Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 17.03.2020, Az.: L 7 AL 81/19

Übernahme von Kosten einer Autismus-Therapie; Verhältnis von Rehabilitationsträgern untereinander; Zuständigkeitszuweisung im Außenverhältnis zum Versicherten

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
17.03.2020
Aktenzeichen
L 7 AL 81/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2020, 24033
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG Osnabrück - 16.07.2019 - AZ: S 43 AL 155/16

Fundstelle

  • info also 2020, 168-172

Redaktioneller Leitsatz

1. § 14 SGB IX a.F. stellte sicher, dass sich der behinderte Mensch darauf verlassen kann, durch seinen Antrag werde sein Begehren unter allen rechtlichen Gesichtspunkten durch den erst- bzw. zweitangegangenen Rehabilitationsträger abschließend geprüft, ohne dass weitere Anträge gestellt werden müssen.

2. Ein weiterer Antrag ist wirkungslos, weil andere Träger, die nicht i.S.d. § 14 SGB IX zuständig geworden sind, ihre Entscheidungsbefugnis über Teilhabeleistungen nach dem für sie geltenden Leistungsrecht verloren haben.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 16. Juli 2019 sowie der Bescheid vom 23. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2016 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Kosten für die Autismustherapie im Zeitraum Januar - Mai 2017 in Höhe von 1275 Euro zu erstatten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte erstattet der Klägerin 2/3 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. L 7 AL 81/19

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme von Kosten einer Autismus-Therapie in einem Autismus-Zentrum in der Zeit von Oktober 2016 bis Juni 2017 in Höhe von 2.040 Euro streitig.

Bei der am L. 1995 geborenen Klägerin besteht seit früher Kindheit ein Asperger-Syndrom (ICD-10: F84.5). Sie ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Die Eltern sind zu ihren Betreuern bestellt worden. Nach dem Gutachten von Dr. M. N., O., vom 10. August 2010 ist die Störung ausschließlich seelischer Art; eine geistige oder körperliche Behinderung liegt nicht vor. Nach dem durchgeführten Testverfahren (ADOS, Autism diagnostic observation schedule) wurde weder eine Sprachentwicklungsverzögerung noch eine Störung der kognitiven Fähigkeiten festgestellt. Qualitativ beeinträchtigt sind der Bereich der gegenseitigen sozialen Interaktion, die Verwendung sozialer Signale, die angemessene Reaktion auf emotionale und empathische Gesten, das altersentsprechende Verantwortungsempfinden für eigene Handlungen, Interesse gegenüber sozialen Situationen. Als Behandlung wurde empfohlen die Teilnahme an dem TEACCH-Programm in der Klinik (Treatment Education of Autistic and related Communication handicapped Children) oder die Unterbringung in einem Internat oder eine Behandlung im Autismus-Zentrum in P ...

Nach erfolgreichem Abschluss der Hauptschule und einem anschließend abgebrochenen Besuch der Berufsfachschule Agrarwirtschaft absolvierte die Klägerin von September 2013 bis Juli 2014 im Q. -Werk R. eine von der Beklagten geförderte Berufsvorbereitungsmaßnahme. Ab dem 1. August 2014 begann sie im Q. -Werk R. eine dreijährige Berufsausbildung zur Fachpraktikerin in der Hauswirtschaft, die sie am 8. Juni 2017 erfolgreich abschloss. Hierfür gewährte die Beklagte Ausbildungsgeld in Höhe von 360 Euro monatlich sowie Reisekosten. Am 1. August 2017 zog die Klägerin in eine eigene Wohnung ein und nahm eine Teilzeitbeschäftigung als Küchenhilfe in einem Integrationsbetrieb des Q. -Werks in R. auf.

Ausweislich einer im Klageverfahren eingeholten Auskunft des Q. -Werk R. vom 20. Januar 2017 handelt es sich bei diesem Berufsbildungswerk um eine auf die Förderung von jungen Menschen mit Autismus-Spektrumstörungen ausgerichtete Einrichtung. Die spezifischen Unterstützungsleistungen erfolgen durch Coaching und Anleitung am Arbeitsplatz bzw. Begleitung betrieblicher Praktika durch einen eingerichteten Fach- und Sozialdienst Autismus, autismusspezifisches soziales Kompetenztraining, Visualisierung und Bereitstellung von Lernmaterialien unter Nutzung des TEACCH-Konzeptes, Zusammenarbeit mit Kinderpsychologen, Fachkliniken und Autismus-Therapie-Zentren, spezifische Fallsupervisionen und Fallberatung durch hierfür zusätzlich qualifizierte Mitarbeiter, Gruppensitzungen und Aufklärung von Arbeitskolleginnen über Umgang mit behinderungspezifischen Handicaps. Bei bestimmten Ausbildungssituationen wird ein Nachteilsausgleich geleistet durch Anwesenheit einer Vertrauensperson in Prüfungssituationen, zusätzliche Erklärungen hinsichtlich der Eindeutigkeit von Aufgabenformulierungen, Zeitverlängerung für die schriftlichen und praktischen Prüfungen, ersetzende mündliche Prüfungsteile durch schriftliche, bei Bedarf kleinere Pausen und Rückzugsmöglichkeiten in den Prüfungsteilen. Eine Autismus-Therapie bietet das Berufsbildungswerk nicht an.

Der Beigeladene gewährte der Klägerin ab November 2010 fortlaufend als Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche in ambulanter Form gemäß § 35a Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) die Kostenübernahme für 2 Therapie-Stunden in der Woche maximal bis zu 10 Stunden im Monat im Autismus-Therapie-Zentrum P., zuletzt durch Bescheid vom 18. Februar 2016 für junge Volljährige gemäß §§ 41, 35a und 39 SGB VIII bis zum 22. September 2016 (einen Tag vor Vollendung des 21. Lebensjahres) auf der Basis einer Hilfeplanfortschreibung vom 17. Dezember 2015. Am 29. April 2016 ging beim Jugendamt der Beigeladenen ein Folgebericht zum Antrag auf Kostenverlängerung des Autismus-Therapie-Zentrums P. vom 25. April 2016 für weitere 10 Therapie-Stunden pro Monat ein. Der vorgesehene Therapieplan hatte folgende Ziele: Förderung der Eigen- und der Fremdwahrnehmung (Sensibilisierung für die eigenen Gefühle, Entwicklung von eigenen Zielen bezogen auf die Zukunft, Förderung der Fähigkeit, Gefühle und Absichten von Mitmenschen zu erkennen und entsprechend zu reagieren), Förderung der Fähigkeiten der sozialen Interaktion und Kommunikation (Förderung der Fähigkeit, sich sozial angemessen zu verhalten, Förderung der Fähigkeit, Kontakt aufzubauen und im dialogischen Verhalten Gespräche zu führen) und Förderung der Selbständigkeit und Handlungsplanung (Förderung der allgemeinen Verselbständigung bezogen auf Einhaltung von Terminen, Wohnsituation).

Am 6. Mai 2016 ging beim Sozialamt der Beigeladenen ein Schreiben der Klägerin vom 25. April 2016 ein mit dem Antrag auf Übernahme der Kosten für die Autismus-Therapie im Autismus-Therapie-Zentrum P. nach Vollendung des 21. Lebensjahres. Diesen Antrag betrachtete der Beigeladene als Antrag auf Kostenübernahme im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben und leitete ihn mit Mail vom 12. Mai 2016 an die Beklagte gemäß § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) weiter. Mit Rückmail vom 12. Mai 2016 bestätigte die Beklagte den Eingang des weitergeleiteten Antrages, äußerte aber gleichzeitig ihre Verwunderung über diesen Vorgang, weil am Tage davor mit dem Jugendamt besprochen worden sei, dass ein bei der Arbeitsagentur eingegangener Antrag der Klägerin an dieses zuständigkeitshalber weitergeleitet werde. Am 11. Mai 2016 war nämlich bei der Agentur für Arbeit R. ein gleichlautender Antrag der Klägerin vom 9. Mai 2016 eingegangen. Diesen zweiten Antrag leitete die Beklagte mit Schreiben vom 11. Mai 2016 an das Jugendamt der Beigeladenen weiter (eingegangen am 13. Mai 2016), weil eine Prüfung gemäß § 14 Abs. 1 SGB IX ergeben habe, dass der Beigeladene für die beantragten Leistungen zur Teilhabe an der Gesellschaft zuständig sei. Mit Bescheid vom 23. August 2016 und Widerspruchsbescheid vom 27. September 2016 bejahte die Beklagte ihre Zuständigkeit als zweitangegangener Rehabilitationsträger, lehnte aber den Förderungsantrag der Klägerin für die Autismus-Therapie ab, weil diese nach dem sozialmedizinischen Gutachten Dr. S. vom 12. August 2016 als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht erforderlich sei. Das Q. -Werk gewähre eine umfassende Betreuung durch geschulte Mitarbeiter und habe sich auf das Störungsbild Autismus spezialisiert. Die benötigten Integrationshilfen am Arbeitsplatz und die höchstmögliche Unterstützung im Hinblick auf ihr Krankheits- und Leistungsbild erhalte die Klägerin unmittelbar durch die Einrichtung.

In dem am 27. Oktober 2016 eingeleiteten Klageverfahren hat die Klägerin 8 Rechnungen des Autismus-Regionalverbandes T. über in der Zeit vom 12. Oktober 2016 bis zum 31. Mai 2017 geleistete und bezahlte Autismus-Therapie-Stunden in Höhe von insgesamt 2.040 Euro vorgelegt. Das Sozialgericht (SG) Osnabrück hat mit Beschluss vom 31. Juli 2017 den Träger der Jugend- und Sozialhilfe gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen und nach mündlicher Verhandlung vom 16. Juli 2019 durch am selben Tage verkündetes Urteil die angegriffenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, die Kosten für die Autismus-Therapie vom 11. Oktober 2016 bis zum 9. Juni 2017 in Höhe von 2.040 Euro zu erstatten (die Angaben im Urteil, dieses sei ohne mündliche Verhandlung ergangen und am 22. August 2019 verkündet, sind offenbar unzutreffend).

In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, die Beklagte sei als zweitangegangener Träger zuständig, weil allein der erste bei einer Behörde eingegangene Antrag maßgeblich sei, also der am 6. Mai 2016 bei der Beigeladenen eingegangene, den diese am 12. Mai 2016 an die Beklagte weitergeleitet habe. Der weitere bei der Beklagten am 11. Mai 2016 eingegangene Antrag sei irrrelevant. Sinn und Zweck des § 14 SGB IX a.F. sei es, das Verfahren zu konzentrieren und zu vereinfachen, um ein mehrfaches Hin- und Herschieben ("Ping-Pong") zwischen den Behörden zu vermeiden. Bei der Autismus-Therapie im Autismus-Zentrum handele es sich um Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 33 Abs. 6 Nr. 5 SGB IX. Die Abgrenzung der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erfolge nach dem Schwerpunkt des Bedarfs und dem Schwerpunkt der Maßnahme. Der zusätzlichen Abgrenzung des 7. Senats des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 19. Juni 2018 - L 7/12 AL 46/16 -) folge die Kammer nicht, soweit der 7. Senat zwar eine Abgrenzung an Hand des Schwerpunkts vornehme, jedoch zusätzlich einen unmittelbaren Bezug zur Eingliederung in Arbeit fordere, der bei einer Maßnahme zur persönlichen Lebensführung nicht gegeben sei. Die Kammer folge der Abgrenzung nach mittelbarem und unmittelbarem Bezug zum einen deshalb nicht, da Zweifel bestünden, ob sich die eingeführte Trennung zwischen mittelbaren und unmittelbaren Auswirkungen auf das Arbeitsleben in der Vielzahl der Konstellationen von Reha-Leistungen durchhalten lasse. Zum anderen spreche die Existenz des hier angewendeten § 33 Abs. 6 Nr. 5 SGB IX a.F. dafür, dass die Konzeption des Gesetzgebers diese Trennung nicht vorsehe. Andernfalls würde diese Variante des § 33 Abs. 6 SGB IX a.F. faktisch leerlaufen, da die dort vorgesehenen Unterstützungen den geforderten unmittelbaren Bezug zum Arbeitsleben regelmäßig nicht hätten. Der Schwerpunkt des Bedarfes in der Maßnahme liege hier in der Teilhabe am Arbeitsleben, weil nach dem Bericht des Q. -Werkes vom 20. Juni 2016 u.a. Probleme im Zusammenhang mit der Zwischenprüfung aufgetreten seien. Der Klägerin würde es weiterhin schwerfallen, komplexe Aufgaben bei zu vielen Störquellen durchzuführen und sich auf die Arbeiten zu konzentrieren. Damit ergäben sich aus der Sicht der Kammer vor allem Probleme im Bereich des Arbeitslebens. Zwar liege gemäß § 112 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für behinderte Menschen im Ermessen der Beklagten. Es sei jedoch von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen, da die Klägerin bei dem konkreten Anbieter auch vor dem hier streitigen Zeitraum in Behandlung gewesen sei.

Gegen das am 26. August 2019 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11. September 2019 Berufung eingelegt. Sie sei nicht der zuständige zweitangegangene Träger. Die Begründung des SG, es komme nur auf den ersteingegangenen Antrag an, übersehe, dass § 14 SGB IX a.F. die Zuständigkeit des zweitangegangenen Trägers nicht durch den Eingang eines Antrages bei einem anderen Träger begründe, sondern durch die Tatsache der Weiterleitung des Antrages. Gingen gleichartige Anträge bei verschiedenen Trägern zeitnah ein, müsse es deshalb auf den Zeitpunkt der Weiterleitung des Antrages ankommen. Die Beklagte habe als erste am 11. Mai 2016 den Antrag an das Jugendamt der Beigeladenen weitergeleitet und damit seine Zuständigkeit als zweitangegangenen Träger begründet. Ferner habe das SG nicht geprüft, ob möglicherweise zu einem früheren Zeitpunkt beim Jugendamt des Beigeladenen ein Antrag auf Weiterbewilligung der seit einigen Jahren geförderten Autismus-Therapie eingegangen sei, wie der Folgebericht zum Antrag auf Kostenverlängerung des Autismus-Therapie-Zentrums vom 25. April 2016 nahelege, der dann nicht fristgerecht weitergeleitet worden wäre. Die gewünschte Förderung der Therapie im Autismus-Therapie-Zentrum in der hier durchgeführten Form stelle keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben dar. Nach den unmissverständlichen Ausführungen im Hilfeplan des Therapie-Zentrums vom 25. April 2016 habe die Therapie einen breiten auf soziale Teilhabe im Allgemeinen abstellenden Ansatz und gehe weit über Hilfestellungen am Arbeitsplatz hinaus. Ohnehin sei die Beklagte der Ansicht, dass es bei einer Annex-Leistung iS des § 33 Abs. 6 Nr. 5 SGB IX a.F. auf den vom erkennenden Senat in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2018 - L 7/12 AL 46/16 - herausgearbeiteten unmittelbaren Bezug zur Hauptleistung ankomme. Ein unmittelbarer Bezug sei ebenfalls nicht erkennbar. Im Übrigen könnten auch Leistungen gegen den Beigeladenen aus dem vorrangigen § 41 SGB VIII gegeben sein, weil die Hilfe für junge Volljährige nicht schematisch mit Vollendung des 21. Lebensjahres ende.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 16. Juli 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und der Beigeladene beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und macht sich den Vortrag des Beigeladenen vollständig zu Eigen. Sie legt ferner einige Nachweise über ihre Vermögensverhältnisse im Streitzeitraum vor.

Der Beigeladene trägt vor, dass im Fachbereich Jugend kein weiterer Antrag auf Weitergewährung einer Autismus-Therapie nach Vollendung des 21. Lebensjahres eingegangen sei. Es bestünden keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils des SG. Der Beigeladene teile die Auffassung des erkennenden Senates in seinem Urteil vom 19. Juni 2018 unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BSG, dass die Abgrenzung der unterschiedlichen Rehabilitationsleistungen nicht nach dem Leistungsgegenstand, sondern nach dem jeweiligen Leistungszweck zu erfolgen habe. Zutreffend sei auch die weitere Auffassung des erkennenden Senates unter Bezugnahme auf weitere Rechtsprechung des BSG, dass psychosoziale und heilpädagogische Leistungen nach § 33 Abs. 6 SGB IX a.F. als sogenannte "Annex-Leistungen" nicht eigenständig zu gewähren seien, sondern nur in unmittelbarem Zusammenhang mit der beruflichen Rehabilitation als Hauptleistung, sodass diese final auf das gesetzlich vorgesehene Ziel der positiven Entwicklung der Erwerbsfähigkeit ausgerichtet seien müssten. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall erfüllt. Die Behinderung der Klägerin wirke sich unmittelbar bei der Berufsausübung aus und diene nicht nur der persönlichen Lebensführung, der Verbesserung der Lebensqualität sowie der Deckung von elementaren Grundbedürfnissen. Der Klägerin sei aufgrund der weiteren Behandlung im Autismus-Therapie-Zentrum P. der erfolgreiche Abschluss der Berufsausbildung möglich gewesen. Gerade im Hinblick auf aktuelle Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen im Urteil vom 28. November 2019 - L 8 SO 240/18 - stelle die Autismus-Therapie eine Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben dar. In dieser Entscheidung habe der 8. Senat festgestellt, dass eine Autismus-Therapie als "Hilfe zur angemessenen Schulbildung" und nicht als "Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft" anzusehen sei. Insbesondere trage die Autismus-Therapie zu einem erfolgreichen Schulbesuch bei. Übertragen auf den hiesigen Sachverhalt bedeute dies, dass die Autismus-Therapie für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung erforderlich gewesen sei. Bereits der Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dr. N. habe in seinem Gutachten vom 20. Mai 2010 diagnostiziert, dass die Erkrankung der Klägerin hauptsächlich den schulischen Bereich negativ beeinflusse und damit vor allem den Bereich außerhalb der allgemeinen Lebensführung.

Wegen des umfassenden Sachverhalts und des vollständigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Beigeladenen Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Beratung und der Entscheidungsfindung durch den Senat.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und teilweise begründet. Sie muss der Klägerin als zuständiger Leistungsträger die Kosten für die Autismus-Therapie vom 1. Januar bis zum 9. Juni 2017 in Höhe von 1.275 Euro als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erstatten. Insoweit ist ihre Berufung zurückzuweisen. Bezüglich der Therapiekosten vom 12. Oktober bis zum 31. Dezember 2016 war aber die Klage unbegründet und abzuweisen. In diesem Umfange sind das erstinstanzliche Urteil sowie die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten zu ändern.

1.

Klagegegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2016, mit dem der Antrag der Klägerin vom 25. April 2016 auf Übernahme der Kosten für die Therapie im Autismus-Zentrum P. abgelehnt wurde. Dieses Begehren verfolgt die Klägerin mit einer verbundenen Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 5 SGG), nachdem sie nach Klageerhebung diese Kosten selbst verauslagt hat (§ 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX in der bis zum 31. Dezember 2017 gültigen Fassung - a.F. -, jetzt: § 18 Abs. 6 SGB IX). Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass diese Vorschrift eine eigenständige Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Kostenerstattung darstellt, der an die Stelle des primären Sachleistungsanspruchs tritt (BSG, Urteil vom 9. September 2008 - B 8/9b SO 10/07 R -, SozR 4-3500 § 54 Nr. 3, juris Rz. 11).

2.

Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX a.F. stellt der Rehabilitationsträger, bei dem ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe eingegangen ist, innerhalb von zwei Wochen fest, ob er nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei dieser Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX a.F. den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Nach diesen Vorgaben ist die Beklagte gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX a.F. als zweitangegangener Rehabilitationsträger zuständig geworden, nachdem der Beigeladene den ersten Antrag der Klägerin vom 25. April 2016, eingegangen am 6. Mai 2016, innerhalb von zwei Wochen am 12. Mai 2016 an die Beklagte weitergeleitet hat. Durch die Weiterleitung wird der zweitangegangene Sozialleistungsträger im Außenverhältnis endgültig und abschließend zuständig. Daran können später gestellte Anträge nichts ändern. Der Prüfungsumfang beschränkt sich nicht nur auf die eigenen Leistungsgesetze; vielmehr muss der zweitangegangene Träger das Rehabilitationsbegehren behinderter Menschen unter allen rechtlichen Gesichtspunkten überprüfen (BSG, Urteil vom 14. Mai 2014 - B 11 AL 6/13 R -, SozR 4-3500 § 14 Nr. 1).

a)

Der Beklagten ist zuzugeben, dass der Gesetzeswortlaut von § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX a.F. auch einer Auslegung zugänglich ist, die Zuständigkeit des zweitangegangenen Trägers werde erst durch die Entscheidung des erstangegangenen Rehabilitationsträger begründet, den Antrag weiterzuleiten. Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 14 SGB IX a.F. zwingen aber ein vorzuziehendes Verständnis dieser Vorschrift auf, wonach die Zuständigkeit des Rehabilitationsträgers durch das Schicksal des zuerst gestellten Antrags bestimmt wird.

b)

§ 14 SGB IX a.F. trägt dem Bedürfnis Rechnung, im Interesse behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen durch eine formale Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Sozialleistungssystems entgegenzuwirken, ohne dass dadurch im Verhältnis der Rehabilitationsträger untereinander eine Leistungsverschiebung ohne Ausgleich bezweckt wird (BT-Drucks. 14/5074 S. 102). Durch die Zuständigkeitsklärung innerhalb von 14 Tagen wird das Verwaltungsverfahren vereinheitlicht und deutlich verkürzt, damit die Berechtigten wissen, an welchen Leistungsträger sie sich halten müssen, und sie die erforderlichen Leistungen schnellst möglich erhalten (BT-Drucks. 14/5074 S. 95). Die "eigentliche" Zuständigkeit nach dem jeweiligen Leistungsregime der einzelnen Sozialleistungsträger spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, weil die Versicherten davor geschützt werden sollen, selbst komplizierte Zuständigkeitsfragen zu beantworten. Nach diesem klaren gesetzgeberischen Willen haben die beim BSG für das Rehabilitationsrecht zuständigen Senate hervorgehoben, dass sich die durch den Antrag gemäß § 14 SGB IX ausgelöste Zuständigkeitszuweisung im Außenverhältnis zum Versicherten deshalb auf alle Rechtsgrundlagen erstreckt, die in dieser Bedarfssituation für alle Rehabilitationsträger (§ 6 SGB IX a.F.) vorgesehen sind. Im Verhältnis zum behinderten Menschen wird also allein durch die Antragstellung eine eigene gesetzliche Verpflichtung des erst- oder zweitangegangenen Trägers begründet, die einen endgültigen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistungen in diesem Rechtsverhältnis bildet (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 7 AL 16/04 R -, SozR 4-3250 § 14 Nr. 1, juris Rz. 15; BSG, Urteil vom 8. März 2016 - B 1 KR 27/15 R -, SozR 4-3250 § 14 Nr. 23, juris Rz. 14; BSG, Urteil vom 20. April 2016 - B 8 SO 20/14 R -, juris Rz. 15).

c)

Auch die Entstehungsgeschichte des § 14 SGB IX a.F. belegt die vom Senat vorgenommene Auslegung. Vor Inkrafttreten des SGB IX a.F. waren die behinderten Menschen mit der Situation konfrontiert, dass an den Nahtstellen der verschiedenen Leistungsbereiche und -zuständigkeiten nicht überall sachgerechte Abgrenzungs- und Verknüpfungsregelungen bestanden und die Zersplitterung der einschlägigen Rechtsvorschriften bei den einzelnen beteiligten Trägern und Stellen die Tendenz zu isolierter Betrachtung von Teilproblemen und Teillösungen förderte, während für behinderte Menschen die Eingliederungsleistungen vor allem in ihrem Zusammenwirken von Bedeutung waren (BT-Drucks. 14/5074 S. 95). Durch die Einführung des neuen Verfahrens über Zuständigkeitsklärungen nach § 14 SGB IX a.F. sollten nicht mehr gleichzeitig Anträge bei unterschiedlichen Trägern gestellt werden; vielmehr wollte der Gesetzgeber durch einen einzigen Antrag einen bürgernahen Zugang zu den erforderlichen Sozialleistungen schaffen und die Effizienz der Sozialleistungen zur Teilhabe auf der Grundlage gemeinsamen Rechts verbessern (BT-Drucks. 14/5074 S. 2). Der Entstehungsgeschichte des § 14 SGB IX a.F. ist somit zu entnehmen, dass grundsätzlich der zuerst angegangene Rehabilitationsträger die Leistung erbringen soll, und deshalb verpflichtet ist, kurzfristig festzustellen, ob er für die Leistung zuständig sein kann oder bei negativem Ergebnis den Antrag innerhalb von 2 Wochen dem Rehabilitationsträger zuzuleiten, den er nach dem Ergebnis seiner Prüfung für zuständig hält. Dadurch wird der zweitangegangene Träger unabhängig von der "eigentlichen" Zuständigkeit endgültig zuständig und darf den Antrag nicht mehr weiterleiten, wie dies noch vor Inkrafttreten des SGB IX zu Lasten der Versicherten möglich war (BT-Drucks. 14/5074 S. 102). Diese Zuständigkeitsregelung und der überschaubare Verfahrensablauf würden aber ohne ersichtlichen Grund geschwächt, wenn deren Wirksamkeit durch evtl. später gestellte Neuanträge über denselben Rehabilitationsbedarf tangiert wäre.

d)

Dem Regelungsinhalt des § 14 SGB IX a.F. ist folglich zu entnehmen, dass sich der behinderte Mensch darauf verlassen kann, durch seinen Antrag werde sein Begehren unter allen rechtlichen Gesichtspunkten durch den erst- bzw. zweitangegangenen Rehabilitationsträger abschließend geprüft, ohne dass weitere Anträge gestellt werden müssen. Ein weiterer Antrag kann schon deshalb keine Wirkung entfalten, weil andere Träger, die nicht i.S.d. § 14 SGB IX zuständig geworden sind, ihre Entscheidungsbefugnis über Teilhabeleistungen nach dem für sie geltenden Leistungsrecht verloren haben (BSG, Urteil vom 18. Mai 2011 - B 3 KR 10/10 R -, SozR 4-2500 § 33 Nr. 35, juris Rz. 20; Bayerisches LSG, Urteil vom 27. November 2012 - L 13 R 661/10 -). Konsequenterweise kann auch ein Träger, der seine Zuständigkeit nach § 14 SGB IX a.F. irrtümlich begründet hat, diese Erklärung nicht zurücknehmen, weil später ein neuer Antrag bei dem "eigentlichen" zuständigen Träger gestellt worden ist (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Mai 2008 - L 23 B 26/08 SO ER -). Die durch den ersten Antrag gemäß § 14 Abs. 1 SGB IX a.F. erfolgte Zuständigkeitsregelungen bleibt im Hinblick auf spätere Anträge bzw. Entscheidungen anderer Behörden unverändert und ist sogar für das SG verbindlich, obwohl - wie im vorliegenden Fall einer Ersatzbeschaffung prozess- und verwaltungsökonomisch sinnvoll - der "eigentliche" Leistungsverpflichtete verurteilt werden könnte.

e)

Die Klägerin hat mit ihrem Antrag vom 25. April 2016, eingegangen beim Sozialamt des Beigeladenen am 6. Mai 2016, ihr Begehren auf Kostenerstattung für eine Autismus-Therapie über die Vollendung des 21. Lebensjahres hinaus geltend gemacht. Über diesen Rehabilitationsbedarf kann es nur eine Entscheidung geben und zwar durch den Leistungsträger, der gemäß § 14 Abs. 1 SGB IX a.F. zuständig geworden ist. Diesen Antrag hat der Beigeladene innerhalb der Zwei-Wochen-Frist am 12. Mai 2016 wirksam an die Beklagte weitergeleitet, die dadurch als zweitangegangener Rehabilitationsträger zuständig geworden ist. Die Zuständigkeit der Beklagten als zweitangegangener Träger wäre auch unabhängig vom Antrag der Klägerin ausgehend von dem damals im Sozialhilferecht noch geltenden Kenntnisgrundsatz begründet worden. Denn der Folgebericht zum Antrag auf Kostenverlängerung des Autismus-Zentrums P. vom 25. April 2016 ist beim Beigeladenen am 29. April 2016 eingegangen, sodass die Weiterleitung an die Beklagte vom 12. Mai 2016 noch fristgerecht war. Bei dieser Sach- und Rechtslage stand der Klägerin bezüglich desselben Rehabilitationsbedarfs kein Rechtsschutzbedürfnis für den zweiten Antrag vom 11. Mai 2016 zur Seite, der insoweit trotz dessen Weiterleitung durch die Beklagte an das Jugendamt des Beigeladenen am 11. Mai 2016 an den ausgehend von dem ersten Antrag vom 6. Mai 2016 nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 SGB IX a.F. zu klärenden Zuständigkeitsregelungen nichts mehr ändern kann.

3.

Die Klägerin ist ein behinderter Mensch i.S.d. § 2 Abs. 1 SGB IX a.F. und kann nach Maßgabe des § 4 SGB IX Leistungen zur Teilhabe verlangen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben und in der Gesellschaft zu fördern. Als Rechtsgrundlage für ihr Begehren kommen in Betracht: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. § 26 SGB IX a.F. (ab 2018: § 42 SGB IX), aus dem Arbeitsförderungsrecht: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 127 Abs. 1 SGB III i.V.m. § 33 SGB IX a.F. (jetzt: § 49 SGB IX), aus dem Sozialhilferecht: Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 54 Abs. 1 Satz 1 (Zwölftes Buch Sozialgeetzbuch - SGB XII -) i.V.m. § 55 SGB IX a.F. (jetzt: Leistungen zur Sozialteilhabe, § 76 SGB IX) sowie aus dem Jugendhilferecht: Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII.

Die Abgrenzung zwischen medizinischer, beruflicher und sozialer Rehabilitation einschließlich der Eingliederungshilfe für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige erfolgt nicht nach den in Betracht kommenden Leistungsgegenständen; entscheidend ist vielmehr der Leistungszweck (BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 19/08 R -, SozR 4-3500 § 34 Nr. 6, juris Rz. 21 (Petö-Therapie), BSG, Urteil vom 20. September 2012 - B 8 SO 15/11 R -, SozR 4-3500 § 92 Nr. 1, juris Rz. 18, (Einbau eines Personenaufzugs); BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 - B 8 SO 7/15 R -, juris Rz. 19, (Ambulantes betreutes Wohnen); BSG, Urteil vom 6. Dezember 2018 - B 8 SO 7/17 R - juris Rz. 19, (Schulisches Nachmittagsangebot); LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19. Juni 2018 - L 7/12 AL 46/16 -, juris Rz. 26, (Autismus-Therapie)). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung stellen die hier streitigen Kosten für eine Autismus-Therapie in einem Autismus-Zentrum Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m § 55 Abs. 1 SGB IX a.F. dar.

4.

Die Autismus-Therapie ist keine Leistung zur medizinischen Rehabilitation nach § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB V i.V.m. § 26 SGB IX a.F. Erforderlich wäre insoweit bei der von Heilpädagogen geleisteten Autismus-Therapie, dass die Krankheitsbekämpfung im Vordergrund stehen muss (BSG, Urteil vom 3. September 2003 - B 1 KR 34/01 R -, juris Rz. 32; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19. September 2016 - L 1 KR 65/04 -). Ausweislich der Folgeberichte zum Antrag auf Kostenverlängerung des Autismus-Zentrums P. vom 3. November 2015 und 25. April 2016 sowie der Hilfeplanfortschreibung des Beigeladenen vom 17. Dezember 2015 ist ein unmittelbarer Krankheitsbezug, der an der Krankheit selbst bzw. an ihren Ursachen ansetzt, nicht ersichtlich. Der Schwerpunkt der Therapie liegt eindeutig in der sozialen und kommunikativen Integration sowie in der Persönlichkeitsentwicklung. Behandelt und gefördert werden Aufnahme von Kontakten und Gesprächen, Verarbeitung eigener Gefühle sowie von Absichten und Reaktionen von Mitmenschen und allgemeine Verselbständigung.

5.

Die Autismus-Therapie in einem Autismus-Zentrum ist keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben.

a)

Gemäß § 113 Abs. 1 SGB III umfassen die Leistungen an behinderte Menschen allgemeine Leistungen nach Maßgabe des § 115 SGB III sowie besondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nebst ergänzenden Leistungen nach §§ 117, 118 SGB III. Zu den besonderen Leistungen zählen auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX a.F. (§ 127 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Nach § 33 Abs. 1 SGB IX a.F. werden die erforderlichen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, um die Erwerbsfähigkeit Behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen und wiederherzustellen und ihre Teilnahme am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die Leistungen umfassen nach § 33 Abs. 6 SGB IX a.F. auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen, soweit diese Leistungen im Einzelfall erforderlich sind, um die in Abs. 1 genannten Ziele zu erreichen oder zu sichern und Krankheitsfolgen zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder ihre Verschlimmerung zu verhüten; hierzu gehören Hilfen zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz, u.a. durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen (Nr. 5). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

b)

Die Autismus-Therapie in einem Autismus-Zentrum ist nach den oben dargestellten und von der Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien nicht als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 127 Abs. 1 SGB III i.V.m. § 33 Abs. 6 SGB IX a.F. anzusehen. Primäres Ziel der Teilhabeleistung am Arbeitsleben ist die Erlangung der vollen Erwerbsfähigkeit und dadurch die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben auf Dauer (§§ 4 Abs. 1 Nr. 3, 33 Abs. 1 SGB IX a.F.). Ziel der Teilhabe am Ausbildungsplatz ist das Erlernen beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten. Der behinderte Mensch soll befähigt werden, nach Abschluss der Ausbildung eine bezahlte Erwerbsarbeit auszuüben oder eine selbstständige Tätigkeit aufzunehmen. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben müssen final auf das gesetzlich vorgesehene Ziel der positiven Entwicklung der Erwerbsfähigkeit ausgerichtet sein (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 7 AL 16/04 R -, SozR 4-3250 § 14 Nr. 1, juris Rz. 21). Der Förderrahmen muss sich folglich mit der durch die Berufsausübung beschränkten Bedarfslage decken und darauf begrenzt sein (BSG, Urteil vom 20. September 2012 - B 8 SO 15/11 R -, SozR 4-3500 § 92 Nr. 1, juris Rz. 18). Danach sind Maßnahmen, die ohne unmittelbaren Bezug zur Berufsausübung zum Bestandteil der persönlichen Lebensführung gehören, die Verbesserung der Lebensqualität bewirken sowie elementare Grundbedürfnisse befriedigen und sich auf diese Weise nur mittelbar bei der Berufsausübung auswirken, nicht durch Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben förderungsfähig. Bereits zum Geltungsbereich des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) war anerkannt, dass Maßnahmen zur Stabilisierung der Persönlichkeit und solche, die der Gewöhnung an Einordnung und an den Umgang mit anderen Menschen dienen, auch soweit dieses Ziel durch eine Beschäftigungstherapie oder die Ausübung von Arbeit angestrebt wird, nicht zu den durch die Arbeitsverwaltung zu erbringenden Eingliederungsleistungen gehören (BSG, Urteil vom 26. Mai 1976 - 12/7 RAr 41/75 -, SozR 4100 § 56 Nr. 4, juris Rz. 10). Es ist nämlich für die Qualifizierung einer Maßnahme als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht ausreichend, wenn diese positiven Auswirkungen in allen Bereichen des täglichen Lebens des behinderten Menschen haben kann (BSG, Urteil vom 18. Juli 2019 - B 8 SO 4/18 R -, Rz. 16 (Versorgung mit Brille wegen Sehschwäche)).

c)

Soweit das SG ausdrücklich von der Spruchpraxis des erkennenden Senates abweichen will, weil nach seiner Auffassung bei Teilhabeleistungen am Arbeitsleben ein nur mittelbarer Bezug zu der Maßnahme ausreiche, wäre es zumindest zu erwarten gewesen, dass das SG sich mit der die Auffassung des Senates bestätigenden BSG-Rechtsprechung auseinandersetzt, die höhere Anforderungen stellt und ausdrücklich einen unmittelbaren Bezug verlangt (z.B. BSG, Urteil vom 6. Dezember 2018 - B 8 SO 7/17 R - Rz. 19; so bereits BSG, Urteil vom 9. November 1983 - 7 RAr 48/82 -, SozR 4100 § 56 Nr. 14), was jedoch mit keinem Wort geschehen ist. Völlig unverständlich in diesem Zusammenhang ist der Einwand des SG, § 33 Abs. 6 Nr. 5 SGB IX a.F. würde ansonsten leerlaufen, weil die in Betracht kommenden Hilfeleistungen nie einen unmittelbaren Bezug zum Arbeitsleben hätten. Vielmehr sind nach Auffassung des Senates zahlreiche Konstellationen denkbar, in denen ein auf den Arbeitsplatz zugeschnittener Förderbedarf durch eine arbeitsplatzbezogene Maßnahme gedeckt wird. Von § 33 Abs. 6 Nr. 5 SGB IX a.F. dürfte eine Maßnahme erfasst werden, in der z.B. der Therapeut vor Ort zunächst als teilnehmender Beobachter bei Gesprächen mit anderen Auszubildenden und mit den Ausbildern anwesend ist, um anschließend im Betrieb eine individuelle Behandlung des behinderten Menschen unter Berücksichtigung der dort gewonnenen Erkenntnisse über Anforderung und evtl. Konflikte am Ausbildungsplatz durchzuführen.

d)

Der erforderliche überwiegende Bezug der Autismus-Therapie in einem Autismus-Zentrum zu der im Streitzeitraum absolvierten Berufsausbildung der Klägerin zur Fachpraktikantin in der Hauswirtschaft in einem Berufsbildungswerk ist an Hand des Folgeberichtes des Autismus-Zentrums P. vom 25. April 2016 nicht feststellbar.

aa)

Dies ergibt sich bereits daraus, dass sich der im April 2016 festgestellte Therapiebedarf und der vorgeschlagene Therapieverlauf im Wesentlichen nicht von den früheren jährlichen Berichten an den Beigeladenen unterscheiden, in denen nicht die Berufsausbildung, sondern die schulische Inklusion im Vordergrund stand. Bereits im ersten Hilfeplan des Beigeladenen vom 1. Oktober 2010 wurden u.a. als Therapieziele formuliert: Fachspezifische Hilfen bei der Interaktion und Kommunikation, Hilfe bei der Entwicklung einer realistischen, schulisch/beruflichen Perspektive vor dem Hintergrund der Erkrankung, Hilfe bei der Tagestrukturierung und Planen von Arbeitsabläufen, Hilfe bei der Entwicklung von Fähigkeiten zur Kontaktaufnahme und zum Erhalt von tragfesten Beziehungen zu Mitmenschen. Diese Therapieziele wiederholen sich unverändert in den späteren Hilfeplänen des Beigeladenen und finden sich auch jeweils in den jährlichen Berichten des Autismus-Zentrums P. wieder. Leistungsrechtlich liegt aber eine Maßnahme zur beruflichen Rehabilitation nur dann vor, wenn die Leistungen nach Zweck und näherer Ausgestaltung nicht der allgemeinen Besserung der Persönlichkeitsentwicklung dienen, sondern in erster Linie die Herstellung und Erhaltung von Erwerbsmöglichkeiten bezwecken. Der Klägerin ist aber der Nachweis nicht gelungen, was sich seit Beginn der Ausbildung - mit Ausnahme der Stresssituation vor Zwischenprüfungen - im Förderbedarf und in den Therapiezielen geändert haben soll.

bb)

Nach dem Folgebericht zum Antrag auf Kostenverlängerung des Autismus-Zentrums P. vom 25. April 2016 war Gegenstand der im Streitzeitraum vorgesehenen Autismus-Therapie - wie in den Jahren davor - die Behandlung der autismusspezifischen Symptombereiche wie gegenseitige soziale Interaktionen, kommunikativer Ausdruck, Begrenzung repetitiver stereotypischer Verhaltensmuster, Sensibilisierung für die eigenen Gefühle, Entwicklung von eigenen Zielen, Gefühle und Absichten von Mitmenschen erkennen und entsprechende Reaktion, Kontaktaufbau zu Gleichaltrigen, Überdenken des eigenen Verhaltens, Umgang mit Konflikten, Aufarbeitung von Mobbing-Situationen während der früheren Schulzeit, Verselbständigung in einer eigenen Wohnung. Diese Ziele gehen weit über die durch die Berufsausbildung bedingte Bedarfslage hinaus und bezwecken vordergründig die soziale Integration der Klägerin in den Bereichen Familie, Wohnen und im Umgang mit anderen Menschen. Damit scheiden Teilhabeleistungen am Arbeitsleben aus.

e)

Die externe Autismus-Therapie war schließlich nicht für die Absolvierung der Berufsausbildung im Berufsförderungswerk des Christopheros-Werk Lingen i.S.d. § 33 Abs.1 SGB IX a.F. erforderlich. Beim Berufsbildungswerk Lingen handelt es sich um eine nach § 35 SGB IX a.F. anerkannte berufliche Einrichtung, schwerpunktmäßig durch behinderungsgerechte Infrastruktur und Logistik sowie zusätzliche begleitende Dienste für die Ausbildung und Förderung von jungen Menschen mit Autismus-Störungen ausgerichtet. Nach der im Klageverfahren eingeholten Auskunft des Berufsbildungswerkes vom 20. Januar 2017 erfolgen die spezifischen Unterstützungsleistungen für diesen Personenkreis durch Coaching und Anleitung am Arbeitsplatz, autismusspezifisches soziales Kompetenztraining, behindertengerechte Visualisierung und Bereitstellung von Lernmaterialien, Betreuung durch kompetentes und zusätzlich ausgebildetes Personal. Mangels abweichenden Vortrags geht der Senat davon aus, dass die Einrichtung die behinderungsbedingten Hilfestellungen zur Bewältigung der Anforderungen am Ausbildungsplatz und im Umgang mit weiteren Auszubildenden und mit dem Ausbilder erbracht hat. Die Klägerin hat keinen einzelnen Vorgang geschildet, bei dem die erforderliche Hilfestellung des Berufsbildungswerkes unzureichend gewesen wäre und erst durch die externe Autismus-Therapie erbracht wurde.

f) Daran kann die von dem Beigeladenen zitierte Entscheidung des 8. Senates des LSG Niedersachsen-Bremen vom 28. November 2019 - L 8 SO 240/18 - nichts ändern. Dort war darüber zu entscheiden, ob die Autismus-Therapie bei einem achtjährigen seelisch und geistig behinderten Kind als "Hilfe zur angemessenen Schulbildung" nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII a.F. (also wie bei der Klägerin im Falle einer "nur" seelischen Störung nach § 35a SGB VIII bedarfsunabhängig) oder bedarfsabhängig als "Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft" zu fördern war. Der 8. Senat hat sich zutreffend für die erste Variante entschieden, weil die Autismus-Therapie zu einem erfolgreichen Schulbesuch beitragen würde; es sei nicht erforderlich, dass die Maßnahme allein auf den Schulbesuch ausgerichtet sei. Der inhaltliche Unterschied zu der hier streitigen Maßnahme ist augenfällig. Bei dem Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht geht es um das Erlernen von grundlegenden Kulturtechniken wie Lesen und Schreiben sowie um Sprachverständnis und um Arbeitsverhalten im Unterricht, die sich weitgehend mit den Therapiezielen einer Autismus-Therapie decken. Bei der hier streitigen Berufsausbildung ist der Förderbedarf aber auf das Erlernen von berufspraktischen Fertigkeiten begrenzt. Ausschlaggebend ist zudem der unterschiedliche normative Ausgangspunkt. Denn gemäß § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfeverordnung ist es im Sozialhilferecht ausreichend, wenn die Hilfe geeignet und erforderlich ist, um "den Schulbesuch zu ermöglichen und zu erleichtern", was vom 8. Senat bejaht worden ist, weil die Schule keine autismusspezifische Hilfe angeboten hat. Im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist es aber nicht ausreichend, wenn die Maßnahme für Eingliederungsbemühungen in den Arbeitsmarkt von Vorteil ist, in erster Linie aber die Entwicklung der Persönlichkeitsstruktur und die Verbesserung der Lebensqualität bewirkt und sich auf diese Weise nur mittelbar auf die Berufsausübung auswirkt. Des Weiteren hat die Klägerin hier von der Einrichtung eine ausbildungsplatzbezogene, autismusspezifische Unterstützung und Beratung erhalten.

6. Die von der Klägerin durchlaufende Autismus-Therapie im Autismus-Zentrum P. gehört zu den Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.

a) Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX a.F. werden Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erbracht, um den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen oder zu sichern oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflegemaßnahmen zu machen. Die Leistungen zur sozialen Teilhabe haben das Ziel, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der behinderten Menschen zu fördern und ihnen einen angemessenen Platz in der Gesellschaft zu gewährleisten. Sie sollen die Chance haben, selbstbestimmt und gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen (§§ 1, 4 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX). Anders als bei den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ist für dieses Hilfsangebot bereits die Möglichkeit einer Verbesserung der Teilnahme am Leben in der Gesellschaft nach einem individuellen und personenzentrierten Maßstab ausreichend (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 8 SO 18/12 R - juris Rz 15; ausführlich. Scheider in Schellhorn/Hohm, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 54 Rz. 65).

b) Die Autismus-Therapie war als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erforderlich und geeignet, wie sich aus den Behandlungsberichten des Autismus-Zentrums P. ergibt. Die Klägerin hat während der Therapie in einigen Bereichen Fortschritte erzielt. Wie aus dem Folgebericht zum Antrag auf Kostenverlängerung vom 25. April 2016 ersichtlich, ist die Therapie noch nicht als adäquat abgeschlossen anzusehen, weil diverse Therapieziele weiterentwickelt und verfestigt werden müssen. Sowohl der vorgeschlagene Therapieumfang von maximal 10 Stunden monatlich als auch die Höhe des abgerechneten Honorars sind angemessen und stimmen mit den vom Beigeladenen zuvor gewährten Leistungen überein.

c) Leistungen zur Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach § 54 SGB XII sind gemäß § 19 Abs. 3 SGB XII bedarfsabhängig. Bei volljährigen Antragstellern kommt es aber nur auf das Einkommen und Vermögen des behinderten Menschen an und nicht auf die finanzielle Situation von dessen Eltern. Von der Vermögensanrechnung ausgenommen sind kleine Barbeträge oder sonstige Geldwerte, wobei eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen ist (§ 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII). Die Höhe dieses Schonvermögens ist auf der Grundlage der Ermächtigung des § 96 Abs. 2 SGB XII durch die Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII geregelt, die in der gültigen Fassung bis zum 31. Dezember 2016 (BGBl. I 2003, 3022) einen Freibetrag von 2.600 Euro vorsah (§1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b). Ab dem 1. Januar 2017 ist aufgrund der Übergangsvorschrift in § 60a SGB XII für Eingliederungsleistungen ein zusätzlicher Freibetrag von 25.000 Euro vorgesehen.

d) Die Klägerin kann die angefallenen Therapiekosten erst ab Januar 2017 nicht durch Einsatz eigenen Einkommens oder Vermögens bestreiten. Das Vermögen der Klägerin bestehend aus dem Bausparvertrag bei Wüstenrot im Oktober 2016 in Höhe von 2.625 Euro überschreitet den Freibetrag von 2.600 Euro unabhängig davon, dass die Klägerin der wiederholten Aufforderung des Senates nicht nachgekommen ist, vollständige Auszüge beider Konten bei der Volksbank Süd-Emsland vorzulegen. Die Verwertung eines Bausparvertrages bedeutet keine besondere Härte nach § 90 Abs. 3 SGB XII, selbst wenn bei vorzeitiger Kündigung eine Arbeitnehmer-Sparzulage und Wohnungsbauprämie zurückzuzahlen sind, weil es sich um Risiken der gewählten Kapitalanlage handelt (Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Januar 2000 - 22 A 4467/95 -). Eine Kostenerstattung für den Zeitraum Oktober - Dezember 2016 scheidet aus und die Klage war insoweit abzuweisen.

Anders ist die Situation ab dem 1. Januar 2017. Den höheren Freibetrag gemäß § 60a SGB XII überschreitet das Vermögen der Klägerin ab Januar 2017 nicht. Das bezogene Ausbildungsgeld von 360 Euro monatlich steht dem Leistungsanspruch nicht entgegen (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII). Die Klägerin kann folglich eine Kostenerstattung der Therapiekosten im Zeitraum Januar - Mai 2017 in Höhe von 1275 Euro verlangen.

7. Der Anspruch der Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wird nicht durch Ansprüche aus dem Kinder- und Jugendhilferecht verdrängt, die insoweit gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII vorrangig wären. Denn die Rückausnahmevorschrift des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII ist nicht einschlägig, weil bei der Klägerin nur eine seelische Behinderung vorliegt. Obwohl für Ansprüche aus dem SGB VIII originär der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gegeben ist, sind diese in einem Rechtsstreit in vollem Umfange vor dem SG überprüfbar, wenn ein anderer Rehabilitationsträger im Wege seiner umfassenden Zuständigkeit nach § 14 SGB IX über Ansprüche aus dem Jugendhilferecht entscheidet oder entscheiden musste (BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 - B 8 SO 7/15 R -). Der Klägerin stehen aber keine Leistungen aus § 41 SGB VIII zu.

a) Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII soll einem jungen Volljährigen (zwischen 18 und 27 Jahren, § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII) Hilfe für die Persönlichkeitsentwicklung und zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung gewährt werden, wenn und solange die Hilfe aufgrund der individuellen Situation des jungen Menschen notwendig ist. Die Hilfe wird in der Regel nur bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gewährt; in begründeten Einzelfällen soll sie für einen begrenzten Zeitraum darüber hinaus fortgesetzt werden (§ 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Der Gesetzgeber geht mit dieser Regelung davon aus, dass mit Vollendung des 21. Lebensjahres die Persönlichkeitsentwicklung abgeschlossen ist, sodass Eingliederungshilfe für junge Volljährige mit Erreichen dieses Alters grundsätzlich beendet ist und nur in begründeten Ausnahmefällen eine davor begründende Hilfe zu einem sinnvollen Abschluss gebracht werden soll. Die Regelung des § 41 Abs.1 Satz 2 SGB VIII hat absoluten Ausnahmecharakter; für deren Anwendung sind strenge Anforderung zu stellen (Stähr in Hauck/Noftz, SGB VIII-Kommentar, § 41 Rz. 14; Schmied-Upkirchner in Wiesner, SGB VIII, 5. Aufl. 2015, § 41 Rz. 26). Ein begründeter Einzelfall für eine Fortsetzungshilfe bezüglich eines begrenzten Zeitraums i.S.d. § 41 Abs. 1 Satz 2 2. Halbs. SGB VIII liegt vor, wenn es aufgrund der individuellen Situation des Hilfesuchenden inhaltlich nicht sinnvoll ist, die Hilfe - wie im Regelfall - mit dem 21. Lebensjahr zu beenden (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 12 A 391/13 -).

b) Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, das Sollermessen des § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII dahingehend auszuüben, dass die Klägerin für den Streitzeitraum Hilfeleistungen nach §§ 41 Abs. 2, 35a SGB VIII beanspruchen kann. Zwar kann ein begründeter Einzelfall vorliegen, wenn eine Ausbildung ohne Hilfeleistung abgebrochen werden müsste (Winkler in BeckOK Sozialrecht, Stand: Dezember 2019, § 41 SGB VIII Rz.20). Diese Befürchtung ist vorliegend jedoch nicht gegeben, weil nach dem oben Geschilderten die Autismus-Therapie nicht für die Durchführung der Berufsausbildung zur Fachpraktikerin in der Hauswirtschaft beim Berufsförderungswerk R. bzw. für deren erfolgreichen Abschluss erforderlich war. Es kommt hinzu, dass der Behandlungsbedarf der Klägerin nicht nur für einen überschaubaren Zeitraum, etwa bis zum Abschluss der Ausbildung im Juni 2017, gegeben war, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus bestanden hat und danach im Autismus Zentrum mit derselben Therapie auch behandelt worden ist. Weitere Anhaltspunkte für einen atypischen Sachverhalt werden von der Klägerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht erkennbar. 8. Die Kostenentscheidung beruht auf Anwendung des § 193 SGG. Diese ergeht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Ausgangs des Rechtsstreits sowie des weiteren Umstandes, wer Anlass für die Klageerhebung gegeben hat (B. Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 193 Rz. 12ff.). Eine Kostenbeteiligung der Beklagten ist deshalb gerechtfertigt, weil sie entgegen ihrer Verpflichtung aus § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX a.F. der Klägerin die gebotenen Eingliederungsleistungen nicht zugesprochen hat, obwohl sie davon ausgegangen war, dass die Klägerin einen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft hatte.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.