch den Kläger mit Bescheid vom 11.08.2004 fest, dass er berechtigt ist, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Bereits zuvor hatte der Kläger mit Schreiben vom 05.08.2004 beantragt, sein vom 01.08.1999 bis 31.07.2000 abgeleistetes freiwilliges soziales Jahr auf den abzuleistenden Zivildienst anzurechnen. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für den Zivildienst mit Bescheid vom 30.08.2004 mit der Begründung ab, eine Anrechnung komme nur dann in Betracht, wenn das freiwillige soziale Jahr nach Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abgeleistet worden sei. Der Kläger erhob dagegen Widerspruch und machte im Wesentlichen geltend, er habe das freiwillige soziale Jahr nur abgeleistet, weil damit der Dienst bei der Bundeswehr erfüllt sei. Er habe sich danach auf den Beruf konzentrieren wollen und auch können. Für die jetzt von ihm angenommene Arbeitsstelle sei er 150 km weit nach Hannover umgezogen. Die Einberufung zum Zivildienst könne zur Auflösung des Arbeitsvertrages führen, weil er sich noch in der Probezeit befinde.
Das Bundesamt für den Zivildienst wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2004 - als Einschreiben abgesandt am 05.10.2004 - als unbegründet zurück. Dazu heißt es im Wesentlichen, dass in den Jahren 1999/2000 die Anrechnung eines freiwilligen sozialen Jahres auf den Zivildienst gesetzlich noch nicht vorgesehen gewesen sei. Das Gesetz, mit die Anrechnungsmöglichkeit eingeführt worden sei, sehe eine nachträgliche Anerkennung und Anrechnung des freiwilligen sozialen Jahres auf den Zivildienst nicht vor. Vor einem Verlust des Arbeitsplatzes sei der Kläger durch die Vorschriften des Arbeitsplatzschutzgesetzes hinreichend geschützt. Im Übrigen könne zur Vermeidung einer Kündigung während der Probezeit eine Einberufung nach dem Ende der Probezeit erwogen werden. Dazu sei es erforderlich, eine Kopie des Arbeitsvertrages zur Prüfung vorzulegen.
Der Kläger hat am 03.11.2004 Klage erhoben, die er schriftsätzlich nicht näher und in der mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf sein bisheriges Vorbringen begründet hat.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, dass von ihm in der Zeit vom 01.08.1999 bis 31.07.2000 geleistete freiwillige soziale Jahr auf den Zivildienst anzurechnen, sowie den Bescheid des Bundesamtes für den Zivildienst vom 30.08.2004 und seinen Widerspruchsbescheid vom 04.10.2004 aufzuheben.
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des vorgelegten Verwaltungsvorganges der Beklagten verwiesen, der in seinen wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass sein in der Zeit vom 01.08.1999 bis 31.07.2000 geleistetes freiwilliges soziale Jahr auf den Zivildienst angerechnet wird. Die Beklagte hat dieses Begehren mit den angefochtenen Bescheiden vom 30.08.2004 und vom 04.10.2004 ohne erkennbare Rechtsfehler abgelehnt.
Als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers kann allenfalls der durch Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres und andere Gesetze vom 27.05.2002 - FSJGÄndG - (BGBl. I Seite 1667) in das Zivildienstgesetzt eingefügte § 14c Abs. 3 ZDG in Betracht kommen. Nach dieser, am 01.08.2002 in Kraft getretenen (Art. 9 Abs. 2 FSJGÄndG) und zuletzt mit dem 2.ZDGÄndG vom 27.09.2004 (BGBl. I S. 2358) geänderten Vorschrift erlischt in Friedenszeiten die Pflicht, Zivildienst zu leisten, wenn anerkannte Kriegsdienstverweigerer bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nachweisen, dass sie Dienst gemäß § 14c Abs. 1 ZDG geleistet haben. Nach § 14c Abs. 1 ZDG werden anerkannte Kriegsdienstverweigerer nicht zum Zivildienst herangezogen, wenn sie sich nach ihrer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer zu einem freiwilligen Dienst nach dem Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres oder nach dem Gesetz zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres schriftlich verpflichtet haben.
Der Wortlaut und der systematische Zusammenhang dieser Vorschriften zeigen deutlich, dass ein freiwilliges soziales Jahr nur dann auf den Zivildienst angerechnet werden kann, wenn es nach der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abgeleistet worden ist. Dass dies auch vom Gesetzgeber gewollt gewesen ist, lässt die Entwurfsbegründung zu § 14c ZDG (BT-Drs. 14/7485 Seite 10) ebenfalls deutlich erkennen. Dort heißt es:
„Danach wird Kriegsdienstverweigerern die Möglichkeit eröffnet, ein 12-monatiges freiwilliges soziales oder freiwilliges ökologisches Jahr zu leisten. Sie werden dann nicht mehr zum Zivildienst herangezogen.
Voraussetzung ist, dass zunächst die Anerkennung des Kriegsdienstverweigerers vorliegen muss und erst dann die Verpflichtung zum Dienst bzw. die Ableistung des FSJ oder FÖJ folgen können. Dies ist angesichts der Möglichkeit, FSJ oder FÖJ in einem Alter zu leisten, in dem ein Kriegsdienstverweigerungsantrag noch nicht zulässig ist, von maßgeblicher Bedeutung....“
Der Kläger erfüllt diese Voraussetzung für die Anrechnung des freiwilligen sozialen Jahres auf den Zivildienst nicht. Das freiwillige soziale Jahr hat er nicht nach der mit Bescheid des Bundesamtes für den Zivildienst vom 11.08.2004 erfolgten Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer abgeleistet, sondern in der Zeit vom 01.08.1999 bis 31.07.2000 und damit deutlich früher. Der Kläger hat auch nicht - wie mit dem Widerspruch andeutungsweise geltend gemacht wird - darauf vertrauen können, dass sein 1999/2000 abgeleistetes freiwillige soziale Jahr auf den Wehrdienst oder Zivildienst angerechnet wird. Das Wehrpflichtgesetz enthält keine entsprechende Anrechnungsvorschrift, in das Zivildienstgesetz ist sie erst mit dem am 01.08.2002 in Kraft getretenen § 14c ZDG eingefügt worden. Im Übrigen war der am 17.03.1983 geborene Kläger während der Ableistung des freiwilligen sozialen Jahres vom 01.08.1999 bis 31.07.2000 noch nicht wehrpflichtig (§ 1 Abs. 1 Wehrpflichtgesetz), sodass auch aus diesem Grunde die Annahme des Klägers eher fern liegt, er habe mit dem freiwilligen sozialen Jahr der Wehrpflicht genügen können.