Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 30.05.2016, Az.: 2 W 104/16
Anwaltsgebühren für das Verfahren nach dem Einspruch gegen eine Versäumnisurteil
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 30.05.2016
- Aktenzeichen
- 2 W 104/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 18431
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2016:0530.2W104.16.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 07.12.2015 - AZ: 7 O 43/14
Rechtsgrundlagen
- RVG § 15
- RVG § 17
- VV-RVG Nr. 3100
- ZPO § 342
Fundstellen
- AGS 2016, 318-319
- JurBüro 2016, 414-415
- NJOZ 2016, 1710
- NJW-Spezial 2016, 444
- RVGreport 2016, 298-299
Amtlicher Leitsatz
Das Verfahren nach dem Einspruch gegen ein Versäumnisurteil und das vorausgehende Verfahren sind in gebührenrechtlicher Hinsicht dieselbe Angelegenheit.
Tenor:
Die am 9. Dezember 2015 vorab per Telefax bei dem Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin vom selben Tage gegen den ihr am 9. Dezember 2015 zugestellten, eine weitere Kostenfestsetzung ablehnenden Beschluss des Rechtspflegers der 7. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 7. Dezember 2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 887,03 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den eine weitere Kostenfestsetzung ablehnenden Beschluss vom 7. Dezember 2015 ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG in Verbindung mit §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 569 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache führt sie jedoch nicht zum Erfolg.
Mit Recht hat der Rechtspfleger des Landgerichts die Festsetzung der von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensgebühr, Auslagenpauschale und Umsatzsteuer für die weitere Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Einspruch gegen das Versäumnisurteil aus dem Kostenfestsetzungsantrag vom 23. Juni 2015 (Bl. 82 f. d. A.) abgelehnt.
Denn neben den mit Beschluss vom 28. Juli 2015 bereits festgesetzten Kosten ist durch die Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Einspruch gegen das Versäumnisurteil keine weitere erstattungsfähige Verfahrensgebühr nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer entstanden. Diese Tätigkeit gehört noch zur selben Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG.
Zwar definiert § 15 Abs. 2 RVG den Begriff derselben Angelegenheit nicht. Ein Vergleich mit § 16 Ziffer 11 und § 17 Ziffer 1 RVG zeigt aber, dass verschiedene Rechtszüge verschiedene Angelegenheiten darstellen, derselbe Rechtszug hingegen auch nur eine Angelegenheit. Für den Rechtsbehelf des Einspruchs trifft das RVG keine ausdrückliche Aussage darüber, ob dieser als derselbe Rechtszug und damit dieselbe Angelegenheit oder aber ähnlich einem anderen Rechtszug als eine gesonderte Angelegenheit gelten soll. Allerdings findet sich in Ziffer 3105 VV RVG (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) die Bestimmung, dass sich die 1,2fache Termingebühr aus Ziffer 3104 VV RVG ("Die Gebühr 3104 beträgt") bei Wahrnehmung nur eines Termins (in dem eine Partei nicht erschienen ist und lediglich ein Antrag auf Versäumnisurteil gestellt wird) auf eine 0,5fache Termingebühr ermäßigt, während sie bei Wahrnehmung eines weiteren Termins nach Ziffer 3104 VV RVG erhalten bleibt: Die zunächst auf das 0,5Fache ermäßigte Gebühr "erstarkt" durch einen späteren Termin wie z. B. zur Verhandlung über den Einspruch wieder zur vollen 1,2fachen Gebühr (vgl. Ahlmann in Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Auflage, VV 3105 Rn. 14; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage, VV 3104 Rn. 30, VV 3105 Rdnrn. 22, 57 - 59). Sie bleibt gerade nicht als eigenständige Gebühr zusätzlich bestehen. Das spricht dagegen, die anwaltliche Tätigkeit im Zusammenhang mit einem Einspruch gegen ein Versäumnisurteil als gesonderte Angelegenheit einzuordnen.
Darüber hinaus ist das Verfahren nach einem Einspruch gegen ein Versäumnisurteil nicht mit einem Rechtsmittelverfahren (Berufung oder Revision) nach einem die Instanz abschließenden Urteil vergleichbar. Es tritt gerade keine verfahrensrechtliche Zäsur ein, sondern der Prozess wird, soweit der Einspruch reicht, in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand (§ 342 ZPO). Besondere verfahrensrechtliche Vorschriften wie z. B. die der §§ 530, 531 ZPO spielen dabei keine Rolle und erfordern keine erneute, vertiefende Vorbereitung des Rechtsanwalts.
Es entspricht daher nicht nur der Ansicht des Senats, sondern - soweit ersichtlich - bislang auch der einhelligen Meinung in der Kommentarliteratur (vgl. Schneider in Schneider/Wolf, RVG, 7. Auflage, § 15 RVG Rn. 188, VV 3105 Rn. 1, 21; Hartmann, Kostengesetze, 46. Auflage, § 15 RVG Rn. 32; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage, § 15 RVG Rn. 85, § 17 RVG Rn. 44) und Rechtsprechung (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 24. August 2010 - 14 W 463/10 -, JurBüro 2010, 584, Rn. 13; OLG Köln, Beschluss vom 5. November 2008 - 17 W 227/08 -, zitiert nach Juris, Rn. 12;OLG Köln, Beschluss vom 21. Juni 2006 - 17 W 126/06 -, zitiert nach Juris, Rn. 6 f.), dass das Verfahren nach Einspruch immer zur selben Angelegenheit gehört wie das dem Versäumnisurteil vorausgehende Verfahren: "Dass es sich bei dem Verfahren vor und nach dem Versäumnisurteil um dieselbe Angelegenheit handelt, steht außer Zweifel." (OLG Koblenz, a. a. O.).
Was aber im Hinblick auf die Termingebühr gilt, gilt dann für die hier begehrte - doppelte - Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG erst recht: Das Verfahren vor dem Versäumnisurteil und nach dem Einspruch ist weiterhin dieselbe Angelegenheit. Der Ansicht von Rehberg in der von der Klägerin in Bezug genommenen Fundstelle liegt bereits ein abweichendes - fehlerhaftes - Verständnis der Nrn. 3104, 3105 VV RVG zugrunde. Dass der Einspruch "wohl" kein Rechtsmittel darstelle, aber ihm in mancher Beziehung nahekomme, rechtfertigt es nicht, das Rechtsbehelfsverfahren entgegen den Nrn. 3104, 3105 VV RVG und ohne ausdrückliche Aufzählung wie in § 17 Ziffer 1 RVG als gesonderte Angelegenheit zu betrachten.
Der Einholung eines Gutachtens bedarf es nicht, weil es vorliegend nicht um die Höhe einer etwaigen Gebühr, sondern um deren Entstehung dem Grunde nach geht.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit Nr. 1812 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG.
Weder die Übertragung auf den Senat nach § 568 Satz 2 Ziffer 2 ZPO noch die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 2 ZPO sind veranlasst, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist: Die hier aufgeworfene Rechtsfrage bedarf derzeit keiner höchstrichterlichen Beantwortung, weil, soweit ersichtlich, in der Instanzrechtsprechung keine unterschiedlichen Auffassungen vertreten werden und es sich bei der von der Klägerin zitierten Auffassung lediglich um eine Einzelmeinung in der Literatur handelt.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus der unter dem 23. Juni 2015 beantragten Kostenfestsetzung in Höhe von 887,03 €.