Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 19.10.2011, Az.: 9 U 86/11

Voraussetzungen für einen Anspruch auf Bewilligung von Unterhaltszahlungen gegen eine Gläubigerversammlung nach § 132 KO bzw. § 100 InsO; Wirksamkeit der Gewährung von Unterhalt für die hinterbliebene Witwe des Kommanditisten einer GmbH & Co KG durch die Gläubigerversammlung in der Insolvenz der Gesellschaft

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.10.2011
Aktenzeichen
9 U 86/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 29057
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2011:1019.9U86.11.0A

Fundstellen

  • MDR 2011, 1447
  • NZI 2012, 5-6
  • ZIP 2011, 2311-2312
  • ZInsO 2011, 2190-2191

Amtlicher Leitsatz

Die Gläubigerversammlung einer in Konkurs geratenen GmbH & Co KG kann der Witwe eines - an der Gesellschaft umfänglich beteiligten- Kommanditisten, der zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH gewesen ist, Unterhalt nicht wirksam gewähren.

Mit derartigen - zudem noch unbefristeten und nicht von einer Bedürftigkeitsprüfung abhängig gemachten - Beschlüssen verlässt die Gläubigerversammlung den ihr gesetzlich eingeräumten Handlungsspielraum.

Redaktioneller Leitsatz

1.

Nach § 132 KO kann die Gläubigerversammlung über eine dem Gemeinschuldner und dessen Familie zu bewilligende Unterstützung beschließen. Ist Gemeinschuldner der betreffenden Konkursverfahren aber weder eine Frau noch deren verstorbener Ehemann, sondern jeweils eine GmbH & Co. KG als entpersonalisierte Personengesellschaft, so gilt dies nicht. Eine solche Gesellschaft hat keine "Familie", der eine Unterstützung bewilligt werden könnte oder auch nur dürfte. Auch eine entsprechende Anwendung der genannten Vorschriften kommt nicht in Betracht. Die Befugnisse der Gläubigerversammlung, mithin deren Rechte und Pflichten, sind in der KO enumerativ geregelt.

2.

Eine Befugnis, Personen, die nicht zum Adressatenkreis des § 132 KO gehören, Geldzahlungen zu bewilligen, steht der Gläubigerversammlung nicht zu. Eine solche liefe auch dem Zweck der KO zuwider.

3.

Auch nach der Neuregelung der insolvenzrechtlichen Unterhaltsvorschriften in § 100 InsO kommt eine Unterhaltsgewährung nur zugunsten des "Schuldners und seiner Familie" in Betracht. Diese Norm gilt nur für denjenigen Schuldner, der eine natürliche Person ist, wobei bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit die Norm entsprechend für die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter gilt. Ist bei einer GmbH und Co KG vertretungsberechtigter persönlich haftender Gesellschafter jeweils eine Komplementärin, die ihrerseits keine natürliche Person, sondern eine GmbH ist, so kann dieser GmbH weder nach aktueller noch nach damaliger Regelung Unterhalt bewilligt werden. Ebenso wenig darf ein Unterhaltsbeschluss für den Geschäftsführer der GmbH oder für dessen Familie) gefasst werden. Ein Beschluss, den die Gläubigerversammlung seinem Inhalt nach mangels enumerativ geregelter Zuständigkeit nicht fassen darf, ist nichtig und deshalb unbeachtlich.

Gründe

1

I.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten - in dessen Eigenschaft als Konkursverwalter über das Vermögen zweier verschiedener GmbH& Co. KG - Zahlung von Unterhalt gem. § 132 KO. Wegen des Sachverhalts und der tatsächlichen Feststellungen des LG wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, mit dem der Klage in vollem Umfang stattgegeben worden ist. Das LG hat gemeint, aus den Beschlüssen der Gläubigerversammlungen der beiden Gesellschaften i.V.m. § 132 KO ergebe sich ein Zahlungsanspruch der Klägerin, der weder Bedürftigkeit voraussetze noch nachweisbar unter der Bedingung gestanden habe, dass eine Verrechnung mit Steuererstattungszahlungen möglich sein solle.

2

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der sein erstinstanzliches Prozessziel weiterverfolgt und geltend macht, es fehle bereits an einer Anspruchsgrundlage. Beschlüsse der Gläubigerversammlungen hätten insoweit keine Außenwirkung. Außerdem würde allenfalls standesgemäßer Unterhalt geschuldet, weshalb die Steuererstattungen an die Klägerin zu berücksichtigen seien. Letzteres sei aber ohnehin deswegen der Fall, weil es eine entsprechende Vereinbarung der Verrechnung gegeben habe, wie die Vernehmung des Zeugen S erkennen lasse. Dessen ungeachtet habe das LG es unterlassen, die zu der Beweisfrage ebenfalls benannte Zeugin W zu vernehmen.

3

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie macht unter Hinweis auf entsprechende Kommentarliteratur geltend, schon aus der Rechtsnatur konkursrechtlicher Unterhaltsansprüche als Massekosten ergebe sich, dass eine durch die Gläubigerversammlung bewilligte Unterstützung auch einklagbar sei. Zu Recht habe das LG ferner angenommen, dass es auf die Bedürftigkeit der Klägerin nicht ankomme. Die Bewilligung von Unterhalt stehe der Höhe und den Voraussetzungen nach vielmehr im Belieben der Gläubigerversammlung. Entgegen der Vermutung des Beklagten habe es insofern auch keine Vereinbarung betreffend eine Verrechnung mit Steuererstattungen gegeben, zumal diese Steuerforderungen aus dem privaten Bereich betroffen hätten. Außerdem habe die Klägerin die Erstattungen auf Drängen des Konkursverwalters und der Gläubiger zur Begleichung von Verbindlichkeiten einsetzen müssen. Auch könne der Gläubigerausschuss nicht für die Gläubigerversammlung beschließen. Weder der Zeuge S noch die Zeugin W seien schließlich Mitglieder der Gläubigerversammlungen gewesen, weshalb die Beweisaufnahme des LG einer Amtsermittlung gleichgekommen und eine Vernehmung der Zeugin W nicht erforderlich sei. Selbst wenn der Beklagte eine schriftliche Vereinbarung hinsichtlich der Verrechnung mit Steuererstattungen (die bestritten bleibe) vorlege, wäre dies verspätet.

4

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

5

II.

Die Berufung erweist sich als begründet.

6

Entgegen der Auffassung des LG steht der Klägerin ein Anspruch auf Unterhalt nach §§ 129, 132 KO nicht zu.

7

Abgesehen davon, dass zweifelhaft erscheint, ob die Gläubigerversammlung der M Bewehrungstechnik GmbH & Co. KG am 19.2.1999 mit dem Beschluss zu TOP 8 überhaupt einen Willen dahin gehend zum Ausdruck gebracht hat, einen Unterhaltsanspruch der Klägerin zu begründen (in diesem Beschluss ist, anders als in demjenigen betreffend die Klägerin zu 2 v. 5.2.1999, nicht eine Unterhaltszahlung "gewährt" worden, sondern lediglich dem Konkursverwalter die Genehmigung für Zahlungen erteilt worden), sind beide Beschlüsse, wollte man sie als auf die Bewilligung von Unterhaltszahlungen an die Klägerin bezogen verstehen, jedenfalls unwirksam. Nach § 132 KO kann die Gläubigerversammlung "über eine dem Gemeinschuldner und dessen Familie zu bewilligende Unterstützung" beschließen. Gemeinschuldner der betreffenden Konkursverfahren war aber weder die Klägerin noch deren verstorbener Ehemann, sondern jeweils eine GmbH & Co. KG als entpersonalisierte Personengesellschaft. Eine solche hat keine "Familie", der eine Unterstützung bewilligt werden könnte oder auch nur dürfte. Auch eine entsprechende Anwendung der genannten Vorschriften, wie sie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unter Hinweis auf die "Inhaberschaft" des verstorbenen Ehemanns der Beklagten hinsichtlich der im Konkursverfahren befindlichen Gesellschaften befürwortet hat, kommt nicht in Betracht. Die Befugnisse der Gläubigerversammlung, mithin deren Rechte und Pflichten, sind in der KO enumerativ geregelt (Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 93 KO Nr. 1). Eine Befugnis, Personen, die nicht zum Adressatenkreis des § 132 KO gehören, Geldzahlungen zu bewilligen, steht der Gläubigerversammlung nicht zu; diese liefe auch dem Zweck der KO (nämlich der geregelten Befriedigung von Gläubigerforderungen in deren Gesamtheit) zuwider.

8

Auch nach der Neuregelung der insolvenzrechtlichen Unterhaltsvorschriften in § 100 InsO kommt eine Unterhaltsgewährung nur zugunsten des "Schuldners und seiner Familie" in Betracht. Diese Norm gilt nur für denjenigen Schuldner, der eine natürliche Person ist, wobei bei einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO) die Norm entsprechend für die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter gilt, § 101 Abs. 1 Satz 3 InsO. Vertretungsberechtigter persönlich haftender Gesellschafter der hiesigen KG ist jeweils eine Komplementärin, die ihrerseits keine natürliche Person, sondern eine GmbH ist. Auch einer solchen kann weder nach aktueller noch nach damaliger Regelung "Unterhalt" bewilligt werden. Ebenso wenig darf ein Unterhaltsbeschluss für den Geschäftsführer der GmbH (bzw. dessen Familie) gefasst werden (vgl. etwa Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 100 Rn. 5; Eickmann, InsO, 4. Aufl., § 100 Rn. 2 und 4; Braun/ Kroth, InsO, 4. Aufl., § 100 Rn. 2; Jaeger/ Schilken, InsO, § 100 Rn. 5 und 10; HambKomm-InsO/ Wendler, 3. Aufl., § 100 Rn. 6). Ein Beschluss, den die Gläubigerversammlung seinem Inhalt nach mangels (enumerativ geregelter) Zuständigkeit nicht fassen darf, ist nichtig und deshalb unbeachtlich (vgl. nur BGH, Beschl. v. 21.7.2011 - IX ZB 128/10, dort Rn. 12, zit. nach [...]).

9

Die Kostenentscheidung folgt § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor, insbesondere kommt es nicht auf die von der Klägerin thematisierten Fragen der Entscheidungskompetenz des Gläubigerausschusses oder der Bedürftigkeit als Tatbestandsvoraussetzung für Unterhaltszahlungen an.