Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 12.08.2010, Az.: 10 B 3508/10
Versammlungsverbot einer als "Trauermarsch" unter dem Motto "Gefangen, Gefoltert, Gemordet - Damals wie heute - Besatzer raus" angemeldeten Versammlung; Verhältnismäßigkeit eines Versammlungsverbots infolge der Ankündigung gewaltbereiter Gegendemonstrationen bei nicht ausreichend vorhandenen Polizeieinsatzkräften
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 12.08.2010
- Aktenzeichen
- 10 B 3508/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 32462
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2010:0812.10B3508.10.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- Art. 8 Abs. 1 GG
- § 15 Abs. 1 VersG
Verfahrensgegenstand
Versammlungsverbot
- Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO -,
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Eine Versammlung kann untersagt werden, wenn die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes vorliegen, weil der Polizei nicht genügend Kräfte zur Verfügung stehen, um die Einsatzlage zu bewältigen. Hierfür muss eine hohe Wahrscheinlichkeit vorliegen für eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben von Personen sowie Sachen von bedeutendem Wert.
- 2.
Sind für einen Tag zwei Versammlungen bei einer Kommune angemeldet und reichen die zur Verfügung stehenden Polizeikräfte nur aus, einen der beiden Aufzüge zu schützen sowie die Gefahrenlage im Übrigen zu beherrschen, darf nur eine der beiden Versammlungen verboten werden. Die zu treffende Auswahl der zu verbietenden Versammlung muss ermessensfehlerfrei erfolgen. Hierbei ist das sog. Erstanmelderprivileg zu berücksichtigen. Weiter ist insbesondere in die Ermessensentscheidung einzubeziehen, welche Versammlung ein größeres gewalttätiges Potential in sich birgt.
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 10. Kammer -
am 12.08.2010
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller meldete am 10.02.2010 für den kommenden Samstag, den 14.08.2010, eine Versammlung in Bad Nenndorf an. Für denselben Tag war bereits zuvor beim Antragsgegner ein "Trauermarsch" unter dem Motto "Gefangen, Gefoltert, Gemordet - Damals wie heute - Besatzer raus" angemeldet worden.
Die Anmeldungen beider Versammlungen hatte der Antragsgegner zunächst mit Bescheiden vom 26.07.2010 ("Trauermarsch") und 29.07.2010 (Versammlung des Antragstellers) unter Verfügung von Auflagen und einer verkürzten Aufzugsstrecke bestätigt.
Gegen die Verkürzung der Aufzugsstrecke sowie zwei weitere Auflagen hat der Antragsteller am 05.08.2010 Klage erhoben (10 A 3427/10) und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht (10 B 3428/10). In beiden Verfahren ist noch keine Entscheidung ergangen.
Mit Bescheiden vom 11.08.2010 verbot der Antragsgegner unter Aufhebung seiner Bescheide vom 26.07. und 29.07.2010 die Durchführung des "Trauermarsches" und der Versammlung des Antragstellers. Zur Begründung führte er in dem an den Antragsteller gerichteten Bescheid im Wesentlichen aus, die aktuelle Lageentwicklung seit Erlass der Versammlungsbestätigung habe zu einer Neubewertung der bisherigen Gefahrenprognose geführt. Danach lägen die Voraussetzungen des polizeilichen Notstandes vor, denn der Polizei stünden am Samstag nicht genügend Kräfte zur Verfügung, um die Einsatzlage zu bewältigen. Eine neue Kräftebedarfseinschätzung ergebe einen zusätzlichen Bedarf von fünf Einsatzhundertschaften, welcher vom Ministerium für Inneres auch nach einer durchgeführten Bund-Länder-Abfrage nicht gedeckt werden könne. Die Mobilisierungen im rechts- und linksextremistischen Spektrum hätten deutlich zugenommen, so dass nicht nur von einer deutlich höheren Anzahl von Teilnehmern insgesamt, sondern auch von einem erheblich größeren Anteil gewaltbereiter Teilnehmer auszugehen sei. Nach den gegenwärtig erkennbaren Umständen seien bei der Durchführung der Versammlung des Antragstellers schwere Ausschreitungen und damit Körperverletzungen und Sachbeschädigungen zu erwarten.
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller heute Klage erhoben (10 A 3507/10 ) und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung macht er geltend, der Antragsgegner gehe bei seiner Verbotsverfügung zu Unrecht davon aus, bei Durchführung der von ihm angemeldeten Versammlung drohe ein polizeilicher Notstand.
Auch der Anmelder des "Trauermarsches" hat sich gegen die seine Versammlung betreffende Verbotsverfügung mit Klage und Eilantrag gewandt.
Der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Verfügung des Antragsgegners vom 11.08.2010 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt. Er hat allerdings in dem parallelen Eilverfahren des Anmelders des "Trauermarsches" verschiedene Unterlagen vorgelegt, so unter anderem eine Kräftekonzeption der Polizeidirektion Göttingen vom 11.08.2010.
II.
Der Antrag des Antragstellers ist zulässig, aber unbegründet.
Da der Antragsgegner seine Verbotsverfügung mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung versehen hat, ist der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft.
Bei Versammlungen, die auf einen einmaligen Anlass bezogen sind, müssen die Verwaltungsgerichte im Eilverfahren dem Umstand Rechnung tragen, dass der Sofortvollzug der angegriffenen Maßnahme in der Regel zur endgültigen Verhinderung der Versammlung in der beabsichtigten Form führt. Soweit möglich, ist die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu prüfen, im Übrigen kommt es auf eine sorgsame Interessenabwägung an (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985 - 1 BvR 233, 341/81 -, BVerfGE 69, 315, 363f.), in die wiederum die Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs in der Hauptsache mit einzubeziehen sind.
Diese Interessenabwägung ergibt im Falle des Antragstellers, dass dessen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage abzulehnen ist, da sich das ihm gegenüber verfügte Versammlungsverbot voraussichtlich als rechtmäßig erweisen wird.
Nach § 15 Abs. 1 Versammlungsgesetz kann die zuständige Behörde eine Versammlung oder einen Aufzug verbieten oder von bestimmten Auflagen abhängig machen, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei der Durchführung der Versammlung oder des Aufzugs unmittelbar gefährdet ist.
Die im pflichtgemäßen Ermessen der Ordnungsbehörde stehende Beschränkung der in Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährleisteten Versammlungsfreiheit durch die Erteilung von Auflagen bis hin zur Untersagung der Versammlung setzt eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung voraus. Aus der Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit folgt dabei, dass nicht jede Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung das Verbot einer Versammlung rechtfertigt. Unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat vielmehr eine Güterabwägung stattzufinden mit der Folge, dass ein Verbot nur zulässig ist, wenn es zum Schutz anderer, dem Versammlungsrecht mindestens gleichwertiger Rechtsgüter notwendig ist. Zur Annahme einer Gefährdung im Sinne von§ 15 Abs. 1 VersG genügt nicht eine abstrakte Gefahr; die Gefährdung muss vielmehr nach dem gewöhnlichen Ablauf der Dinge unmittelbar bevorstehen, der Eintritt der Störung mit hoher Wahrscheinlichkeit in aller Kürze zu erwarten sein. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung müssen erkennbare Umstände dafür vorliegen, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Das setzt nachweisbare Tatsachen als Grundlage der Gefahrenprognose voraus, bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.06.2006 - 1 BvR 1429/06 - sowie bereits BVerfGE 69, 315, 353).
Auch gemessen an diesen hohen Anforderungen an die Rechtsgüterabwägung ist hinsichtlich der vom Antragsteller für den 14.08.2010 angemeldeten Versammlung festzustellen, dass eine solche unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit droht, welche das Verbot der Versammlung rechtfertigt, um dem Versammlungsrecht gleichwertige Rechtsgüter zu schützen.
Dabei lässt die Kammer dahinstehen, ob es in dem nötigen Maße wahrscheinlich ist, dass Gefahren auch von der Versammlung des Antragstellers selbst ausgehen. Der Kammer vorliegende Auszüge über Veröffentlichungen im Internet und der Presse über angekündigte Blockaden des "Trauermarsches", Aufrufe linksextremistischer Gruppierungen zu Ausschreitungen und der wenig differenzierte Umgang des Antragstellers mit diesen Aufrufen insbesondere zu den Blockaden könnten allerdings für solche Gefahren sprechen.
Das Verbot rechtfertigt sich bereits deshalb, weil nach den der Kammer zur Verfügung stehenden Unterlagen die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands anzunehmen sind.
Ein polizeilicher Notstand in Bezug auf das Versammlungsrecht liegt vor, wenn gegen eine nichtstörende Versammlung eingeschritten wird, weil eine erhebliche Gefahr nicht auf andere Weise abgewehrt werden kann und die Verwaltungsbehörde nicht über ausreichende eigene und durch Amts- und Vollzugshilfe ergänzte Mittel und Kräfte verfügt, um die gefährdeten Rechtsgüter zu schützen.
Mit dem Antragsgegner sieht auch die Kammer für den Fall, dass beide angemeldeten Versammlungen am kommenden Samstag wie zunächst bestätigt stattfänden, eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben von Personen sowie Sachen von bedeutendem Wert. Insbesondere aufgrund der inzwischen erwarteten Zahl von Linksautonomen, die in Kleingruppen oder aus der Versammlung des Antragstellers heraus versuchen würden, dessen Versammlung und den "Trauermarsch" zu stören oder anzugreifen, aber auch mit Blick auf die im "Trauermarsch" zu erwartenden rechtsextremen Demonstranten besteht die konkrete Gefahr, dass es zu massiven Übergriffen auf Demonstranten, Polizisten und unbeteiligte Passanten kommen würde; auch wären Sachbeschädigungen entlang der Demonstrationsrouten unter anderem an geparkten Kraftwagen und anliegenden Häusern zu erwarten. Dabei legt die Kammer weiterhin die Feststellung des Antragsgegners zugrunde, dass aufgrund der nunmehr zu erwartenden Zahl an Teilnehmern für beide Versammlungen und der ebenfalls gestiegenen Zahlen an erwarteten links- und rechtsextremen Teilnehmern ein gegenüber der zunächst zugrunde gelegten Zahl an notwendigen Einsatzkräften wesentlich erhöhter Bedarf an Kräften besteht. Diesen beziffert der Antragsgegner unter Übernahme der von der Polizeidirektion Göttingen unter dem 11.08.2010 aufgestellten Kräftekonzeption mit fünf weiteren Hundertschaften an Einsatzkräften (2 zusätzliche Hundertschaften für den Aufzug des Antragstellers, 1 zusätzliche Hundertschaft für den "Trauermarsch" und 2 zusätzliche Hundertschaften für Vorkontrollen und Voraufsicht). Da diese Kräftekonzeption ebenso wie die ursprüngliche Kräftebedarfsberechnung nachvollziehbar ist und die Kammer im Eilverfahren aus Zeitgründen keine Möglichkeit weiterer Aufklärung sieht, legt sie ihrer Entscheidung diese Annahmen des Antragsgegners zugrunde.
Allerdings geht die Kammer im Weiteren davon aus, dass der polizeiliche Notstand mit dem Verbot nur einer der beiden angemeldeten Versammlungen aufgelöst werden kann:
Ausweislich einer zunächst erstellten Gefahrenprognose vom 09.07.2010 ging die zuständige Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg für die mit Bescheiden vom 26.07. und 29.07.2010 bestätigten Aufzüge von einem Kräftebedarf von insgesamt 2.000 Einsatzkräften, darunter 16 Einsatzhundertschaften, aus. Darin waren im Einzelnen ein Streckenschutz für den "Trauermarsch" mit 6 Einsatzhundertschaften und ein Raumschutz hinsichtlich der Demonstration des Antragstellers mit 7 Einsatzhundertschaften vorgesehen. Weitere Einsatzhundertschaften entfielen auf die Voraufsicht, die Vorkontrollen und Reserven. Dieser Bedarf kann durch eine Kräftezuweisung des Landespräsidiums für Polizei, Brand- und Katastrophenschutz gedeckt werden. Mit der neuen Lagebeurteilung und der daraus resultierenden Berechnung eines zusätzlichen Kräftebedarfs ergibt sich sodann ein nicht mehr zu deckender Bedarf von weiteren 5 Hundertschaften.
Unter Berücksichtigung dieses Zahlenwerkes fehlt es an nachvollziehbaren Gründen, warum nicht bei dem Verbot lediglich einer der beiden Versammlungen genügend Einsatzhundertschaften, welche ursprünglich für den Strecken- bzw. Raumschutz der verbotenen Versammlung vorgesehen waren, frei würden, um den nach neuer Lagebeurteilung nötigen zusätzlichen Kräftebedarf zu decken. Dies muss umso mehr gelten, als mit dem Verbot eines der Aufzüge auch der zusätzliche Bedarf geringer ausfällt. Dieser ist nämlich mit einer Hundertschaft für den Streckenschutz des Aufzugs "Trauermarsch" und 2 Hundertschaften für den Raumschutz der Gegendemonstration des Antragstellers berechnet und würde sich also bei einem Verbot einer der Versammlungen verringern.
Die Kammer verkennt nicht, dass bei einem Verbot einer der Versammlungen - wie vom Antragsgegner ausgeführt - trotzdem mit - militanten - Teilnehmern der verbotenen Versammlung zu rechnen wäre, die trotz des Verbotes anreisen würden. Dem müsste sicherlich mit dem Einsatz weiterer Kräfte bei den Vorkontrollen, der Voraufsicht und dem Strecken- bzw. Raumschutz Rechnung getragen werden. Trotzdem ist für die Kammer nicht zu erkennen, dass die am 14.08.2010 zur Verfügung stehenden ca. 2.000 Polizeikräfte nicht in der Lage wären, zumindest einen der beiden Aufzüge zu schützen und auch die Gefahrenlage im Übrigen zu beherrschen. Insoweit ist der angefochtenen Verfügung und den ansonsten übermittelten Unterlagen keine nachvollziehbare Alternativberechnung des Kräftebedarfs zu entnehmen. Die Darlegung und der Nachweis eines polizeilichen Notstandes auch für den Fall nur eines Aufzugs hätte jedoch beim Antragsgegner gelegen (vgl. zu dieser Beweislast VG Würzburg, Beschluss vom 27.04.2010 - W 5 S 10.345 -, [...]; bestätigt durch Bay. VGH, Beschluss vom 29.05.2010 - 10 CS 10.1040 -, [...]).
Die damit zu treffende Auswahl der zu verbietenden Versammlung kann ermessensfehlerfrei nur auf den Aufzug des Antragstellers fallen, weshalb sich die an ihn gerichtete Verbotsverfügung als rechtmäßig erweist.
Für die Durchführung des ebenfalls angemeldeten "Trauermarsches" spricht zunächst das sogenannte Erstanmelderprivileg (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.05.2005 - 1 BvR 961/05 -, DVBl. 2005, 969). Darüber hinaus und entscheidend ist aber zu berücksichtigen, dass für den 14.08.2010 offenkundig deutlich mehr gewalttätiges Potential aus dem linksautonomen Spektrum zu erwarten ist als auf Seiten der sogenannten "Autonomen Nationalisten". Insoweit wird zur Ergänzung auf die Aufführungen des Antragsgegners in dem angegriffenen Bescheid Bezug genommen. Die Polizeidirektion Göttingen schätzt in ihrer Kräfteberechnung vom 11.08.2010 die Zahl der zu erwartenden Linksextremisten auf 400 - 500 ein und die Zahl der gewaltbereiten "Autonomen Nationalisten" auf 250. Außerdem war in Bad Nenndorf im letzten Jahr zu beobachten, dass angereiste "Autonome Nationalisten" an dem "Trauermarsch" gar nicht teilnahmen, sondern wieder abreisten, weil sie nicht bereit waren, sich polizeilichen Vorkontrollen zu unterziehen. Polizeilichen Kontrollen sollen auch in diesem Jahr wieder stattfinden. Weiterhin ist es bei den "Trauermärschen" in den vergangenen Jahren zu keinerlei Ausschreitungen der Versammlungsteilnehmer gekommen. Schließlich ist dem Antragsteller entgegen zu halten, dass mittlerweile sogar aus dem sogenannten bürgerlichen Spektrum zu Sitzblockaden aufgerufen wird (vgl. unter anderem die HAZ von heute, S. 6). Diese Blockaden wären zwar möglicherweise nicht als strafbare Nötigung zu werten, stellen aber zumindest als Mittel zur Hinderung Dritter an der Abhaltung einer angemeldeten und bestätigten Versammlung einen Verstoß gegen § 2 Abs. 2 VersG dar (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 30.04.2010 - 1 L 112.10, [...] unter Bezugnahme auf OVG Berlin, Urteil vom 20.11.2008 - 1 B 5.06 -). Von entsprechenden Aufrufen hat sich auch der Antragsteller zu keiner Zeit in ausreichender Form distanziert. Im Erörterungstermin vor der Kammer hat er durch seinen Prozessbevollmächtigten nur auf die fehlende Strafbarkeit von Blockaden hingewiesen.
Die Kammer hat schließlich auch erwogen, ob dem Antragsteller statt eines Totalverbots nicht zumindest die Durchführung einer stationären Kundgebung gestattet werden kann. Sie sieht sich hieran allerdings dadurch gehindert, dass es zur Vermeidung eines polizeilichen Notstands notwendig erscheint, gewaltbereiten linksautonomen Kräften nicht die Möglichkeit einzuräumen, im Rahmen einer vom Antragsteller rechtmäßig durchgeführten Versammlung zu agieren. Darüber hinaus ist für die Kammer nicht ersichtlich, wie viele polizeiliche Einsatzkräfte bei Durchführung einer stationären Kundgebung zusätzlich gebunden würden und ob insoweit genügend Kräfte zur Verfügung stünden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Der bei einem Versammlungsverbot anzusetzende Auffangstreitwert ist für das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht zu reduzieren, da mit der Entscheidung eine Vorwegnahme der Entscheidung in den Hauptsachen einhergeht.
Rechtsmittelbelehrung
Soweit über den Sachantrag entschieden worden ist, steht den Beteiligten die Beschwerde gegen diesen Beschluss an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, zu.
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Kärst
Matthies