Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 07.01.2021, Az.: 1 B 52/20

Bindungswirkung; Bürgerbegehren; Einstweilige Anordnung; Vorabentscheidung; Vorwegnahme der Hauptsache

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
07.01.2021
Aktenzeichen
1 B 52/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71199
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die vorläufige Verpflichtung des Hauptausschusses, ein Bürgerbegehren zuzulassen, hat irreversible Folgen und nimmt die Hauptsache zumindest faktisch in Teilen vorweg.

Die Vorwegnahme der Hauptsache ist ausnahmsweise zulässig, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegen und die gerichtliche Regelung zur Gewährung effektiven Rechtschutzes notwendig ist, weil durch ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.

Eine Vorabentscheidung nach § 32 Abs. 3 Satz 5 NKomVG ist nicht nichtig und darf durch eine spätere Entscheidung des Hauptausschusses grundsätzlich nicht aufgehoben oder geändert werden, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 2 und 3 Satz 1 bis 3 NKomVG im Zeitpunkt der(positiven) Vorabentscheidung tatsächlich nicht vorlagen.

Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn durch den bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache entstehenden Zeitablauf Fakten geschaffen werden, die die politische Meinungsbildung und damit den Ausgang eines Bürgerentscheids wesentlich (mit-)bestimmen werden.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren im Wege einer einstweiligen Anordnung die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, das Bürgerbegehren A. zuzulassen.

Der Landkreis M. - im Folgenden: Landkreis - ist alleiniger Gesellschafter der M. -Klinikum gGmbH - im Folgenden: N. -, die an den Standorten A-Stadt und O. jeweils ein Krankenhaus betreibt. Er wird in der Gesellschafterversammlung durch die Mitglieder des Kreistages und den Hauptverwaltungsbeamten vertreten (§ 12 Abs. 5 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags). Im Januar 2018 bot das für die Krankenhausversorgung zuständige Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung der N. an, die Errichtung eines zentralen Klinikums im Landkreis bei Aufgabe der bisherigen Standorte maßgeblich zu finanzieren.

Im März 2018 beschloss der Kreistag, die Vertreterinnen und Vertreter in der Gesellschafterversammlung der N. zu beauftragen, die Geschäftsführung der N. anzuweisen, beim Land Niedersachsen bzw. beim Krankenhausplanungsausschuss den Antrag zu stellen, planerisch die Zusammenlegung der beiden Krankenhausstandorte an einem zentralen Standort im M. zum 1. Januar 2023 zu beschließen und für die Zusammenlegung Fördermittel in Höhe von bis zu 200 Mio. EUR bewilligen.

Nach Beteiligung des Krankenhausplanungsausschusses des Landes Niedersachsen stellte das vorgenannte Ministerium durch Bescheid vom 19. November 2018 fest, dass der Ersatzneubau eines zentralen Klinikums in den Niedersächsischen Krankenhausplan unter der Bedingung aufgenommen wurde, dass die Krankenhäuser O. und A-Stadt aus dem Krankenhausplan bestandskräftig ausscheiden. Das Land Niedersachsen stellte hierfür Fördermittel in Höhe von rund 130 Mio. EUR aus dem sogenannten Krankenhausstrukturfonds II in Aussicht. Hierzu müsse der Förderantrag (die sogenannte Förderunterlage Bau) bis zum 30. September 2021 vorgelegt werden. Die N. gab in der Folgezeit eine gutachterliche Analyse verschiedener Standorte in Auftrag, darunter in C-Stadt (F4) und in der Ortschaft P. der Stadt C-Stadt (D4). Das Gutachten sprach die Empfehlung aus, den Klinikneubau am Standort C-Stadt (F4) zu errichten. Auf seiner Sitzung vom 26. Juni 2020 beschloss der Kreistag, die Vertreterinnen und Vertreter in der Gesellschafterversammlung der N. zu beauftragen, „zur dinglichen Sicherung zum Bau eines neuen, zentralen Q. wie folgt abzustimmen: Die Gesellschafterversammlung der [N.] beschließt, als Standort für die Planung eines Krankenhaus-Neubaus in zentraler Lage im Landkreis M. den Suchbereich F4 auf Basis der Gutachtervorschläge vorzusehen“. Die Gesellschafterversammlung fasste am selben Tag einen entsprechenden Beschluss. Der Beschluss des Kreistages wurde am 3. Juli 2020 öffentlich bekanntgemacht.

Am 13. Juli 2020 fasste der Bau-, Umweltschutz- und Verkehrsausschuss der Stadt C-Stadt die Beschlüsse über die Aufstellung der 26. Änderung des Flächennutzungsplans und über die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 79 „Klinikum R.“. Der Rat der Stadt S. bestätigte diese Aufstellungsbeschlüsse mit Beschluss vom 2. November 2020. Er stellte dabei „ergänzend [klar], dass für ein neues zentrales Klinikum […] im Stadtgebiet C-Stadt ausschließlich der sogenannte Bereich `F4´ […] als Standort infrage kommt. Andere Flächen im Stadtgebiet C-Stadt sind somit für den Neubau des M. -Klinikums ausgeschlossen.“

Am 17. Juli 2020 zeigten die Antragsteller zu 1. und 2. dem Landkreis die Einleitung des Bürgerbegehrens an. Zeitgleich beantragten sie eine unverzügliche Entscheidung des Antragsgegners über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 32 Abs. 2 und 3 Satz 1 bis 3 NKomVG. Nach entsprechender Beratung durch den Landrat wurde der Wortlaut des Bürgerbegehrens durch Schreiben des Antragstellers zu 1. vom 23. Juli 2020 wie folgt gefasst: Mit dem Bürgerbegehren werde das Ziel verfolgt, dass das neue Klinikum im Raum P. gebaut werde. Die Frage des Bürgerbegehrens laute: „Sind Sie dafür, die Vertreterinnen und Vertreter in der Gesellschafterversammlung der [N.] anzuweisen, einen Beschluss dahingehend zu fassen, dass in Abänderung des Beschlusses der Gesellschafterversammlung vom 26.06.2020 als Standort für die Planung eines Krankenhaus-Neubaus ein Suchbereich bei P. vorzusehen ist?“. Der Antragsgegner stellte daraufhin auf seiner Sitzung vom 10. August 2020 fest, dass das Bürgerbegehren die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 2 und 3 Satz 1 bis 3 NKomVG erfülle.

Am 28. Juli 2020 veröffentlichte die N. die Bekanntmachung eines hochbaulichen und freiraumplanerischen Wettbewerbsverfahren für den Bau des Gesamtklinikums. Der Terminplan der N. sieht vor, dass die Wettbewerbsentwürfe im Januar 2021 vorgelegt werden, das Preisgericht im März 2021 den Wettbewerbsgewinner bestimmen wird, die zu beauftragenden Planungen (u.a. zu Architektur, Statik, Haus- und Medizintechnik) anschließend in die „Förderunterlage Bau“ aufgenommen werden und das Land Niedersachsen - nach Einreichung der Förderunterlage - im ersten Quartal 2022 eine Entscheidung über die Fördermittelvergabe treffen wird.

Bis zum 5. Oktober 2020 reichten die Antragsteller bei dem Antragsgegner 12.658 gültige Unterstützungsunterschriften für das Bürgerbegehren ein. Der Antragsgegner vertagte auf seiner Sitzung vom 15. Oktober 2020 eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens und beschloss, zur Beurteilung dieser Frage ein Rechtsgutachten einzuholen. Er hob auf seiner Sitzung vom 16. November 2020 seinen Beschluss vom 10. August 2020 auf und stellte fest, dass das Bürgerbegehren nicht zulässig sei. Unter Berufung auf das eingeholte Rechtsgutachten sei er der Auffassung, dass sein Beschluss vom 10. August 2020 unwirksam sei, weil das Bürgerbegehren die laufende Bauleitplanung der Stadt C-Stadt betreffe und damit gegen § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 NKomVG verstoße.

Die Antragsteller haben bereits am 13. November 2020 Klage erhoben (Az. 1 A 284/20) und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht mit dem Begehren, den Antragsgegner (vorläufig) zu verpflichten, das Bürgerbegehren zuzulassen.

Zur Begründung ihres Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes tragen sie im Wesentlichen vor: Sie hätten einen Anspruch auf Zulassung des Bürgerbegehrens. Dieser Anspruch ergebe sich aus § 32 Abs. 6 Satz 1 und 2 NKomVG. Dabei beschränke sich die Prüfung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens gemäß § 32 Abs. 6 Satz 2 NKomVG auf die in § 32 Abs. 4 und 5 NKomVG genannten Anforderungen, weil der Antragsgegner bereits am 10. August 2020 eine Vorabentscheidung nach § 32 Abs. 3 Satz 3 NKomVG über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 32 Abs. 2 und 3 Satz 1 bis 3 NKomVG getroffen habe. Diese Entscheidung sei bindend. Bei Bürgerbegehren sei das Vertrauen in die Entscheidungen staatlicher Organe in besonderer Weise schutzwürdig. Der Beschluss vom 16. November 2020 sei daher rechtswidrig. Zudem hätten sie die erforderlichen Unterstützungsunterschriften fristgerecht eingereicht. Ferner liege auch ein Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor. Es bestehe die Gefahr, dass die Verwirklichung des von ihnen geltend gemachten Rechts auf Zulassung des Bürgerbegehrens durch weiteren Zeitablauf vereitelt werde. Der Klinikneubau könne sowohl am Standort C-Stadt (F4) als auch am Standort P. (D4) realisiert werden, wenn er durch das Land Niedersachsen aus Mitteln des Krankenhausstrukturfonds II gefördert werde. Die Frist zur Einreichung der „Förderunterlage Bau“ könne nicht verlängert werden. Wenn der Bürgerentscheid im März 2020 durchgeführt werde und die Bürgerschaft sich für den Klinikstandort in P. ausspreche, verbleibe noch hinreichend Zeit, um die bisher für den Standort C-Stadt erstellte Planung auf den neuen Standort anzupassen und den Förderantrag fristgerecht beim Land Niedersachsen einzureichen. Die Standorte P. und C-Stadt lägen lediglich rund 7 km voneinander entfernt, so dass es nicht erforderlich sei, den Architektenwettbewerb zu wiederholen.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, das Bürgerbegehren A. zuzulassen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er trägt im Wesentlichen vor: Sein Beschluss vom 10. August 2020 sei rechtswidrig, da das Bürgerbegehren die von der Stadt C-Stadt eingeleitete Bauleitplanung betreffe und demzufolge gegen § 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 NKomVG verstoße. Der Beschluss sei somit nichtig und entfalte keine Bindungswirkung. Die (Vorab-)Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens stelle mangels Außenwirkung keinen Verwaltungsakt dar, so dass die Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechts über die Bestandskraft und über die Rücknahme von Verwaltungsakten keine Anwendung fänden. Mit den Antragstellern bestehe vielmehr eine Auseinandersetzung im Innenrechtskreis der Kommune. Sie könnten sich daher nicht auf Vertrauensschutz berufen. Des Weiteren liege kein Anordnungsgrund vor. Zunächst reiche die Zeit nicht aus, um im Falle eines erfolgreichen Bürgerentscheids einen anforderungsgerechten Förderantrag für den Standort P. zu erarbeiten. Für den Suchbereich D4 seien wegen anderer topographischer Gegebenheiten, wie Hanglage und hoher Grundwasserspiegel, wesentliche Um- und Neuplanungen erforderlich, so dass ein neuer Architektenwettbewerb durchzuführen sei. Daraus ergebe sich ein Zeitbedarf von 12 bis 15 Monaten. Darüber hinaus sei die Mitfinanzierung eines Krankenhausneubaus durch das Land Niedersachsen nicht allein dann möglich, wenn die am 30. September 2021 ablaufende Frist eingehalten werde. Zwar werde bei einer Versäumung dieser Frist die in Aussicht gestellte Förderung aus dem Strukturfonds II entfallen. Es bestehe jedoch grundsätzlich eine Rechtspflicht des Landes Niedersachsen zur Förderung von Investitionen im Krankenhausbereich, so dass auch in künftigen Jahren von einer Förderung des Neubaus durch das Land auszugehen sei.

II.

Der Antrag der Antragsteller, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, das Bürgerbegehren A. zuzulassen, hat Erfolg.

An der Zulässigkeit des Antrags bestehen keine Bedenken. Insbesondere sind die Antragsteller entsprechend den Anforderungen des § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Die Vertretungsberechtigten eines Bürgerbegehrens nach § 32 NKomVG können ungeachtet dessen, dass dies nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, gegen die Entscheidung über die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens Klage erheben. Das gibt ihnen zugleich das Recht, die Belange, welche das Zustandekommen und die Zulassung des Bürgerbegehrens sowie die Durchführung des Bürgerentscheids erfordern, im eigenen Namen wahrzunehmen und wegen des Gebots wirksamen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) unter bestimmten Voraussetzungen den Anspruch auf Durchführung des Bürgerentscheids gerichtlich sichern zu lassen (vgl. zu § 22b NGO: Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 7.5.2009 - 10 ME 277/08 -, juris Rn. 16 m.w.N.).

Der Antrag ist auch begründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn diese Regelung unter anderem zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein solcher Antrag ist begründet, wenn der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO).

Da § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO nur die Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlaubt und eine endgültige Regelung damit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss, ist es grundsätzlich nicht zulässig, im Rahmen einer einstweiligen Anordnung bereits die Hauptsache vorwegzunehmen. Die Vorwegnahme der Hauptsache ist daher nur ausnahmsweise zulässig, wenn ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund mit hoher Wahrscheinlichkeit vorliegen und die gerichtliche Regelung zur Gewährung effektiven Rechtschutzes notwendig ist, weil durch ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Der besonderen Bedeutung betroffener Rechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes ist Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.4.2008 - 2 BvR 338/08 -, juris Rn. 3; Beschl. v. 25.10.1988 - 2 BvR 745/88 -, juris Rn. 17; BVerwG, Beschl. v. 29.04.2010 - 1 WDS VR 2.10 -, juris Rn. 16 m.w.N.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.5.2010 - 8 ME 109/10 -, juris Rn. 14 m.w.N.). Diese Maßstäbe gelten auch für die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, das Bürgerbegehren zuzulassen. Denn die vorläufige Zulassung hat irreversible Folgen und nimmt die Hauptsache zumindest faktisch in Teilen vorweg (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 13.12.2010 - 4 CE 10.2839 -, juris Rn. 26 m.w.N.; Beschl. v. 19.3.2007 - 4 CE 07.416 -, juris Rn. 17; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 8.10.2008 - 2 MB 25/08 -, juris Rn. 11 m.w.N.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.12.2007 - 15 B 1744/07 -, juris Rn. 48; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 123 Rn. 26; Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2016, § 123 Rn. 118). Auch bei einer nur vorläufigen Zulassung des Bürgerbegehrens ist innerhalb von drei Monaten ein Bürgerentscheid herbeizuführen (§ 32 Abs. 6 Satz 4 NKomVG), der als solcher - selbst wenn sein Ergebnis nach einer späteren Abweisung der Klage in der Hauptsache nicht mehr bindend wäre - unter anderem hinsichtlich der getätigten Aufwendungen und der Beeinflussung der öffentlichen Meinung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 13.12.2010, a.a.O., m.w.N.; Beschl. v. 19.3.2007, a.a.O.). Daneben darf auch im Falle einer nur vorläufigen Zulassung des Bürgerbegehrens grundsätzlich bis zu dem Tag, an dem der Bürgerentscheid stattfindet, eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung nicht mehr getroffen und mit dem Vollzug einer solchen Entscheidung nicht mehr begonnen werden (§ 32 Abs. 7 NKomVG).

Vorstehende Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegen hier vor.

1.

Es besteht zunächst ein Anordnungsanspruch. Die Antragsteller haben glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner verpflichtet ist, das Bürgerbegehren A. zuzulassen. Rechtsgrundlage für diesen Anspruch ist § 32 Abs. 6 Satz 1 NKomVG. Danach entscheidet der Hauptausschuss unverzüglich über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. Da der Antragsgegner bereits eine (Vorab-)Entscheidung nach § 32 Abs. 3 Satz 5 NKomVG traf, hat er gemäß § 32 Abs. 6 Satz 2 NKomVG allein darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen der Absätze 4 und 5 der Vorschrift vorliegen. Entscheidungserheblich ist insoweit der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 21.5.2012 - 10 LA 3/11 -, juris Rn. 17; KVR-NKomVG, § 32 Rn. 134 m.w.N.).

Gemäß § 32 Abs. 3 Satz 5 NKomVG hat der Hauptausschuss unverzüglich zu entscheiden, ob die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 2 und 3 Satz 1 bis 3 NKomVG vorliegen, wenn dies in der Anzeige des Bürgerbegehrens beantragt wird. Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn das Bürgerbegehren eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises der Kommune zum Gegenstand hat (§ 32 Abs. 2 Satz 1 NKomVG), die nicht zu den in § 32 Abs. 2 Satz 2 NKomVG aufgezählten unzulässigen Gegenständen gehört. Außerdem muss die begehrte Sachentscheidung genau bezeichnet und so formuliert sein, dass für das Begehren mit Ja oder gegen das Begehren mit Nein abgestimmt werden kann (§ 32 Abs. 3 Satz 1 NKomVG). Des Weiteren muss das Bürgerbegehren eine Begründung enthalten sowie bis zu drei Personen benennen, die berechtigt sind, die antragstellenden Personen zu vertreten (§ 32 Abs. 3 Satz 2 und 3 NKomVG). Der Antragsgegner sah diese Voraussetzungen als gegeben an und stellte die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens durch Beschluss vom 10. August 2020 fest. An diese Vorabentscheidung ist er weiterhin gebunden. Diese Bindung ist nicht deshalb entfallen, weil sich der Antragsgegner eine Änderung seiner Entscheidung vorbehalten hätte. Dem im Protokoll der Sitzung des Kreisausschusses vom 10. August 2020 wiedergegebenen Beschluss lässt sich ein solcher Vorbehalt nicht entnehmen. Im Übrigen sieht § 32 Abs. 3 Satz 5 NKomVG eine solche Möglichkeit nicht vor. Vielmehr ist der Hauptausschuss aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit verpflichtet, unverzüglich eine abschließende Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens nach § 32 Abs. 2 und 3 Satz 1 bis 3 NKomVG zu treffen. Der Beschluss vom 10. August 2020 ist weder nichtig noch durfte der Antragsgegner ihn durch einen späteren Beschluss ändern. Dem steht nicht entgegen, dass die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens - mangels Außenwirkung - keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit § 35 VwVfG darstellt, sondern das kommunalrechtliche Innenrechtsverhältnis zwischen Antragsteller und Antragsgegner betrifft (vgl. Niedersächsisches OVG, Urt. v. 4.12.2019 - 10 LC 154/18 -, juris Rn. 39 m.w.N.; VG Hannover, Urt. v. 25.6.2020 - 1 A 4319/19 -, juris Rn. 20). Zwar finden damit die Regelungen über die Nichtigkeit und Aufhebung von Verwaltungsakten (§ 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit §§ 44, 48 ff. VwVfG) keine Anwendung. Doch folgt daraus nicht, dass die Vorabentscheidung nach § 32 Abs. 3 Satz 5 NKomVG nichtig ist oder durch eine spätere Entscheidung des Hauptausschusses aufgehoben oder geändert werden darf, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 2 und 3 Satz 1 bis 3 NKomVG im Zeitpunkt der (positiven) Vorabentscheidung tatsächlich nicht vorlagen. Die Vorabentscheidung ist vielmehr im Hinblick auf die von ihr umfassten (Rechts-)Fragen abschließend (so auch Niedersächsisches OVG, Urt. v. 4.12.2019 - 10 LC 154/18 -, juris Rn. 44; KVR-NKomVG, § 32 Rn. 80, 111; Thiele, NKomVG, 2. Auflage 2017, § 32 Rn. 23). Durch die Regelung in Absatz 6 Satz 2 NKomVG soll sichergestellt werden, dass der Hauptausschuss an seine Entscheidung nach Absatz 3 Satz 5 gebunden ist und er insoweit auch keine wiederholende Entscheidung treffen soll (vgl. LT-Drs. 16/1255, S. 2). Eine Ausnahme kommt nur dann in Betracht, wenn sich die Sach- und Rechtslage nach der Vorabentscheidung geändert hat, so dass sich das Bürgerbegehren erledigt hat (vgl. KVR-NKomVG, § 32 Rn. 111; Thiele, a.a.O.). Für diese Auslegung sprechen sowohl der Wortlaut des § 32 Abs. 6 Satz 2 NKomVG als auch die Norm- und Gesetzessystematik. Wenn mit der Anzeige des Bürgerbegehrens eine Vorabentscheidung beantragt wird, prüft der Hauptausschuss im Rahmen der (zweiten Teil-) Entscheidung nach dieser Vorschrift „lediglich […], ob die Voraussetzungen der Absätze 4 und 5 vorliegen“. Über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 und 3 Satz 1 bis 3 NKomVG entscheidet der Hauptausschuss gemäß § 32 Abs. 3 Satz 5 NKomVG bereits nach Anzeige des Bürgerbegehrens auf Antrag. Das Gesetz sieht in einem solchen Fall ausdrücklich eine zweistufige Prüfung vor und verleiht der Vorabentscheidung damit grundsätzlich Bestandskraft. Dafür, dass die Vorabentscheidung unabhängig von ihrer inhaltlichen Richtigkeit Bindungswirkung entfaltet, sprechen auch der Regelungszweck sowie die Gesetzgebungsgeschichte. Eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens soll nicht erst dann getroffen werden, wenn sämtliche Unterstützungsunterschriften eingeholt wurden. Eine der Unterschriftensammlung nachfolgende umfassende Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens, von der sich der Gesetzgeber - unter ausdrücklicher Abkehr von der vorherigen Rechtslage - abwandte, würde in zahlreichen Fällen einen nutzlosen, erheblichen Aufwand verursachen und damit der grundsätzlichen Akzeptanz von Bürgerbegehren in der Bevölkerung entgegenwirken (vgl. Dietlein/Mehde, BeckOK Kommunalrecht Niedersachsen, § 32 Rn. 34, Stand 1.10.2020; KVR-NKomVG, § 32 Rn. 76). In der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 16/785, S. 24 f.) heißt es:

„Mit der Gesetzesänderung soll den Vertretern eines Bürgerbegehrens die Möglichkeit eingeräumt werden, frühzeitig durch eine Entscheidung des Verwaltungsausschusses überprüfen zu lassen, ob für das angezeigte Bürgerbegehren die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Absatz 2 (neu) und nach Absatz 3 Sätze 1 bis 3 (neu) vorliegen. […]

Nach der bisherigen Rechtslage wird erst am Schluss des Verfahrens zur Einreichung des Bürgerbegehrens, also nach der Sammlung der Unterstützungsunterschriften, geprüft, ob das Bürgerbegehren z. B. ein zulässiges Thema zum Gegenstand hat [...]. Die Kriterien für die Zulässigkeit haben in der Praxis eine große Bedeutung für den Erfolg eines Bürgerbegehrens. Nach dem Bürgerbegehrensbericht 2007, den der Verein `Mehr Demokratie e. V.´ in Kooperation mit der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie, Universität Marburg, erstellt hat, sind 44,1 v. H. der in Niedersachsen durchgeführten Bürgerbegehren an den Zulässigkeitsvoraussetzungen gescheitert. Mit einer frühzeitigen Entscheidung über die inhaltliche Zulässigkeit des Bürgerbegehrens wird gegebenenfalls eine Überarbeitung des Bürgerbegehrens ermöglicht, bevor für das Anliegen in der Bürgerschaft geworben wird und Unterstützungsunterschriften gesammelt werden. Damit sollen die Bürgerinnen und Bürger, die sich für das Bürgerbegehren engagieren oder dieses durch ihre Unterschrift unterstützen, vor der Enttäuschung bewahrt werden, die entsteht, wenn sie erst am Schluss des Verfahrens erfahren, dass bei der Abfassung des Bürgerbegehrens die inhaltlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht beachtet worden sind. Die Änderung beugt damit der Politikverdrossenheit vor und steigert die Akzeptanz von Bürgerbegehren bei den Bürgerinnen und Bürgern.“

Diese klare gesetzgeberische Zielsetzung würde unterlaufen, wenn ein Hauptausschuss zunächst die Entscheidung träfe, dass ein Bürgerbegehren die Voraussetzungen nach § 32 Abs. 2 und 3 Satz 1 bis 3 NKomVG erfülle, dann aber später nach Einholung der Unterstützungsunterschriften aufgrund „näheren Hinsehens“, etwa - wie hier - auf der Grundlage eines eingeholten Rechtsgutachtens, zu dem Schluss käme, dass seine frühere Entscheidung unzutreffend und (damit) unwirksam wäre.

Nach Maßgabe der vorstehenden Erwägungen sind hier allein die Voraussetzungen der Absätze 4 und 5 des § 32 NKomVG zu prüfen. Der Antragsgegner ist an seine Vorabentscheidung nach § 32 Abs. 3 Satz 5 NKomVG gebunden. Eine Änderung der Sach- und Rechtslage, die ausnahmeweise eine Bindung an die Vorabentscheidung entfallen lassen kann, liegt hier nicht vor. Die Sach- und Rechtslage hat sich nach der am 10. August 2020 getroffenen Vorabentscheidung des Antragsgegners nicht geändert, so dass sich das Bürgerbegehren erledigt hätte. Eine Erledigung des Bürgerbegehrens ist insbesondere nicht durch den am 2. November 2020 gefassten Beschluss des Rates der Stadt C-Stadt eingetreten. Der Rat bestätigte damit die am 13. Juli 2020 gefassten Beschlüsse der Fachausschüsse der Stadt C-Stadt über die Aufstellung der 26. Änderung des Flächennutzungsplans und über die Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 79 „Klinikum R.“. Er stellte „ergänzend [klar], dass für ein neues zentrales Klinikum […] im Stadtgebiet C-Stadt ausschließlich der sogenannte Bereich `F4´ […] als Standort infrage kommt. Andere Flächen im Stadtgebiet C-Stadt sind somit für den Neubau des M. -Klinikums ausgeschlossen.“ Der Rat der Stadt C-Stadt kann diesen Beschluss allerdings jederzeit ändern. Im Übrigen ist mit der vorstehenden Feststellung des Rates der Stadt C-Stadt keine verbindliche baurechtliche Festlegung, sondern lediglich eine politische Erklärung verbunden, aus der eine Änderung der für das Bürgerbegehren maßgeblichen Sach- und Rechtslage nicht folgt.

Die Voraussetzungen der Absätze 4 und 5 des § 32 NKomVG liegen hier vor. Das Bürgerbegehren wurde in Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 32 Abs. 4 NKomVG von einer ausreichenden Zahl an wahlberechtigten Einwohnerinnen und Einwohnern unterzeichnet. Erforderlich waren Unterschriften von mindestens 7,5 % der in der Kommune wahlberechtigten Einwohnerinnen und Einwohner (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Spiegelstrich 2 NKomVG), mithin - nach der Berechnung des Landkreises - 8.621 Unterschriften; eingereicht wurden 12.658 gültige Unterschriften (vgl. Bl. 65, 141 der Beiakte). Die Vorlage der Unterschriften geschah auch fristgerecht. Da sich das Bürgerbegehren letztlich gegen den bekannt gemachten Beschluss des Kreistages vom 26. Juni 2020 richtet, beträgt die Frist gemäß § 32 Abs. 5 Satz 5 NKomVG drei Monate nach dem Tag der am 3. Juli 2020 erfolgten Bekanntmachung (vgl. Bl. 2 der Beiakte). Die Unterschriften wurden vor Ablauf dieser am 5. Oktober 2020, einem Montag, endenden Frist und damit fristgerecht eingereicht (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB).

2.

Außerdem liegt ein Anordnungsgrund vor. Unter Beachtung der obenstehenden Maßgaben ist zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes eine vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners erforderlich, das Bürgerbegehren zuzulassen. Andernfalls entstünden für die Antragsteller in Bezug auf das Bürgerbegehren schwere und unzumutbare Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre.

Zwar haben die Antragsteller nicht hinreichend dargetan und ist auch anderweitig nicht ersichtlich, dass es deshalb einer vorläufigen Regelung bedarf, weil es sonst unmöglich würde, für den Neubau des Krankenhauses an dem von dem Bürgerbegehren präferierten Standort „bei P.“ eine Förderung aus dem Strukturfonds gemäß § 12a Abs. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz zu erreichen. Insoweit haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass bei einem Erfolg des Bürgerbegehrens diese Förderung noch gewährt werden wird. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, erfolgt eine Zuweisung von Fördermitteln aus dem Strukturfonds nur dann, wenn der Landkreis beim Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung die Förderunterlage Bau, mithin - auf der Grundlage eines europaweit auszuschreibenden Teilnahme- und Realisierungswettbewerbs - „ein komplett genehmigungsfähiges Neubaukonzept inklusive der gestaltenden, funktionalen, technischen Planung des Gebäudes durch ein Architekturbüro und einer verlässlichen Kostenaufstellung“ bis zum 30. September 2021 einreichen wird. Die Kammer hält es nicht für im erforderlichen Maß wahrscheinlich, dass der bis dahin verbleibende Zeitraum ausreichen wird, um zunächst den Bürgerentscheid durchzuführen und anschließend - falls sich die Bürgerschaft für den Standort „bei P.“ ausspricht - eine den genannten Anforderungen genügende „Förderunterlage Bau“ zu erstellen. Wenn ein Bürgerbegehren für zulässig erklärt wird, ist der Bürgerentscheid gemäß § 32 Abs. 6 Satz 4 NKomVG innerhalb von drei Monaten herbeizuführen. Angesichts der Maßnahmen, die behördlicherseits zur Vorbereitung der Abstimmung erforderlich sind und angesichts des Erfordernisses einer rechtzeitigen Benachrichtigung der Abstimmungsberechtigten (§ 33 Abs. 2 Satz 1 NKomVG) ist davon auszugehen, dass diese Frist vorliegend nicht deutlich unterschritten werden kann. Selbst wenn dies anders wäre, würde - soweit ersichtlich - der nach der Abstimmung verbleibende Zeitraum nicht ausreichen, um einen anforderungsgerechten Förderantrag beim Land Niedersachsen stellen zu können. Soweit die Antragsteller vorgetragen haben, dass der Zeitraum, der nach dem erfolgten Bürgerentscheid verbleibe, ausreiche, um bis zum 30. September 2021 die ursprüngliche Planung auf die örtlichen Gegebenheiten des neuen Standorts (D4) anzupassen, weil ein neuer Wettbewerb mangels Änderung des Planungsgebietes entbehrlich sei, vermag mit der alleinigen Begründung, der Standort in C-Stadt und der von den Antragstellern für vorzugswürdig gehaltene Suchbereich „bei P.“ seien nur rund 7 km voneinander entfernt, nicht zu überzeugen. Diese Schlussfolgerungen der Antragsteller sind angesichts der Ausführungen des Antragsgegners nicht hinreichend substantiiert. Zum einen hat der Antragsgegner eine detaillierte, schlüssige und auch von den Antragstellern im Einzelnen nicht in Frage gestellte Terminplanung vorgelegt (Bl. 105 ff. der Gerichtsakte). Aus ihr geht hervor, dass für die Durchführung des Wettbewerbsverfahrens und die Erstellung der Förderantragsunterlagen insgesamt 15 Monate veranschlagt werden. Dieser Zeitraum lasse sich nach dem Vorbringen des Antragsgegners allenfalls auf zwölf Monate verkürzen. Diese Einschätzung ist für die Kammer nachvollziehbar und erscheint realistisch. Zum anderen ist es entgegen der Annahme der Antragsteller nicht ohne Weiteres glaubhaft, dass ein neues vergaberechtliches Wettbewerbsverfahren entbehrlich wäre, wenn sich die Abstimmungsberechtigten im Rahmen des Bürgerentscheids für den Standort „bei P.“ aussprächen. Es ist nicht im erforderlichen Maß wahrscheinlich, dass sich der Siegerentwurf des Wettbewerbs ohne wesentliche Anpassungen auf einen anderen Standort übertragen ließe und dass ein neues Wettbewerbsverfahren entbehrlich wäre. Der Antragsgegner hat insoweit in nachvollziehbarer Weise darauf hingewiesen, dass die in Bezug auf den Suchbereich D4 bislang in Erwägung gezogenen Grundstücke jeweils eine andere Größe und andere topographische Gegebenheiten aufwiesen (etwa eine Hanglage und einen hohen Grundwasserspiegel) als die Flächen am Standort F4 (Bl. 99, 127R der Gerichtsakte). Ebenso wenig kann eine Eilbedürftigkeit der Sache mit der Begründung angenommen werden, dass der von den Antragstellern angestrebte Klinikneubau im Bereich der Ortschaft P. nicht umgesetzt werden könne, wenn Fördermittel aus dem Krankenhausstrukturfonds II des Landes nicht zur Verfügung stünden. Denn grundsätzlich ist eine Förderung von Klinikneubauten im Rahmen der Krankenhausplanung des Landes nach dem Niedersächsischen Krankenhausgesetz auch künftig möglich.

Ungeachtet vorstehender Ausführungen kann den Antragstellern allerdings nicht zugemutet werden, ihren Anspruch auf Zulassung des Bürgerbegehrens und damit auf Durchführung des Bürgerentscheids allein im Hauptsacheverfahren durchzusetzen. Durch den weiteren Zeitablauf würde das Erreichen des Ziels des Bürgerbegehrens, dass ein neues M. -Klinikum im Raum P. gebaut wird, mit hoher Wahrscheinlichkeit unangemessen erschwert werden. Nach den von dem Antragsgegner vorgelegten Terminplänen ist davon auszugehen, dass die N. im Zeitpunkt einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache den Antrag auf Förderung aus dem Strukturfonds gestellt, das Land über die Fördermittelvergabe entschieden und die N. - im Falle einer entsprechenden Förderzusage - die Ausführungsplanung für den Klinikneubau am Standort C-Stadt wesentlich vorangetrieben haben wird. Im Falle einer stattgebenden gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache würde dieser Zeitverlust wenn nicht zu einer faktischen Erledigung des Bürgerbegehrens, so doch jedenfalls zu einer unzumutbaren und irreversiblen Benachteiligung der von den Antragstellern vertretenen Unterstützern des Bürgerbegehrens führen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Fakten, die bis zum Zeitpunkt einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsachverfahren - gegebenenfalls über mehrere Instanzen - geschaffen werden, die politische Meinungsbildung und damit den Ausgang eines Bürgerentscheids wesentlich (mit-)bestimmen werden. Dem Gebot effektiven Rechtsschutzes kann somit durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht hinreichend Rechnung getragen werden. Dies rechtfertigt die faktische sowie die im Rechtssinne teilweise - weil immer unter dem Vorbehalt des Erfolgs im Hauptsacheverfahren stehende - Vorwegnahme der Hauptsache (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 13.12.2010 - 4 CE 10.2839 -, juris Rn. 26; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.12.2007 - 15 B 1744/07 -, juris Rn. 48).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG und orientiert sich an Nr. 22.6 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).